Die Klage wird abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Gerichtskosten werden in Verfahren der vorliegenden Art nicht erhoben.
Tatbestand:
Umstritten ist die Rückforderung einer Überzahlung, die die Klägerin im Rahmen der auf den Bestimmungen des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) beruhenden Rechtsbeziehungen zu dem Beklagten erhalten hatte.
Auf einen entsprechenden Fortzahlungsantrag bewilligte der Beklagte der Klägerin und weiteren Mitgliedern ihrer Bedarfsgemeinschaft mit Bescheid vom 30. Juli 2018 jeweils individuelle passive Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende nach den Bestimmungen des SGB II für den Zeitraum vom 01. September 2018 bis zum 31. August 2019 in Höhe der addierten Individualansprüche von insgesamt jeweils monatlich 941,39 Euro.
Mit Änderungsbescheid vom 24. November 2018 bewilligte der Beklagte der Klägerin und den weiteren Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft dann für den Zeitraum vom 01. Januar 2019 bis zum 31. August 2019 wegen der ab dem 01. Januar 2019 erfolgten Erhöhung des Regelbedarfes einen Betrag in Höhe der addierten Individualansprüche von insgesamt jeweils monatlich 962,27 Euro.
Nachdem die Klägerin die Übernahme einer Betriebs- und Heizkostennachzahlungsforderung beantragte und zudem die Erhöhung der Betriebskosten ab 01. Januar 2019 berücksichtigt wissen wollte, bewilligte der Beklagte der Klägerin und den weiteren Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft mit weiterem Änderungsbescheid vom 12. Dezember 2018 für den Zeitraum vom 01. Dezember 2018 bis zum 31. Dezember 2018 unter Berücksichtigung des Betriebs- und Heizkostennachforderungsbetrag einen zusammen addierten Betrag in Höhe von 1.347,71 Euro sowie für den Zeitraum vom 01. Januar 2019 bis zum 31. August 2019 Betrag in Höhe der addierten Individualansprüche von insgesamt jeweils monatlich 978,35 Euro.
In allen ergangenen bewilligenden Verfügungen berücksichtigte der Beklagte ausweislich der jeweiligen Berechnungsbögen jeweils monatlich Unterhaltsvorschuss- und Kindergeldzahlungen hilfebedürftigkeitsmindernd. Eine Anrechnung des Einkommens der Klägerin aus einem – der Beklagten auch bekannten – Minijob erfolgte mangels Überschreitung des Grundfreibetrages nicht.
Auf Seite 1 des Änderungsbescheides vom 12. Dezember 2012 gab der Beklagte an, dass auf das Konto der Klägerin ein Betrag in Höhe von 350,63 Euro gezahlt würden, für den darüber hinaus gehenden weiteren Betrag waren andere Zahlungsempfänger – insbesondere die Vermieterin – angegeben. Nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag des Beklagten überwies der Beklagte dementsprechend auf das Konto der Klägerin am 18. Dezember 2018, am 24. Januar 2019 sowie am 21. Februar 2019 einen Gesamtbetrag in Höhe von jeweils 350,63 Euro.
Am 06. Februar 2019 übersandte die Klägerin dem Beklagten einen Aufhebungsvertrag hinsichtlich ihres Minijobs, wonach dieser zum 31. Dezember 2018 endete. Den Eingang dieses Dokumentes bestätigte der Beklagte mit Schreiben vom 14. Februar 2019 und bat zudem um Übersendung einer entsprechenden Lohnabrechnung. Die von der Klägerin mit Schreiben vom 25. Februar 2019 übersandte Lohnabrechnung für den Monat Dezember 2019 wies keinen Verdienst aus.
Neben den bereits oben dargestellten Zahlungen überwies der Beklagte am 27. Februar 2019 auf das Konto der Klägerin einen Betrag in Höhe von weiteren 1.848,00 Euro. Diesen Betrag forderte der Beklagte sodann – gestützt ua auf die Regelung des § 50 Abs 2 SGB X – mit Verfügung vom 09. Mai 2019 von der Klägerin zurück. Den hiergegen mit Schreiben vom 11. Juni 2019 erhobenen Widerspruch der Klägerin wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23. August 2019 als unbegründet zurück. Zur Begründung seiner Entscheidung weist er zunächst darauf hin, dass die Auszahlung des Betrages in Höhe von 1.848,00 Euro auf einer (internen) fehlerhaften Begrenzung eines zu berücksichtigenden Einkommens aus Unterhaltsvorschussleistungen in Höhe von monatlich 154,00 Euro nur bis zum 31. März 2018 statt bis zum 31. März 2019 beruht habe, was zu der Auszahlung in Höhe des Erstattungsverlangens (12 Monate á 154,00 Euro) geführt habe. Weiter führt der Beklagte im Wesentlichen aus, die Voraussetzungen des § 50 Abs 2 S 1 SGB X sowie des § 50 Abs 2 S 2 SGB X iVm § 45 Abs 2 S 3 Nr 3 SGB X lägen vor. Die Klägerin habe einen Betrag in Höhe von 1.848,00 Euro erhalten, ohne dass es hierfür einen Rechtsgrund gegeben habe. Auch hätten sich ihre persönlichen Verhältnisse nicht geändert, so dass sie auch nicht von einer Nachzahlung in eben dieser Höhe habe ausgehen können. Sie habe deshalb die Rechtswidrigkeit der Überweisung grob fahrlässig nicht erkannt und sei zu der geforderten Erstattung verpflichtet.
Hiergegen hat die Klägerin bei dem Sozialgericht Neuruppin mit Schriftsatz vom 17. September 2019 – bei dem erkennenden Gericht eingegangen am gleichen Tage – Klage erhoben, mit der sie ihr auf Aufhebung der Erstattungsverfügung des Beklagten gerichtetes Begehren weiterverfolgt. Zur Begründung verweist sie darauf, sie habe gutgläubig auf die Rechtmäßigkeit der ihr gewährten Leistungen vertraut. Es sei für sie nicht erkennbar gewesen, dass ihr der Betrag in Höhe von 1.848,00 Euro nicht zustehe. Weil sie von dem Beklagten in der Vergangenheit Zahlungen in ganz unterschiedlicher Höhe erhalten habe, sei sie aufgrund der Aufgabe ihrer Beschäftigung davon ausgegangen, die Zahlung stehe damit in Zusammenhang. Weil sie darüber hinaus auf Anforderung des Beklagten am 25. Februar 2019 eine Bescheinigung ihres Arbeitgebers überreicht habe, wonach sich ergeben habe, dass sie im Dezember 2018 kein Entgelt erzielt habe, habe dies bei ihr eher die Hoffnung geweckt, dass höhere Leistungen nach dem SGB II zu zahlen seien, weil kein anzurechnendes Einkommen zur Verfügung gestanden habe. Wenn sogar der Beklagte – was er im Widerspruchsbescheid selbst eingeräumt habe – seine irrtümliche Zahlung nicht erkannt habe, sei nicht nachvollziehbar, warum ihr – der Klägerin – dieser Irrtum habe auffallen müssen. Im Übrigen habe die Klägerin den Betrag auch verbraucht, weshalb auch deshalb eine Erstattung ausscheiden müsse.
Die Klägerin beantragt (nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen sinngemäß),
die mit dem Bescheid des Beklagten vom 09. Mai 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. August 2019 verlautbarte Erstattungsverfügung aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist er im Wesentlichen darauf, aus den bis zu der Zahlung des streitgegenständlichen Betrages erlassenen Bescheiden habe sich durch bloßes Lesen klar und eindeutig ergeben, dass bei der Klägerin kein Erwerbseinkommen berücksichtigt worden sei. Insoweit habe der eingereichte Aufhebungsvertrag auf keinen Fall zu höheren Leistungen führen können, was sich für die Klägerin aus einfachsten, ganz nahe liegenden Erwägungen habe ergeben müssen. Für andere als die in den Bescheiden angekündigten Zahlungen auf das Konto der Klägerin habe es keinerlei Anhaltspunkte gegeben.
Das Gericht hat die Beteiligten mit Verfügung vom 18. Februar 2020 zur beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte sowie auf die die Klägerin betreffenden Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen, die vorlagen und Gegenstand der Entscheidungsfindung waren.
Entscheidungsgründe:
Die Klage, über die die Kammer gemäß § 105 Abs 1 S 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) durch Gerichtsbescheid entscheiden konnte, weil die Sache keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten aufweist, der Sachverhalt geklärt ist, die Beteiligten gemäß § 105 Abs 1 S 2 SGG zuvor mit gerichtlicher Verfügung vom 18. Februar 2020 zu dieser beabsichtigten Entscheidungsform ordnungsgemäß angehört worden sind, eine ausdrückliche Zustimmung der Beteiligten hierzu nicht erforderlich ist und weil das Gericht – ebenso wie im Rahmen der mündlichen Verhandlung – weder zur vorherigen Darstellung seiner Rechtsansicht (vgl Bundessozialgericht, Beschluss vom 03. April 2014 – B 2 U 308/13 B, RdNr 8 mwN) noch zu einem vorherigen umfassenden Rechtsgespräch verpflichtet ist (vgl Bundessozialgericht, Urteil vom 30. Oktober 2014 – B 5 R 8/14 R, RdNr 23), hat keinen Erfolg.
1. Streitgegenstand ist die Rechtmäßigkeit der angegriffenen Erstattungsverfügung des Beklagten vom 09. Mai 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. August 2019, die ihrerseits Klagegegenstand ist.
2. Das Begehren der Klägerin ist gerichtet auf die Aufhebung der mit dem Bescheid des Beklagten vom 09. Mai 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. August 2019 verlautbarten Erstattungsverfügung des Beklagten. Richtige und damit statthafte Klageart für das so verstandene Begehren der Klägerin ist eine (isolierte) Anfechtungsklage (vgl § 54 Abs 1 S 1 Regelung 1 SGG), die auch im Übrigen zulässig ist.
3. Die danach zulässige Anfechtungsklage ist jedoch unbegründet, weil die angegriffene Erstattungsverfügung rechtmäßig ist und die Klägerin durch sie nicht in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten beschwert ist (vgl § 54 Abs 2 S 1 SGG).
a) Rechtsgrundlagen für die Erstattungsverfügung des Beklagten sind § 40 Abs 1 S 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) iVm § 50 Abs 2 S 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) und § 50 Abs 2 S 2 SGB X iVm § 45 Abs 2 S 1 SGB X, § 45 Abs 2 S 3 Nr 3 SGB X sowie § 40 Abs 2 Nr 3 SGB II iVm § 330 Abs 2 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (SGB III) und schließlich § 50 Abs 3 S 1 SGB X, jeweils in der Fassung, die die genannten Vorschriften vor dem Beginn des streitgegenständlichen Zeitraums hatten, weil in Rechtsstreitigkeiten über bereits abgeschlossene Bewilligungszeiträume das zum damaligen Zeitpunkt geltende Recht anzuwenden ist, was im Übrigen auch für die weiteren zitierten Vorschriften gilt (sog Geltungszeitraumprinzip, vgl dazu nur Bundessozialgericht, Urteil vom 30. Oktober 2019 – B 14 AS 2/19 R, RdNr 12 mwN).
aa) Die Erstattungsverfügung ist formell rechtmäßig. Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin zu der Erstattungsverfügung als eingreifendem Verwaltungsakt gemäß § 24 Abs 1 SGB X vor deren Bekanntgabe anzuhören gewesen wäre. Denn die fehlende Anhörung ist durch das durchgeführte Widerspruchsverfahren gemäß § 41 Abs 1 Nr 3 SGB X geheilt worden.
bb) Die Erstattungsverfügung ist auch materiell rechtmäßig.
Die Voraussetzungen der Rechtsgrundlagen für die angefochtene Erstattungsverfügung nach § 40 Abs 1 S 1 SGB II und § 40 Abs 2 Nr 2 SGB II (dazu aaa)), § 50 Abs 2 SGB X und § 50 Abs 3 SGB X (dazu bbb)), § 45 SGB X, insbesondere dessen Abs 2 (dazu ddd)) sowie § 330 Abs 2 SGB III (dazu eee)) sind erfüllt.
aaa) Nach § 40 Abs 1 S 1 SGB II gilt für das Verfahren nach dem SGB II das SGB X. Zudem sind entsprechend anwendbar die Vorschriften des SGB III ua über die Aufhebung von Verwaltungsakten (§ 40 Abs 2 Nr 2 SGB II und § 40 Abs 2 Nr 3 SGB II sowie § 330 Abs 2 SGB II und § 330 Abs 3 S 1 SGB III).
bbb) Der in Bezug genommene und vorliegend einschlägige § 50 Abs 2 SGB X lautet: "Soweit Leistungen ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht worden sind, sind sie zu erstatten. §§ 45 und 48 gelten entsprechend." Darüber hinaus regelt § 50 Abs 3 S 1 SGB X: "Die zu erstattende Leistung ist durch schriftlichen Verwaltungsakt festzusetzen."
aaaa) Die Grundvoraussetzungen des § 50 Abs 2 S 1 SGB X sind erfüllt, weil von dem Beklagten an die Klägerin die umstrittenen 1.848,00 Euro durch Überweisung auf deren Konto geleistet wurden und für diese Leistung – insoweit mangels bewilligender Verfügung – kein Rechtsgrund, insbesondere nicht in Form eines Verwaltungsaktes, bestand.
bbbb) Aus der in § 50 Abs 2 S 2 SGB X angeordneten entsprechenden Geltung der §§ 45, 48 SGB X folgt nichts anderes. Die Vorschrift ist in der vorliegenden Fallkonstellation auch anwendbar. Sie stellt sicher, dass der Sozialleistungsempfänger, der die Leistung ohne einen – das Recht auf sie feststellenden oder gewährenden – Verwaltungsakt zu Unrecht erhalten hat, denselben Vertrauensschutz erlangt wie derjenige, der im Falle einer rechtswidrigen Bewilligung des Rechts oder Anspruchs bei Aufhebung dieses Verwaltungsaktes haben würde. § 50 Abs 2 S 2 SGB X ist daher nur anwendbar, wenn dem Zahlungsempfänger das Recht/der Anspruch auf die Zahlung im Rahmen eines Sozialrechtsverhältnisses überhaupt wirksam durch (wenn auch rechtswidrigen) Verwaltungsakt zuerkannt werden kann. Verwaltungsakte, durch welche (Stamm-)Rechte oder die Einzelansprüche hieraus, die kraft Gesetzes ausschließlich einem bestimmten Personenkreis zustehen, einem außenstehenden Dritten zuerkennen würde, wären jedoch nicht nur rechtswidrig (und damit bis zu ihrer Aufhebung wirksam), sondern nichtig iSv § 40 Abs 2 Nr 4, § 40 Abs 2 Nr 5 und § 40 Abs 1 SGB X. In Fällen dieser Art ist somit § 50 Abs 2 S 2 SGB X schlechthin nicht anwendbar (Bundessozialgericht, Urteil vom 24. Juli 2001 – B 4 RA 102/00 R, RdNr 24). Ein derartiger Ausnahmefall entsprechend des zitierten zum Rentenrecht ergangenen Urteil des Bundessozialgerichts, der die Anwendung des § 50 Abs 2 S 2 SGB X iVm § 45, 48 SGB X ausschließt, liegt schon deshalb nicht vor, weil ein Verwaltungsakt über SGB II-Leistungen an die Klägerin – im Unterschied zu jener Fallkonstellation – nicht nichtig wäre.
ccc) Die Regelung des § 40 Abs 1 S 1 SGB X iVm § 50 Abs 2 S 2 SGB X iVm § 48 Abs 1 S 2 SGB X iVm § 330 Abs 3 S 1 SGB III ist vorliegend von vornherein nicht einschlägig, weil für eine leistungserhebliche Änderung in den Verhältnissen der Klägerin in Bezug auf die streitgegenständliche Überweisung des Beklagten auf das Konto der Klägerin nichts ersichtlich ist.
ddd) Aber auch § 40 Abs 1 S 1 SGB X iVm § 50 Abs 2 S 2 SGB X iVm § 45 Abs 2 S 3 Nr 3 SGB X iVm § 330 Abs 2 SGB III steht dem Erstattungsanspruch des Beklagten nicht entgegen. Die Vorschrift des § 45 SGB X lautet, soweit vorliegend maßgeblich, in ihrem Abs 2 S 1: "Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist." und in ihrem Abs 2 S 3: "Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit 3. er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder in Folge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat." Nach § 45 Abs 4 S 1 SGB X wird nur in den zuletzt wiedergegebenen Fällen des Satzes 3 der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Aus der "entsprechenden" Geltung des § 45 SGB X folgt, dass in den Fällen einer Leistung ohne Verwaltungsakt nach § 50 Abs 2 SGB X an die Stelle des Verwaltungsaktes die Leistung oder vorliegend die Überweisung tritt.
Die Voraussetzungen für eine Rücknahme für die Vergangenheit, die bei einem Erstattungsbegehren, das typischerweise immer Leistungen in der Vergangenheit betrifft, gegeben sein müssen, sind erfüllt. Denn die Klägerin hat die Rechtswidrigkeit der Zahlung des Beklagten iSd § 45 Abs 2 S 3 Nr 3 SGB X auch – entgegen ihrer Auffassung – zumindest grob fahrlässig nicht erkannt. Insoweit hat der Beklagte für die Kammer überzeugend darauf hingewiesen, dass sich schon aus den bis zu der Zahlung des streitgegenständlichen Betrages erlassenen Bescheiden durch bloßes Lesen klar und eindeutig ergeben haben muss, dass bei der Klägerin kein Erwerbseinkommen berücksichtigt worden ist. Insoweit hat auch die Vorlage des Aufhebungsvertrages und der Lohnabrechnung auf keinen Fall zu höheren Leistungen führen können, was sich für die Klägerin aus einfachsten, ganz nahe liegenden Erwägungen hat ergeben müssen. Weil es für andere als die in den Bescheiden angekündigten Zahlungen auf das Konto der Klägerin auch keinerlei Anhaltspunkte gegeben hat und der Überweisungsbetrag in ganz erheblichem Umfang von den bisherigen Zahlungen abgewichen ist, musste sich der Klägerin geradezu aufdrängen, dass ihr der Betrag nicht zustehen kann, was sie dementsprechend grob fahrlässig nicht erkannt hat; sie hat deshalb die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt. Bei dieser Sachlage ist auch – entgegen der Auffassung der Klägerin – unerheblich, aus welchem hier ohnehin nur verwaltungsinternen und der Klägerin zum Überweisungszeitpunkt überhaupt nicht bekannten Grund die Überzahlung erfolgt ist. Entscheidend bleibt, dass es für die Klägerin augenfällig gewesen sein musste, dass es sich bei der Überweisung des streitigen Betrages in Höhe von 1.848,00 Euro, der – wie bereits aufgezeigt – ganz erheblich von den vorherigen Zahlungen des Beklagten in Höhe von jeweils monatlich 350,63 Euro abwich und für sie auch erkennbar mit der Aufgabe ihres Beschäftigungsverhältnisses, aus der sie auch zuvor bereits nur nicht berücksichtigungsfähiges und von dem Beklagten auch nicht berücksichtigtes Einkommen erzielte, nicht im Zusammenhang stehen konnte, nur um eine ihr nicht zustehende – irrtümlich erfolgte – Zahlung gehandelt haben konnte.
eee) Der Beklagte hatte vor Erlass seiner Erstattungsverfügung auch kein Ermessen auszuüben. Aus der angeordneten "entsprechenden" Geltung des § 45 SGB X in § 50 Abs 2 S 2 SGB X folgt zwar auch die Übertragung der bei einer Rücknahme nach § 45 SGB X grundsätzlich notwendigen Ermessensausübung seitens des Beklagten auf dessen Erstattungsbegehren (vgl hierzu Bundessozialgericht, Urteil vom 22. August 2012 – B 14 AS 165/11 R, RdNr 28 mwN). Diese Ermessensausübung wird vorliegend jedoch durch die in § 40 Abs 2 Nr 3 SGB II angeordnete ebenfalls entsprechende Geltung des § 330 Abs 2 SGB III ausgeschlossen (vgl hierzu Bundessozialgericht, Urteil vom 22. August 2012 – B 14 AS 165/11 R, RdNr 29 ff).
fff) Die Klägerin kann sich – entgegen ihrer Auffassung – auch nicht mit Erfolg auf eine Entreicherung iSd § 818 Abs 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) berufen.
aaaa) Gemäß § 818 Abs 3 BGB ist die Verpflichtung zur Herausgabe oder zum Ersatz des Wertes (§ 818 Abs 2 BGB) ausgeschlossen, soweit der Empfänger nicht mehr bereichert ist. Der Begriff "Wegfall der Bereicherung" ist dabei nicht nach rechtlichen, sondern nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten durch einen saldenmäßigen Vergleich des Aktiv- und des Passivvermögens zu beurteilen (vgl Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24. November 2015 – L 14 AS 3260/14, RdNr 40 mwN).
Anders als § 49a Abs 2 S 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Brandenburg (VwVfG Bbg; insoweit auch inhaltsgleich mit dem Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes), wonach für den Umfang der Erstattung die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung entsprechend gelten, sehen die §§ 45 ff SGB X einen Bezug zu diesen Regeln des Bürgerlichen Gesetzbuches nicht vor. Die hier streitige Erstattungsforderung beruht weder unmittelbar noch in entsprechender Anwendung auf den bürgerlich-rechtlichen Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung, sondern wird als öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch nach § 50 Abs 2 SGB X geltend gemacht, weshalb für die Anwendung von § 818 Abs 3 BGB kein Raum verbleibt (vgl Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24. November 2015 – L 14 AS 3260/14, RdNr 41 mwN).
bbbb) Aber selbst wenn dies in entsprechender Anwendung zugelassen werden könnte, kann die Klägerin hieraus einen Klageerfolg nicht ableiten. Satz 2 der eingangs erwähnten Vorschrift ist in einer zugunsten des Anspruchsberechtigten von den Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs abweichenden Weise geregelt. Danach kann der Herausgabepflichtige (Begünstigte) von seiner Leistungspflicht nur freikommen, wenn und soweit sich ergibt, dass er nicht mehr im Sinne des § 818 Abs 3 BGB bereichert ist und auch die Umstände, die zur Aufhebung oder zur Unwirksamkeit des Verwaltungsaktes geführt haben, weder kannte noch infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (vgl in diesem Zusammenhang aber auch § 818 Abs 4 BGB iVm § 819 Abs 1 BGB). Das ist hier aber – wie bereits dargelegt – wegen der zumindest grob fahrlässigen Unkenntnis über die Rechtswidrigkeit der ihr gutgeschriebenen Überweisung im Sinne des § 50 Abs 2 S 2 SGB X iVm § 45 Abs 2 S 3 Nr 3 SGB X gerade nicht der Fall, weshalb auch ihr Vertrauen auf ein Behaltendürfen gerade nicht im Sinne des § 45 Abs 2 S 2 SGB X schutzwürdig ist.
ggg) Schließlich sind auch die Fristerfordernisse nach § 40 Abs 1 S 1 SGB II iVm § 45 Abs 3 S 2 SGB X und § 45 Abs 4 S 2 SGB X erfüllt, wie sich aus dem Zahlungszeitpunkt im Februar 2019 und dem Datum der Erstattungsverfügung vom 09. Mai 2019 ergibt, ohne dass deren entsprechende Geltung in den Fällen des § 50 Abs 2 SGB X einer abschließenden Erörterung bedarf (vgl hierzu Bundessozialgericht, Urteil vom 22. August 2012 – B 14 AS 165/11 R, RdNr 34).
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 105 Abs 1 S 3 SGG iVm § 193 Abs 1 S 1 SGG. Es entsprach dabei der Billigkeit, dass die Beteiligten insgesamt einander keine Kosten zu erstatten haben, weil die Klägerin mit ihrem Begehren im Klageverfahren vollumfänglich unterlag.
5. Gerichtskosten werden in Verfahren der vorliegenden Art nicht erhoben (§ 105 Abs 1 S 3 SGG iVm § 183 S 1 SGG).
Rechtsmittelbelehrung:
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Richter am Sozialgericht
Erstellt am: 09.09.2020
Zuletzt verändert am: 23.12.2024