Revision mit Urteil zurückgewiesen.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 15. April 2003 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Kostenübernahme für D-Ribose zur Behandlung der Krankheitsfolgen eines Myoadenylate-Deaminase-Mangels (MAD).
Bei der 1956 geborenen Klägerin wurde 1999 eine auf einem MAD zurückzuführende Muskelerkrankung (Myopathie) festgestellt.
Der MAD ist mit einer Frequenz von 2 bis 3 % die häufigste metabolische Myopathie in der kaukasischen Bevölkerung, gleichwohl aber eine seltene Erkrankung. Er zeigt ein sehr heterogenes Bild klinischer Symptome. Zu den typischen und auch bei der Klägerin beschriebenen Beschwerden zählen Muskelkrämpfe und -schwäche, Myalgien und schnelle Ermüdbarkeit. Häufig werden diese Beschwerden erst durch körperliche Belastung induziert oder treten in clusterartigen Phasen und beschwerdefreien Intervallen auf. Bei einem relativ hohen Prozentsatz der Personen mit gesichertem MAD finden sich allerdings keinerlei Anhaltspunkte einer myopathischen Erkrankung.
Bei D-Ribose handelt es sich um eine besondere Zuckerart (Monosaccharid), die eine wichtige Rolle bei der Bildung von körpereigenem ATP (Adenosin Triphosphat) spielt. Sie ist Bestandteil aller pflanzlichen Stoffe und wird im Wege der mikrobiologischen Fermentierung hergestellt. Vor allem im Internet wird D-Ribose als Sportler- bzw. Bodybuilding-Nahrung vertrieben (vgl. etwa www.worldsfood.de, www.phytochem.de, www.protraineronline.com oder www.iherb.com [siehe dazu Bl. 290-297 der Gerichtsakten]). Die Klägerin arbeitete ursprünglich als Tierärztin. Nunmehr bezieht sie (befristet) Berufsunfähigkeitsrenten aus einer privaten Berufsunfähigkeitsversicherung in Höhe von 1.100,00 Euro (netto) sowie vom Versorgungswerk der Ärztekammer in Höhe von 1.400,00 Euro (netto). Sie ist im Übrigen als Schreibkraft im Umfang einer geringfügigen Tätigkeit beschäftigt und erhält ein Gehalt von 530,00 Euro (netto). Wegen ihrer Krankheit stellte das zuständige Versorgungsamt bei der Klägerin einen Grad der Behinderung (GdB) von 60 fest.
Die Klägerin beantragte am 18.12.2000 die Kostenübernahme für eine Therapie mit D-Ribose, nachdem sie aufgrund eigener Recherchen auf diese Behandlungsmöglichkeit aufmerksam geworden war. Sie verschaffte sich erstmals im November 2000 ein Kilogramm D-Ribose.
In dem ihrem Antrag beigefügten privatärztlichen Attest der behandelnden Internisten Dres. L1 und N vom 15.12.2000 wird ausgeführt, seit vier Jahren durchgeführte diverse Therapieversuche seien "frustran" verlaufen, erst die Behandlung mit D-Ribose habe einen Erfolg gezeigt. Die Klägerin überreichte zur Begründung ihres Antrags unter anderem eine Liste der seit 1997 "getesteten" Medikamente, einen in November und Dezember 2000 erstellten Verlaufsbericht über die Behandlung mit D-Ribose, Internetveröffentlichungen zum Krankheitsbild und Arztberichte der Klinik und Poliklinik für Neurologie und Psychiatrie L vom 15.09.1999, der neurologischen Klinik der I-Universität E vom 11.09.1997 sowie des Arztes für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. L vom 19.08.1997.
Der von der Beklagten eingeschaltete Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) vertrat in einer Stellungnahme vom 22.12.2000 die Auffassung, dass D-Ribose-Pulver nicht erstattungsfähig sei, da es sich hierbei um ein Nahrungsergänzungsmittel und nicht um ein Arzneimittel handele.
Mit Bescheid vom 04.01.2001 lehnte die Beklagte unter Bezugnahme auf diese Stellungnahme die Kostenübernahme ab, da für Nahrungsergänzungsmittel keine Leistungsverpflichtung der gesetzlichen Krankenkassen bestehe. Mit Widerspruch vom 26.01.2001 wies die Klägerin darauf hin, dass nach Auffassung des MDK Baden-Württemberg D-Ribose bei Vorliegen eines MAD als Medikament anzusehen sei. In der einschlägigen medizinischen Literatur werde die Verabreichung von D-Ribose zur symptomatischen Therapie empfohlen. Sie nehme D-Ribose wegen Erfolglosigkeit aller anderen Behandlungsversuche nicht zur Nahrungsergänzung, sondern zur Linderung ihrer Beschwerden ein.
Die Beklagte zog das von der Klägerin zitierte sozialmedizinische Gutachten des MDK Baden-Württemberg vom 14.02.2000 bei. Darin wird unter anderem ausgeführt, in der einschlägigen Literatur fänden sich lediglich Einzelfallbeschreibungen zur Behandlung des MAD. Studien seien wegen der Seltenheit der Erkrankung, die in sich wiederum heterogen sei, nicht zu erwarten. Eindeutige Therapiekonzepte existierten daher bisher nicht. Man müsse sich mit einem niedrigeren Evidenz-Label begnügen, so dass die Kostenübernahme für eine Behandlung mit D-Ribose empfohlen werde. Die Beklagte veranlasste daraufhin eine weitere Stellungnahme des MDK Nordrhein, der in seiner Stellungnahme vom 19.02.2001 die Voraussetzungen für eine Kostenübernahme gleichwohl nicht als erfüllt ansah, da D-Ribose nur als Chemikalie oder chemische Reagenz erhältlich sei. Die einzig auffindbare kontrollierte Untersuchung mit einer verblindeten Kontrollgruppe datiere aus dem Jahre 1983. Darin heiße es: " … die Behandlung der Patienten mit D-Ribose war uneffektiv." Von der Rechtsprechung geforderte Wirksamkeitsnachweise mit statistischer Relevanz lägen nicht vor.
Mit Widerspruchsbescheid vom 11.06.2001 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin daraufhin als unbegründet zurück.
Mit der hiergegen am 21.06.2001 bei dem Sozialgericht (SG) Düsseldorf erhobenen Klage hat die Klägerin vorgetragen, die Einnahme von 30 g D-Ribose täglich habe bei ihr fast zur Beschwerdefreiheit geführt. Da ihre Erkrankung sehr selten sei, könne die Erstattungsfähigkeit nicht davon abhängig gemacht werden, ob kontrollierte Doppelblindstudien an einer großen Fallzahl von Patienten die Wirksamkeit belegt hätten. Die Ablehnung einer medizinisch notwendigen Behandlung aus rein formalen Gründen sei auch nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) rechtswidrig. Die vorliegenden medizinischen Unterlagen belegten allgemein, aber auch auf den konkreten Fall bezogen, dass D-Ribose die einzig Erfolg versprechende Behandlungsmethode sei. Die Klägerin hat zur Begründung ihrer Klage ein Gutachten des Prof. Dr. I von der Universitätsklinik L vom 21.02.2002 (erstellt für die Nürnberger Versicherungs-AG) sowie ein Gutachten des Prof. Dr. I1, Chefarzt der neurologischen Klinik N in N1, vom 23.07.2002 (erstellt für die Ärztekammer Nordrhein) zur Beurteilung des Vorliegens einer Berufsunfähigkeit überreicht.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 04.01.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11.06.2001 zu verurteilen, die Kosten der Behandlung mit D-Ribose in der Vergangenheit zu erstatten und für die Zukunft zu übernehmen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat ihr Vorbringen aus dem Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren wiederholt und ergänzend ausgeführt, dass eine Anwendung der Grundsätze für den sogenannten "Off-Label-Use" nicht in Betracht komme, da es sich bei D-Ribose um ein Nahrungsergänzungsmittel handele.
Das SG hat eine Auskunft des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) vom 31.10.2001 angefordert, wonach D-Ribose nicht als Arzneimittel zugelassen sei. Des Weiteren hat das SG Behandlungs- und Befundberichte des Internisten Dr. N und des Neurologen Dr. G von der X-Klinik angefordert. In seinem Bericht vom 23.11.2001 führt Dr. N aus, die Klägerin habe nach Ausschöpfung aller therapeutischen Maßnahmen eine Therapie mit D-Ribose begonnen, wodurch es zu einer deutlichen Verminderung der Muskelkrämpfe gekommen sei.
Dr. G hat in seinem Behandlungs- und Befundbericht vom 24.01.2002 seiner Überzeugung Ausdruck verliehen, dass Fachärzte für Neurologie bei gleichgearteten Fällen einen Therapieversuch mit D-Ribose befürworten würden, auch wenn es sich aufgrund einer kasuistischen Literaturlage nicht um sogenanntes "Lehrbuchwissen" handele.
Im Entlassungsbericht über eine stationäre Behandlung vom 01.10. – 03.11.2001 in der X-Klinik hatte Dr. G ausgeführt, es bestehe ein eindeutiger Zusammenhang zwischen subjektiven Beschwerden und objektiven Befunden zur Einnahme von D-Ribose.
Das SG hat weiter Beweis erhoben durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens von Prof. Dr. N1, Klinik und Poliklinik für Neurologie der Universität zu L. Im Gutachten vom 06.11.2002 hat Prof. Dr. N1 ausgeführt, D-Ribose werde in der Schulmedizin zur Behandlung der bei der Klägerin bestehenden Erkrankungen empfohlen. Die Behandlung habe bei der Klägerin Erfolg gehabt. Es lägen hinsichtlich der Wirksamkeit der Methode aber lediglich Einzelfallberichte vor, in denen auch widersprüchlich über den Behandlungserfolg berichtet werde.
Mit Urteil vom 15.04.2003 (Verkündung) hat das SG die Klage abgewiesen. Bei D-Ribose handele es sich nicht um ein Arzneimittel. Des Weiteren stehe einem Anspruch nach § 135 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) entgegen. Auf die Entscheidungsgründe wird im Übrigen Bezug genommen.
Die Klägerin hat am 24.04.2003 und damit noch vor Zustellung des Urteils am 05.06.2003 Berufung eingelegt. Unter Wiederholung ihres bisherigen Vorbringens ist sie weiterhin der Auffassung, D-Ribose müsse gewährt werden, da es Behandlungsalternativen nicht gebe und die Wirksamkeit durch das erstinstanzlich eingeholte Gutachten nachgewiesen sei. Das Gericht müsse daher die ggf. fehlende Empfehlung des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen ersetzen. Es könne nicht darauf ankommen, ob D-Ribose als Arzneimittel anerkannt sei oder nicht. Ihr Gesundheitszustand habe sich zusehends verschlechtert, seit sie D-Ribose nicht mehr einnehme. Die Klägerin hat zur weiteren Begründung ein für das SG Düsseldorf zum Schwerbehindertenstreitverfahren S 30 SB 407/02 erstelltes Sachverständigengutachten des Prof. Dr. N1 vom 07.10.2003 zu den Akten gereicht.
Die Klägerin hat ihren Klageantrag auf die letzte Lieferung von D-Ribose beschränkt und beantragt nunmehr,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 15.04.2003 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 04.01.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.06.2001 zu verurteilen, ihr – der Klägerin – entstandene Kosten für die Beschaffung von D-Ribose in Höhe von 3.077,02 DM zu erstatten.
Des Weiteren beantragt die Klägerin,
unter Aufhebung der genannten Bescheide festzustellen, dass die Behandlung ihrer Erkrankung mit D-Ribose zum Versicherungsumfang gehört.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend. D-Ribose könne als Nahrungsergänzungsmittel nicht gewährt werden. Insoweit bezieht sie sich auf die Rechtsprechung des BSG, wonach auch Mehraufwendungen, die durch eine besondere, krankheitsangepasste Ernährungsweise entstünden, von den gesetzlichen Krankenkassen nicht erstattet werden müssten.
Auf Veranlassung des Senats hat die Klägerin Erklärungen ihres geschiedenen Ehemannes (als Betreiber der N-apotheke in N1) überreicht, wonach erstmals aufgrund Bestellung vom 07.11.2000 am 09.11.2000 ein Kilogramm D-Ribose zum Rechnungsbetrag von 3.077,02 DM an die Klägerin abgegeben worden sei. Weitere fünf Kilogramm (Bestellung vom 22.12.2000) seien am 27.12.2000 zu einem Rechnungsbetrag von 15.385,10 DM und zuletzt ein Kilogramm D-Ribose aufgrund eines Rezeptes des Dr. G ebenfalls zum Preis von 3.077,02 DM abgegeben worden. Die Rechnungsbeträge seien der Klägerin bis zum Ende des Verfahren gestundet worden. Der Senat hat weiterhin Auskünfte des Prof. Dr. Dr. H (Ärztlicher Direktor der Internistischen Klinik Dr. N in N) sowie des Prof. Dr. Q (Universitätsklinikum N, Inhaber des Lehrstuhls Institut der Friedrich-Baur-Stiftung zur Behandlung und Erforschung entzündlicher Nervenkrankheiten) eingeholt. Prof. Dr. Q hat am 26.02.2004 mitgeteilt, seiner Auffassung nach falle die Versorgung von Patienten mit einem MAD in den sogenannten "Off-Label-Use". Es gebe keine wissenschaftlichen Studien, die der Evidence-Based-Medicine entsprechen würden, allerdings durchaus aussagekräftige Einzelfallberichte. Nach seiner persönlichen Meinung, die sich mit der gängigen Literatur decke, sei der MAD nur in einem kleinen Teil der Fälle (10 bis 20 %) mit klinischen Symptomen vergesellschaftet, diese seien wiederum nur in einem kleinen Teil der Fälle als schwer und relevant einzustufen. Bei diesem kleinen Teil der Fälle würde er ein Behandlungsversuch mit D-Ribose unterstützen wollen. Prof. Dr. H hat am 27.02.2004 mitgeteilt, bei dem MAD handele es sich um ein Krankheitsbild, das klinisch sehr stark im Ausprägungsgrad schwanke. Die Ursache für diese Heterogenität sei bislang nicht bekannt. Die symptomatische Behandlung mit D-Ribose sei allen Ärzten, die sich mit diesem Krankheitsbild befassten, bekannt und anerkannt. Es gäbe keine andere Behandlungsform. Aktuelle Studien oder Erkenntnisse zur Wirksamkeit lägen allerdings nicht vor. Es gäbe nur Einzelfallberichte sowie kleinere Studien mit maximal 10 bis 12 Patienten, überwiegend nur als "Abstract" publiziert, die eine Wirksamkeit nachwiesen. Dabei müsse leider festgestellt werden, dass nur etwa die Hälfte der Patienten unter der Einnahme von D-Ribose eine Wirksamkeit zeige. Dennoch gebe es wissenschaftlich gesehen keinen Zweifel daran, dass ein Teil der Patienten auf die Behandlung mit D-Ribose anspreche. Es sei nicht absehbar, dass größere Therapiestudien, wie sie beispielsweise für Medikamente üblich seien, durchgeführt werden könnten. Das Problem sei, dass D-Ribose ein Naturstoff sei, für den es kein Patent gebe und auch wohl nie geben werde.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird verwiesen auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verwaltungsakte der Beklagte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig. Hinsichtlich der Kostenübernahme für die Zukunft ist die Klage als Feststellungsklage gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, da die Klägerin ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung über eine grundsätzliche Leistungsverpflichtung der Beklagten für D-Ribose in ihrem konkreten Krankheitsfall hat. Die Feststellungsklage ist zwar auch im Bereich der Sozialgerichtsbarkeit gegenüber einer Leistungsklage grundsätzlich subsidiär (BSGE 43, 150; 46, 81; 57, 184; 58, 153; vgl. auch Meyer-Ladewig, SGG, 7. Aufl. 2002, § 55 RdNr 19). Ist eine Leistungsklage möglich, ist in der Regel das Feststellungsinteresse (§ 55 SGG) zu verneinen. Der Subsidiaritätsgrundsatz gilt allerdings nur eingeschränkt bei Feststellungsklagen gegen juristische Personen des öffentlichen Rechts, weil angenommen werden kann, dass diese die Leistungsberechtigten angesichts ihrer in der Verfassung verankerten Bindung an Gesetz und Recht auch ohne Leistungsurteil mit Vollstreckungsdruck befriedigen werden (BSGE 10, 24; 12, 46; 36, 71, 115; Meyer-Ladewig a.a.O. § 55 RdNr 19b m.w.N.). Allerdings gilt diese Ausnahme auch nur dann, wenn wie vorliegend zu erwarten ist, dass der Streitfall mit der gerichtlichen Feststellung endgültig geklärt wird, die Gerichte also nicht noch einmal mit der Sache befasst werden müssen, um über weitere streitige Punkte zu entscheiden, die von der begehrten Feststellung nicht erfasst werden (vgl. BSG SozR 3-3300 § 43a Nr. 2.).
Die Berufung ist aber unbegründet.
Die Klägerin ist durch den angefochtenen Bescheid vom 04.01.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.06.2001 nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG, da ihr ein Anspruch auf Freistellung von den zuletzt noch geltend gemachten Kosten in Höhe von 3.077,02 DM nicht zusteht.
Der Anspruch auf Kostenerstattung bzw. Freistellung von den Kosten ergibt sich aus § 13 Abs. 3 SGB V (vgl. zur Erfassung auch des Freistellungsanspruchs zuletzt unter Verweis auf die ständige Rechtsprechung: BSG SozR 3-2500 § 37 Nr. 5). Danach hat die Krankenkasse, wenn sie eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte (1. Alternative) oder eine Leistung zu Unrecht ablehnt und dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind (2. Alternative), diese in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war.
Als Anspruchsgrundlage kommt vorliegend alleine die 2. Alternative in Betracht. Ein Kostenerstattungsanspruch besteht unabhängig von einer etwaigen Eilbedürftigkeit nur für medizinische Maßnahmen, die ihrer Art nach von den gesetzlichen Krankenkassen als Sachleistungen zu erbringen sind (vgl. zur ständigen Rechtsprechung des BSG zuletzt BSG SozR 3-2500 § 92 Nr. 12 m.w.N.). Daher sind für den Erfolg der Berufung hinsichtlich beider Anträge der Klägerin dieselben rechtlichen Überlegungen maßgebend.
Nach § 27 Abs. 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, der unter anderem auch die ärztliche Behandlung (Satz 2 Nr. 1 a.a.O.) sowie die Versorgung mit Arzneimitteln ( Satz 2 Nr. 3 a.a.O.) einschließt.
1. Ein Anspruch gemäß §§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 i.V.m. 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V besteht nicht. D-Ribose kann nicht als Fertigarzneimittel zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden.
Der in § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 und § 31 Abs. 1 SGB V normierte Anspruch des Versicherten auf Bereitstellung der für die Krankenbehandlung benötigten Arzneimittel unterliegt den Einschränkungen aus § 2 Abs. 1 Satz 3 und § 12 Abs. 1 SGB V.
Auch wenn das Bundessozialgericht bisher offengelassen hat, ob der arzneimittelrechtliche Arzneimittelbegriff sowie der krankenversicherungsrechtliche Arzneimittelbegriff übereinstimmen (vgl. BSGE 86, 54ff.), ist die Begriffsbestimmung des § 2 Abs. 1 Arzneimittelgesetzes (AMG) maßgeblich, seit § 31 SGB V (ab dem 01.07.1997) den Anspruch auf apothekenpflichtige Arzneimittel (vgl. § 43 AMG) begrenzt (vgl. BSG SozR 3-2500 § 27 Nr. 10 S. 34).
Entgegen der Auffassung des SG ist D-Ribose wie ein Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 AMG zu behandeln. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG sind Arzneimittel unter anderem Stoffe, die dazu bestimmt sind, durch Anwendung im menschlichen Körper Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern oder zu verhüten. Darüber hinaus fallen gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 5 AMG auch Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen unter den Arzneimittelbegriff, die die Beschaffenheit, den Zustand oder die Funktionen des Körpers beeinflussen. Zwar wird der Arzneimittelbegriff durch § 2 Abs. 3 Nr. 1 AMG dahin eingeschränkt, dass Lebensmittel im Sinne des § 1 Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes (LMBG) keine Arzneimittel sind. Derselbe Stoff kann danach nicht gleichzeitig Lebensmittel und Arzneimittel sein (vgl. BGH, Urteil vom 10.02.2000, Az. I ZR 97/98 = NJW-RR 2000, 1284 bis 1286). Nach § 1 Abs. 1 LMBG sind Lebensmittel Stoffe, die dazu bestimmt sind, in unverändertem, zubereitetem oder verarbeitetem Zustand von Menschen verzehrt zu werden; ausgenommen sind Stoffe, die überwiegend dazu bestimmt sind, zu anderen Zwecken als zur Ernährung oder zum Genuss verzehrt zu werden.
Entscheidend für die Einordnung eines Produkts als Arzneimittel oder Lebensmittel ist daher seine an objektive Merkmale anknüpfende überwiegende Zweckbestimmung, wie sie sich für einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher darstellt (vgl. BGH a.a.O.). Insoweit ist festzustellen, dass D-Ribose, soweit ersichtlich, ausschließlich unter Hinweis auf seine besondere leistungssteigernde Wirkung für Sportler und hier insbesondere Bodybuilder angeboten wird. Zwar wird in diesem Zusammenhang auch erwähnt, dass einem Mangel an körpereigener Ribose vorgebeugt werden soll. Dies ändert auch aus Sicht eines "Durchschnittsverbrauchers" aber nichts daran, dass sich die angestrebten Ziele der (körperfremden) Leistungssteigerung mit "normaler" Nahrung nicht erreichen lassen. Sportler- und Bodybuilderprodukte werden daher seitens der Oberlandesgerichte regelmäßig als Arzneimittel eingeordnet (vgl. Klösel/Cyran, Arzneimittelrecht-Kommentar, 85.Ergänzungslieferung, § 2 RdNr. 44a m.w.N.) Qualifiziert man D-Ribose aus den genannten Gründen als Arzneimittel, scheidet eine Verordnung zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen aus, da eine arzneimittelrechtliche Zulassung nach § 21 Abs. 1 AMG gemäß Auskunft des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte nicht vorliegt.
Ein Arzneimittel, dem die Zulassung nach § 21 Abs. 1 AMG fehlt, ist regelmäßig im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung nicht verordnungsfähig (vgl. zuletzt etwa BSG SozR 3-2500 § 31 Nr. 8 "Off-Label-Use"). Danach ist die Anwendung eines gar nicht zugelassenen Arzneimittels zu Lasten der Krankenversicherung schon deshalb ausgeschlossen, weil der Einsatz des Präparats auf einem strafbaren Verhalten aufbaut und aus verbotswidrigem Handeln grundsätzlich keine Leistungspflicht der Krankenkassen erwachsen kann (vgl. BSG, a.a.O. unter Verweis auf BSGE 82, 223 = SozR 3-2500 § 31 Nr. 5 S. 17f.). Mangels Zulassung scheitert auch eine die Zulassung überschreitende Verordnung; eine Überprüfung anhand der durch die Rechtsprechung des BSG erstellten Kriterien zum "Off-Label-Use" erübrigt sich.
Aber auch wenn D-Ribose nicht als (apothekenpflichtiges) Arzneimittel einzustufen wäre, ergäbe sich daraus keine Leistungsverpflichtung der Beklagten. Die Einordnung als Nahrungsergänzungsmittel käme allenfalls unter den nachfolgenden Gesichtspunkten in Betracht. D-Ribose wird von den Vertreibern weitestgehend als Nahrungsergänzungsmittel bezeichnet. Im Übrigen soll sie neben der Leistungsförderung ausweislich der Angaben in den vorgenannten Anzeigen ggf. auch dazu dienen, einen sich bei besonderer sportlicher Betätigung ergebenden Mangel an körpereigener D-Ribose auszugleichen. Das Bundesamt für Gesundheit, Abteilung Vollzug Lebensmittelrecht, hat vom 01.01.2003 bis zum 31.12.2003 eine Bewilligung gemäß Art. 184 Abs. 7 Lebensmittelverordnung (LMV) für D-Ribose als ernährungsphysiologischen Zusatz für ein Getränk "SOB A-RUSH" der Firma Dynadrink GmbH erteilt. Nahrungsergänzungsmittel sind Lebensmittel, die einen oder mehrere Nährstoffe in konzentrierter Form und eine lebensmitteluntypische Form aufweisen (vgl. Kloesel/Cyran, a.a.O., § 2 Rz. 76). Wegen ihres eigentlichen Ernährungszwecks – und hier ist ein abstrakter Maßstab anzulegen – besteht ein Versorgungsanspruch nach dem SGB V grundsätzlich nicht (vgl. BSG SozR 3-2500 Nr. 10).
Ein Anspruch ergibt sich auch nicht aus § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB V i.V.m. den danach vom Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen zu erstellenden Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung ("Arzneimittel-Richtlinien/AMR") in der Fassung vom 31.08.1993, zuletzt geändert am 13.05.2002 (veröffentlicht im Bundesanzeiger Nr. 103 v. 08.06.2002, in L1 getreten am 09.06.2002). Die AMR sehen in Abschnitt F Ziffer 17.1 zwar auch Ausnahmen des Verordnungsverbotes für Lebensmittel im Sinne von § 1 LMBG vor. Bei der D-Ribose handelt es sich aber nicht um eine Aminosäuremischung, ein Eiweißhydrolysat, eine Elementardiät oder eine medizinisch indizierte Sondennahrung im Sinne dieser Vorschrift. Auch eine Ausnahme gemäß Ziffer 17.2 liegt nicht vor.
Die Klägerin könnte sich bei Annahme eines Nahrungsergänzungsmittels auch nicht mit Erfolg darauf berufen, die Kosten der D-Ribose belasteten sie unzumutbar. Soweit das BSG in Rechtsprechung zu § 182 Reichsversicherungsordnung auch die finanzielle Belastung der Versicherten berücksichtigte, hat es diese Auffassung mit Inkrafttreten des SGB V aufgegeben (vgl. BSG SozR 3-2500 § 27 Nr. 10, S. 34 m.w.N.).
Ein Anspruch nach § 31 SGB V kommt daher unter keinem Gesichtspunkt in Betracht. Es kommt daher vorliegend auch nicht entscheidend darauf an, dass eine grundsätzlich vorgeschriebene vertragsärztliche Verordnung für das von der Klägerin eingesetzte Präparat fehlt, sondern (lediglich für einen Monat) alleine ein privatärztliches Rezept des Dr. G vorliegt.
2. D-Ribose kann auch nicht als Heil- oder Hilfsmittel verordnet werden. Insbesondere ist – entgegen der von Dr. G im Entlassungsbericht vom 02.11.2001 geäußerten Überzeugung – D-Ribose kein Heilmittel im Sinne des § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V, weil es zum Verzehr und nicht zur äußeren Einwirkung auf den Körper bestimmt ist (vgl. BSG, a.a.O., S. 33).
3. Ein Anspruch ergibt sich auch nicht aus § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB V. Voraussetzung dafür wäre eine ärztliche Behandlung, die einen eigenen theoretisch-wissenschaftlichen Ansatz verfolgt, wobei die Behandlung mit D-Ribose lediglich einen Bestandteil darstellte. Unabhängig davon kann aber ein gemäß § 21 Abs. 1 AMG zulassungspflichtiges Fertigarzneimittel, dem die arzneimittelrechtliche Zulassung fehlt, (wie im Übrigen auch ein Nahrungsergänzungsmittel) lediglich unter den Voraussetzungen des § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V i.V. m. § 31 SGB V zu Lasten der Krankenkassen verordnet werden. Ein (zulassungsfreies) Rezepturarzneimittel, das auch dem Anwendungsbereich des § 135 Abs. 1 SGB V unterfiele (vgl. BSGE 86, 54ff.), ist D-Ribose ersichtlich nicht. Der Senat misst der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung bei, so dass die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision erfüllt sind (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Erstellt am: 18.05.2016
Zuletzt verändert am: 18.05.2016