Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 15.03.2004 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstattet.
Gründe:
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Übernahme der Kosten für die Medikamente alpha VIBOLEX 600 HRK Kapseln und ferro sanol duodenal. Der Antragsteller ist bei der Beklagten krankenversichert. Er leidet u.a. an einer Infektanämie mit Eisenmangel und einer diabetischen Polyneuropathie.
Der Internist D S C verordnete daher zu Behandlungszwecken die o.g. nichtverschreibungspflichtigen Medikamente.
Mit Schreiben vom 04.02.2004 wandte sich der Antragsteller an die Antragsgegnerin und teilte mit, sein behandelnder Arzt habe ihm mitgeteilt, für ihn wichtige Arzneimittel würden nicht mehr von der Krankenkasse bezahlt. Eine private Bezahlung sei nicht akzeptabel. Sofern durch die Nichteinnahme der Medikamente körperliche Nachteile entstünden, werde er die zuständigen Stellen in Anspruch nehmen.
Die Antragsgegnerin verstand das Schreiben vom 04.02.2004 als Information, ohne den Sachverhalt weiter aufzuklären.
Am 23.02.2004 hat der Antragsteller beim Sozialgericht (SG) Dortmund beantragt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Kosten für die o.g. Medikamente zu übernehmen. Er hat zur Begründung ausgeführt, er sei chronisch krank. Die Medikamente seien auch verschreibungspflichtig, da sein behandelnder Arzt sie nur noch auf Privatrezept verordnen wolle. Da körperliche Schäden drohten, sei eine einstweilige Anordnung zu erlassen.
Auf Veranlassung der Antragsgegnerin teilte der Internist D S C dieser unter dem 02.03.2004 mit, nach der Gesundheitsreform sei eine Verordnung der genannten Medikamente wegen der beim Kläger vorliegenden Erkrankungen zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen nicht mehr möglich.
Die Antragsgegnerin hat auf die gesetzlichen Regelungen in §§ 31 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) und § 34 Abs. 1 SGB V hingewiesen, wonach nichtverschreibungspflichtige Medikamente, die bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten, vom Vertragsarzt zur Behandlung dieser Erkrankungen bis zum Erlass einer Richtlinie gemäß § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (bis zum 31.03.2004) mit Begründung ausnahmsweise verordnet werden dürften. Der Erklärung des behandelnden Arztes sei nicht zu entnehmen, dass bei dem Kläger solch schwerwiegende Erkrankungen vorlägen; andernfalls könnten die fraglichen Medikamente verordnet werden.
Mit Beschluss vom 15.03.2004 hat das SG Dortmund den Antrag des Antragstellers abgelehnt, da von diesem zum einen nicht glaubhaft gemacht worden sei, dass eine die Verordnung nichtverschreibungspflichtiger Medikamente rechtfertigende schwerwiegende Erkrankung vorliege. Zum anderen fehle es an einem Anordnungsgrund. Der behandelnde Arzt könne bei Annahme einer schwerwiegenden Erkrankung die notwendigen Medikamente vertragsärztlich verordnen. Außerdem habe der Antragsteller nicht dargetan bzw. glaubhaft gemacht, dass er die Medikamente nicht bis zum Abschluss eines Hauptsacheverfahrens vorfinanzieren könne.
Gegen den ihm am 17.03.2002 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 25.03.2004 Beschwerde eingelegt. Der Beschwerde hat das SG nicht abgeholfen (Nichtabhilfebeschluss vom 30.03.2004).
Zur Begründung hat er vorgetragen, das SG habe sich offenbar durch die Antragsgegnerin beraten lassen und ohne Genehmigung durch diese die von ihm begehrte Anordnung nicht erlassen wollen. Außerdem hat er die zögerliche Bearbeitung durch das SG beklagt, da es in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes um Tod oder Leben aufgrund nicht vorhandener Medikation gehen könne. Daher seien die Gerichte – wie bei Mahnbescheiden – ohne rechtliche Würdigung verpflichtet, die beantragte Anordnung zu erlassen. Zuletzt hat er mit Schriftsatz vom 27.04.2004 beantragt, das Bundesministerium für Gesundheit zu hören.
Die Antragsgegnerin hat in Ergänzung des erstinstanzlichen Vortrages darauf hingewiesen, dass ausweislich der durch den Gemeinsamen Bundesausschuss am 16.03.2004 beschlossenen Arzneimittel-Richtlinien das Medikament Ferro sanol duodenal zur Behandlung einer gesicherten Eisenmangelanämie weiterhin vertragsärztlich verordnet werden dürfe. Die Entscheidung hierüber liege beim Kassenarzt. Ein Rechtsschutzbedürfnis für den Erlass einer einstweiligen Anordnung bestehe angesichts des Fehlens eines grundsätzlichen Leistungsausschlusses nicht. Das Medikament alpha-VIBOLEX 600 HRK Kapseln sei lediglich apothekenpflichtig, nicht aber verschreibungspflichtig. Es falle auch nicht unter die Ausnahmeregelung des § 34 Abs. 1 Satz 2 SGB V i.V.m. den Arzneimittel-Richtlinien. Eine Leistungsverpflichtung sei nicht gegeben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der Beratung gewesen sind.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
Für den Erlass einer (Regelungs-) Anordnung im Sinne des § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind ein Anordnungsgrund, d.h. die Eilbedürftigkeit der begehrten vorläufigen Regelung, und ein Anordnungsanspruch, d.h. die Rechtsposition, deren Durchsetzung im Hauptsacheverfahren begehrt wird, geltend, und die zur Begründung erforderlichen Tatsachen glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Der Antragsteller irrt daher, soweit er davon ausgeht, eine einstweilige Anordnung müsse ohne rechtliche Würdigung ergehen. Im Unterschied zum Hauptsacheverfahren erfolgt allerdings lediglich eine summarische Prüfung.
Hinsichtlich des Begehrens des Antragstellers ist zu differenzieren. Bis zur Änderung der Arzneimittel-Richtlinien am 16.03.2004 (und damit nach Erlass der angefochtenen Entscheidung) und Einfügung des neuen Abschnitts F "Gesetzliche Verordnungsausschlüsse bei der Arzneimittelversorgung und zugelassene Arzneimittel" war eine Verordnung durch den Vertragsarzt ausnahmsweise möglich. Darauf haben bereits das SG und die Antragsgegnerin zutreffend hinwiesen. Die Antragsgegnerin hat eine Versorgung mit den begehrten Arzneimitteln zu keinem Zeitpunkt versagt. Lediglich der behandelnde Arzt hat offenbar die Voraussetzungen einer Verordnung im Ausnahmefall nicht gesehen. Ob angesichts dessen überhaupt ein Rechtsschutzbedürfnis für den Erlass einer einstweiligen Anordnung gegeben war, erscheint zweifelhaft. Jedenfalls dürfte ein solches aber hinsichtlich des Medikamentes Ferro sanol duodenal fehlen, seit in Abschnitt F Ziffer 16.4.14 der Arzneimittel-Richtlinien Eisen-(II)-Verbindungen zur Behandlung einer gesicherten Eisenmangelanämie als Standardtherapeutika angesehen werden. Ausweislich der Auskunft des behandelnden Arztes dürfte bei dem Antragsteller dieses Krankheitsbild vorliegen. Die Verordnung obliegt der vertragsärztlichen Entscheidung.
Ansonsten fehlt es an einem Anordnungsanspruch. Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Versorgung mit nichtverschreibungspflichtigen Arzneimitteln, soweit dies nicht abweichend in den Arzneimittel-Richtlinien vorgesehen ist. Zwar haben Versicherte gemäß §§ 27 Abs. 1 Nr. 3, 31 Abs. 1 SGB V Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln. Dies gilt aber nur, soweit diese nicht gemäß § 34 SGB V oder durch Richtlinien nach § 92 Ab. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V ausgeschlossen sind. § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB V bestimmt einen Versorgungsausschluss für nichtverschreibungspflichtige Arzneimittel. Gemäß § 34 Abs. 1 Satz 2 SGB V kann die Verordnung wiederum nur ausnahmsweise erfolgen, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss dies in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V bestimmt.
Für das nichtverschreibungspflichtige Arzneimittel (vgl. hierzu die Ausführungen in der "Roten Liste") alpha-VIBOLEX 600 HRK Kapseln zur Behandlung einer diabetischen Polyneuropathie sehen die Arzneimittel-Richtlinien eine solche (Ausnahme-)Regelung nicht vor, für das Medikament Ferro sanol duodenal nur bei o.g. Indikation.
Ein Verstoß der Arzneimittel-Richtlinien gegen höherrangiges Recht ist nicht ersichtlich.
Ausführungen zum Anordnungsgrund erübrigen sich bei Fehlen eines Anordnunganspruchs. Zutreffenderweise hat das SG aber darauf hingewiesen, dass die Notwendigkeit einer Entscheidung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes durch den Antragssteller nicht glaubhaft gemacht wurde. Dies gilt sowohl unter dem Gesichtspunkt der Frage der Vorfinanzierbarkeit der benötigten Arzneimittel als auch unter dem Gesichtspunkt des Vorliegens einer unmittelbar zu behandelnden schwerwiegenden Erkrankung.
Die Ausführungen des Antragstellers zur Behandlung der Rechtssache durch das SG rechtfertigen eine abweichende Beurteilung nicht. Auch dem zuletzt gestellten Antrag, eine Auskunft des Bundesministeriums für Gesundheit einzuholen, war dementsprechend nicht zu folgen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Die Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 03.05.2004
Zuletzt verändert am: 03.05.2004