Die Klagen werden abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Gerichtskosten werden in Verfahren der vorliegenden Art nicht erhoben.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten im Zugunstenverfahren über einen Anspruch der Klägerin auf höhere passive Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende nach den Bestimmungen des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) für den Zeitraum vom 01. Januar 2015 bis zum 31. August 2015.
Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes verweist die Kammer gemäß § 105 Abs 1 S 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) iVm § 136 Abs 2 S 1 SGG auf die Ausführungen auf Seite 1 (dort unter "I.") bis Seite 2 (dort bis vor "II.") des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 16. September 2015, mit dem diese den Widerspruch der Klägerin vom 11. September 2015 gegen die ablehnende sozialverwaltungsbehördliche Entscheidung des Beklagten vom 16. September 2015 als unbegründet zurückgewiesen hat. Wegen der Begründung des Beklagten verweist die Kammer gemäß § 105 Abs 1 S 3 SGG iVm § 136 Abs 2 S 1 SGG auf die Ausführungen auf Seite 2 (dort unter "II.") bis Seite 4 (dort bis zu dem ersten Absatz) des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 16. September 2015.
Mit Schriftsatz vom 17. September 2015 – bei dem Sozialgericht Neuruppin eingegangen am gleichen Tage – hat die Klägerin bei dem erkennenden Gericht Klagen erhoben, mit der sie ihr auf die Gewährung höherer Leistungen nach den Bestimmungen des SGB II weiter verfolgt. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, die von dem Beklagten zugrunde gelegte Richtlinie, die auf einem Gutachten der F+B GmbH beruhe, sei kein tauglicher Anhaltspunkt für die Ermittlung der Angemessenheit von Kosten der Unterkunft, weil ihr kein schlüssiges Konzept nach den Maßstäben des Bundessozialgerichts zugrunde liege. So könne bereits das Verfahren der Datenerhebung nicht nachvollzogen werden, die Daten seien nicht repräsentativ und nicht valide, zu den gezogenen Schlüssen seien keine Angaben gemacht worden, bei der Ermittlung der kalten Betriebskosten seien willkürlich mehr als 2/3 aller relevanten Kosten unberücksichtigt geblieben. Mangels eines schlüssigen Konzeptes seien deshalb die Werte der Wohngeldtabelle zuzüglich eines Zuschlages von zehn Prozent – mithin ein Betrag in Höhe von monatlich 338,80 Euro – zugrunde zu legen. Im Übrigen sei die Klägerin ohnehin nicht wirksam zur Kostensenkung aufgefordert worden. Die mit dem Schreiben vom 14. Dezember 2012 erfolgte Kostensenkungsaufforderung könne keine Wirksamkeit mehr entfalten, nachdem der Beklagte rückwirkend bis Ende 2014 zugestanden habe, dass die Kosten der Unterkunft und Heizung der Klägerin zum Zeitpunkt der Kostensenkungsaufforderung und danach nicht unangemessen hoch gewesen seien. Erst durch die Ende 2014 erfolgte Mieterhöhung sei die Wohnung so teuer geworden, dass der Angemessenheitswert aus der Wohngeldtabelle zuzüglich des Sicherheitszuschlages leicht überschritten worden sei.
Die Klägerin beantragt (nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen sinngemäß),
den Beklagten unter Aufhebung seiner mit dem Bescheid vom 10. September 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. September 2015 verlautbarten ablehnenden Verfügung zu verpflichten, die für den Zeitraum vom 01. Januar 2015 bis zum 31. August 2015 verlautbarten bewilligenden Verfügungen zu ändern und der Klägerin für diesen Zeitraum höhere Leistungen nach den Bestimmungen des SGB II zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klagen abzuweisen.
Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, mit der Richtlinie sei den Anforderungen des Bundessozialgerichts Genüge getan worden, die Datenerhebung sei insgesamt nicht zu beanstanden, die erhobenen Mietdaten seien äquivalent zu den anerkannten Regeln eines Tabellenmietspiegels ausgewertet worden. Die Mietwerterhebung sei auf Basis einer repräsentativen Datenerhebung der Mietwohnungsbestände gewerblicher Vermieter und Eigentümer im Landkreis Ostprignitz-Ruppin im Jahre 2014 erfolgt. Erhoben worden seien insgesamt 13.089 Wohnungsdaten. Nach den durchgeführten Bereinigungen seien Mietdaten von 11.768 Wohnungen in die Auswertung geflossen, wodurch 45,5 Prozent des Mietwohnungsbestandes im Landkreis erfasst worden seien; das Bundessozialgericht halte demgegenüber 10 Prozent für ausreichend (Verweis auf Urteil vom 18. Juni 2008 – B 14/7b AS 44/06 R, RdNr 13). Entgegen der Auffassung der Klägerin seien im Rahmen der Betriebskosten auch alle wesentlichen Betriebskostenarten berücksichtigt worden. Zur Feststellung der Angemessenheit der Heizkosten sei auf die Werte des Bundesheizkostenspiegels zurückgegriffen worden. Die unangemessenen Unterkunftskosten seien von dem Beklagten nicht zu übernehmen. Auf die Unangemessenheit sei die Klägerin frühzeitig mit dem Schreiben vom 14. Dezember 2012 hingewiesen worden. Die Kosten der Unterkunft und Heizung seien danach bereits seit dem 01. Juli 2013 auf die für angemessen gehaltenen Unterkunftskosten gekürzt worden. Mit dem Inkrafttreten der neuen Richtlinie zum 01. Januar 2015 seien der Klägerin höhere als die bisher schon gekürzten Kosten der Unterkunft gewährt worden, nicht jedoch die tatsächlichen Kosten. Einer neuerlichen Kostensenkungsaufforderung habe es deshalb auch nicht bedurft.
Das Gericht hat die Beteiligten mit Verfügung vom 16. Juli 2020 sowie mit Verfügung vom 27. August 2020 zu der beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhaltes auf den Inhalt der Prozessakte sowie auf die die Klägerin betreffenden Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen, die vorlagen und Gegenstand der Entscheidungsfindung waren.
Entscheidungsgründe:
Die Klagen, über die die Kammer gemäß § 105 Abs 1 S 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) durch Gerichtsbescheid entscheiden konnte, weil die Sache keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten aufweist, der Sachverhalt geklärt ist, die Beteiligten gemäß § 105 Abs 1 S 2 SGG zuvor mit der gerichtlichen Verfügung vom 16. Juli 2020 sowie mit der gerichtlichen Verfügung vom 27. August 2020 zu dieser beabsichtigten Entscheidungsform ordnungsgemäß angehört worden sind, eine ausdrückliche Zustimmung der Beteiligten hierzu nicht erforderlich ist und weil das Gericht – ebenso wie im Rahmen der mündlichen Verhandlung – weder zur vorherigen Darstellung seiner Rechtsansicht (vgl hierzu etwa Bundessozialgericht, Beschluss vom 03. April 2014 – B 2 U 308/13 B, RdNr 8 mwN) noch zu einem vorherigen umfassenden Rechtsgespräch verpflichtet ist (vgl hierzu etwa Bundessozialgericht, Urteil vom 30. Oktober 2014 – B 5 R 8/14 R, RdNr 23), haben keinen Erfolg.
1. Streitgegenstand ist der Anspruch der Klägerin auf Überprüfung von bestandskräftigen bewilligenden Verfügungen des Beklagten, ferner ihr Anspruch auf Verpflichtung des Beklagten zur Änderung dieser bewilligenden Verfügungen und schließlich ihr Anspruch auf Gewährung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach Maßgabe der Bestimmungen des SGB II für den Zeitraum vom 01. Januar 2015 bis zum 31. August 2015, als dies durch die diesen Zeitraum betreffenden – weder von der Klägerin noch dem Beklagten im Einzelnen benannten – verlautbarten bewilligenden Verfügungen geschehen ist. Klagegegenstand sind dabei die in der Antragstellung genannten Verfügungen.
2. a) Richtige Klageart für das Überprüfungs-, Verpflichtungs- und Leistungsbegehren ist eine kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 S 1 Regelung 1 SGG, § 54 Abs 1 S 1 Regelung 3 SGG, § 54 Abs 4 SGG sowie § 56 SGG; vgl dazu nur Bundessozialgericht, Urteil vom 13. Februar 2014 – B 4 AS 22/13 R, RdNr 11 mwN). Dabei begehrt die Klägerin mit der Anfechtungsklage die Aufhebung des – die Überprüfung von nicht zuvor konkret benannten Verwaltungsakten ablehnenden – Verwaltungsakts, die der Beklagte mit seinem Bescheid vom 10. September 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. September 2015 verlautbart hat. Die mit ihr kombinierten Verpflichtungsklagen sind auf die Erteilung von Verwaltungsakten durch den Beklagen gerichtet, mit denen dieser die begehrte Änderung der von keinem Beteiligten näher bezeichneten bewilligenden Verfügungen bewirkt. Mit den zusätzlich kombinierten Leistungsklagen begehrt die Klägerin schließlich die Erbringung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts entsprechend der zuvor bewirkten Änderungen für jeden einzelnen Monat des streitigen Zeitraums.
b) Die so verstandenen statthaften Klagen sind auch im Übrigen zulässig.
3. Die danach insgesamt zulässigen Klagen sind allerdings nicht begründet.
a) aa) Die gegen die ablehnende Verfügung des Beklagten vom 10. September 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. September 2015 erhobene zulässige Anfechtungsklage im Sinne des § 54 Abs 1 S 1 Regelung 1 SGG ist unbegründet, weil die angegriffenen Verfügungen rechtmäßig sind und die Klägerin durch sie nicht in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten beschwert ist (vgl § 54 Abs 2 S 1 SGG). Der Beklagte hat es rechtlich zutreffend abgelehnt, seine bewilligenden Leistungsverfügungen zu Gunsten der Klägerin abzuändern.
aaa) Dies folgt allerdings bereits daraus, dass der Beklagte eine inhaltliche Überprüfung sämtlicher ergangener Verfügungen schon nicht vorzunehmen hatte. Insoweit mangelte es bereits an einem hinreichend objektiv konkretisierbaren Antrag im Sinne der hierfür maßgeblichen Rechtsgrundlage. Nach § 44 Abs 1 S 1 SGB X ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Nach Maßgabe von § 44 Abs 2 S 1 SGB X sind rechtswidrige nicht begünstigende Verwaltungsakte, auch nachdem sie unanfechtbar geworden sind, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen, sie können nach § 44 Abs 2 S 2 SGB X auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.
bbb) Erfolgt die Überprüfung aufgrund eines Antrags des Leistungsberechtigten, löst dieser Antrag zwar grundsätzlich eine Prüfpflicht des Leistungsträgers aus. Der Antrag bestimmt jedoch zugleich auch den Umfang des Prüfauftrags der Verwaltung im Hinblick darauf, ob bei Erlass des Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden ist. Aufgrund oder aus Anlass des Antrags muss sich der Verwaltung im Einzelfall objektiv erschließen, aus welchem Grund – Rechtsfehler und/oder falsche Sachverhaltsgrundlage – nach Auffassung des Leistungsberechtigten eine Überprüfung erfolgen soll. Dazu muss der Antrag konkretisierbar sein, dh entweder aus dem Antrag selbst – ggf nach Auslegung – oder aus einer Antwort des Leistungsberechtigten aufgrund konkreter Nachfrage des Sozialleistungsträgers muss der Umfang des Prüfauftrags für die Verwaltung bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens erkennbar werden. Ist dies nicht der Fall, ist der Sozialleistungsträger berechtigt, von einer inhaltlichen Prüfung dieses Antrags abzusehen. Diese Begrenzung des Prüfauftrags der Verwaltung wird nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der sich die Kammer insoweit anschließt, durch den Wortlaut, die Gesetzesbegründung sowie den Sinn und Zweck des § 44 SGB X gestützt (vgl zu den Einzelheiten: Bundessozialgericht, Urteil vom 13. Februar 2014 – B 4 AS 22/13 R, RdNr 13ff mwN, Bundessozialgericht, Urteil vom 28. Oktober 2014 – B 14 AS 39/13 R, RdNr 15 sowie Sozialgericht Neuruppin, Urteil vom 28. Juli 2015 – S 26 AS 2020/11, RdNr 15ff mwN).
ccc) Nach dem Wortlaut von § 44 Abs 1 S 1 SGB X soll "im Einzelfall" eine Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes erfolgen. Hieraus hat das Bundessozialgericht geschlossen, dass dann, wenn nicht ein einzelner oder mehrere konkrete, ihrer Zahl nach bestimmbare Verfügungssätze von Verwaltungsakten, sondern das Verwaltungshandeln – ohne jede Differenzierung – insgesamt zur Überprüfung durch die Verwaltung gestellt wird, keine Prüfung im Einzelfall begehrt wird. Trotz des Vorliegen eines "Antrags" löst ein solches Begehren bereits nach dem Wortlaut der Vorschrift noch keine inhaltliche Prüfpflicht des Sozialleistungsträgers aus (Bundessozialgericht, Urteil vom 13. Februar 2014 – B 4 AS 22/13 R, RdNr 14; Urteil vom 28. Oktober 2014 – B 14 AS 39/13 R, RdNr 15 sowie Beschluss vom 14. März 2012 – B 4 AS 239/11 B, RdNr 6; vgl auch Sozialgericht Neuruppin, Urteil vom 28. Juli 2015 – S 26 AS 2020/11, RdNr 16 mwN).
ddd) Eine Entbindung von der inhaltlichen Prüfung setzt allerdings voraus, dass der Sozialleistungsträger "den Einzelfall" also die konkreten Inhalte eines bestimmten Verwaltungsaktes, die zur Überprüfung gestellt werden sollen, bei objektiver Betrachtung nicht ermitteln kann. Ein Prüfanliegen "im Einzelfall" ist daher insbesondere zu bejahen, wenn eine bestimmte Fragestellung tatsächlicher oder rechtlicher Natur benannt wird. Auch bei einem Antrag nach § 44 SGB X hat die Verwaltung den Untersuchungsgrundsatz des § 20 SGB X zu beachten. Insofern kann es – je nach den konkreten Umständen der Antragstellung – erforderlich sein, dass der Träger auf eine Konkretisierung des Überprüfungsbegehrens durch den Leistungsberechtigten iSd § 21 Abs 2 S 1 SGB X hinwirkt. In welchem Umfang der Leistungsträger seiner Amtsermittlungspflicht nachzukommen hat, beurteilt sich jedoch nach Lage des Einzelfalls. Als Kriterium für den Umfang der Amtsermittlungspflicht des Leistungsträgers ist beispielsweise zu berücksichtigen, ob der Leistungsberechtigte (mit juristischem Sachverstand) vertreten oder unvertreten ist oder ob sich aus vorangegangenen Kontakten zwischen ihm und der Verwaltung Anhaltspunkte für das Begehren des Antragstellers ergeben. Auch kann von Bedeutung sein, in welchem Gesamtkontext ein Überprüfungsantrag gestellt wird. Wenn – jedoch wie im vorliegenden Fall – der professionelle Vertreter bereits den Überprüfungsantrag selbst stellt und es unterlässt, die zur Überprüfung gestellten sozialverwaltungsbehördlichen Verwaltungsentscheidungen konkret zu benennen, ist der Sozialleistungsträger objektiv nicht in der Lage, seinen Prüfauftrag zu bestimmen. In diesem Sinne wird auch in dem Entwurf zur Begründung des § 42 SGB X (heute § 44 SGB X) darauf hingewiesen, Voraussetzung für die Rücknahme solle sein, dass der Behörde im Einzelfall die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes bekannt werde (BT-Drucks 8/2034, S 34; vgl auch Sozialgericht Neuruppin, Urteil vom 28. Juli 2015 – S 26 AS 2020/11, RdNr 17 mwN).
eee) Der Sozialleistungsträger muss also zumindest in die Lage versetzt werden, bestimmen zu können, welcher konkrete Verwaltungsakt zur Überprüfung gestellt und warum er zur Überprüfung gestellt wird (Bundessozialgericht, Urteil vom 13. Februar 2014 – B 4 AS 22/13 R, RdNr 15; Urteil vom 28. Oktober 2014 – B 14 AS 39/13 R, RdNr 15 sowie Beschluss vom 14. März 2012 – B 4 AS 239/11 B, RdNr 6). Dies war hier bis zur Erteilung des Widerspruchsbescheides nicht der Fall. Denn die Klägerin hat – professionell vertreten – mit ihrem Schreiben vom 15. August 2015 lediglich die Überprüfung sämtlicher Verfügungen, die den Zeitraum vom 01. Januar 2015 bis zum 31. August 2015 betreffen, beantragt. Damit macht sie die vollständige Nachprüfung des Verwaltungshandelns in dem genannten Zeitraum geltend. Damit hat sie nicht mehr die Überprüfung einzelner Verfügungssätze oder jedenfalls einer ohne Weiteres bestimmbaren Zahl von Verfügungssätzen von Verwaltungsakten zur Überprüfung des Beklagten gestellt. Insoweit fehlte es bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides am 16. September 2015 jedenfalls an einer Konkretisierung des an den Beklagten gerichteten Prüfauftrages "im Einzelfall", so dass eine Prüfverpflichtung schon nicht ausgelöst worden ist.
fff) Es genügt im Übrigen auch nicht, wenn der Leistungsberechtigte eine Nachbesserung des bis dahin nicht objektiv konkretisierbaren Antrags erst im Klageverfahren vornimmt, was vorliegend allerdings ohnehin nicht geschehen ist. Für die Beurteilung, ob die formellen Erfordernisse eines solchen Antrags vorliegen, der überhaupt erst eine Prüfpflicht des Leistungsträgers auslöst, ist auf die zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung zu diesem Überprüfungsantrag vorgetragenen tatsächlichen und/oder rechtlichen Anhaltspunkte abzustellen (vgl hierzu Bundessozialgericht, Urteil vom 13. Februar 2014 – B 4 AS 22/13 R, RdNr 16f sowie Urteil vom 28. Oktober 2014 – B 14 AS 39/13 R, RdNr 19f; vgl auch Sozialgericht Neuruppin, Urteil vom 28. Juli 2015 –S 26 AS 2020/11, RdNr 21f mwN).
ggg) Soweit der 5. Senats des Bundessozialgerichts (Urteil vom 25. Januar 2011 – B 5 R 47/10 R, RdNr 12) für die Bestimmung des maßgeblichen Zeitpunkts zur Beurteilung der Sach- und Rechtslage im Überprüfungsverfahren im Ansatz davon ausgegangen ist, dass dies derjenige der letzten mündlichen Verhandlung sei, handelte es sich bei dieser Entscheidung um eine andere Ausgangslage (so zu Recht Bundessozialgericht, Urteil vom 13. Februar 2014 – B 4 AS 22/13 R, RdNr 17). In dem dortigen Verfahren war umstritten, ob konkrete "Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden" sind. Ob diese neben der Antragsstellung zu beachtende (weitere) Rücknahmevoraussetzung erfüllt ist, kann sich nach der materiellen Rechtslage richten, die im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Überprüfungsentscheidung gilt. Insofern ist neues Recht und auch erstmaliges Vorbringen der Beteiligten im Klageverfahren hierzu nach der Entscheidung des 5. Senats des Bundessozialgerichts zu berücksichtigen, wenn das neue Recht das streitige Rechtsverhältnis nach seinem Geltungswillen "mit Rückwirkung" erfassen soll. Vorliegend fehlt es jedoch bereits an der vorrangig zu prüfenden verfahrensrechtlichen Voraussetzung für ein (Wieder)Aufleben ("Ingangbringen") der Prüfverpflichtung des Sozialleistungsträgers nach § 44 SGB X.
hhh) Ohne Bedeutung für die hier behandelte Fallgestaltung des nicht einzelfallbezogenen Antrags ist es, dass nach der Rechtsprechung des 4. Senats des Bundessozialgerichts eine Einschränkung im Verfahren nach § 44 SGB X unter Rückgriff auf § 51 Abs 1 VwVfG vorgenommen werden darf mit der Folge einer gestuften Prüfungsverpflichtung bei einem "unrichtigen Sachverhalt" (vgl hierzu Bundessozialgericht, Urteil vom 03. April 2001 – B 4 RA 22/00 R, RdNr 27ff). Nicht einschlägig ist hier auch die Rechtsprechung des 9. Senats des Bundessozialgerichts, der eine Prüfpflicht nur dann annehmen will, wenn Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit des der früheren Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalts vorhanden sind (vgl hierzu Bundessozialgericht, Urteil vom 03. Februar 1988 – 9/9a RV 18/86, RdNr 16ff). Wird das Verwaltungshandeln umfassend zur Überprüfung gestellt, mangelt es bereits an einem konkreten Anlass zum Eintritt in die zuvor aufgezeigten "Prüfstadien". Bereits auf der davor liegenden Stufe fehlt es an Hinweisen, wie sich der Prüfumfang bestimmen soll, wenn – wie hier – die konkreten Verwaltungsentscheidungen nicht konkret benannt werden. Gleiches gilt, wenn sich die Rechtswidrigkeit aus einer unrichtigen Anwendung des Rechts ergeben soll. Nach Auffassung des 2. Senats des Bundessozialgerichts soll zwar im Zugunstenverfahren nach § 44 SGB X auch ohne neues Vorbringen des Antragstellers immer eine Prüfverpflichtung bestehen, ob bei Erlass des bindend gewordenen Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt wurde (Bundessozialgericht, Urteil vom 05. September 2006 – B 2 U 24/05 R, RdNr 12). Dies setzt jedoch voraus, dass die Verwaltung überhaupt "einzelfallbezogen" erkennen kann, in welchem Umfang eine Prüfverpflichtung bestehen soll. Ansonsten kann sie bereits den Gegenstand der Prüfung nicht bestimmen und nicht dem Sinn und Zweck des § 44 SGB X entsprechend handeln (vgl hierzu Bundessozialgericht, Urteil vom 13. Februar 2014 – B 4 AS 22/13 R, RdNr 17ff mwN).
iii) Wenn danach der Beklagte schon nicht verpflichtet gewesen ist, eine inhaltliche Prüfung vorzunehmen, erweist sich eine – wie hier – gleichwohl zumindest im Ansatz, aber ohne Benennung konkreter Verwaltungsakte, erfolgte pauschale inhaltliche Prüfung durch den Beklagten als rechtswidrig begünstigend, ohne dass damit auch eine Prüfverpflichtung des Gerichts einherginge. Sähe man dies anders, wäre dies mit dem aus Art 20 Abs 2 S 2 des Grundgesetzes folgenden Grundsatz der Gewaltenteilung schon im Ansatz nicht zu vereinbaren, weil ein Gericht letztlich durch eine auf diese Art und Weise übertragene Prüfverpflichtung in den Vollzug von Aufgaben der Exekutive eingebunden würde (vgl hierzu auch Sozialgericht Neuruppin, Beschluss vom 23. März 2016 – S 35 SF 37/16 RH, RdNr 6 sowie Beschluss vom 28. April 2016 – S 35 SF 53/16 RH, RdNr 6, jeweils mwN).
bb) Wenn die Beklagte danach eine materiell-rechtliche Überprüfung sämtlicher Verfügungen des streitigen Zeitraumes nicht vorzunehmen hatte und sich deshalb die auf Aufhebung der diesem Begehren der Klägerin entgegen stehenden ablehnenden Verfügung des Beklagten vom 10. September 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. September 2015 gerichtete Anfechtungsklage als unbegründet erweist, sind auch die auf die Verpflichtung des Beklagten zur Abänderung der bestandskräftigen Verfügungen gerichteten Verpflichtungsklagen im Sinne des § 54 Abs 1 S 1 Regelung 3 SGG iVm § 56 SGG unbegründet, weil diese aufgrund des der Kombination immanenten Stufenverhältnisses ihrerseits eine zulässige und begründete Anfechtungsklage voraussetzen und weil der Klägerin – wie dargelegt – ein Aufhebungsanspruch gegen den Beklagten nicht zusteht.
cc) Soweit die Klägerin schließlich die Gewährung höherer Leistungen nach den Bestimmungen des SGB II begehrt, erweisen sich auch die mit den Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen kombinierten Leistungsklagen nach Maßgabe der Regelungen des § 54 Abs 4 SGG iVm § 56 SGG als unbegründet. Da – wie bereits dargelegt – die auf Aufhebung des – die Überprüfung der bestandskräftigen Bewilligungsverfügungen des Beklagten ablehnenden – Verwaltungsakts des Beklagten vom 10. September 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. September 2015 gerichtete Anfechtungsklage im Sinne des § 54 Abs 1 S 1 Regelung 1 SGG und die auf Erteilung von Verwaltungsakten durch den Beklagten gerichteten Verpflichtungsklagen im Sinne des § 54 Abs 1 S 1 Regelung 3 SGG iVm § 56 SGG, mit denen dieser verpflichtet werden sollte, die begehrte Abänderung der gemäß § 77 SGG bindend gewordenen Verfügungen, die für den genannten Zeitraum ergangen sind, zu bewirken, unbegründet sind, erweisen sich – denknotwendig – die auf die entsprechende Gewährung von Leistungen für jeden einzelnen Monat des Streitzeitraumes gerichteten Leistungsklagen im Sinne des § 54 Abs 4 SGG iVm § 56 SGG als unbegründet. Denn auch die Begründetheit dieser Leistungsklagen setzt in Verfahren der vorliegenden Art aufgrund des der Kombination immanenten Stufenverhältnisses ihrerseits eine zulässige und begründete Anfechtungsklage sowie zulässige und begründete Verpflichtungsklagen voraus.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 105 Abs 1 S 3 SGG iVm § 193 Abs 1 S 1 SGG und berücksichtigt, dass die Klägerin mit ihrem Begehren vollumfänglich unterlegen ist.
5. Gerichtskosten werden in Verfahren der vorliegenden Art nicht erhoben (§ 105 Abs 1 S 3 SGG iVm § 183 S 1 SGG).
Rechtsmittelbelehrung:
( …)
A.
Richter am Sozialgericht
Erstellt am: 25.01.2021
Zuletzt verändert am: 23.12.2024