Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 31.03.2003 wird zurückgewiesen. Der Kläger hat der Beigeladenen die außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Kosten sind auch im Berufungsverfahren im Übrigen nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darum, ob der Kläger die Beklagte noch aus abgetretenem Recht in Anspruch nehmen kann.
Der Kläger schloss unter dem 23.12.1998 mit der Beigeladenen, Hinterbliebene des Versicherten I H, einen bis zum 31.01.2001 befristeten Mietvertrag über Wohnraum. Der Mietzins belief sich auf insgesamt DM 600,00 einschließlich Betriebskosten- anteil i.H.v. DM 200,00. Zur Sicherung des Mietzinses trat die Beigeladene dem Kläger ihre Ansprüche auf Hinterbliebenenrente in Höhe des vereinbarten Gesamtmietzinses unter dem 23.12.1998 ab.
Auf die Abtretungsanzeige des Klägers vom 11.01.1999 stellte die Beklagte ihm gegenüber mit Bescheid vom 22.01.1999 zur Vermeidung von Obdachlosigkeit der Beigeladenen ein wohlverstandenes Interesse nach § 53 Abs. 2 Nr. 2 des Ersten Buches des Sozialgesetz- buches – SGB I – fest. Unter dem 22.01.1999 teilte die Beklagte der Beigeladenen mit, dass sie gegenüber dem Kläger ein wohlverstandenes Interesse anerkannt habe und ab dem 01.02.1999 insgesamt DM 600,00 aus der Hinterbliebenenrente an den Kläger auszahlen werde. An die Beigeladene gelange damit lediglich noch ein Betrag i.H.v. DM 658,92 zur Auszahlung.
Am 26.10.1999 meldete sich der Kläger bei der Beklagten und teilte mit, dass sich die Beigeladene eine andere Wohnung suche. Mit Schreiben vom 07.01.2000 kündigte die Beigeladene sodann zum 31.01.2000 das Mietverhältnis mit dem Kläger und bezog eine andere Wohnung. Nach Anhörung des Klägers (Schreiben vom 09.02.2000) hob die Beklagte den Bescheid vom 22.01.1999 mit Wirkung zum 01.02.2000 auf. Zur Begründung führte sie aus, dass die Voraussetzungen zur Annahme eines wohlverstandenen Interesses im Sinne des § 53 Abs. 2 Nr. 2 SGB I nicht mehr gegeben seien, da das Mietver- hältnis aufgelöst worden sei (Bescheid vom 21.03.2000). Den abgetretenen Betrag zahlte die Beklagte daraufhin wieder an die Beige- ladene aus. Den Widerspruch des Klägers, mit dem er im Wesentlichen geltend machte, dass die Beklagte nicht zu entscheiden habe, welche Wohnung für die Beigeladene besser geeignet sei, sondern darüber, ob das Mietverhältnis von der Beigeladenen gegen seinen Willen habe beendet werden können, wies die Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 06.09.2000).
Im Klageverfahren hat der Kläger an seinem Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren festgehalten und darüber hinaus die Auffassung vertreten, dass das Mietverhältnis mit der Beigeladenen nach wie vor bestehe und die Voraussetzungen für die Übertragung von Geldleistungen nach § 53 SGB I dadurch nicht weggefallen seien. Er nehme die Beklage aus abgetretenem Recht in Anspruch und habe die Rechtsstellung des Leistungsempfängers übernommen, so dass ihm ein unmittelbarer Anspruch gegen die Beklagte zustehe.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 21. März 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06. September 2000 zu verurteilen, an ihn für den Zeitraum vom 01. Februar 2000 bis 31. Januar 2001 monatlich einen Betrag von 306,78 Euro zu zahlen, hilfsweise, ihn ermessensfehlerfrei neu zu bescheiden.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat Bezug genommen auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide.
Mit Urteil vom 31.03.2003 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide Bezug genommen (§ 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz – SGG -). Ergänzend hat es ausgeführt, dass der Beigeladenen durch die Anmietung einer neuen Wohnung keine Obdachlosigkeit mehr gedroht habe, so dass die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 SGB X erfüllt seien. Die Beklagte sei auch berechtigt gewesen, den Bescheid vom 22.01.1999 mit Wirkung ab Februar 2000 aufzuheben, da dem Kläger seit Oktober 1999 bekannt gewesen sei, dass die Beigeladene einen Umzug plane, der dann im Januar 2000 vollzogen worden sei. Selbst wenn unterstellt werde, dass die Beklagte verpflichtet gewesen sei, Ermessen auszuüben, seien Ermessensfehler nicht erkennbar.
Mit der Berufung hat der Kläger im Wesentlichen an seinem erst- instanzlichen Vortrag festgehalten und die Auffassung vertreten, dass nach wie vor eine rechtwirksame Abtretung vorliege. Durch die Abtretung werde nur die Rechtszuständigkeit über die abgetretene Forderung verändert. Der Zessionar trete jedoch nicht in die Rechtsstellung des Zedenten aus dem Sozialrechtsverhältnis ein. Das bedeute, dass die Regelungen des Sozialrechts gegenüber dem Zessionar nicht anzuwenden seien. Er und die Beklagte stünden sich nicht in einem Verhältnis der Unter-/Überordnung, sondern vielmehr in einem Gleichordnungsverhältnis gegenüber. In diesem Zusammenhang nimmt er Bezug auf ein Urteil des Bundessozialgerichts – BSG – vom 30.01.2002 – Az.: B 5 RJ 26/01 R, SozR 3-1300 § 50 Nr. 25. Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass die Abtretung mit der Beigeladenen vereinbart worden sei, weil er durch die Überlassung der Wohnung im Vorgriff auf fällig gewordene Sozialleistungen tätig geworden sei (§ 53 Abs. 2 Nr. 1 SGB I).
In der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte den Bescheid vom 21.03.2000 insoweit zurückgenommen, als damit die Zahlung des abgetretenen Betrages zum 01.02.2000 eingestellt worden ist. Sie hat sich verpflichtet, den abgetretenen Betrag für die Monate Februar und März 2000 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen auszuzahlen. Hiermit hat sich der Kläger einverstanden erklärt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 31. März 2003 zu ändern und den Bescheid vom 21. März 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06. September 2000 aufzuheben.
die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Weiterer Einzelheiten wegen wird auf den Inhalt der Prozessakte und der die Beigeladene betreffenden Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Streitgegenstand ist noch, ob die Beklagte durch Bescheid vom 21.03.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06.09.2000 ihren Bescheid vom 22.01.1999 mir Wirkung für die Zeit ab dem 01.04.2000 aufheben konnte. Soweit die Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid den Bescheid vom 22.01.1999 auch für die Monate Februar und März 2000 aufgehoben hat, hat sich der Rechts- streit durch das vom Kläger angenommene (Teil-) Anerkenntnis der Beklagten erledigt (§ 101 Abs. 2 SGG).
Die Berufung ist nicht begründet. Der angefochtene Bescheid in der Fassung des Widerspruchsbescheides ist rechtmäßig und beschwert den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 SGG). Zu Recht hat die Beklagte den Bescheid vom 22.01.1999 mit Wirkung für die Zeit ab dem 01.04.2000 aufgehoben.
Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buchs des Sozialgesetzbuches – SGB X – ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass zugrunde gelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist eine Änderung, die dazu führt, dass die Behörde unter den nunmehr vorliegenden Verhältnissen den ergangenen Verwaltungsakt nicht hätte erlassen dürfen (Steinwedel in Kassler Kommentar, § 48 SGB X, Rn. 13, m.w.N.). Gemessen an diesen Kriterien sind die Voraussetzungen zur Annahme eines wohlverstandenen Interesses i.S.d. § 53 Abs. 2 Nr. 2 SGB I nicht mehr erfüllt. Ein wohlverstandenes Interesse ist dann anzunehmen, wenn der Berechtigte sich durch die Abtretung schutzwürdige Vorteile verschafft, die höher einzuschätzen sind, als der Zahlanspruch (Eicher/Haase/Rauschenbach, 19. Lieferung 1995, § 53, Anm. 5). Einen derartigen schutzwürdigen Vorteil hatte die Beigeladene dadurch erlangt, dass sie in die vom Kläger gemietete Wohnung eingezogen ist. Durch den Auszug ist dieser Vorteil im Verhältnis zu dem Kläger wieder entfallen, so dass auf Seiten der Beklagten kein Grund mehr dafür bestand, bei der Abtretung des Rentenanspruchs in Bezug auf den Kläger ein wohlverstandenes Interesse anzunehmen. Hiervon hat er mit dem Bescheid vom 21.03.2000 die erforderliche positive Kenntnis erhalten. Auf das ursprünglich von der Beklagten festgestellte wohlverstandene Interesse konnte sich der Kläger damit ab dem 01.04.2000 nicht mehr berufen.
Es kommt nicht darauf an, ob ein Zeitmietvertrag geschlossen worden ist und die Beigeladene ggf. durch eine Weigerung, den vereinbarten Mietzins bis zum Ablauf der Mietdauer am 31.01.2001 zu entrichten, vertragsbrüchig geworden sein mag. § 53 Abs. 2 Nr. 2 SGB I bewirkt nach seinem Zweck nämlich entgegen der Ansicht des Klägers keinen Gläubigerschutz und soll auch nicht unabhängig vom Vorliegen eines wohlverstandenen Interesses die Durchsetzung zivilrechtlich begründeter Forderungen erleichtern. Sinn des Genehmigungs- bzw. Feststellungsvorbehalts ist vielmehr der Schutz des Sozialleistungsberechtigten "vor unüberlegten und nachteiligen Übertragungen" (vgl. BSG, Urteil vom 25.05.1972 – Az: 5 RKn 24/71, SozR Nr. 5 zu § 119 Reichsversicherungsordnung – RVO -).
Soweit der Kläger die Auffassung vertritt, die Beklagte nach wie vor aus abgetretenem Recht in Anspruch nehmen zu können, ist dem entgegenzuhalten, dass es sich bei der Feststellung eines wohlverstandenen Interesses um eine Wirksamkeitsvoraussetzung für die Abtretung handelt (sog. privatrechtsgestaltender Verwaltungsakt – vgl. BSG vom 06.04.2000 – B 11 AL 47/99 R, SozR 3-1200 § 53 Nr. 9, Seewald in Kassler Kommentar, § 53 SGB I, Rn. 24, beide m.w.N.). Sind – wie hier – die Voraussetzungen für die Feststellung eines wohlverstandenen Interesses gegenüber dem Kläger entfallen, so entfällt damit gleichzeitig die Wirksamkeit einer Abtretung.
Entgegen der Auffassung des Klägers war die Beklagte ihm gegenüber zum Erlass der angefochtenen Bescheide berechtigt. Neben dem Abtretenden kann auch der Abtretungsempfänger beim zuständigen Leistungsträger die Feststellung des wohlverstandenen Interesses beantragen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 14.08.1984 – Az.: 10 RKg 19/83, SozR 1200 § 53 Nr. 2 und vom 06.04.2000 – Az: B 11 AL 47/99 R, SozR 3-1200 § 53 Nr. 9). Diese Feststellung hat durch Verwaltungsakt zu erfolgen, weil ohne eine solche Entscheidung des Leistungsträgers die Wirksamkeit der Abtretung im Ungewissen bliebe. Dies gilt insbesondere auch im Hinblick auf den Abtretungsempfänger, der – wenn sich der Abtretende nicht um die Feststellung bemüht – ebenfalls in der Lage sein muss, die vom Leistungsträger zu treffende Verwaltungsentscheidung zu beantragen. Ebenso kann der Empfänger einer Abtretungserklärung bei einer ablehnenden Entscheidung des Verwaltungsträgers zulässig anfechten (BSG, Urteil vom 14.08.1984 – Az.: 10 RKg 19/83, SozR 1200 § 53 Nr. 2). Wenn der Leistungsträger aufgrund einer wesentlichen Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse zu der Feststellung gelangt, dass die Voraussetzungen zur Annahme eines wohlverstandenen Interesses nicht mehr erfüllt sind, so kann bzw. muss er den Verwaltungsakt gegenüber dem Abtretungsempfänger im Wege des § 48 Abs. 1 SGB X aufheben. Das von dem Kläger in seiner Berufungsbegründung vom 04.06.2003 zitierte Urteil des BSG vom 30.01.2002 – Az.: B 5 RJ 26/01 R, SozR 3-1300 § 50 Nr. 25 kann auf den hier zu entscheidenden Rechtsstreit nicht übertragen werden. Der Entscheidung lag nämlich ein Sachverhalt zu Grunde, in dem ein Rentenver- sicherungsträger einen Erstattungsanspruch gegenüber einem Bankinstitut im Wege des § 50 SGB X geltend gemacht hatte, das sich den Anspruch eines Beigeladenen auf Beitragserstattung zur Kreditsicherung hatte abtreten lassen. Das BSG hat in diesem Zusammenhang entschieden, dass bei Mängeln in dem Verhältnis zwischen dem Rentenversicherungsträger und dem Beigeladenen keine Ermächtigungsgrundlage für den Erlass eines Verwaltungsaktes und die Geltendmachung eines überzahlten Betrages gegenüber dem Kreditinstitut bestehe. Vielmehr sei der Versicherungsträger gehalten, die Leistung von dem Beigeladenen zurückzufordern, da dieser – und nicht das Bankinstitut – Begünstigter und Adressat der vorangegangenen Beitragserstattung (bzw. des zu Grunde liegenden Erstattungsbescheides) gewesen sei.
Der Kläger kann sich schließlich nicht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1 SGB I berufen. Danach können Ansprüche auf Geldleistungen zur Erfüllung oder zur Sicherung von Ansprüchen auf Rückzahlung von Darlehen und auf Erstattung von Aufwendungen, die im Vorgriff auf fällig gewordene Sozialleistungen zu einer angemessenen Lebensführung gegeben oder gemacht worden sind, übertragen und verpfändet werden. Durch die Regelung sollen Dritte ermutigt werden, Sozialleistungen ohne allzu großes eigenes Risiko vorzufinanzieren (Seewald in Kassler Kommentar, § 53 SGB I, Rn. 2). Zu den materiellen Voraussetzungen des § 53 Abs. 2 Nr. 1 SGB I liegt keine Verwaltungsentscheidung der Beklagten vor, die hätte aufgehoben werden können. Eine solche ist jedoch erforderlich (vgl. hierzu Seewald in Kassler Kommentar, § 53 SGB I, Rn. 19). Abgesehen davon waren bzw. sind die Voraussetzungen des § 53 Abs. 2 Nr. 1 SGB I in der Sache nicht erfüllt. Ein Darlehen hat der Kläger der Beigeladenen ersichtlich nicht gewährt. Es ist auch nicht erkennbar, dass dem Kläger als Dritten im Vorgriff auf fällig gewordene Sozialleistungen Aufwendungen für die Unterkunft der Beigeladenen entstanden sind. Vielmehr hat er ihr die Räumlichkeiten in Erfüllung seiner schuldrechtlichen Verpflichtung aus § 535 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB – in der hier maßgeblichen Fassung überlassen. Eine Vorfinanzierung von Sozialleistungen kann darin jedoch nicht gesehen werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Voraussetzungen der Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG) sind nicht erfüllt.
Erstellt am: 04.05.2005
Zuletzt verändert am: 04.05.2005