Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 05.02.2003 wird als unzulässig verworfen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Der Kläger ist türkischer Nationalität; er wurde am 00.00.1950 geboren. Vom 10.12.1966 bis zum 26.01.1973 war er im türkischen Steinkohlenbergbau beschäftigt. Nach seinem Zuzug in die Bundesrepublik war er in der Zeit vom 30.01.1973 bis zum 30.06.1973 sowie vom 19.11.1974 bis zum 29.11.1974 auf der Zeche I in E versicherungspflichtig beschäftigt. Nach dem 28.02.1975 sind keine Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung mehr entrichtet worden. In der Zeit vom 06.03.1975 bis zum 03.04.1975 nahm der Kläger an einer medizinischen Maßnahme der Rehabilitation zu Lasten der Beklagten teil. Er ist im Juni 1975 endgültig in die Türkei zurückgekehrt. Dort war er als Kurzwarenhändler tätig. Versicherungszeiten sind dort bis zum 31.01.1990 ausgewiesen. Seit Juli 1990 bezieht er vom türkischen Sozialversicherungsträger eine Invalidenrente.
Ein vom Kläger gestellter Antrag auf Beitragserstattung wurde von der Beklagten mit Bescheid vom 19.11.1978 abgelehnt.
Am 23.11.1998 beantragte er die Gewährung von Versichertenrente. Beigefügt war ein ärztlicher Bericht vom 24.11.1998, wonach der Beginn der bei ihm festgestellten Invalidität auf das Jahr 1974 zurückzuführen sei. Die Beklagte lehnte den Rentenantrag ab, weil auf die Wartezeit anrechenbare deutsche Versicherungszeiten nicht vorhanden seien (Bescheid vom 19.11.2000).
Mit seinem Widerspruch trug der Kläger vor, dass er bei seiner ersten Einreise in die Bundesrepublik ein gesunder junger Mann gewesen sei. Bis April 1974 habe er als Arbeiter auf der Zeche I gearbeitet. Dann habe sich ein Arbeitsunfall ereignet. Er sei fast zwei Jahre lang in der Bundesrepublik gewesen, seine Gesundheit sei inzwischen verloren gegangen. Der Arbeitsunfall habe sich dergestalt zugetragen, dass ein sehr großer Stein auf die linke Seite seines Rückens gefallen sei. Vom 02.05.1974 bis zum 10.06.1974 habe er sich in hausärztlicher Behandlung befunden. Bis zum 20.09.1974 sei er dann in einem Krankenhaus in E-C stationär behandelt worden.
Im Widerspruchsverfahren holte die Beklagte Auskünfte der Deutsche Steinkohle AG – DSK – ein. In einer Auskunft vom 15.01.2001 teilte sie die vom Kläger in den Jahren 1973 und 1974 bezogenen Entgelte mit. Sie übersandte mit Schreiben vom 21.05.2001 weiterhin Ablichtungen der Jahreslohnkonten und führte aus, dass weder im Jahre 1973 noch im Jahre 1974 Beiträge zur knappschaftlichen Rentenversicherung beanstandet oder unwirksam geworden bzw. untergegangen seien.
Den Widerspruch wies die Beklagte zurück; dazu führte sie unter anderem aus, dass zwar grundsätzlich auf die Wartezeit anrechenbare Zeiten vorhanden seien, dies jedoch in einem derart geringen Umfang, dass die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren nicht erreicht werde und somit ein Rentenanspruch nicht verwirklicht werden könne (Widerspruchsbescheid vom 28.08.2001).
Im Klageverfahren hat der Kläger nochmals vorgetragen, dass im Jahr 1974 ein Stein auf die linke Seite seines Rückens (etwa Schultergegend) gefallen sei. Damals sei ein Protokoll aufgenommen worden. Man habe ihn daraufhin in ein Krankenhaus eingeliefert. Obwohl er noch unter Schmerzen und Qualen zu leiden gehabt habe, habe er erneut seine Arbeit aufgenommen. Seit dem 01.05.1974 habe er Rückenschmerzen. Im Monat Mai habe er sich zweimal in dem Krankenhaus in E-C vorgestellt, bevor er dort am 10.06.1974 stationär aufgenommen und am 20.09.1974 entlassen worden sei. Nach der Entlassung sei er weiterhin krank geschrieben worden. Dies habe bis zum 30.11.1974 gedauert. Dann habe man ihn erneut beurlaubt, worauf er sich in der Türkei habe behandeln lassen. Im Januar 1975 sei er in die Bundesrepublik zurückgekehrt. Da er weiterhin krank gewesen sei, sei ihm nicht erlaubt worden, die Arbeit wieder aufzunehmen. Im März 1975 habe er an einer Kur teilgenommen. Nach Beendigung der Kur sei er im Juni 1975 in die Türkei zurückgekehrt. Seine Krankheit dauere seit dem Arbeitsunfall an.
Das Sozialgericht hat bei der Bergbau-Berufsgenossenschaft – BBG – angefragt, ob Unterlagen über einen Arbeitsunfall des Klägers aus dem Jahre 1974 vorliegen. Die BBG hat mitgeteilt, dass dort unter den angegebenen Personalien und Daten keine Vorgänge zu ermitteln seien.
Der Kläger hat seinem schriftsätzlichen Vorbringen entsprechend beantragt,
den Bescheid vom 19. Januar 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. August 2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Mit Urteil vom 05.02.2003 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, dass für einen Anspruch auf Rentenleistungen in Anbetracht des Alters des Klägers lediglich die Gewährung von Rente wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit bzw. wegen verminderter Berufsfähigkeit im Bergbau in Betracht komme. Die für die Gewährung dieser Renten erforderliche Vorversicherungszeit habe der Kläger nicht erfüllt, da er in den letzten fünf Jahren vor Antragstellung keine drei Jahre mit Pflichtbeiträgen belegt habe. Da das Versicherungskonto des Klägers bereits für die Zeit ab Februar 1990 eine Lücke aufweise, komme auch bei einer Berücksichtigung von Pflichtbeiträgen an den türkischen Sozialversicherungsträger unter Zugrundelegung des deutsch-türkischen Sozialversicherungsabkommens die Erfüllung der Vorversicherungszeit nach den Übergangsvorschriften der §§ 240, 241, 242 des Sechsten Buchs des Sozialgesetzbuchs – SGB VI – nicht in Betracht. Für einen Leistungsfall vor Antragstellung bzw. vor Beginn der türkischen Rentenzahlungen im Juli 1990 existierten keine Anhaltspunkte. Schließlich komme auch nicht eine vorzeitige Wartezeiterfüllung auf Grund eines Arbeitsunfalls in Betracht, denn ein solcher habe nach der Anfrage bei der BBG nicht bewiesen werden können.
Das Urteil ist dem Kläger am 06.03.2003 zugestellt worden.
Am 27.05.2003 ist eine augenscheinlich vom Kläger unterzeichnete Abschrift der Sitzungsniederschrift vom 05.02.2003 beim Landessozialgericht eingegangen. Weitere Zusätze oder Ausführungen enthält die Sitzungsniederschrift nicht. Mit Schreiben vom 11.06.2003 ist der Kläger um Klarstellung gebeten worden.
Am 30.06.2003 (Schreiben vom 17.06.2003) hat er mitgeteilt, dass es nicht seine Absicht sei, dem Gericht etwas vor zu machen, sondern er sei wegen seiner langjährigen Krankheit in einer schwierigen Situation. Er erhalte Schriftstücke, weil er aber diese nicht verstehe, habe er zurückgeschrieben. Mit dem Ausdruck seiner "unermesslichen Hochachtung vor Ihrem Urteil" bitte er um Kenntnisnahme.
Mit Schreiben vom 10.07.2003 ist der Kläger abermals um Mitteilung gebeten worden, ob er mit der Übersendung der Sitzungsniederschrift Berufung gegen das Urteil vom 05.02.2003 einlegen wolle oder ob er das Urteil akzeptiere. Am 13.04.2004 hat sich der Kläger bei Gericht gemeldet, auf seine gesundheitlichen und finanziellen Probleme verwiesen und Fotos übersandt, die seinen Gesundheitszustand dokumentieren sollen.
Der Kläger ist zum Verhandlungstermin weder erschienen noch hat er einen Vertreter entsandt.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Prozessakten und die den Kläger betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte auch in Abwesenheit des Klägers verhandeln und entscheiden, da er mit der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 1, 126 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).
Die Berufung ist nicht zulässig, weil sie vom Kläger nicht fristgemäß erhoben worden ist.
Nach § 153 Abs. 1 SGG i.V.m. § 87 Abs. 1 Satz 2 SGG ist die Berufung bei Zustellungen im Ausland innerhalb von drei Monaten nach Zustellung des Urteils zu erheben (vgl. hierzu nur Meyer-Ladewig, SGG, 7. Auflage 2002, § 151, Rdn. 6 m.w.N.). Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen (§ 151 Abs. 1 SGG). Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird (§ 151 Abs. 2 Satz 1 SGG). In der Übersendung der augenscheinlich vom Kläger unterzeichneten Abschrift der Sitzungsniederschrift vom 05.02.2002 kann nicht die Einlegung einer Berufung gesehen werden. An den Inhalt einer Klage- wie auch einer Berufungsschrift dürfen zwar keine formalistischen Anforderungen gestellt werden. Gleichwohl muss die Berufung zum Ausdruck bringen, dass das erstinstanzliche Urteil überprüft werden soll. Diesen Anforderungen genügt die bloße Übersendung der unterzeichneten Sitzungsniederschrift nicht. Denn dort wird ein auf eine gerichtliche Überprüfung und ggfs. Entscheidung zielender Wille des Klägers nicht – auch nicht andeutungsweise – zum Ausdruck gebracht. Vielmehr ist unklar geblieben, welche Zwecke der Kläger mit der Übersendung der von ihm unterzeichneten Sitzungsniederschrift verfolgt hat, so dass auch ein auslegungsfähiger Inhalt nicht gegeben ist.
Demgegenüber kann das Schreiben des Klägers vom 17.06.2003 – eingegangen am 30.06.2003 – noch als Berufung angesehen werden. Dort nimmt der Kläger Bezug auf die bei ihm seiner Ansicht nach bestehende langjährige Erkrankung sowie auf seine schwierige soziale Situation und bringt schließlich seine unermessliche Hochachtung "vor Ihrem Urteil" zum Ausdruck. Unter Zugrundelegung dieser Ausführungen lässt sich im Wege der Auslegung der Wille des Klägers ermitteln, auch vor dem Hintergrund der erstinstanzlichen – abweisenden – Entscheidung sein Begehren auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente auf gerichtlichem Wege weiter zu verfolgen.
Sie ist jedoch nicht innerhalb der Frist des § 153 Abs. 1 i.V.m. § 87 Abs. 1 Satz 2 SGG erhoben worden. Denn der Lauf der Berufungsfrist begann mit Zustellung des angefochtenen Urteils am 06.03.2003 und endete am 06.06.2003.
Es nicht möglich, die vom Kläger im Schreiben vom 17.06.2003 vorgenommene Klarstellung – will man sie denn als solche ansehen – auf den Zeitpunkt des Eingangs des Sitzungsprotokolls zurück wirken zu lassen. Eine Eingabe an ein Gericht kann nicht dadurch nachträglich zu einem Rechtsmittel gemacht werden, dass ein Beteiligter erklärt, sie möge als Rechtsmittel gewertet werden (vgl. hierzu Bundesgerichtshof – BGH -, Beschluss vom 23.10.2003 – Az.: IX ZB 369/02). Die unterzeichnete Abschrift der Sitzungsniederschrift beinhaltet – wie bereits ausgeführt – keine Erklärungen, die selbst bei großzügiger Betrachtung den Willen des Klägers erkennen lassen, sein Begehren im Wege der Berufung weiter zu verfolgen. Erst durch das am 30.06.2003 eingegangene Schreiben konnte der Senat davon ausgehen, dass der Kläger eine Überprüfung des nunmehr angefochtenen Urteils begehrt.
Anhaltspunkte, die für die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sprechen könnten, liegen nicht vor. Nach § 67 Abs. 1 SGG ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Insbesondere ist der Kläger nicht ohne Verschulden nicht in der Lage gewesen, die Berufungsfrist einzuhalten. Er ist nämlich in der Lage gewesen, innerhalb der Berufungsfrist das von ihm unterzeichnete Sitzungsprotokoll dem Gericht zuzuleiten. Es wäre ihm daher bereits zu diesem Zeitpunkt möglich gewesen, die Niederschrift nicht nur zu unterschreiben, sondern in geeigneter Weise kurz darzulegen, dass er an seinem Begehren festhalte und eine weitere gerichtliche Prüfung wünsche.
Auch im Rahmen einer Sachentscheidung hätte die Berufung zurückgewiesen werden müssen. Es besteht nämlich kein Anspruch auf Gewährung von Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit oder auf Rente für Bergleute wegen verminderter Berufsfähigkeit im Bergbau nach §§ 43 Abs. 1, 44 Abs. 1 in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung (SGB VI a.F.), 45 Abs. 1 SGB VI.
Zutreffend hat das Sozialgericht ausgeführt, dass im Hinblick auf einen etwaigen Versicherungsfall der Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit oder der verminderten Berufsfähigkeit im Bergbau im Zeitpunkt der Antragstellung die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der §§ 43 Abs. 1 Nr. 2, 44 Abs. 1 Nr. 2, SGB VI a.F., 45 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI nicht erfüllt sind. Denn der Kläger hat in den letzten fünf Jahren vor Eintritt einer etwaigen Berufs-, Erwerbs- oder verminderten Berufsfähigkeit im Bergbau keine drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit. Dies gilt auch dann, wenn nach Art. 27 Satz 1 des deutsch-türkischen Sozialversicherungsabkommens die vom Kläger in der Türkei zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten sowohl auf die allgemeine Wartezeit als auch auf die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen angerechnet werden. Denn ab Februar 1990 sind keine Beiträge mehr an den türkischen Sozialversicherungsträger entrichtet worden. Auch aus diesem Grunde scheitert eine durchgängige Belegung mit Anwartschaftserhaltungszeiten nach den §§ 240 Abs. 2, 241 Abs. 2 SGB VI a.F., 242 Abs. 2 SGB VI.
Auch ein Versicherungsfall im April 1974 wegen eines Arbeitsunfalls ist nicht nachweisbar. Nach §§ 240 Abs. 2, 241 Abs. 2 SGB VI a.F., 242 Abs. 2 SGB VI besteht in den Fällen, in denen die allgemeine Wartezeit vor dem 01.01.1984 erfüllt worden und die jeweilige Erwerbsminderung vor dem 01.01.1984 eingetreten ist, ein Rentenanspruch unabhängig davon, ob vor Eintritt des Versicherungsfalls die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Zwar werden nach Artikel 27 Satz 1 des deutsch-türkischen Sozialversicherungsabkommens die vom Kläger in der Türkei zurückgelegten Zeiten auf die allgemeine Wartezeit angerechnet, so dass diese erfüllt ist. Gleichwohl ist ein Versicherungsfall auf Grund eines Arbeitsunfalls im April 1974 deshalb nicht nachweisbar, weil der BBG über ein derartiges Unfallereignis keine entsprechenden Unterlagen und Meldungen vorliegen. Gegen ein gravierendes – die Leistungsfähigkeit des Klägers in einem rentenberechtigenden Grad einschränkendes – Unfallgeschehen spricht schließlich, dass der Kläger in der Zeit vom 06.03.1975 bis zum 03.04.1975 an einer Maßnahme der medizinischen Rehabilitation zu Lasten der Beklagten teilgenommen hat. Wäre der Rehabilitationsbedarf aufgrund eines Arbeitsunfalls entstanden, so wäre es naheliegend, dass diese Maßnahme in Kostenträgerschaft der BBG veranlasst und durchgeführt worden wäre.
Im Übrigen sind keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass eine Erwerbsminderung vor Antragstellung eingetreten ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen (§ 160 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG).
Erstellt am: 04.05.2004
Zuletzt verändert am: 04.05.2004