Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 31.07.2002 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Eingliederungshilfe.
Die am 00.00.1950 geborene Klägerin ist Spätaussiedlerin im Sinne des § 4 Bundesvertriebenengesetz (BVFG). Sie reiste am 29.4.2000 aus Russland in die Bundesrepublik Deutschland ein.
Die ärztliche Gutachterkommission (des russischen Rentenversicherungsträgers) hatte die Klägerin im April 1997 als Invalide der zweiten Gruppe eingestuft und sie zugleich als arbeitsunfähig angesehen. Dementsprechend bezog die Klägerin im Herkunftsland ab 16.04.1997 Rente. Zugleich arbeitete die Klägerin – auch in der Zeit nach Zuerkennung der Rente – von Januar 1997 bis April 2000 an der Mittelschule Nr.9 in D als Russischlehrerin. Zum Nachweis, dass sie Arbeitsentgelt erhalten hat, legte sie eine Einkommensbescheinigung des Schulamtes vor. Ihr (in deutscher Übersetzung vorgelegtes) Arbeitsbuch enthält unter Nr. 23 den Eintrag: "28.05.1997 – Mit Beschluss der Attestationskommission in die 1. Kategorie eingestuft". Es folgt unter Nr.24 der Eintrag: "08.04.2000 – Nach § 31 ArbG der RF auf eigenen Wunsch ausgeschieden."
Ihren in der Bundesrepublik Deutschland gestellten Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung lehnte die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) mit Bescheid vom 26.10.2001 ab. Der dagegen eingelegte Widerspruch wurde zurückgewiesen (Widerspruchsbescheid vom 15.02.2002).
Am 03.05.2000 stellte die Klägerin erstmals einen Antrag auf Gewährung von Eingliederungshilfe für Spätaussiedler. Dazu gab sie an, ihre Vermittlungsfähigkeit sei aus gesundheitlichen Gründen eingeschränkt. Im Jahre 1997 sei eine Krebsbehandlung durchgeführt worden. In Russland habe sie von 1992 bis zum 08.04.2000 als Lehrerin mit 20 Stunden in der Woche gearbeitet. Das Arbeitsamt V lehnte den Antrag durch Bescheid vom 11.05.2000 ab. Dazu führte es aus, die Klägerin habe in ihrem Herkunftsland eine Rente der Gruppe 2 bezogen. Dieser Rentenbezug stehe dem Bezug einer Erwerbsunfähigkeitsrente in der Bundesrepublik Deutschland gleich.
Beschäftigungen, die neben einem solchen Rentenbezug ausgeübt würden, seien gemäß § 28 Nr. 2 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) beitragsfrei. Nach § 418 SGB III könnten Beschäftigungszeiten im Herkunftsland nur berücksichtigt werden, sofern sie bei einer Ausübung im Geltungsbereich des SGB III beitragspflichtig gewesen wären. Dies sei hier nicht der Fall.
Am 26.05.2000 stellte die Klägerin erneut einen Antrag auf Gewährung von Eingliederungshilfe für Spätaussiedler. Dazu gab sie erneut an, dass ihre Vermittlungsfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen eingeschränkt sei. Ihre letzte Tätigkeit könne sie aber weiter ausüben. Vom 20.08.1987 bis 08.04.2000 habe sie in Russland als Lehrerin in einer Mittelschule gearbeitet. Die wöchentliche Arbeitszeit habe zuletzt 23 Stunden betragen. Die Beklagte lehnte den Antrag durch Bescheid vom 30.06.2000 mit der Begründung ab, die Klägerin habe die Anwartschaftszeit nicht erfüllt. Sie habe nicht mindestens fünf Monate in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden, das bei einer Ausübung im Geltungsbereich des SGB III die Versicherungspflicht ausgelöst hätte. Der am 07.07.2000 erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 16.10.2000 als unbegründet zurückgewiesen, weil die Klägerin innerhalb des letzten Jahres vor der Arbeitslosmeldung nicht mindestens fünf Monate in einer Beschäftigung gestanden habe, die bei einer Ausübung im Inland versicherungspflichtig gewesen wäre. Mit der am 20.11.2000 erhobenen Klage hat die Klägerin darauf hingewiesen, dass sie im Herkunftsland aufgrund des Beschlusses der Attestationskommission in die erste Kategorie eingestuft worden sei. Dabei handele es sich um ein Zeugnis, d.h. die Feststellung der Leistung. Entgegen der Auffassung der Beklagten, sei sie mit dem Zeitpunkt dieses Eintrags in ihr Arbeitsbuch nicht aus dem Erwerbsleben ausgeschieden. Das Anstellungsverhältnis als Lehrerin sei vielmehr auf ihren eigenen Wunsch am 08.04.2000 beendet worden. Infolge einer Operation habe sie nur von Januar bis Mai 1997 nicht gearbeitet. Anschließend habe sie von Juni 1997 bis April 2000 ohne Unterbrechung wieder ihren Beruf ausgeübt. Das Attest bezüglich der Invaliditätseinstufung belege nur die rentenrechtliche Einstufung nach den Vorschriften ihres Herkunftslandes. Sie sei vielmehr teilerwerbsfähig gewesen und habe somit mit der teilweisen Fortführung ihrer Erwerbstätigkeit eine rentenversicherungspflichtige Zeit im Sinne des Gesetzes bis zu ihrer Ausreise neben ihrem Rentenbezug zurückgelegt. Eine Teilerwerbsunfähigkeitsrente habe es in Russland nicht gegeben. Wenn – wie in ihrem Fall – eine Einstufung in die Gruppe 2 vorgenommen worden sei, entscheide eine Ärztekommission. In ihrem Fall sei diese zu dem Ergebnis gelangt, dass sie teilweise eine Arbeit aufnehmen könne. Dies bedeute gleichzeitig die Verpflichtung zur Aufnahme einer entsprechenden Tätigkeit. Eine Unterlassung werde sanktioniert. Nach den Feststellungen der BfA sei sie gesundheitlich in Lage, in den Arbeitsmarkt eingegliedert zu werden, zudem sei sie im Herkunftsland im dortigen Arbeitsmarkt integriert gewesen. Nach Sinn und Zweck des Gesetzes erfülle sie somit die Voraussetzungen für eine berufliche Eingliederung. Es sei vor diesem Hintergrund nicht nachvollziehbar, sie als "Rentnerin" vom Bezug von Eingliederungshilfe auszuschließen. Zur weiteren Begründung hat die Klägerin ferner eine Einkommensbescheinigung für das Jahr 1999, den Mitgliedsausweis der Gewerkschaft, eine Bescheinigung der Mittelschule Nr. 9, eine Erklärung des Herrn A. O, nach der die Klägerin im Jahr 1999 an der Mittelschule Nr. 9 eine Arbeitsgemeinschaft "Deutsche Literatur" leitete und den Invalidenausweis vorgelegt.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 30.06.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.10.2000 zu verurteilen, der Klägerin Eingliederungshilfe ab dem 02.06.2000 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, die Voraussetzungen des § 418 SGB III seien nicht erfüllt. Die von der Klägerin vorgelegten Unterlagen belegten keine mindestens fünfmonatige versicherungspflichtige Beschäftigung in der Vorfrist. Es sei insoweit darauf hinzuweisen, dass die Klägerin Invalidenrente der Gruppe 2 bezogen habe.
Das Sozialgericht hat eine Auskunft der BfA zu den Rechtsgrundlagen des Invalidenrentenbezugs in Russland eingeholt. Wegen des Inhalts der Auskunft sowie der beigefügten Anlagen wird auf Blatt 85 ff. der Streitakten verwiesen.
Mit Urteil vom 31.07.2002 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Wegen der Entscheidungsgründe wird auf Blatt 121 ff. verwiesen.
Gegen das am 12.08.2002 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 09.09.2002 Berufung eingelegt. Sie vertritt die Auffassung, dass es sich bei ihrer unbestrittenen Tätigkeit nicht um eine versicherungsfreie Tätigkeit gem. § 28 SGB III gehandelt habe. Sie sei im Herkunftsgebiet in die Invalidengruppe II eingestuft worden. Dies bedeute, dass es ihr erlaubt gewesen sei, neben der Rente eine Arbeit aufzunehmen. Die bezogene Rente habe auch bei weitem keine einkommenssichernde Funktion besessen. Sie habe gerade ausgereicht, um die Wohnungskosten zu decken. Die Lebenshaltung habe nur durch das zusätzliche Arbeitseinkommen gesichert werden können. Das Sozialsystem im Herkunftsgebiet gehe – anders als das deutsche Rentensystem – bei der Einstufung in die jeweiligen Invaliditätsgruppen in keiner Weise von einem gleichen Grad der Invalidität aus. Dies werde schon dadurch erkennbar, dass die Invalidenkasse im Herkunftsgebiet eine Tätigkeit der Klägerin in dem geleisteten Umfang tatsächlich erlaubt habe. Dass sie hierzu auch imstande gewesen sei, werde durch die Einstufung der BfA bestätigt. Diese sei zu dem Ergebnis gekommen, dass sie zu 75 % beruflich einsatzfähig sei und habe daher den Antrag auf Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeitsrente abgelehnt. Die zeitlich auf sechs Monate begrenzte Zahlung von Leistungen nach § 418 SGB III solle im Sinne des § 7 Abs. 1 BVFG die Eingliederung der Spätaussiedler und ihrer Abkömmlinge erleichtern. Durch die gesetzliche Regelung sollten die Betroffenen so gestellt werden, als hätten sie nach bundesrepublikanischen Verhältnissen gearbeitet und wären demzufolge auch in einer gleichen Weise sozialversicherungsrechtlich abgesichert gewesen.
Darüber hinaus habe das Vordergericht bei der Überprüfung der Frage der Vergleichbarkeit der Leistung des ausländischen Versicherungsträgers dessen Leistung als Rente bewertet, ohne zu berücksichtigen, dass es sich um einen Ersatz für die im Herkunftsgebiet nicht vorgesehene Zahlung von Krankengeld gehandelt habe. Einen vergleichbaren Bezug von Krankengeld sähen die Regelungen im Herkunftsgebiet nicht vor. Wenn das Sozialgericht die von ihr bezogene Leistung richtigerweise als Krankengeld und nicht als vergleichbare Leistung i.S.d. § 28 SGB III eingestuft hätte, wäre es auch zu dem Ergebnis gekommen, dass ihr die beantragte Eingliederungshilfe zuzusprechen sei. Tatsächlich habe sie nach dem operationsbedingten Krankenhausaufenthalt trotz der festgestellten Invalidität weiter versicherungspflichtig gearbeitet und Sozialversicherungsbeiträge abgeführt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 31.07.2002 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 30.06.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.10.2000 zu verurteilen, ihr Eingliederungshilfe ab dem 02.06.2000 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist darauf, dass die Rentenleistung im Herkunftsland der Klägerin auf einem besonders hohen Maße eingetretener Invalidität beruhe und nicht erzielbares Arbeitsentgelt ersetze. Soweit der Prozessbevollmächtigte sich darauf berufe, dass es der Klägerin erlaubt bzw. sie sogar verpflichtet gewesen sei, neben dem Rentenbezug zu arbeiten, berücksichtige dies nicht die Einstufungskriterien des Rentengesetzes. Danach bedeute die Einstufung in die Gruppe 1 oder 2, dass der Bürger vollständig die Fähigkeit verloren habe, unter normalen Bedingungen einer regulären Berufstätigkeit nachzugehen.
Hinsichtlich der einkommenssichernden Funktion der Leistung sei ein abstrakter Maßstab anzulegen, so dass es nicht auf die konkrete Einkommenssituation der Klägerin ankomme. Vielmehr sei entscheidend, ob bei einem Lohnersatz von 75 % grundsätzlich von einer solchen einkommenssichernden Funktion ausgegangen werden könne. Schließlich könnten auch die Ausführungen zum Krankengeld und einer diesbezüglichen Ersatzfunktion der Invalidenrente zu keiner anderen Bewertung des Falles führen. Für die Beurteilung der Vorbeschäftigungszeit und der rechtlichen Vergleichbarkeit sei grundsätzlich von einer Inlandsbetrachtung auszugehen; ein ausländischer Rechtsstatus könne nicht in einen vergleichbaren inländischen überführt werden.
Der weiteren Einzelheiten wegen wird Bezug genommen auf den übrigen Inhalt der Streitakten und der Verwaltungsakten der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig. Insbesondere ist sie statthaft, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 500 Euro übersteigt (§ 144 Abs.1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz -SGG-). Der Klägerin hätte nach den Feststellungen der Beklagten gegebenenfalls Eingliederungshilfe in Höhe von 263,55 DM wöchentlich zugestanden. Demgegenüber hat sie lediglich Sozialhilfe in Höhe von 497,00 DM monatlich erhalten.
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Eingliederungshilfe. Gemäß § 418 SGB III (in d. F. vom 24. März 1997, gültig ab 1. Januar 1998 bis 31. Dezember 2002) haben Spätaussiedler und ihre Ehegatten und Abkömmlinge im Sinne des § 7 Abs. 2 BVFG Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn sie
1. arbeitslos sind, sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet haben, bedürftig sind und einen Anspruch auf Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe nicht haben und
2. innerhalb eines Jahres vor dem Tag, an dem die sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Eingliederungshilfe erfüllt sind (Vorfrist), in den Aussiedlungsgebieten mindestens fünf Monate in einer Beschäftigung gestanden haben, die bei Ausübung im Inland eine versicherungspflichtige Beschäftigung gewesen wäre.
Die Klägerin gehört zu dem in § 418 SGB III angesprochenen Personenkreis. Sie ist ausweislich des Registerscheins des Bundesverwaltungsamtes vom 03.05.2000 Spätaussiedlerin im Sinne des § 4 BVFG. Die Klägerin war zudem im Zeitraum, für den die Leistung geltend gemacht wird, arbeitslos. Gemäß § 421 Abs. 1 i. V. m. § 118 Abs. 1 SGB III ist ein Arbeitnehmer arbeitslos, der 1. vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit) und 2. eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung sucht (Beschäftigungssuche). Die Klägerin war nicht nur beschäftigungslos, vielmehr suchte sie auch eine Beschäftigung. Eine Beschäftigung sucht, wer 1. alle Möglichkeiten nutzt und nutzen will, seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden und 2. den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes zur Verfügung steht (Verfügbarkeit). Den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes steht zur Verfügung, wer arbeitsfähig und seiner Arbeitsfähigkeit entsprechend arbeitsbereit ist (§ 119 Abs. 2 SGB III in d. F. vom 16. Dezember 1997). Die Klägerin hatte sich bei der Beklagten am 03.05.2000 arbeitslos gemeldet und Eingliederungsgeld beantragt. Sie war auch arbeitsfähig. Zweifel an ihrer gesundheitlichen Einsatzfähigkeit bestehen nicht. Denn die BfA hat einen Rentenantrag der Klägerin abgelehnt und dabei festgestellt, dass sie noch vollschichtig Arbeiten unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes verrichten kann. Arbeitsunfähigkeitszeiten von mehr als sechs Wochen sind im streitgegenständlichen Zeitraum nicht ersichtlich (vgl. §§ 421 Abs. 1, 198 Satz 2 Nr. 3 i. V. m. § 126 Abs. 1 Satz 1 SGB III i. d. F. vom 16. Dezember 1997).
Die Klägerin hat jedoch nicht in der nach § 418 Nr. 2 SGB III geforderten Anwartschaftszeit im Aussiedlungsgebiet mindestens fünf Monate in einer Beschäftigung gestanden, die bei Ausübung im Inland eine versicherungspflichtige Beschäftigung gewesen wäre. Mit der Tätigkeit als Lehrerin im Anstellungsverhältnis – im unterstellten Umfang von mindestens 20 Wochenstunden – erfüllt die Klägerin nicht die Anwartschaft für das Eingliederungsgeld, weil sie nebenher zugleich eine Invalidenrente des russischen Rentenversicherungsträgers bezogen hat und damit nicht versicherungspflichtig beschäftigt gewesen ist. Denn nach § 28 Nr. 2 SGB III (i.d.F. vom 24.03.1997, gültig ab 01.01.1998 bis 31.12.2000) sind Personen versicherungsfrei während der Zeit, für die ihnen ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder eine vergleichbare Leistung eines ausländischen Leistungsträgers zuerkannt ist. Bei der von der Klägerin bezogenen Invalidenrente der Gruppe 2 handelt es sich um eine vergleichbare Leistung im Sinne des § 28 Nr. 2 SGB III. Von einer Vergleichbarkeit der Leistung eines ausländischen Leistungsträgers kann dann ausgegangen werden, wenn die Leistung Vollinvalidität voraussetzt und ein deshalb nicht erzielbares Arbeitentgelt ersetzen soll (Brand in Niesel, SGB III, 2. Aufl. § 28 Rdn. 6). Die Invalidenrente der Gruppe 2 entspricht der Rente wegen Erwerbsminderung nach deutschem Recht. Die Rente wird auf der Grundlage des Gesetzes über die staatlichen Renten in der RSFSR (Rentengesetz) vom 20.11.1990 gewährt. Nach Art. 23 Rentengesetz wird nach drei Invaliditätsgruppen unterschieden: Gruppe 1 Personen, die vollständig die Arbeitsfähigkeit verloren haben und der ständigen Pflege bedürfen. Gruppe 2 Personen, die vollständig die Arbeitsfähigkeit verloren haben, aber nicht pflegebedürftig sind. Gruppe 3 Personen, die teilweise die Fähigkeit zur Ausübung einer regulären Tätigkeit verloren haben.
Die Invalidenrenten der Gruppe 1 und 2 werden gem. Art. 31 Rentengesetz in Höhe von 75% des bisherigen Lohns gezahlt (Auskunft der BfA, vgl. zudem Meierkord, Entstehung des russischen Rentenfonds und gesetzliche Grundlagen der Rentenversicherung in der russischen Föderation, DAngVers 1992, 402 -403-; Nußberger, Die soziale Sicherung für den Fall der Invalidität in der russischen Föderation, DRV 1998, 523). Die Invaliditätsgruppe 2 geht demnach von einer vollständigen Arbeitsunfähigkeit aus und entspricht daher den Merkmalen einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach dem (damals) geltenden deutschen Recht (vgl. insoweit auch LSG Sachsen, Urteil vom 22.05.2003, L 3 AL 247/01). Gemäß § 44 Abs. 2 SGB VI (i. d. F. vom 24. März 1999 – BGBl. I, S. 388) sind Versicherte erwerbsunfähig, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das monatlich 630,00 DM übersteigt; erwerbsunfähig sind auch Versicherte nach § 1 Nr. 2, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können. Nicht entscheidend ist, dass es der Klägerin erlaubt war, neben dem Rentenbezug zu arbeiten. Dies steht im Widerspruch zu den Einstufungskriterien nach Art. 23 (russisches) Rentengesetz, wonach die Einstufung in die Gruppe 2 erst dann erfolgt, wenn der Bürger vollständig die Fähigkeit verloren hat, unter normalen Bedingungen einer regulären Berufstätigkeit nachzugehen. Dementsprechend hat die Ärztekommission festgestellt, dass die Klägerin arbeitsunfähig ist. Für die Vergleichbarkeit der russischen Rente (Invaliditätsgruppe 2) mit einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit spricht ferner, dass beide grundsätzlich darauf angelegt sind, nicht mehr erzielbares Arbeitsentgelt zu ersetzen. Von der Einkommensersatzfunktion der Rente nach russischem Recht kann deshalb ausgegangen werden, weil die Rentenhöhe für die zweite Invalidengruppe 75% des bisherigen Lohnes beträgt.
Nicht entscheidend ist, ob es der Klägerin mit der Rentenleistung möglich gewesen ist, ihren Lebensunterhalt tatsächlich zu bestreiten. Zur Beantwortung der Frage, ob es sich um eine vergleichbare Leistung nach § 28 Nr. 2 SGB III handelt, ist nicht auf die individuellen Lebensverhältnisse, sondern auf einen generalisierenden, abstrakten Vergleichsmaßstab abzustellen. Der Wortlaut der gesetzlichen Regelung legt es keinesfalls nahe, im Einzelfall zu fragen, ob es dem Versicherten im Herkunftsland möglich gewesen ist, seinen Lebensunterhalt mit der Rentenleistung zu bestreiten. Ob die Rentenhöhe es ermöglicht, den Lebensunterhalt zu bestreiten, ist im Übrigen nicht nur von den Lebensverhältnissen, sondern stets – individuell – davon abhängig, in welchem Umfang der Spätaussiedler zuvor beruflich tätig gewesen ist. Der Versicherte in der Bundesrepublik trägt ebenfalls das Risiko, dass die gewährte Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht ausreicht, um seinen Lebensunterhalt sicherzustellen. Gleichwohl ruht unabhängig von der Höhe des Rentenzahlbetrages gem. § 142 Abs.1 Nr. 2 SGB III der Anspruch auf Arbeitslosengeld während der Zeit des Bezugs einer Rente wegen voller Erwerbsminderung. Insoweit wird – unstreitig – nicht auf die individuellen Lebensverhältnisse, insbesondere nicht auf die Frage abgestellt, ob mit der Rente letztlich der Lebensunterhalt bestritten werden kann. Die Klägerin würde als Spätaussiedlerin gegenüber dem ausschließlich nach bundesdeutschem Recht zu beurteilenden Versicherten privilegiert, wenn für die Gewährung von Eingliederungshilfe – die für diesen Personenkreis grundsätzlich an die Stelle des Arbeitslosengeldes tritt – unabhängig von der Höhe der Invalidenrente zudem noch auf die individuellen Lebensverhältnisse abgestellt würde. Eine dahingehende Auslegung der gesetzlichen Vorschriften zur Gewährung der Eingliederungshilfe würde im Ergebnis den Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Grundgesetz (GG) verletzten. Denn dieser ist dann verletzt, wenn sich ein vernünftiger aus der Natur der Sache ergebender oder sonst wie einleuchtender Grund für eine gesetzliche Differenzierung nicht finden lässt (BVerfGE 40, 4, 108, 116). Grundsätzlich verdient stets jene Auslegung den Vorzug, die mit den Prinzipien der Verfassung am besten übereinstimmt (vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Auflage S. 339). Im Rahmen des § 28 Nr. 2 SGB III kann folglich mit Rücksicht auf die ansonsten zweifelhafte Verfassungskonformität nicht zugleich auf die individuellen Lebensverhältnisse im Herkunftsland abgestellt werden.
Die Regelung des § 7 BVFG steht diesem Ergebnis nicht entgegen. Nach § 7 Abs.1 BVFG ist Spätaussiedlern die Eingliederung in das berufliche, kulturelle und soziale Leben in der Bundesrepublik Deutschland zu erleichtern und durch die Spätaussiedlung bedingte Nachteile zu mildern. Diesem Grundsatz wird die Regelung des § 418 SGB III gerecht. Sie stellt durchaus sachgerecht darauf ab, dass Leistungen für die berufliche Eingliederung solchen Spätaussiedlern zu gute kommen, die im Herkunftsland einer Beschäftigung nachgegangen sind, die nach bundesdeutschem Recht beitragspflichtig gewesen wäre. Ein Verstoß gegen § 7 Abs. 1 BVFG kann allein mit Hinweis darauf, dass die Klägerin die Voraussetzungen des § 418 SGB III nicht erfüllt, keinesfalls angenommen werden. In gleicher Weise könnte die Klägerin ansonsten mit Berufung auf § 7 Abs.1 BVFG fordern, dass ihr – wie in Russland – in der Bundesrepublik eine Rente wegen voller Erwerbsminderung zu zahlen wäre. Dies richtet sich jedoch – unstreitig – ausschließlich nach den Voraussetzungen des SGB VI und lässt den Grundsatz des § 7 Abs.1 BVFG ebenfalls unberührt.
Die Auffassung der Klägerin, es handele sich bei der im Herkunftsland bezogenen Leistung um Krankengeld und nicht um eine Rentenleistung, ist nicht nachvollziehbar, da sie im Widerspruch zu den tatsächlichen Verhältnissen steht. Denn die Leistung wurde nach dem russischen Rentengesetz gewährt und kann grundsätzlich als vergleichbare Leistung eines ausländischen Leistungsträgers im Sinne von § 28 Nr. 2 SGB III angesehen werden (vgl. insoweit auch LSG Sachsen, Urteil vom 22.05.2003, L 3 AL 247/01).
Der Senat hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsache zugelassen, § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Erstellt am: 29.04.2004
Zuletzt verändert am: 29.04.2004