Die Klagen werden abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Gerichtskosten werden in Verfahren der vorliegenden Art nicht erhoben.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von passiven Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende nach den Bestimmungen des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitssuchende – (SGB II).
Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes verweist die Kammer gemäß § 105 Abs 1 S 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) iVm § 136 Abs 2 S 1 SGG auf die Ausführungen auf Seite 2 (dort unter "I.") bis Seite 3 (dort bis vor "II.") des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 25. September 2014, mit dem dieser den Widerspruch des Klägers vom 25. August 2014 gegen die ablehnende Entscheidung des Beklagten vom 31. Juli 2014 als unbegründet zurückwies. Wegen der Begründung des Beklagten verweist die Kammer gemäß § 105 Abs 1 S 3 SGG iVm § 136 Abs 2 S 1 SGG auf die Ausführungen auf Seite 3 (dort ab "II.") bis Seite 8 (dort bis zum Wort "Rechtsbehelfsbelehrung") des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 25. September 2014.
Mit Schriftsatz vom 28. Oktober 2014 – bei dem Sozialgericht Neuruppin am 29. Oktober 2014 eingegangen – hat der Kläger bei dem erkennenden Gericht Klage erhoben, mit der er sein auf Gewährung von passiven Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II gerichtetes Begehren weiter verfolgt. Er meint im Wesentlichen, die Leistungsausschlussgründe des § 7 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB II und § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II lägen nicht vor: Zum einen habe der Kläger keinen Aufenthaltsstatus zum Zwecke der Arbeitssuche. Der Kläger gelte schon mit Blick auf seine steuerliche Erfassung als Arbeitnehmer. Im Übrigen habe der Kläger als Unionsbürger aufgrund einer Vorbeschäftigung den Arbeitnehmerstatus erlangt. Zum anderen greife der Leistungsausschluss generell nur, sofern die Arbeitssuche alleiniger Zweck des Aufenthaltes sei. Weil aber die Ehefrau des Klägers bis Ende 2014 noch einer Beschäftigung in der Republik Polen und einer geringfügigen Beschäftigung in der Bundesrepublik Deutschland nachgegangen sei und daher als Arbeitnehmerin gegolten habe, stehe dem Kläger auch das Aufenthaltsrecht als Familienangehöriger zu. Im Übrigen seien dem Kläger ohnehin nach "höchster Rechtsprechung" jedenfalls nach sechs Monaten Grundsicherungsleistungen zu gewähren.
Der Kläger beantragt (nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen sinngemäß),
die mit dem Bescheid des Beklagten vom 31. Juli 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. September 2014 verlautbarte ablehnende Verfügung aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm passive Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende nach dem SGB II mit Wirkung ab dem 24. August 2014 zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung seines Antrages macht er im Wesentlichen geltend, der Kläger, der im sozialgerichtlichen Verfahren nur seine individuellen Ansprüche und nicht auch diejenigen seiner Ehefrau und seiner Tochter geltend machen könne, unterliege jedenfalls dem Leistungsausschlussgrund des § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II, weil sich sein Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergebe. Zwar greife dieser Ausschlussgrund nicht ein, wenn sich der Kläger als Arbeitnehmer im Bundesgebiet aufhalte. Diese Voraussetzung habe jedoch nicht vorgelegen, weil der Kläger (nur) in der Republik Polen Arbeitnehmer gewesen sei, woran sich durch dessen Eigenschaft als Grenzgänger auch nichts ändere. Mangels eines Beschäftigungsverhältnisses in der Bundesrepublik Deutschland liege kein Aufenthalt als Arbeitnehmer im Sinne des § 2 Abs 2 Nr 1, Alt 1 FreizügG/EU vor. Lediglich der Bezug des Arbeitslosengeldes bis zum 23. August 2014 habe einen Bezug zum deutschen Arbeitsmarkt vermittelt. Dies habe zur Folge gehabt, dass ihm (nur) bis zu diesem Zeitpunkt ergänzende Leistungen nach dem SGB II zugestanden hätten. Mit dem Wegfall des Bezuges von Arbeitslosengeld sei auch der Arbeitsmarktbezug weggefallen, so dass dem Kläger folgerichtig auch nicht erneut Leistungen nach dem SGB II zu gewähren gewesen seien. Die Voraussetzungen für eine Freizügigkeitsberechtigung nach § 2 Abs 2 Nr 3 FreizügG/EU und § 2 Abs 2 Nr 4 FreizügG/EU sowie § 2 Abs 2 Nr 7 FreizügG/EU oder als Familienangehöriger nach § 2 Abs 2 Nr 6, § 3 FreizügG/EU lägen nicht vor. Aufgrund der Hilfebedürftigkeit im Sinne des § 7 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB II scheide auch eine Freizügigkeitsberechtigung als Nicht-Erwerbstätiger nach § 2 Abs 2 Nr 5, § 4 FreizügG/EU aus. Der Kläger könne sein Aufenthaltsrecht auch nicht als Familienangehöriger der in § 2 Abs 2 Nr 1 bis 5 FreizügG/EU genannten Unionsbürger ableiten, weil die Ehefrau des Klägers angesichts ihrer völlig untergeordneten und unwesentlichen Arbeitsleistung nicht zum Personenkreis der Arbeitnehmer gehört habe. Ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht nach § 25 Abs 4 des Aufenthaltsgesetzes aufgrund einer Aufenthaltserlaubnis aus dringenden humanitären oder persönlichen Gründen sei schon dem Grunde nach nicht geeignet, dem Leistungsausschluss entgegen zu stehen. Schließlich folge für den Kläger auch ein Aufenthaltsrecht nicht aus Art 10 VO 492/2011/EU, weil die damals 2 1/2 Jahre alte Tochter des Klägers weder am allgemeinen Unterricht noch an einer Lehrlings- und Berufsausbildung teilgenommen habe.
Mit Beschluss vom 26. September 2018 hat das Gericht den Landkreis Uckermark als Träger der Sozialhilfe beigeladen.
Der Beigeladene beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, klagegegenständlicher Zeitraum sei der 24. August 2014 bis zum 23. November 2014, weil der Kläger am 24. November 2014 eine Tätigkeit aufgenommen habe. Wenn sich ein Aufenthaltsrecht des Klägers allein aus dem Zwecke der Arbeitssuche ergebe, sei ein Anspruch nach dem SGB XII in Betracht zu ziehen. Allerdings sei der Kläger schon wegen § 21 S 1 SGB XII von Leistungen nach dem SGB XII ausgeschlossen, weil er als erwerbsfähiger Hilfebedürftiger vom Grundsatz alle Voraussetzungen des Leistungsanspruches nach § 7 Abs 1 S 1 SGB II erfülle. Grundsätzlich komme zwar ein Anspruch aus § 23 Abs 1 S 3 SGB XII in Betracht. Diese Ermessensnorm setze aber voraus, dass eine Leistungserbringung im konkreten Einzelfall gerechtfertigt sei. Nicht bereits der Umstand, dass sich der Kläger länger als sechs Monate in der Bundesrepublik Deutschland aufhalte, führe für sich allein zu einer Ermessensreduzierung auf Null. Es liege insbesondere keine Aufenthaltsverfestigung vor: Der Kläger und seine Ehefrau hätten nie versicherungspflichtig in der Bundesrepublik Deutschland gearbeitet. Der Kläger und seine Ehefrau seien in der Republik Polen gemeldet, sie verfügten dort über ein Girokonto, über welches auch eine Vielzahl von Buchungen abgewickelt worden seien. Im Übrigen sei auch noch darauf hinzuweisen, dass Sozialhilfe nicht nur einkommens-, sondern auch vermögensabhängig sei. Der Kläger sei jedenfalls auch Eigentümer eines Kraftfahrzeuges sowie einer Eigentumswohnung im polnischen Lezno; Letztere sei zwar angesichts des seiner Mutter eingeräumten lebenslangen Wohnrechts nicht sofort verwertbar. Indes komme vor diesem Hintergrund ohnehin nur eine darlehensweise Gewährung von Sozialhilfeleistungen in Betracht, die wegen des in der Vergangenheit liegenden Zeitraumes mangels Behebbarkeit einer etwaigen Notlage ausgeschlossen sei. Darüber hinaus seien die Eigentumsverhältnisse an der Wohnung in Stettin, wo der Kläger und seine Familie ebenfalls gemeldet seien, unklar.
Das Gericht hat die Beteiligten mit Verfügung vom 17. Februar 2020 zur beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie die Prozessakte und die den Kläger, dessen Ehefrau und dessen Tochter betreffenden Verwaltungsakten Bezug genommen, die Gegenstand der Entscheidungsfindung waren.
Entscheidungsgründe:
Die Klagen, über die die Kammer gemäß § 105 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) durch Gerichtsbescheid entscheiden konnte, weil die Sache keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten aufweist, der Sachverhalt geklärt ist, die Beteiligten zuvor mit Verfügung vom 25. November 2019 zu dieser beabsichtigten Entscheidungsform ordnungsgemäß angehört worden sind, eine ausdrückliche Zustimmung der Beteiligten hierzu nicht erforderlich ist und weil das Gericht – ebenso wie im Rahmen der mündlichen Verhandlung – weder zur Darstellung seiner Rechtsansicht (vgl Bundessozialgericht, Beschluss vom 03. April 2014 – B 2 U 308/13 B, RdNr 8 mwN) noch zu einem umfassenden Rechtsgespräch verpflichtet ist (vgl Bundessozialgericht, Urteil vom 30. Oktober 2014 – B 5 R 8/14 R, RdNr 23), haben keinen Erfolg.
1. a) Gegenstand des Klageverfahrens ist die mit dem Bescheid des Beklagten vom 31. Juli 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. September 2014 verlautbarte ablehnende Verfügung, mit der er die Gewährung von passiven Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende nach den Bestimmungen des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) mit Wirkung ab dem 24. August 2014 abgelehnt hat. Streitgegenstand ist deshalb der Anspruch des Klägers auf Gewährung von passiven Grundsicherungsleistungen nach den Bestimmungen des SGB II ab diesem Zeitpunkt, ohne dass der Kläger den Zeitraum begrenzt hätte.
b) Nicht Streitgegenstand ist indes ein etwaiger Anspruch des Klägers gegen den Beigeladenen auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB XII, weil der anwaltlich vertretene Kläger insoweit einen entsprechenden prozessualen (Hilfs-)Antrag nicht gestellt hat. Gegen diese Auslegung sprechen auch nicht die Regelung des § 123 SGG und die damit einhergehenden "Vergünstigungen" durch Aspekte der "Meistbegünstigung" (vgl hierzu nur Bundessozialgericht, Urteil vom 07. November 2006 – B 7b AS 8/06 R, RdNr 11 mwN). Nach der genannten Vorschrift des § 123 SGG entscheidet das Gericht zwar über die von der Klägerin oder dem Kläger erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein. Indes ist bei einem von einem Rechtsanwalt oder einem anderen qualifizierten Prozessbevollmächtigten gestellten Antrag in der Regel – und auch hier – anzunehmen, dass dieser das Gewollte richtig wiedergibt (vgl Bundessozialgericht, Beschluss vom 05. Juni 2014 – B 10 ÜG 29/13 B, RdNr 12 mwN), weshalb auch für eine anderweitige (erweiternde) Auslegung oder gar "Umdeutung" kein Raum verbleibt. Von professionell vertretenen Klägern darf insoweit eine konkrete und unmissverständliche Antragstellung und entsprechende Verfolgung von Ansprüchen erwartet werden.
2. a) Zutreffend verfolgt der Kläger sein Begehren im Wege einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 S 1 Regelung 1, § 54 Abs 4 SGG und § 56 SGG), mit der er die Gewährung von Leistungen unter Aufhebung der ablehnenden Verfügung zu erreichen sucht. Das so verstandene statthafte Anfechtungs- und Leistungsbegehren ist auch im Übrigen zulässig.
b) aa) Soweit das Vorbringen des Klägers auch dahin verstanden werden könnte, dass er darüber hinaus auch Leistungsansprüche für seine Ehefrau und seine Tochter geltend machen möchte, würden sich die hierauf gerichteten kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklagen (§ 54 Abs 1 S 1 Regelung 1 SGG, § 56 Abs 4 SGG und § 56 SGG sowie § 74 SGG iVm § 59 der Zivilprozessordnung (ZPO) und § 60 ZPO) indes als unzulässig erweisen. Denn das klägerische Vorbringen kann nicht dahin ausgelegt werden, dass neben dem schriftsätzlich im Rubrum ausdrücklich allein genannten Kläger mit ihm auch Individualansprüche der weiteren Mitgliedes der Bedarfsgemeinschaft – der Ehefrau und der Tochter des Klägers – geltend gemacht werden. Die vom Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 07. November 2006 – B 7b AS 8/06 R – (dort RdNr 14 aE) zur Vermeidung von Irritationen bei den Betroffenen hinsichtlich des Rechtsinstituts der Bedarfsgemeinschaft "geschaffene" Übergangszeit (bis zum 30. Juni 2007) ist seit langem und war auch zum Zeitpunkt der Klageerhebung abgelaufen. Weil die Richtigkeit der Einräumung einer solchen Frist bei professionell vertretenen Klägern ohnehin zweifelhaft ist, besteht regelmäßig – zumindest bei professionell vertretenen Klägern – keine Befugnis des Gerichts, über die Ansprüche sämtlicher Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft in der Sache zu entscheiden, wenn – wie hier – nur ausdrücklich für ein anderes Mitglied der Bedarfsgemeinschaft Klagen erhoben worden sind (vgl dazu etwa Sozialgericht Neuruppin, Gerichtsbescheid vom 12. Oktober 2015 – S 26 AS 259/11, RdNr 21 mwN).
bb) Gegen diese Auslegung sprechen auch hier nicht die Regelung des § 123 SGG und die damit einhergehenden "Vergünstigungen" durch Aspekte der "Meistbegünstigung". Nach der genannten Vorschrift des § 123 SGG entscheidet das Gericht zwar über die von der Klägerin oder dem Kläger erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein. Indes ist bei einem von einem Rechtsanwalt oder einem anderen qualifizierten Prozessbevollmächtigten gestellten Antrag in der Regel – und auch hier – anzunehmen, dass dieser das Gewollte richtig wiedergibt, weshalb auch hier für eine anderweitige (erweiternde) Auslegung oder gar "Umdeutung" kein Raum verbleibt, zumal nicht erkennbar ist, dass sämtliche Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft jeweils ihre eigenen Ansprüche verfolgen. Von professionell vertretenen Klägern darf auch insoweit eine konkrete und unmissverständliche Antragstellung und entsprechende Verfolgung von Ansprüchen erwartet werden.
3. Das danach allein zulässige Anfechtungsbegehren des Klägers ist jedoch nicht begründet, weil die Entscheidung des Beklagten in seinem Bescheid vom 31. Juli 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. September 2014 rechtmäßig ist und der Kläger hierdurch nicht in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten beschwert wird (§ 54 Abs 2 S 1 SGG).
a) Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch des Klägers gegenüber dem Beklagten auf Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II sind die §§ 19 ff iVm §§ 7 ff SGB II, jeweils in der Fassung, die die genannten Vorschriften vor dem Beginn des streitgegenständlichen Zeitraums hatten, weil in Rechtsstreitigkeiten über bereits abgeschlossene Bewilligungszeiträume das zum damaligen Zeitpunkt geltende Recht anzuwenden ist (sog Geltungszeitraumprinzip, vgl dazu nur Bundessozialgericht, Urteil vom 11. Juli 2019 – B 14 AS 44/18 R, RdNr 12 mWN).
b) aa) Dem Kläger stehen bereits dem Grunde nach keine Ansprüche auf Gewährung von Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende nach dem SGB II zu. Insoweit hat der Beklagte die Gewährung entsprechender Leistungen zu Recht abgelehnt, weil der Kläger nach Maßgabe des § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II aF von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen ist. Nach § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II aF sind "ausgenommen" – also keine leistungsberechtigten Personen im Sinne des § 7 Abs 1 S 1 SGB II aF und § 7 Abs 2 SGB II und ohne Leistungsberechtigung nach dem SGB II – Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen. Von diesem Leistungsausschluss umfasst sind erst recht die Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten der EU, die keine deutsche Staatsangehörigkeit besitzen (EU-Ausländer) und nicht über eine materielle Freizügigkeitsberechtigung nach dem Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (Freizügigkeitsgesetz/EU – FreizügG/EU) oder ein Aufenthaltsrecht nach dem Aufenthaltsgesetz (AufenthG) verfügen (vgl Bundessozialgericht, Urteil vom 12. September 2018 – B 14 AS 18/17 R, RdNr 17 unter Hinweis auf Bundessozialgericht vom 30. August 2017 – B 14 AS 31/16 R, RdNr 22; Bundessozialgericht, Urteil vom 09. August 2018 – B 14 AS 32/17 R, RdNr 18; so seit dem 29. Dezember 2016 im Übrigen auch § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 Buchst a SGB II).
bb) Wie der Beklagte zu Recht entschieden hat, ergibt sich das Aufenthaltsrecht des Klägers allein aus dem Zweck der Arbeitssuche. Er kann sich nicht auf materielle Freizügigkeitsberechtigungen nach dem FreizügG/EU oder ein Aufenthaltsrecht nach dem AufenthG berufen, die nicht von diesem Leistungsausschluss umfasst sind.
aaa) Die Voraussetzungen für eine Freizügigkeitsberechtigung nach § 2 Abs 2 Nr 1 FreizügG/EU liegen mangels Arbeitnehmereigenschaft des Klägers in der Bundesrepublik Deutschland nicht vor.
bbb) Auch folgt eine Freizügigkeitsberechtigung offenkundig nicht aus § 2 Abs 2 Nr 1a FreizügG/EU bis § 2 Abs 2 Nr 4 FreizügG/EU.
ccc) Aufgrund der Hilfebedürftigkeit des Klägers im Sinne des § 7 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB II scheidet auch eine Freizügigkeitsberechtigung als Nicht-Erwerbstätiger nach § 2 Abs 2 Nr 5, § 4 FreizügG/EU aus.
ddd) Auch liegen die Voraussetzungen des § 2 Abs 2 Nr 6, § 3 FreizügG/EU ersichtlich nicht vor. Der Kläger kann sein Aufenthaltsrecht nicht als Familienangehöriger von den in § 2 Abs 2 Nr 1 bis 5 FreizügG/EU genannten Unionsbürgern ableiten, weil die Ehefrau des Klägers angesichts ihrer völlig untergeordneten und unwesentlichen Arbeitsleistung nicht zum Personenkreis der Arbeitnehmer gehört hat.
eee) Keine Anhaltspunkte gibt es dafür, dass der Kläger über ein Daueraufenthaltsrecht nach § 2 Abs 2 Nr 7, § 4a FreizügG/EU verfügt haben könnte. Für dessen Begründung genügt nicht bereits ein aufgrund der generellen Freizügigkeitsvermutung als rechtmäßig anzusehender Aufenthalt (vgl Bundessozialgericht, Urteil vom 12. September 2018 – B 14 AS 18/17 R, RdNr 26 unter Hinweis auf Bundessozialgericht, Urteil vom 30. August 2017 – B 14 AS 31/16 R, RdNr 23 sowie Bundessozialgericht, Urteil vom 09. August 2018 – B 14 AS 32/17 R, RdNr 20).
fff) Auch ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht nach § 25 Abs 4 des Aufenthaltsgesetzes aufgrund einer Aufenthaltserlaubnis aus dringenden humanitären oder persönlichen Gründen ist schon dem Grunde nach nicht geeignet, dem Leistungsausschluss entgegen zu stehen.
ggg) Schließlich folgt für den Kläger auch kein Aufenthaltsrecht aus Art 10 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 05. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union (ABl. L 141 vom 27. Mai 2011, S 1), die durch die Verordnung (EU) 2016/589 (ABl. L 107 vom 22. April 2016, S 1) geändert worden ist, weil die damals 2 1/2 Jahre alte Tochter des Klägers weder am allgemeinen Unterricht noch an einer Lehrlings- und Berufsausbildung teilgenommen hat.
hhh) Im Übrigen sieht die Kammer insoweit gemäß § 105 Abs 1 S 3 SGG iVm § 136 Abs 3 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und folgt der zutreffenden Begründung im Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 25. September 2014 auf Seite 3 (dort ab dem letzten Absatz) bis Seite 8 (dort bis zum dritten Absatz). Darüber hinaus verweist die Kammer in entsprechender Anwendung der Regelungen des § 105 Abs 1 S 3 SGG iVm § 136 Abs 3 SGG auf die zutreffenden Ausführungen des Beklagten in dessen Schriftsatz vom 03. September 2019 (Seite 1 (dort ab dem zweitletzten Absatz) bis Seite 3 (dort bis zum zweiten Absatz)). Den dortigen Erwägungen hat der Kläger auch im Klageverfahren nach Auffassung der Kammer nichts Entscheidungserhebliches entgegen gesetzt.
cc) Entgegen der Auffassung des Klägers ist der Leistungsausschluss auch mit EU-Recht vereinbar, wie sich aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) ergibt (vgl Bundessozialgericht, Urteil vom 12. September 2018 – B 14 AS 18/17 R, RdNr 27 unter Hinweis auf EuGH vom 11. November 2014 – C-333/13 – Dano, NJW 2015, 145; EuGH vom 15. September 2015 – C-67/14 – Alimanovic, NJW 2016, 555; EuGH vom 25. Februar – C-299/14 – Garcia-Nieto, NJW 2016, 1145).
dd) Auch das Gleichbehandlungsgebot des Art 1 des Europäischen Fürsorgeabkommens (EFA) steht dem Leistungsausschluss des Klägers als polnischem Staatsangehörigen nicht entgegen. Denn das EFA ist schon nach seinem persönlichen Anwendungsbereich nicht einschlägig, weil die Republik Polen kein Unterzeichnerstaat dieses Abkommens ist (vgl Bundessozialgericht, Urteil vom 12. September 2018 – B 14 AS 18/17 R, RdNr 27).
ee) Schließlich steht dem Leistungsausschluss auch Verfassungsrecht nicht entgegen. Dieser ist mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art 1 Abs 1 GG iVm dem Sozialstaatsprinzip des Art 20 Abs 1 GG vereinbar, weil der Kläger grundsätzlich Zugang zu existenzsichernden Leistungen nach dem SGB XII haben (vgl Bundessozialgericht, Urteil vom 12. September 2018 – B 14 AS 18/17 R, RdNr 28 unter Hinweis auf Bundessozialgericht, Urteil vom 30. August 2017 – B 14 AS 31/16 R, RdNr 29 ff; Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde hiergegen durch das Bundesverfassungsgericht vom 21. August 2018 – 1 BvR 2674/17).
c) Ob dem Kläger ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XII zusteht, durfte die Kammer bei dieser Sachlage dagegen nicht prüfen, weil die Entscheidungsbefugnis des Gerichts nur so weit reicht wie die Sachentscheidungsvoraussetzungen vorliegen. Dies ist hinsichtlich dieser Leistungsansprüche wegen des Fehlens eines auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB XII gerichteten prozessualen (Hilfs-)Antrag (siehe dazu oben unter 1. b)) nicht der Fall.
4. Wenn danach das Anfechtungsbegehren unbegründet ist, gilt Gleiches denknotwendig auch für das Leistungsbegehren, weil in Verfahren der vorliegenden Art eine zulässige und begründete Leistungsklage wegen des der Kombination immanenten Stufenverhältnisses ihrerseits eine zulässige und begründete Anfechtungsklage voraussetzt und weil zugunsten des Klägers – wie aufgezeigt – ein Anspruch auf Gewährung der begehrten Leistungen nicht besteht.
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 1 und Abs 4 SGG. Es entsprach dabei der Billigkeit, dass die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten haben, weil der Kläger mit seinem Begehren vollumfänglich unterlag.
6. Gerichtskosten werden in Verfahren der vorliegenden Art nicht erhoben (§ 183 S 1 SGG).
Rechtsmittelbelehrung
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Richter am Sozialgericht
Erstellt am: 16.07.2020
Zuletzt verändert am: 23.12.2024