Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 12.11.2003 geändert und die Beklagte verurteilt, an die Klä gerin 2324,15 Euro zuzüglich 2 % Zinsen über dem Basiszinssatz der europäischen Zentralbank seit dem 13.01.2000 zu zahlen. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin für beide Rechtszüge zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Vergütung von Krankenhausleistungen.
Die Klägerin ist Trägerin des St. K-Hospitals, H. Sie ist Mitglied der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen (NRW). Zwischen dieser und u.a. der Beklagten gilt der Sicherstellungsvertrag vom 06.12.1996. Das St. K-Hospital ist in den Krankenhausplan des Landes NRW aufgenommen. Für die Vergütung von Krankenhausleistungen bestehen zwischen den Beteiligten auf Landesebene im hier maßgeblichen Kontext keine vom Bundesrecht abweichenden vertraglichen Vereinbarungen. Das Krankenhaus-Finanzierungsgesetz findet auf die Klägerin Anwendung.
Das St. K-Hospital nahm auf notfallärztliche Verordnung C N, geboren am 25.09.1947 (Versicherter), am 12.10.1998 wegen exacerbierter COLD, Diabetes mellitus sowie Herzinsuffizienz stationär auf. Die Beklagte erteilte Kostenzusage "für: N, Ehegatte, geboren 01.01.1949" (15.10.1998). Die Behandlung endete am 23.10.1998. Das St. K-Hospital rechnete am 30.10.1998 gegenüber der Beklagten schriftlich für den "Patient: N C 25.09.1947" elf Abteilungspflegesätze innere Medizin sowie elf Basispflegesätze zum Gesamtbetrag von DM 4.545,64 ab. Die Beklagte lehnte die Bezahlung der Rechnung für den Versicherten ab; für diesen liege keine Kostenzusage vor (Schreiben vom 13.11.1998). Das St. K-Hospital mahnte die Zahlung der Rechnung an (Sammelschreiben vom 04.05.1999).
Die Klägerin hat Zahlungsklage erhoben (Sozialgericht Gelsenkirchen – SG -, Eingang 20.12.2002). Sie hat vorgetragen, die Beklagte habe die Kostenübernahme für die Behandlung des Versicherten mit Schreiben vom 15.10.1998 zugesagt. Der Zahlungsanspruch sei nicht verjährt. Die Verjährung sei durch Übersendung der Rechnung vom 30.10.1998 am 01.01.1999 in Gang gesetzt worden und wäre ohne Klageerhebung erst nach der vierjährigen Verjährungsfrist mit dem 31.12.2002 abgelaufen.
Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben. Mit Inkrafttreten der Änderung des § 69 Satz 3 SGB V in der Fassung des GKV-Gesundheitsreform- gesetzes 2000 (Gesetz vom 22.12.1999, BGBl I, 2626) mit Wirkung vom 01.01.2000 seien nunmehr die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) auf die Rechtsbeziehungen zwischen den Krankenkassen und den Leistungserbringern entsprechend anzuwenden. Nach § 196 Abs 1 Nr 11 BGB alte Fassung (aF) habe bis zum 31.12.2001 die zweijährige Verjährungsfrist gegolten, so dass die Verjährung bereits mit Ablauf des 31.12.2001 eingetreten sei. Das SG hat sich der Auffassung der Beklagten angeschlossen und die Klage abgewiesen (Urteil vom 12.11.2003).
Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihren Vergütungsanspruch weiter.
Die neu geregelten Verjährungsvorschriften erfassten nur seit dem 01.01.2000 entstehende, nicht aber zuvor bereits entstandene Forderungen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 12.11.2003 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, 2.324,15 Euro zuzüglich 2 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 13.01.2000 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Für die Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet.
Die Klage ist als Leistungsklage (§ 54 Abs 5 Sozialgerichtsgesetz – SGG -) zulässig, da es sich um einen Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis handelt, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt (Bundessozialgericht – BSG – E 86, 166, 167 f = SozR 3-2500 § 112 Nr. 1). Deshalb ist auch ein Vorverfahren nicht erforderlich und die Einhaltung einer Klagefrist nicht geboten (vgl ebenda und BSGE 90, 1 = SozR 3-2500 § 112 Nr. 3; zuletzt BSG, Urteil vom 28.05.2003, Aktenzeichen (Az) B 3 KR 10/02 R, SozR 4-2500 § 109 Nr 1).
Die Klage ist auch begründet. Entgegen der Auffassung des SG steht der Klägerin ein Anspruch auf Zahlung von 2.324,15 Euro als Vergütung für die stationäre Behandlung des Versicherten vom 12. bis 22.10.1998 gemäß Rechnung vom 30.10.1998 zu. Rechtsgrundlage des streitigen Anspruchs auf Vergütung ist § 109 Abs 4 Satz 3 5. Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in Verbindung mit dem zwischen der Krankenhausgesellschaft NRW und u.a. der Beklagten am 06.12.1996 geschlossenen Sicherstellungsvertrag nach § 112 Abs 2 Nr. 1 SGB V – allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung – (Vertrag), der zum 01.01.1997 in Kraft getreten ist, § 19 Abs 1 des Vertrags. Dabei entsteht die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse unabhängig von einer Kostenzusage unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Sachleistung durch den Versicherten (§ 27 Abs 1 Satz 2 Nr 5 SGB V in Verbindung mit § 39 Abs 1 SGB V) als Korrelat zur Behandlungspflicht zugelassener Krankenhäuser aus § 109 Abs 4 Satz 2 SGB V (vgl BSG, Urteil vom 28.05.2003, aaO mwN). Die Klägerin betreibt ein Plankrankenhaus im Sinne des § 108 Nr 2 SGB V, für das der Abschluss eines Versorgungsvertrags fingiert wird, § 109 Abs 1 Satz 2 Halbsatz 2 SGB V. Sie ist Mitglied der Landeskrankenhausgesellschaft nach § 108 a SGB V. Es bestehen keine abweichenden Vereinbarungen von der Bundespflegesatzverordnung als Satzung auf Landesebene, die unmittelbare Wirkung für sie haben, § 16 Bundespflegesatzverordnung (BPflV). Die Krankenhausbehandlung war notwendig. Das Behandlungsziel konnte nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden (§ 39 Abs 1 Satz 2 SGB V). Das ist im Einklag mit dem Akteninhalt zwischen den Beteiligten unstreitig.
Alle Voraussetzungen für die Entstehung des Zahlunganspruchs sind erfüllt. Der Anspruch ist auch mit Zugang der formal ordnungsgemäßen Rechnung vom 30.10.1998 bei der Beklagten fällig geworden (vgl dazu BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 1 und SozR 3-2500 § 112 Nr 3). Davon gehen auch die Beteiligten übereinstimmend aus.
Entgegen der Ansicht der Beklagten greift die Einrede der Verjährung nicht durch. Unzutreffend beruft sie sich auf die Verjährungsregelungen des BGB, die sie nach § 69 Satz 3 SGB V idF des Gesundheitsreformgesetzes 2000 (nF) für anwendbar hält. Vielmehr galt die vierjährige Verjährungsfrist entsprechend § 45 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I), die bei Klageerhebung (20.12.2002) noch nicht abgelaufen war.
Zu Recht ist zwischen den Beteiligten nicht streitig, dass bis zum 31.12.1999 für Forderungen auf Vergütung stationärer Behandlung eines Versicherten seitens eines Krankenhauses gegen die gesetzliche Krankenkasse die vierjährige Verjährungsfrist nach § 45 SGB I galt. Die Norm ist Ausdruck eines allgemeinen Rechtsprinzips im Sozialrecht (vgl BSG SozR 3-1200 § 45 Nr 8 S 27ff, 30 mwN), das grundsätzlich auch für Ansprüche von Krankenhäusern gegen die gesetzliche Krankenkasse wegen stationärer Behandlungsvergütung galt (vgl ebenda). Diese Regelung ist für vor dem 01.01.2000 entstandene Ansprüche nicht durch § 69 Satz 3 SGB V nF iVm § 196 Abs 1 Nr 11 BGB verdrängt worden, sondern gilt für sie fort. Der Geltungswille dieser Norm erfasst nicht Ansprüche, die vor dem 01.01.2000 entstanden sind (vgl entsprechend BSG, Urteil vom 21.02.2002, Az B 3 KR 4/01 R, Rdziffer 11; SozR 3-2500 § 60 Nr 6). Das entspricht einem allgemeinen Rechtsprinzip bei einer grundlegenden Umgestaltung des Rechts (vgl dazu auch BGH, Urteil vom 23.11.1973, Az IV ZR 35/75, NJW 1974, 236ff, 237), wie sie mit der einheitlichen Zuordnung der Rechtsbeziehungen der Krankenkassen mit den Leistungserbringern zum öffentlichen Recht (§ 69 Sätze 1 und 2 SGB V nF) unter ergänzender Anwendung des BGB (§ 69 Satz 3 SGB V nF) erfolgt ist (vgl dazu auch BT-Drucks 14/1245 S. 68 zu Nr 29; BT-Drucks 14/1977 S 163), verbunden mit der einheitlichen Zuweisung der Streitigkeiten zur Sozialgerichtsbarkeit (Art 8 Nr 1b Gesundheitsreformgesetz 2000, siehe auch dort Art 9). Der Rechtklarheit als Ausdruck der Rechtssicherheit, wurzelnd im rechtsstaatlichen Gebot der Berechenbarkeit des Rechts (vgl dazu BVerfG, Beschluss vom 26.06.1985, Az 1 BvR 588/84, NVwZ 1985, 819f mwN) dient es, den Rechtsgeltungswillen des § 69 SGB V nF generell auf die ab 01.01.2000 entstandenen Ansprüche zu erstrecken, aber auch nur hierauf zu begrenzen. Wortlaut von § 69 SGB V nF, Entstehungsgeschichte (vgl oben) sowie das System des Übergangsrechts (Art 22 (5) Gesundheitsreformgesetz 2000) lassen diese nach Sinn und Zweck der Regelung geforderte Auslegung zu. Der Gesetzgeber wollte mit Art 1 Nr 26 Gesundheitsreformgesetz 2000 mithin nicht in die Verjährungsregelung bereits vor dem 01.01.2000 entstandener Ansprüche eingreifen (vgl auch im Ergebnis Fischer, NZS 2003, 301ff, 304f mwN).
Nach § 45 Abs 1 SGB I verjähren Ansprüche [ …] in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie entstanden sind. Für die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung gelten die Vorschriften des BGB sinngemäß (§ 45 Abs 2 SGB I – nF – idF von Art 5 Nr 3a Hüttenknappschaftliches Zusatzversorgungs-Neuregelungs-Gesetz (HZvNG) vom 21.06.2002, BGBl I, 2167, in Kraft getreten ab 01.01.2002 gemäß Art 25 (5) HZvNG). Diese Fassung von § 45 Abs 2 SGB I ist anzuwenden, wie aus § 70 SGB I (eingeführt durch Art 5 Nr 4 HZvnG, in Kraft getreten am 01.01.2002 gemäß Art 25 (5) HZvNG) erhellt. Danach gilt Art 229 § 6 Abs 1 und 2 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) entsprechend bei der Anwendung des § 45 Abs 2 [ …] in der seit dem 01. Januar 2002 geltenden Fassung. Art 229 § 6 EGBGB bestimmt unter der Überschrift "Überleitungsvorschrift zum Verjährungsrecht nach dem Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26.11.2001" in den Abs 1 und 2: Die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Verjährung in der seit dem 01. Januar 2002 geltenden Fassung finden auf die an diesem Tag bestehenden noch nicht verjährten Ansprüche Anwendung. Der Beginn, die Hemmung, die Ablaufhemmung und der Neubeginn der Verjährung bestimmen sich jedoch für den Zeitraum vor dem 01.01.2002 nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch in der bis zu diesem Tag geltenden Fassung. Wenn nach Ablauf des 31.12.2001 ein Umstand eintritt, bei dessen Vorliegen nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch in der vor dem 01.01.2002 geltenden Fassung eine vor dem 01.01.2002 eintretende Unterbrechung der Verjährung als nicht erfolgt oder als erfolgt gilt, so ist auch insoweit das Bürgerliche Gesetzbuch in der vor dem 01.01.2002 geltenden Fassung anzuwenden (Abs 1). Soweit die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der seit dem 01.01.2002 geltenden Fassung anstelle der Unterbrechung der Verjährung deren Hemmung vorsehen, so gilt eine Unterbrechung der Verjährung, die nach den anzuwendenden Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der vor dem 01.01.2002 geltenden Fassung vor dem 01.01.2002 eintritt und mit Ablauf des 31.12.2001 noch nicht beendigt ist, als mit dem Ablauf des 31.12.2001 beendigt, und die neue Verjährung ist mit Beginn des 01.01.2002 gehemmt (Abs 2). Mithin findet § 45 Abs 2 SGB I nF auf den am 01.01.2002 bestehenden noch nicht verjährten Anspruch Anwendung (§ 70 SGB I iVm Art 229 § 6 Abs 1 Satz 1 EGBGB). Nach § 204 Abs 1 Nr 1 BGB (idF des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts [SMG] vom 26.11.2001, BGBl. I, 3138) wird die Verjährung durch die Erhebung der Klage auf Leistung [ …] gehemmt. Nach § 204 Abs 2 Satz 1 BGB (idF des SMG) endet die Hemmung nach Abs 1 sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Beendigung des eingeleiteten Verfahrens. § 209 BGB (idF des SMG) beschreibt die "Wirkung der Hemmung" (so die Überschrift). Danach wird der Zeitraum, während dessen die Verjährung gehemmt ist, in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet. Danach hat die Klageerhebung (§ 90 SGG) am 20.12.2002 seit diesem Zeitpunkt die Verjährung mit der Folge gehemmt, dass die Verjährungsfrist noch nicht abgelaufen ist.
Der geltend gemachte Zinsanspruch folgt aus § 15 Abs 1 des Vertrags. Nach § 15 Abs 1 Satz 1 des Vertrags sind Rechnungen innerhalb von 15 Tagen nach Rechnungslegung zu begleichen. Bei Überschreitung des Zahlungsziels kann das Krankenhaus nach Maßgabe der §§ 284, 285, 288 Abs 1 des BGB Verzugszinsen in Höhe von 2 % über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank ab dem auf den Fälligkeitstag folgenden Tag verlangen (§ 15 Abs 1 Satz 4). Ab 01.01.1999 ist diese Vertragsbestimmung aufgrund der geänderten währungsrechtlichen Rechtslage in modifizierter Weise anzuwenden. Seit dem 01.01.1999 gibt es keinen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank mehr. Der Diskontsatz ist durch § 1 Diskontsatz-Überleitungsgesetz (DÜG, BGBl 1998 I S 1242 und BGBl 2000 I S 901) zum 01.01.1999 durch den sogenannten Basiszinssatz ersetzt worden. Jede Bezugnahme auf den Diskontsatz der Deutschen Bundesbank im Rahmen von Regelungen über Zinsen oder andere Leistungen wird ab 01.01.1999 von Gesetzes wegen (§ 1 Abs 1 Satz 1 DÜG) durch eine Bezugnahme auf den Basiszinssatz ersetzt. Bezugsgröße für den Basiszinssatz ist nach der Basiszinsatz-Bezugsgrößen-Verordnung vom 10.02.1999 (BGBl I 139) der Zinssatz für längerfristige Refinanzierungsgeschäfte der europäischen Zentralbank.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 197 a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 154 Abs 1 VwGO.
Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht, § 160 Abs 2 SGG.
Erstellt am: 12.10.2005
Zuletzt verändert am: 12.10.2005