Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 12.02.2002 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Kläger auch im Berufungsverfahren. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Kläger begehren von der Beklagten eine ungeminderte Beitragserstattung.
Ausweislich der vorgelegten Arbeitsbescheinigung war der Kläger vom 01.02.1994 bis 31.08.1996 im Unternehmen der Klägerin, seiner Ehefrau, als Maurer beschäftigt; u.a. wurden auch Beiträge zur Arbeitslosenversicherung an die AOK P abgeführt. Das Arbeitsverhältnis wurde am 31.07.1996 zum 31.08.1996 durch Kündigung der Arbeitgeberin aufgelöst. Antragsgemäß bewilligte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld (Alg) ab dem 04.09.1996 bis zum 16.10.1996 i.H.v. insgesamt 2.656,80 DM.
In der Folgezeit war der Kläger erneut vom 17.10.1996 bis 09.10.1997 bei der Klägerin als Maurer tätig. Auch dieses Arbeitsverhältnis wurde durch arbeitgeberseitige Kündigung zum 09.10.1997 aufgelöst. Der sich anschließende Antrag auf Gewährung von Arbeitslosengeld vom 13.10.1997 wurde mit Bescheid der Beklagten vom 10.12.1997 abgelehnt. Zur Begründung wies die Beklagte darauf hin, die Auswertung des Feststellungsbogens habe ergeben, dass bei dem Kläger keine Arbeitnehmereigenschaft vorliege.
Den vom Kläger dagegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Bescheid vom 06.01.1998 zurück. In dem sich anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Köln Az.: S 10 AL 8/98 hatte der Kläger insoweit Erfolg, als ihm mit Bescheid vom 24.09.1998 im Hinblick auf den (wenn auch nicht rechtmäßigen) Vorbezug von Arbeitslosengeld/Arbeitslosenhilfe ab dem 13.10.1997 zuerkannt wurde. Insgesamt beliefen sich die dem Kläger im Zeitraum vom 04.09.1996 bis 31.03.1998 an Arbeitslosengeld und -hilfe zugeflossenen Zahlungen auf 31.292,81 DM.
Am 06.11.1998 beantragten die Kläger Erstattung des zur Arbeitslosenversicherung zu Unrecht entrichteten Beiträge – je 4.656,60 DM an Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteilen. Mit Bescheid vom 24.08.1999 entsprach die Beklagte diesem Begehren dem Grunde nach, minderte jedoch unter Bezugnahme auf § 351 des Dritten Sozialgesetzbuches (SGB III) den Erstattungsbetrag um die Leistungen, die der Kläger ab 13.10.1997 (Arbeitslosenhilfe) erhalten hatte, so dass letztendlich kein Auszahlungsbetrag mehr zur Verfügung stand. Gleiches verfügte die Beklagte mit Änderungsbescheid vom 20.12.1999 auch gegenüber der Klägerin. Die Widersprüche der Kläger vom 11.11.1999, mit denen sie im Wesentlichen geltend machten, § 351 SGB III könne sich nur auf Arbeitslosengeld, nicht aber auf Arbeitslosenhilfe beziehen, blieben ohne Erfolg. Mit Bescheiden vom 04.01.2000 bestätigte die Beklagte die angefochtenen Entscheidungen.
Mit ihren am 07.02.2000 vor dem SG Köln erhobenen Klagen – S 10 AL 28/00 und S 22 AL 35/00, die unter dem letztgenannten Aktenzeichen durch Beschluss des SG s vom 09.10.2000 zur gemeinsamen Entscheidung miteinander verbunden wurden, haben die Kläger ihr Begehren weiterverfolgt.
Vor dem Sozialgericht haben sie sinngemäß schriftsätzlich beantragt,
die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 24.08.1999, des Änderungsbescheides vom 20.12.1999 sowie der Widerspruchsbescheide vom 04.01.2000 zu verurteilen, Beiträge ohne Minderung i.S.d. § 351 Abs. 1 SGB III nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu erstatten.
Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Klagen abzuweisen.
Sie hat im Wesentlichen auf die Gründe der angefochtenen Bescheide Bezug genommen.
Mit Gerichtsbescheid vom 12.02.2002 hat das SG die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 24.08.1999, des Änderungsbescheides vom 20.12.1999 sowie der Widerspruchsbescheide vom 04.01.2000 veruteilt, den Klägern Beiträge ohne Minderung i.S.d. § 351 Abs. 1 SGB III nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu erstatten. In den Gründen hat es u.a. ausgeführt: Die Klagen seien begründet, da die angefochtenen Bescheide der Beklagten rechtswidrig seien. Den Ansprüchen der Kläger auf Beitragserstattung (je 4.656,60 DM) könne die Beklagte ein Gegenrecht, dass nach Maßgabe des § 351 Abs. 1 SGB III bzw. der Vorgängervorschrift des § 185 a AFG in der bis zum 31.12.1997 geltenden Fassung zur Tilgung der Ansprüche im Wege der Aufrechnung führen würde, nicht entgegengesetzt werden. Es erscheine zweifelhaft, ob die Arbeitslosenhilfe als Leistung "die nicht auf Beiträge beruhe" von der Berücksichtigung nach § 351 Abs. 1 SGB III von vornherein ausgeschlossen sei. Zu Gunsten des Klägers sei jedoch zu berücksichtigen, dass, um die Minderung nach § 351 Abs.d 1 SGB III auszulösen, die in "irrtümlicher Annahme der Versicherungspflicht" gezahlten Beiträge Grundlage der Leistungszahlungen gewesen sein müssten. Vorliegend fehle es jedoch an dieser sujektiven Komponente. Der Beklagten sei auf Grund des Ergebnisses des Rechtsstreites S 10 AL 8/98 vor dem SG Köln bewusst gewesen, dass sie dem Kläger ab dem 13.10.1997 Arbeitslosenhilfe zahlen musste. Mit dieser Leistungsverpflichtung habe es auch objektiv seine Richtigkeit gehabt, da ohne Rücksicht auf die Rechtmäßigkeit vorausgegangenen Arbeitslosengeldbezuges die rein tatsächlichen Voraussetzungen des Arbeitslosenhilfeanspruches (mindestens einen Tag Arbeitslosengeldvorbezug) vorgelegen hätten. Weder objektiv noch subjektiv seien daher die Voraussetzungen des § 351 Abs. 1 SGB III bzw. § 185a AFG erfüllt.
Gegen diesen ihr am 20.02.2002 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Beklagte am 22.03.2002 Berufung eingelegt. Sie macht geltend: Der Auffassung des SG s könne nicht gefolgt werden. Gemäß § 198 Abs. 1 SGB III gelte der Anspruch auf Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe als einheitlicher Anspruch auf Entgeltersatzleistungen bei Arbeitslosigkeit. Die Betrachtungsweise des SGs sei daher mit der Einheitlichkeit des Anspruchs nicht vereinbar. Grundlage der Arbeitslosengeldbewilligung sei die irrtümliche Annahme der Versicherungspflicht gewesen. Der Arbeitslosengeldbezug sei auch rechtmäßig gewesen. Auf Grund des Vorbezuges habe daher Arbeitslosenhilfe bewilligt werden müssen. Die unrechtmäßige Beitragszahlung sei somit ursächlich für die Arbeitslosenhilfebewilligung gewesen. Auch der Auffassung des Klägers, die Minderung des Beitragserstattungsanspruchs könne nicht den Bezug von Arbeitslosenhilfe betreffen, da diese nicht beitragsfinanziert werde, könne nicht gefolgt werden. Ursprünglich habe das AFG in der Vergangenheit auch den Erwerb eines Anspruchs auf originäre Arbeitslosenhilfe vorgesehen. Nach der Gesetzesänderung seien für die Arbeitslosigkeit auch noch 150 Kalendertage einer Beschäftigung oder sonstigen Zeit erforderlich, die zur Erfüllung der Anwartschaft auf Arbeitslosengeld habe dienen können. Dabei handele es sich vorrangig um Zeiten einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung. Die Einschätzung, dass die Arbeitslosenhilfe generell nicht von einer beitragspflichtigen Beschäftigung abhängig sei, sei deshalb unzutreffend.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 12.02.2000 zu ändern und die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Die Kläger haben erklärt, es sei klar, dass das Arbeitslosengeld in Höhe von 2.656,80 DM von den von ihnen geltend gemachten Beitragserstattungsansprüchen in Abzug zu bringen sei. Soweit das Sozialgericht ihr Begehren insoweit falsch verstanden habe, werde die Klage diesbezüglich zurückgenommen.
Im Übrigen beantragen sie,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Kläger halten die erstinstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und sind nicht damit einverstanden, dass von dem übrigbleibenden Differenzbetrag noch die ihnen gezahlte Arbeitslosenhilfe in Abzug gebracht werde.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der die Kläger betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten mit den Stammnummern 000 und 000 Bezug genommen. Diese Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
Zu Recht hat das SG die angefochtenen Bescheide der Beklagten vom 24.08.1999, den Änderungsbescheid vom 20.12.1999 sowie die Widerspruchsbescheide vom 04.01.2000 abgeändert. Diese sind nämlich soweit sie eine Minderung der Beitragserstattung durch die dem Kläger gezahlte Arbeitslosenhilfe beinhalteten, rechtswidrig und stellen insoweit eine Beschwer der Kläger im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG dar.
Gemäß § 351 SGB III gilt für die Erstattung zu Unrecht gezahlter Beiträge abweichend von § 26 Abs. 2 SGB IV, dass sich der zu erstattende Beitrag um den Betrag der Leistung mindert, der in irrtümlicher Annahme der Versicherungspflicht gezahlt worden ist. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Senat mit den in der Literatur vertretenen Meinungen (s. Niesel/Brand, SGB III, 1998 Rdnr. 8 zu § 351; Henning/Henkel/Schlegel/Steuerkauf, SGB III, § 351 Rdnr. 2; Timme in Hauck/Heinke, SGB III, § 351 Rdnr. 15) der Auffassung, dass die Arbeitslosenhilfe von der Berücksichtigung nach § 351 Abs. 1 SGB III von vornherein ausgeschlossen ist. Sie wirkt sich nicht mindernd aus. Hierfür sprechen folgende Überlegungen:
Die Vorschrift des § 351 Abs. 1 SGB III ist im Rahmen der Arbeitslosenversicherung eine Sonderregelung zur Vorschrift des § 26 Abs. 2 SGB IV. Letztgenannte schließt eine Erstattung von Beiträgen aus, wenn der Versicherungsträger auf Grund dieser Beiträge oder für den Zeitraum, für den die Beiträge zu Unrecht entrichtet worden sind, Leistungen erbracht oder zu erbringen hat. Diese Verfallklausel beruht auf dem Gedanken der wechselseitigen Abhängigkeit von Beiträgen und Leistungen. Im Rahmen des § 351 Abs. 1 SGB III ist für den Fall erbrachter Leistungen eine Saldierung mit dem Erstattungsanspruch vorzunehmen, und zwar in der Form, dass der zu erstattende Betrag um den Betrag der Leistung gemindert wird, der in irrtümlicher Annahme der Versicherungspflicht gezahlt worden ist. Weder der Wortlaut der Vorschrift noch die Gesetzesmaterialien (BT-Drs. 13/4941 S. 90 u. 216 zu § 352; BT-Drs. 13/6845 S. 206 zu § 352) beantworten eindeutig, um welche Leistungen zu mindern ist. Der Senat teilt die von Timme in Hauck vertretene Auffassung, dass letztlich entscheidend für die Auslegung von § 351 Abs. 1 Satz 1 SGB III die enge Verbindung zu § 26 Abs. 2 SGB IV ist und die Berücksichtigung einer Leistungsgewährung bei der Beitragserstattung. Diese Berücksichtigung beruht auf dem Gedanken der wechselseitigen Abhängigkeit von Beiträgen und Leistungen. Der Grundsatz der prinzipiellen Äquivalenz ist auch Hintergrund der Minderungsregelung in § 351 SGB III. Diese wechselseitige Abhängigkeit bewirkt, dass die Minderungsregelung dann keine Anwendung finden kann, wenn es an jeder Form eines Zusammenhangs zwischen den zu erstattenden Beiträgen und erbrachten Leistungen fehlt. Diese Abhängigkeit ist letztlich die Legitimation der Streichung der Beitragserstattung nach § 26 Abs. 2 SGB IV bzw. Legitimation der Minderung nach § 351 (so auch Gagel, SGB III § 351 Rdnr. 17). Eine solche Äquivalenz besteht jedoch nur insoweit, als die Leistungen in Zusammenhang zur Beitragszahlung stehen. Insoweit ist auch bei § 351 SGB III ein Beitragsbezug zu fordern. Damit sind Leistungen der Arbeitslosenhilfe nichtminderungsfähig anzusehen. Die Gegenauffassung, dass andere insoweit irgendwie geartete Anknüpfungen an ein vorangegangenes Versicherungspflichtverhältnis ausreichen, um Arbeitslosenhilfe zu den Leistungen zu rechnen, um die zu mindern ist (OLK in Wissing/Pietschers/Eicher, SGB III § 351 Rdnr. 15; Knigge, Ketelsen, Marschall, Wittrock, Kommentar zum AFG, § 185a Rdnr. 8) überzeugen hingegen nicht. Sie verkennt, dass die Arbeitslosenhilfe – anders als das Arbeitslosengeld – durch Steuern finanziert wird und insoweit ein Beitragsbezug fehlt. Mit dieser Rechtsauffassung steht der erkennende Senat auch in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) hinsichtlich der Berücksichtigung von Einmalzahlungen bei der Berechnung der Arbeitslosenhilfe. Auch hier kommt es auf Grund des fehlenden Beitragsbezuges zu einer Nichtberücksichtigung bei der Arbeitslosenhilfe, wohingegen bei dem Arbeitslosengeld Einmalzahlungen zu berücksichtigen sind. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese unterschiedliche Behandlung von Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe haben weder der erkennende Senat noch das BSG erhoben (vgl. hierzu Urteile des Senats vom 11.04.2001 – L 12 AL 116/00 -, vom 17.04.2002 – L 12 AL 86/01 -, vom 21.08.2002 – L 12 AL 40/02 – und vom 23.10.2002 – L 12 AL 129/02 -; Beschluss des BSG vom 21.08.2001 – B 11 AL 89/01 B – und Urteil des BSG vom 04.11.1999 – B 7 AL 76/98 R -).
Die Berufung konnte somit keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 183, 193 SGG.
Der Senat hat die Revision zugelassen, da er der Frage, ob sich die Arbeitslosenhilfe im Rahmen des § 351 SGB III nicht anspruchsmindernd auswirkt, grundsätzliche Bedeutung zumisst (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Erstellt am: 26.04.2004
Zuletzt verändert am: 26.04.2004