Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 16.06.2003 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat der Klägerin auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Mammareduktionsplastik (Brustverkleinerungsoperation).
Die bei der Beklagten versicherte 1942 geborene Klägerin wiegt bei einer Körpergröße von 173 cm etwa 120 kg. Sie beantragte mit einem Bericht der Frauenklinik der Städtischen Kliniken E vom 25.10.2000 am 27.10.2000 bei der Beklagten die Gewährung einer Brustverkleinerungsoperation. In dem Bericht heißt es, es bestehe eine ungleiche Brustgröße, die rechte Brust sei mindestens 1/3 bis 1/2 größer als die linke. Wegen der ausgeprägten Ungleichheit der Brustgröße bestehe eine schmerzhafte Fehlhaltung im Wirbelsäulenbereich. Durch das Brustgewicht befänden sich auf beiden Schultern tiefe Schnürfurchen der BH-Träger und ein chronisches Ekzem unter beiden Brüsten. Die Durchführung einer operativen Brustverkleinerung sei unbedingt ungeachtet der gleichzeitig bestehenden Adipositas indiziert, da eine Gewichtsreduktion nur wenig an der Gigantomastie ändern und die ausgeprägte Anisomastie (Ungleichheit der Brüste) in keiner Weise verändern würde.
Die Klägerin übersandte weiter einen Bericht des Allgemeinmediziners Dr. I vom 13.11.2000, der angab, es bestehe seit etwa 10 Jahren eine ausgeprägte Adipositas. Leider sei es nicht erfolgreich gelungen, das Gewicht zu reduzieren. Die Klägerin werde häufig vorstellig wegen Wirbelsäulenbeschwerden, insbesondere im Bereich der HWS und BWS. Aufgrund der Gigantomastie hätten sich diese Beschwerden in den letzten Jahren weiter verschlimmert. Unabhängig von einer Gewichtsreduzierung sei die Brustkorrektur erforderlich, um die Wirbelsäulenbeschwerden zu lindern. Der Orthopäde N2 führte in einer Bescheinigung vom 29.11.2000 aus, die Klägerin habe von Dezember 1999 bis März 2000 wiederholt aufgrund seit Jahren rezidivierender Schmerzen im Hals-/Schulter-/ Armbereich in Behandlung gestanden. Durch die angestrebte Mammareduktionsplastik sei ein positiver Effekt auf die gestörte Hals-/Schulter-/Armmuskulatur sowie die sekundäre Fehlstatik zu erwarten, weiter sei mittelfristig mit einem Rückgang der cervicocephalgieformen Schmerzen zu rechnen. Dr. N von dem von der Beklagten befragten Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) führte in einer Stellungnahme vom 04.01.2001 aus, es liege eine massive Adipositas vor, die Brüste seien in diesem Zusammenhang nachrangig, vorrangig vor der Brustverkleinerung sei eine Gewichtsreduktion.
Mit Schreiben vom 09.01.2001 teilte die Beklagte der Klägerin daraufhin mit, eine Kostenübernahme für die Brustverkleinerungsoperation könne nicht erfolgen. Auf die Übersendung einer weiteren Bescheinigung des Orthopäden Dr. N1, der ebenfalls angab, aufgrund der Makromastie bestünden erhebliche Beschwerden im HWS- und LWS-Bereich, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 03.05.2001 erneut die Kostenübernahme für eine Mammareduktionsplastik ab. Auf den Widerspruch der Klägerin veranlasste sie eine Untersuchung durch den MDK. Dort gab die Klägerin an, seit 1996 habe die Brustgröße ständig zugenommen bei einer allgemeinen Gewichtszunahme von ca. 15 kg. Dr. W vom MDK fand bei der Untersuchung eine ausgeprägte Gigantomastie bei allgemeiner Adipositas und eine Asymmetrie der Brüste. Die rechte Brust sei tieferstehend als die linke und erscheine auch optisch als größer. Es bestanden rötlich livide Hautverfärbungen in der unteren Hälfte beider Brüste, die Haut unterhalb der Brüste war beidseits schweißig und wies insbesondere im Bereich der linken Brust Hautveränderungen infolge stattgehabter intertriginöser Veränderungen auf. Im Bereich der Wirbelsäule fand sich ein deutlicher Schultertiefstand nach rechts, eine vermehrte Brustkyphose und Hyperlordosierung im lumbalen Bereich und eine muskuläre Verspannung im Nacken-Schulter-Bereich beidseits ohne subjektive Schmerzäußerung. Dr. W kam zu dem Ergebnis, dass sich ohne eine anhaltende drastische Gewichtsreduktion auch die alleinige operative Reduktionsplastik der beiden Brüste nicht die Beschwerden im Bereich des Stütz- und Bewegungsapparates nicht anhaltend verbessern würden. Mit Schreiben vom 29.10.2001 teilte die Beklagte der Klägerin daraufhin mit, es bleibe bei dem Bescheid vom 03.05.2001 und wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 14.03.2002 zurück.
Zur Begründung der Klage hat sich die Klägerin auf die im Verwaltungsverfahren eingereichten ärztlichen Stellungnahmen bezogen und eine weitere Stellungnahme des Gynäkologen Dr. X (Chefarzt der gynäkologischen Abteilung des N-Krankenhauses St. K I vom 04.12.2001) vorgelegt. Dieser betont, dass bei der Klägerin eine extreme Gigantomastie bestehe und die von Dr. W vorgeschlagene Gewichtsreduktion zu keinerlei Veränderung der Hautlappenlänge führen würde. Allein eine chirurgische Maßnahme sei im Stande, den jetzt bereits bestehenden deutlichen Hautüberschuss im Bereich der Brust zu beseitigen. Sicherlich sei eine Operation nicht allein im Stande, die orthopädische Beschwerdesymptomatik zu verbessern. Da die Klägerin eine Gewichtsreduktion auch durch zahlreiche diätetische Maßnahmen nicht erreicht habe, glaube er, dass in diesem Fall eine primäre Operation als psychische Motivation für eine nachfolgende Gewichtsabnahme in Erwägung gezogen werden sollte.
Auf Antrag der Klägerin ist nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) von dem Orthopäden Dr. T ein Gutachten eingeholt worden. In seinem Gutachten vom 22.01.2003 führte er aus, im Bereich der gesamten Wirbelsäule lägen Veränderungen vor. Diese beträfen im Bereich der LWS eine skoliotische Fehlhaltung mit ausgeprägten reaktiv degenerativen Veränderungen durch diese Fehlstatik. Im Bereich der BWS liege der Zustand einer Spondylosis deformans vor. Der Zustand gehe über das übliche Ausmaß degenerativer Veränderungen hinaus mit knöchernen Spangenbildungen, die die Wirbelzwischenräume im Bereich der mittleren und unteren BWS überbrückten und hierdurch zu einer hochgradigen Bewegungseinschränkung dieses Wirbelsäulenabschnitts bei vermehrter Rundrückenbildung geführt hätten. Im Bereich der HWS liege eine vermehrte kompensatorische Ausbiegung nach vorne (Hyperlordose) vor, die als Ausgleich zur Rundrückenbildung der BWS anzusehen sei. Degenerativ lägen ebenfalls Veränderungen der Bandscheiben im mittleren unteren HWS-Abschnitt vor. Bei den vorliegenden ausgeprägten Veränderungen des Stützorgans seien die Auswirkungen des erheblichen Übergewichtes der Brüste statisch leicht zu erklären. Durch die relativ erhebliche Gewichtseinwirkung auf die BWS komme es zu einer Vermehrung der Rundrückenbildung im oberen BWS-Abschnitt, hierdurch bedingt träten glaubhaft radikuläre sensible Schmerzzustände auf. Kompensatorisch habe dies Auswirkungen auf die biomechanischen Verhältnisse der HWS mit Entwicklung bzw. Verstärkung einer entsprechenden Schmerzsymptomatik. Durch das Übergewicht der Brüste habe sich eine Eigendynamik mit vermehrtem Herabhängen der Brüste und einer asymmetrischen Ausbildung entwickelt. Eine allgemeine Gewichtsreduktion ändere nur wenig am Gewicht der Mammae. Wegen der ungünstigen statischen Verhältnisse durch die erhebliche Übergewichtigkeit der Brüste bei bereits bestehenden ausgeprägten degenerativen Veränderungen der BWS handele es sich bei der Mammareduktionsplastik um einen medizinischen Eingriff, der auf eine deutliche entscheidende Reduktion der Schmerzsymptomatik ziele. Das Krankheitsbild der Gigantomastie liege als eigenständiger pathologischer Zustand unabhängig von der allgemeinen Adipositas vor, er sei der Überzeugung, dass ohne eine radikale Brustverkleinerung die allgemeine Brustgewichtsreduktion nicht erreicht werden könne.
Die Beklagte hat dazu eine Stellungnahme des MDK (Dr. C) vom 05.03.2003 vorgelegt. Dort wird angegeben, vorrangig sei eine Gewichtsreduktion. Dass die bisherigen, offensichtlich nicht strukturierten Versuche zur Gewichtsreduktion keinen Erfolg ergeben hätten, könne nicht als Begründung zur Mammareduktionsplastik herangezogen werden, zumal eine solche Operation nicht als Baustein einer Adipositas-Therapie zu bewerten sei. Bei einer Gewichtsreduktion sei eine nahezu proportionale Gewichtsreduktion der Mammae zu erwarten. Es lägen auch keine wissenschaftlichen Untersuchungen dazu vor, dass Mammareduktionsplastiken dauerhaft eine Entlastung des Achsenskeletts mit entsprechender Reduktion der Beschwerden begründeten.
Gestützt auf das Gutachten von Dr. T hat das Sozialgericht mit Urteil vom 16.06.2003 die Beklagte antragsgemäß zur Gewährung einer Brustverkleinerungsoperation verurteilt.
Mit der fristgerecht eingelegten Berufung wendet sich die Beklagte gegen die Verurteilung und meint, aufgrund der vorliegenden Adipositas sei primär eine Gewichtsreduktion indiziert. Wissenschaftliche Studien, die eine Kausalität zwischen orthopädischen Beschwerden und der Brustgröße belegten, gebe es nicht. Es fehle daher an dem nach der Rechtsprechung des BSG erforderlichen wissenschaftlichen Nachweis, dass sich die Beschwerden von Seiten der Wirbelsäule bzw. des Schultergürtels nach einer Mammareduktionsplastik bessern würden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 16.06.2003 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Im Berufungsverfahren ist ein Befundbericht von dem Allgemeinmediziner Dr. I (Bericht vom 22.01.2004) eingeholt worden, der über die bisherigen Versuche zur Gewichtsabnahme berichtet hat. Sodann ist von der Chirurgin Dr. E ein Gutachten eingeholt worden. In ihrem Gutachten vom 25.02.2004 ist sie zu dem Ergebnis gelangt, es bestehe eine Gigantomastie der Brüste mit extremer Ptose und erheblicher Ungleichgewichtigkeit. Eine operative Intervention mit Mammareduktionsplastik sei bei der Klägerin notwendig. Es sei davon auszugehen, dass alleine durch die Brustverkleinerung schon eine erhebliche Verminderung der von der Klägerin nachvollziehbar beschriebenen Beschwerden von Seiten der Hals- und Schulterregion wie der oberen BWS erreicht werden könne. Eine allgemeine Gewichtsreduktion wäre unabhängig hiervon sinngebend, es handele sich jedoch mittlerweile um zwei voneinander weitgehend unabhängig verlaufende Krankheitsbilder. Wegen der Einzelheiten wird auf das Gutachten Bezug genommen. Die Beklagte hat dazu eine weitere Stellungnahme von Dr. C übersandt, in der wiederum ausgeführt wird, im vorliegenden Fall sei eine grundlegende Adipositas-Therapie erforderlich. Mammaproportion und die Gesamtkonstitution der Klägerin müssten als zusammenhängend und sich gegenseitig bedingend dargestellt werden. Es fehle auch der wissenschaftliche Beleg dafür, dass die Symptomatik von Seiten der Mammae von der Adipositas zu trennen sei.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat im Ergebnis zutreffend die Beklagte zur Gewährung der Brustverkleinerungsoperation verurteilt.
Versicherte haben nach § 27 Absatz 1 Satz 1 5. Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn diese notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Diese Krankenbehandlung umfasst nach Satz 2 a.a.O. die ärztliche Behandlung (Nummer 1) sowie gegebenenfalls die Krankenhausbehandlung (Nummer 5). In krankenversicherungsrechtlichem Sinne ist Krankheit ein regelwidriger Körperzustand, der Behandlungsbedürftigkeit und/oder Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat (vergl. Schmidt in: Peters, Handbuch der Krankenversicherung – SGB V, § 27 Randnummer 50 m. N. der Rechtsprechung). Eine Regelwidrigkeit ist gegeben, wenn der Körperzustand vom Leitbild eines gesunden Menschen abweicht. Entscheidend ist, ob der Versicherte zur Ausübung der normalen psychophysischen Funktionen in der Lage ist (vergl. BSGE 59, 119, 121).
Die Klägerin hat Anspruch auf die Brustverkleinerungsoperation als Maßnahme der Krankenbehandlung. Bei ihr liegt eine Gigantomastie beider Brüste, verbunden mit einer deutlichen Ungleichheit (rechts größer links) und einer erheblichen Ptosis vor. Es spricht hier viel dafür, dass – ausnahmsweise – schon Größe und Form der Mammae als behandlungsbedürftiger Körperzustand anzusehen sind, mit anderen Worten, die beantragte Brustverkleinerungsoperation wegen eines krankhaften Zustandes der Mammae erforderlich ist. Wie der Senat in seinem Urteil vom 26.04.2004 (L 5 KR 207/02) dargelegt hat, werden allerdings im Regelfall Übergewicht der Brüste und eine Ptose nicht als Krankheit zu beurteilen sein, weil sie weder eine Fuktionseinschränkung bedingen noch entstellend sind. Eine Brustverkleinerungsoperation kommt daher allenfalls dann in Betracht, soweit sich das Übergewicht der Brüste verschlimmernd auf Rücken- und Schulter-/Armbeschwerden auswirken. Da insoweit allerdings eine Operation nur mittelbar der Bekämpfung der auf orthopädischem Gebiet liegenden Krankheit dienen soll, bedarf eine solche "mittelbare" Behandlung jedoch einer besonderen Rechtfertigung; wegen des Eingriffs in ein funktionell intaktes Organ sind besonders strenge Anforderungen an die Abwägung von Art und Schwere der Erkrankung, des Risikos und des eventuellen Nutzens der Therapie zu stellen (vergl. insoweit BSG, Urteil vom 19.02.2003 – B 1 KR 1/02). Die Frage, ob hier – auch unter Berücksichtigung, dass es wegen der Beeinträchtigung des Submammaeraumes zur Ausbildung ekzematöser Veränderungen in der Submammaefalte gekommen ist (Dr. E, ebenso MDK-Gutachten Dr. W vom 05.09.2001) – schon die Brustgröße/-form als krankhaft zu bezeichnen ist (sowohl die Sachverständige Dr. E), kann letztlich offen bleiben, da die Brustoperation jedenfalls (auch) zur Verminderung der Beschwerden von Seiten der Hals- und Schulterregion sowie der oberen BWS erforderlich ist. Dies steht aufgrund des nachvollziehbar und überzeugend begründeten Gutachtens von Dr. E fest.
Wie die Sachverständige ausgeführt hat, liegt bei der Klärgerin nicht nur eine Gigantomastie vor. Vor allem ist durch die Wirkung der Schwerkraft auf die extrem großen Brüste es zu einer Verschiebung des Brustdrüsenkörpers nach unten gekommen, so dass in Höhe des eigentlichen Brustansatzes nur noch Hautlappen ohne wesentlichen Inhalt vorliegen und der vergrößerte Brustdrüsenkörper sich weitgehend im herabhängenden Teil der Brust befindet. Dies lässt sich anhand der dem Gutachten beigefügten Fotodokumentation gut nachvollziehen. Wie die Sachverständige weiter ausführt, kommt es hierdurch zu einem ausgeprägten ziehenden und zergelnden Effekt, der an dem Hautschlauch hängenden Gewichte, so dass ein Teil der von der Klägerin beklagten Beschwerden hierdurch begründet ist. Ferner hat die massive Brustvergrößerung rechtsseitig durch das erhebliche Ungleichgewicht der Brüste bereits zu einem ausgeprägten Schultertiefstand rechtsseitig geführt. Bei dem Schultertiefstand handele es sich nicht um ein aktives Hoch- bzw. Herunterziehen, sondern um eine funktionell myostatische Schädigung zum Ausgleich der ungleichen Gewichte. Dieses Ungleichgewicht führe zusätzlich zu der durch die Brustgewichte verursachten muskulären Dysbalance am Aufhängeapparat zu einer weiteren myostatischen Beeinträchtigung. In diesem Zusammenhang müsse beachtet werden, dass radiologisch bereits erhebliche strukturelle Veränderungen von Seiten der Brust- und Halswirbelsäule festgestellt worden seien. Die Klägerin sei somit altersbedingt nicht mehr in der Lage, eine entsprechende Ausgleichsbewegung der Wirbelsäule durchzuführen, die einen stabilisierenden Charakter hätte. Bei Fehlen dieser Ausgleichsmöglichkeit führten die zusätzlich durch die Brustgröße, das Gewicht und die Ungleichgewichtigkeit der Brüste entstehenden statischen Effekte zu einer weiteren Beschwerdehaftigkeit und Verstärkung der Schmerzsymptomatik von Seiten der Wirbelsäule. Alleine durch die Brustverkleinerung könne schon eine erhebliche Verminderung der von der Klägerin nachvollziehbar beschriebenen Beschwerden von Seiten der Hals- und Schulterregion sowie der oberen Brustwirbelsäule erreicht werden.
Die im Gutachten von Dr. C gegen diese Beurteilung erhobenen Einwände greifen nicht durch. Schon grundsätzlich geht diese Stellungnahme von der unzutreffenden Vorstellung aus, dass es für die Erforderlichkeit der Operation allein auf einen krankhaften Zustand der Brustdrüsenkörper ankomme. Dabei wird übersehen, dass sich hier die Frage stellt, wie sich die Brustgröße und -form auf die auf orthopädischem Gebiet bestehenden Beschwerden auswirkt. Offenbar vor diesem Hintergrund wird in dem Gutachten von Dr. C auf die Argumentation der Sachverständigen nicht im Einzelnen eingegangen. Dies gilt insbesondere für deren Hinweis auf die Beschwerdeverstärkung durch die durch die Ptose verursachte Zugbelastung und das Ungleichgewicht der Brüste. Die Aussage von Dr. C, aus den Fotoaufnahmen ergebe sich, dass die Brüste auf den adipösen Bauchdecken auflägen, also geradezu eine Entlastung hinsichtlich der Zugwirkung eintrete, ist abwegig, denn der behauptete Abstützeffekt entfällt mit jeder Bewegung. Dass ein deutlicher Schultertiefstand rechts vorliegt, ist auch im Gutachten von Dr. W bestätigt worden, die daraus resultierende myostatische Beeinträchtigung ist ohne weiteres nachvollziehbar. Auch die radiologisch nachweisbaren Veränderungen der Brust- und Halswirbelsäule werden von Dr. C nicht bewertet. Diese Veränderungen sind sicherlich nicht auf die Brustgröße zurückzuführen, jedoch hat Dr. E insoweit überzeugend begründet, dass hierdurch die Kompensationsfähigkeit von Seiten der Brustwirbelsäule eingeschränkt ist und diese nicht mehr die Möglichkeit hat, statische Dysbalancen, bedingt durch die Ungleichgewichtigkeit der Brüste, aufzufangen.
Soweit Dr. C meint, im Vordergrund müsse die allgemeine Gewichtsreduktion stehen, da proportional zur Reduktion des Körpergewichts auch das Gewicht der Mammae reduziert werde, hat Dr. E darauf hingewiesen, dass sich diese Aussage in der Regel auf jüngere Frauen mit einer Volumen verstärkten Brust beziehe. Bei der Klägerin sei die Situation eine andere: In ihrem Alter sei das Gewebe völlig erschlafft, es sei bereits zu einem massiven Durchhängen des Brustdrüsenkörpers nach unten gekommen und die Brüste hätten gigantische Ausmaße erreicht, die auch mit einer entsprechenden Gewichtsreduktion nicht zu korrigieren seien. Sie ist auch der im Gutachten von Dr. W vertretenen Auffassung entgegen getreten, dass Frauen mit einem Body-Mass-Index von 40 kg pro qm Körperoberfläche eine derartige oder vergleichbare Brustgröße hätten. Frauen mit einem derartigen Übergewicht seien in der Bundesrepublik sicher nicht selten, eine Brustveränderung, wie sie bei der Klägerin vorliege, sei jedoch auch für den erfahrenen plastischen Chirurgen ein eher seltener Anblick.
Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass auch bei einer Reduzierung des Gewichts der Mammae wegen der Hautveränderungen sich nichts an der Ptose ändern würde (so schon Dr. X in seiner Bescheinigung vom 04.12.2001), so dass der von Dr. E beschriebene ziehende und zergelnde Effekt der herabhängenden Brustdrüsenkörper, den sie für einen Teil der von der Klägerin beklagten Beschwerden verantwortlich macht, weiter bestehen bliebe. Die Sachverständige verkennt auch nicht, dass bei der Klägerin ein massives Übergewicht vorliegt, das jedoch in diesem Fall als zusätzliche Krankheit anzusehen sei. Dass die Operation unabhängig von einer – sicherlich notwendigen und anzustrebenden – allgemeinen Gewichtsreduktion allein schon wegen der Ptose und der Ungleichgewichtigkeit der Brüste notwendig ist, um eine erhebliche Besserung der Beschwerdesymptomatik hinsichtlich des Halswirbelsäulen- und Schulterbereichs sowie des oberen Brustwirbelsäulenbereichs zu erreichen, hat sie überzeugend begründet.
Vor diesem Hintergrund ist es unerheblich, dass wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse zum ursächlichen Zusammenhang zwischen Brustgröße und orthopädischen Gesundheitsstörungen nicht vorliegen (vergl. LSG Baden- Württemberg, Urteil vom 18.10.2002 – L 4 KR 4692/01). In den weitaus meisten Fällen mag tatsächlich zu bezweifeln sein, dass eine Brustverkleinerungsoperation zur Behandlung orthopädischer Gesundheitsstörungen erforderlich sein kann. Angesichts der von der Sachverständigen in diesem Fall als außergewöhnlich beschriebenen Brustgröße und -form und der (altersbedingten) degenerativen Veränderungen der Brustwirbelsäule liegt bei der Klägerin ein Ausnahmefall vor, für den die Sachverständige nachvollziehbar begründet hat, dass schon allein die Brustverkleinerungsoperation zu einer Besserung der auf orthopädischem Gebiet liegenden Beschwerden führen wird.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Erstellt am: 22.11.2004
Zuletzt verändert am: 22.11.2004