Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 17. Januar 1996 wird zurückgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt Versorgung nach dem Soldatenversorgungsgesetz (SVG).
Der 1973 geborene Kläger leistete von Oktober 1992 bis September 1993 seinen Wehrdienst bei der Bundeswehr. Am 12.01.1993 verletzte er sich gegen 17:00 Uhr beim Volleyballspiel an der rechten Schulter. Das Spiel fand in der Sporthalle auf dem Kasernengelände statt; es erfolgte nicht im Rahmen des Dienstplanes. Das Volleyballspiel wurde vom Kompaniechef zur Steigerung der körperlichen Leistungsfähigkeit genehmigt und nicht von einer beauftragten Person verantwortlich geleitet.
Die Beigeladene legte im Juli 1993 ein WDB-Blatt an und zog die Behandlungs- und OP-Berichte bei. Mit Bescheid vom 06.09.1996 lehnte die Beigeladene einen Ausgleich ab, da die sportliche Betätigung weder im Rahmen eines Dienstplanes durchgeführt noch von einer beauftragten Person verantwortlich geleitet worden sei. Über die Beschwerde wurde noch nicht entschieden.
Den Antrag des Klägers von September 1993, ihm Versorgung wegen der Folgen der Sportverletzung zu gewähren, lehnte der Beklagte nach Beiziehung der Akte der Beigeladenen mit Bescheid vom 08.12.1993 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 07.03.1994 mit der Begründung ab, es liege keine Wehrdienstbeschädigung vor. Es handele sich um eine freiwillige sportliche Betätigung, die zwar vom zuständigen Disziplinarvorgesetzten genehmigt gewesen, jedoch nicht von einem von ihm beauftragten Soldaten geleitet worden sei.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 17.01.1996 abgewiesen. Auf die Entscheidung wird verwiesen.
Gegen das am 29.02.1996 zugestellte Urteil hat der Kläger am 29.03.1996 Berufung mit der Begründung eingelegt, es liege eine dienstliche Veranstaltung vor.
Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) hat die Berufung mit Urteil vom 01.08.1996 zurückgewiesen. Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, bei dem Unfall handele es sich nicht um eine Wehrdienstbeschädigung, denn die Schulterverletzung sei nicht durch eine Wehrdienstverrichtung herbeigeführt worden. Das Volleyballspiel sei auch im Hinblick auf den Erlass des Bundesministers der Verteidigung (BMVtdg) vom 08.06.1962 (VMBl 1962, S. 245) keine dienstliche Veranstaltung, denn es fehle an der Leitung durch einen vom Dienstvorgesetzten Beauftragten. Ebensowenig beruhe die Verletzung auf wehrdiensteigentümlichen Verhältnissen.
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers hat das Bundessozialgericht (BSG) mit Beschluss vom 12.02.1997 die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Das BSG hat mit Urteil vom 22.04.1998 das Urteil des LSG NRW vom 01.08.1996 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das BSG im Wesentlichen ausgeführt: Zur Prüfung der Frage, inwieweit der Kläger an einer dienstlichen Veranstaltung i. S. vom § 81 Abs. 3 Nr. 3 SVG teilgenommen habe, sei im Hinblick auf den Erlass des BMVtdg vom 08.06.1962 noch zu ermitteln, inwieweit die erteilte Genehmigung rechtmäßig oder rechtswidrig ist und ob der Kläger Versorgungsschutz unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes für sich beanspruchen kann.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 17.01.1996 abzuändern und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 08.12.1993 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 07.03.1994 zu verurteilen, ihm wegen "inkomplettem Limbusriss in der rechten Schulter" Versorgungsleistungen zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beigeladene beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen I (I.), Kompaniechef der 1. Kompanie des Fernmeldebataillons 520, und ein Gutachten des Orthopäden Dr. W eingeholt. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 20.01.2000 und das Gutachten des Dr. W verwiesen.
Abschließend hat der Senat den Zeugen M (M.) sowie den Kläger im Rahmen eines Erörterungstermins gehört. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 23.01.2003 verwiesen. Sodann hat der Senat den Erlass des BMVtdg vom 08.06.1962 beigezogen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Das SG hat im Ergebnis zu Recht abgelehnt, die Schulterverletzung des Klägers als Wehrdienstbeschädigung anzuerkennen. Zwar genießt er unter Beachtung der vom BSG dargelegten Kriterien nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme Vertrauensschutz (I.); es liegt jedoch kein geeignetes Unfallereignis vor, so dass die arthrotischen Veränderungen an der Schulter nicht als WDB anzuerkennen sind (II.).
I.
Nach § 80 SVG erhält ein Soldat, der eine Wehrdienstbeschädigung (WDB) erlitten hat, nach Beendigung des Wehrdienstes wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der WDB auf Antrag Versorgung. Nach § 81 Abs. 1 SVG ist eine WDB eine gesundheitliche Schädigung, die durch eine Wehrdienstverrichtung, durch einen während der Ausübung des Wehrdienstes erlittenen Unfall oder durch die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse herbeigeführt worden ist. Nach Abs. 3 Nr. 3 der Vorschrift gehört zum Wehrdienst auch die Teilnahme an dienstlichen Veranstaltungen. Grundsätzlich wird nach der Rechtsprechung des BSG in der Freizeit, d. h. auch bei sportlicher Betätigung, kein militärischer Dienst geleistet. Dies gilt unabhängig davon, ob die Beschäftigung des Soldaten im Rahmen des dienstlich Gewünschten liegt (BSG SozR 3200, § 81 Nr. 14, BSG SozR 3-3200 § 81 Nr. 4). Ausnahmsweise liegt eine dienstliche Veranstaltung vor, wenn sie den dienstlichen Interessen dient und durch organisatorische Maßnahmen sachlicher und persönlicher Art in den weisungsgebundenen Dienstbereich einbezogen ist. Die Zuordnung zum "weiteren Dienstbereich" erfordert zum einen eine "materielle Dienstbezogenheit" und zum anderen eine "formelle Organisation" durch den Dienstherrn oder einen von ihm Beauftragen. Die Voraussetzungen, unter denen Versorung bei gesundheitlichen Schädigungen in Ausübung dienstlichen oder außerdienstlichen Sports gewährt wird, regelt der Erlass des BMVtdg vom 08.06.1962. Danach ist eine WDB auch die gesundheitliche Schädigung, die durch eine freiwillige sportliche Betätigung oder durch einen dabei erlittenen Unfall eingetreten ist, wenn der Sport von dem zuständigen Disziplinarvorgesetzten aus dienstlichen Gründen genehmigt und von einem von ihm beauftragten Soldaten oder einer von ihm bestellten Zivilperson, die in einem Dienstverhältnis zur Bundeswehr steht, verantwortlich geleitet war.
Ob diese Voraussetzungen für das Volleyballspiel vom 12. Januar 1993 erfüllt sind, d.h. ob von einer rechtmäßigen oder rechtswidrigen Genehmigung auszugehen ist, lässt sich nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht zweifelsfrei feststellen. Für das Vorliegen der materiellen Dienstbezogenheit spricht, dass der Zeuge I. im Gespräch mit dem Kläger angab, dass nach Dienstschluss die Sporthalle von den Soldaten genutzt werden kann und Sport zur körperlichen Ertüchtigung betrieben werden soll. Dagegen ist anzuführen, dass der Zeuge I. im Sommer 1993 hingegen darlegte, dass die sportliche Betätigung nicht von ihm angeordnet gewesen sei. Demgegenüber hat er anlässlich seiner Vernehmung unter Vorhalt des oben dargestellten Sachverhaltes mitgeteilt, dass er glaubt, die sportliche Betätigung genehmigt zu haben, da sie der Steigerung der körperlichen Leistungsfähigkeit diente. Einschränkend hat er jedoch betont, dass er das im Einzelnen nicht mehr wisse. Letztendlich nicht mehr zu klären war zudem die Frage, ob der Zeuge I. mit der Genehmigung des Volleyballspiels gleichzeitig eine Aufsichtsperson bestimmt hat. In der Bescheinigung von 1993 hat der Zeuge I. diese Frage ausdrücklich verneint. Dies stimmt mit der Aussage des Klägers überein, wonach er sowohl am 12. Januar 1993 als auch während der sportlichen Betätigungen vor und nach dem Unfall keine Aufsichtsperson bemerkt hat. Weiter aufzuklären ist die Frage der Beauftragung der Aufsichtsperson und deren Anwesenheit in der Sporthalle nicht mehr, da insoweit keine schriftliche Dokumentation erfolgte.
Letztendlich kann es jedoch dahinstehen, ob die Voraussetzungen des Erlasses des BMVtdg vorliegen, d. h. ob die Genehmigung rechtmäßig oder rechtswidrig gewesen ist. Der Kläger genießt trotzdem Versorgungsschutz, da er darauf vertraut hat und vertrauen durfte, dass es sich bei dem Volleyballspiel vom 12.01.1993 um eine dienstliche Veranstaltung handelte. Er kann sich auf den im Rechtsstaatsprinzip verankerten Grundsatz des Vertrauensschutzes berufen. Voraussetzung hierfür ist, dass der Betreffende in eine – möglicherweise – rechtswidrig erteilte Genehmigung vertraute und sich hierauf eingerichtet hat. Neben der Vertrauensbildung setzt die Gewährung von Vertrauensschutz auch die Vertrauensbetätigung voraus (BVerfGE 59, 128, 166; 68, 149, 164; BSGE 53, 22, 27). Im vorliegenden Fall kann der Kläger trotz der Nichterweisbarkeit des Vorliegens der Voraussetzungen des Erlasses von Juni 1962 die Schulterverletzung dann als Wehrdienstbeschädigung anerkannt bekommen, wenn unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und der Zumutbarkeit nach Abwägung der Belange der Allgemeinheit mit den Interessen des Einzelnen diesen der Vorrang gebührt.
Diese Voraussetzungen liegen vor. Der Kläger hat darauf vertraut und durfte darauf vertrauen, dass es sich bei dem Volleyballspiel um eine dienstliche Veranstaltung handelt. Es liegen vielfältige objektive Umstände vor, die das Vertrauen des Klägers begründen. Zum einen hat der Zeuge I. dem Kläger Anfang Januar erklärt, die Soldaten könnten nach Dienstschluss Sport zur körperlichen Ertüchtigung betreiben. Zum anderen war die Schlüsselaus- und -rückgabe genau geregelt. Dies bestätigt der Zeuge M., nach dessen Aussage die Soldaten den Schlüssel beim UvD abholten und dessen Entgegennahme quittierten. Darüber hinaus haben der Kläger und die anderen Soldaten die von der Bundeswehr zur Verfügung gestellte Sportkleidung getragen. Schließlich fand die sportliche Betätigung auf dem Kasernengelände in einer Halle der Bundeswehr statt. Ausserdem nahmen nur Soldaten und keine Mitglieder von Sportvereinen teil. Die zweite Voraussetzung für die Bejahung des Vertrauensschutzes, die Vertrauensbetätigung, liegt auch vor. Der Kläger hat ausgehend von der Mitteilung des Kompaniechefs Anfang Januar und den Gesamtumständen darauf vertraut, dass er an einer dienstlichen Veranstaltung teilgenommen hat. Dies durfte er nach Abwägung der Umstände des Einzelfalles auch. Ausgehend vom Empfängerhorizont stellte die Aussage des Kompaniechefs für ihn die Genehmigung der jeweils nach Dienstschluss stattfindenden sportlichen Betätigung dar. Dieses Vertrauen wurde auch nicht dadurch erschüttert, dass der Kläger wusste, dass am 12. Januar 1993 keine Aufsichtsperson das Volleyballspiel geleitet hat. Zum einen hat er weder vor noch nach dem Unfall eine Aufsichtsperson während einer sportlichen Betätigung bemerkt. Das Vertrauen des Klägers lässt sich auch nicht durch die Aussagen der Zeugen I. und M. erschüttern. Der Zeuge I. hat nur äußerst selten und stichprobenartig überprüft, inwieweit die von ihm benannten Aufsichtspersonen ihre Funktion tatsächlich ausgeübt haben. Es kann also gut sein, dass in der Regel keine Aufsichtsperson zugegen war, zumal sich die Kompanie bereits in Auflösung befand. Ausserdem hat die weitere Beweiserhebung keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Kläger entweder den Inhalt des Erlasses des BMVtdg kannte oder wusste, dass nur am 12. Januar 1993 ausnahmsweise keine Aufsichtsperson zugegen war. Nur dann hätte kein Rechtsschein entstehen können.
II.
Es fehlt jedoch an einem geeigneten Unfallereignis. Es liegt kein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Volleyballspiel von Januar 1993 und der erlittenen Gesundheitsstörung – artroskopisch gesicherte Veränderungen des knorpeligen Pfannnenrandes (Limbus) der rechten Schulter – vor. Dieser ist nach den überzeugenden Feststellungen des Dr. W nur dann zu bejahen, wenn ein Sturz stattfand und hierbei eine axiale Belastung auf den Oberarmkopf einwirkte. Daran fehlt es. Der Kläger hat auf ausdrückliches Befragen im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 04.12.2003 dargelegt, dass er nicht gestürzt ist und es zu keiner Gewalteinwirkung auf die Schulter gekommen ist. Vielmehr kam es beim "Schmettern" zu der Verletzung. Dabei handelt es sich um eine physiologische Bewegung, so dass mit Dr. W ein geeigneter Unfallmechanismus auszuschließen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Erstellt am: 07.04.2004
Zuletzt verändert am: 07.04.2004