Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 14.07.2003 wird zurückgewiesen. Die Kläger haben die außergerichtlichen Kosten der Beklagten auch im Berufungsverfahren zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Höhe des den Klägern von der Beklagten im Jahr 1999 zu gewährenden Honorars.
Der Kläger zu 1) ist Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurg, die Kläger zu 2) bis 4) sind Zahnärzte. Sie sind gemeinsam in C zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen.
Im Jahr 1999 erbrachten die Kläger Leistungen in einem Umfang von insgesamt 1.674.698 Punkten. Die Beklagte errechnete für die klägerische Praxis im Jahr 1999 eine nach § 85 Abs. 4 b SGB V degressionsfreie Punktmenge von 1.399.999 Punkten. Mit Bescheid vom 11.04.2000 kürzte sie das Honorar der Kläger für das Kalenderjahr 1999 wegen Überschreitens der degressionsfreien Punktmenge um 72.533,55 DM (37.085,82 EURO).
Dagegen legten die Kläger Widerspruch ein und führten zur Begründung im Wesentlichen aus, die Beklagte habe bei der von ihr vorgenommenen Berechnung zu Unrecht auch Leistungen an Sozialhilfeempfänger berücksichtigt, die in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert seien. Sogenannte Überweisungspatienten sei hinsichtlich der erbrachten Leistungen nicht der Praxis der Kläger, sondern der überweisenden Praxis zuzurechnen.
Die Beklagte wies mit Bescheid vom 23.10.2000 den Widerspruch der Kläger zurück. Sie führte aus, die maßgeblichen Bestimmungen über die Degression seien nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) rechtmäßig und insbesondere mit höherrangigem Recht vereinbar. Soweit Sozialhilfeempfänger in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert seien, seien auch die zu ihren Gunsten erbrachten Leistungen bei der Berechnung der Degressionsüberschreitung punktemäßig zu berücksichtigen.
Dagegen haben die Kläger Klage erhoben und dargelegt, sie hätten im Jahr 1999 auch Patienten behandelt, die Ersatzansprüche gegen Dritte gehabt hätten, die kraft Gesetzes auf den Krankenversicherungsträger übergegangen seien. Durch eine erfolgreiche Geltendmachung solcher übergegangener Ansprüche verringere sich zwangsläufig das von den Krankenkassen aufzubringende Leistungensvolumen. Dies müsse zugunsten der Zahnärzte Berücksichtigung finden, in dem die auf diese Patienten entfallenen Leistungen bei der Berechnung der degressionsfreien Punktmenge keine Berücksichtigung fänden. Denn als effektive Ausgaben seien diese Leistungen der jeweiligen Krankenkasse als Belastung nicht angefallen. Die Einbeziehung der entsprechenden Punktzahlen sei mit den Vorschriften über die Degression nicht zu vereinbaren und verstoße gegen Art. 12 Abs. 1 GG.
Die Kläger haben beantragt,
den Bescheid vom 11.04.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23.10.2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, über ihre Honoraransprüche für das Jahr 1999 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat auf die Ausführungen in ihren Bescheiden Bezug genommen und weiter darauf hingewiesen, dass die gesetzliche Degressionsregelung keine Ausnahme für Fälle vorsehe, in denen die Krankenkassen aufgrund eines übergegangenen Ersatzanspruches Rückgriff gegen einen Dritten nehmen könnten.
Mit Urteil vom 14.07.2003 hat das Sozialgericht (SG) Münster die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte habe in zutreffender Weise die Berechnung der der Degression unterliegenden Punktmenge gemäß § 85 Abs. 4 b Satz 1 SGB V vorgenommen; die Vorschriften über die Punktwertdegression seien auch mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar. Die Beklagte sei auch nicht verpflichtet gewesen, bei der Bestimmung der der Degression unterliegenden Punktmenge die von den Klägern angesprochenen Leistungen auszuklammern. Behandlungsfälle, in denen Rückgriffsmöglichkeiten seitens der Krankenkasse gegen Dritte bestünden, seien für die Berufsgruppe der Vertragszahnärzte nur von untergeordneter Bedeutung. Bereits aus diesem Grunde sei der Gesetzgeber nicht verpflichtet gewesen, entsprechende Sonderregelungen in das Gesetz aufzunehmen.
Im Berufungsverfahren tragen die Kläger vor, Sinn und Zweck der Gesetzgebung könne es nicht sein, die Krankenkassen in derartigen Fällen zweifach profitieren zu lassen; zum einen durch Realisierung derartiger Forderungen gegen die Drittschädiger, zum anderen durch Berücksichtigung solcher Punkte bei der Berechnung des degressionsbedingten Honorarabzuges. Hinzukomme, dass sie aufgrund ihrer fachlichen Qualifizierung häufig Überweisungspatienten erhielten, da bei Behandlungen aufgrund von Drittschädigungen oft der Verdacht auf Kieferverletzungen bestehe und entsprechende ärztliche Überprüfungen erfolgen müssten, zu denen die überweisenden Ärzte aufgrund fehlender Qualifizierung häufig nicht in der Lage seien. Sie hätten in derartigen Fällen gar nicht die Möglichkeit, ihr Behandlungsvolumen im Sinne der Kostendämpfungsregelungen zu beeinflussen.
Die Kläger beantragen,
unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Münster vom 14.07.2003 den Bescheid vom 11.04.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23.10.2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, über die Honoraransprüche der Kläger für das Jahr 1999 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senates neu zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
Die Beigeladene zu 1) hält die erstinstanzliche Entscheidung ebenfalls für zutreffend.
Die Verwaltungsakten der Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidung gewesen. Auf den Inhalt dieser Akten und den der Streitakten wird ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 2, 124 Abs. 2 SGG).
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der angefochtene Honorarbescheid ist rechtmäßig. Die Anwendung der Bestimmungen über die degressionspflichtige Punktmenge beschwert die Kläger nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG.
Zur Begründung verweist der Senat auf die zutreffende Begründung im angefochtenen Urteil des SG Münster, die er sich nach Prüfung der Sach- und Rechtslage zu eigen macht (§ 153 Abs. 2 SGG).
Der Vortrag der Kläger im Berufungsverfahren führt zu keinem anderen Ergebnis. Soweit die Kläger – insbesondere im Widerspruchsverfahren – die Meinung vertreten, Leistungen an Sozialhilfeempfänger, die gesetzlich krankenversichert sind, seien bei der Bestimmung der der Degression unterliegenden Punktmenge nicht zu berücksichtigen, kann dem nicht gefolgt werden. Denn die zugunsten dieser Personen erbrachten Leistungen stellen eine vertragszahnärztliche Behandlung im Sinne von § 85 Abs. 4 b Satz 1 SGB V dar, da auch diese Personen zu den in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherten gehören. Auf den Versicherungsstatus (Pflichtversicherung oder freiwillige Mitgliedschaft) kommt es ebensowenig an wie auf den Umstand, wer die Beiträge entrichtet.
Der Senat vermag der Auffassung der Kläger, dass die Leistungen an sogenannten Überweisungspatienten nicht der die Leistung erbringenden Praxis, sondern der überweisenden Praxis zuzurechnen seien, ebenfalls nicht zu folgen. Denn das Gesetz stellt allein darauf ab, wer die Leistungen tatsächlich erbringt. Es ist den gesetzlichen Bestimmungen nicht zu entnehmen, dass darauf abgestellt werden soll, wer die entsprechenden Leistungen "veranlasst hat". Wenn man der Auffassung der Kläger konsequent folgen würden, so müsste nicht nur bei der Berechnung der degressionsfreien Punktmenge, sondern auch bei der Frage der Honorierung dieser Leistungen darauf abgestellt werden, wer die Leistung "veranlasst", also den Patienten überwiesen hat. Dies zeigt die Absurdität dieser Auffassung.
Hinsichtlich der Leistungen zugunsten von Patienten, die Ersatzansprüche gegen Dritte haben, die auf die jeweilige Krankenkasse übergegangen sind, ist den Kläger insoweit zuzustimmen, als in den Fällen, in denen der Krankenversicherungsträger auch tatsächlich den übergegangenen Schadensersatzanspruch realisieren kann, ein gewisser Vorteil zugunsten der Krankenkasse entsteht, wenn auch diese Leistungen bei der Rechnung der degressionspflichtigen Punktmenge Berücksichtigung finde. Gemäß § 85 Abs. 4 b SGB V ist jedoch die Gesamtpunktmenge zu ermitteln aus den abgerechneten Leistungen im Quartal. Damit erfasst § 85 Abs. 4 b SGB V alle Leistungen des Zahnarztes im Rahmen der vertragszahnärztlichen Versorgung gegenüber Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung unabhängig davon, in welcher Form und durch wen deren Vergütung an den Zahnarzt erfolgt ist. Dem Wortlaut der gesetzlichen Bestimmung ist somit kein Hinweis darauf zu entnehmen, dass bei der Ermittlung der degressionspflichtigen Punktmengen solche Leistungen nicht berücksichtigt werden, hinsichtlich derer ein Ersatzanspruch gemäß § 116 SGB X auf die Krankenkasse übergegangen und/oder realisiert worden ist.
Die pauschalierende Einbeziehung dieser Leistungen bei der Bestimmungen der degressionspflichtigen Punktmenge kann auch eine Verletzung von Art. 12 Abs. 1 GG nicht begründen. Denn – auch nach dem Vortrag der Kläger – handelt es sich dabei um eine zu vernachlässigende Anzahl von Fällen. Nach der Erklärung der Kläger machen die Fälle, in denen die Krankenkassen Ersatzansprüche gegenüber Drittschädigern haben, in ihrer Praxis ca. 5 % aus. Wenn man dann noch berücksichtigt, dass die Krankenkassen diese Ersatzansprüche nur in einem Bruchteil der Fälle ganz oder teilweise realisieren können, so wird deutlich, dass es sich um eine zu vernachlässigend geringe Leistungsmenge handelt, die den Gesetzgeber nicht verpflichtet, insoweit eine Sonderregelung zu schaffen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in der Fassung bis zum 01.01.2002. Die Voraussetzung für die Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Erstellt am: 06.07.2004
Zuletzt verändert am: 06.07.2004