Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 12.03.2002 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist eine Beitragsnachforderung in Höhe von rund 53.000 DM für eine Beschäftigung des Beigeladenen zu 1) bei dem Kläger in der Zeit vom 01.11.1986 bis 05.03.1990.
Der Kläger war im streitbefangenen Zeitraum Alleininhaber einer Rechtsanwalts- und Notarpraxis. Der Beigeladene zu 1) war in dieser Praxis ab 01.11.1996 als Anwalt tätig. Der zwischen ihm und dem Kläger geschlossene Vertrag sah eine freiberufliche Tätigkeit vor, die Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen erfolgte nicht. Die Zusammenarbeit endete durch fristlose Kündigung des Klägers vom 05.03.1990. Auf die Klage des Beigeladenen zu 1) gegen diese Kündigung stellte das LAG Hamm mit Urteil vom 01.07.1991 (Az.: 20 Sa 1395/90) rechtskräftig fest, dass zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen zu 1) ein Arbeitsverhältnis begründet worden sei, das durch die außerordentliche Kündigung vom 05.03.1990 rechtswirksam aufgelöst worden sei.
Mit Bescheid vom 04.01.1990 hatte die BKK Berlin – die Rechtsvorgängerin der Beklagten – die Versicherungs- und Beitragspflicht des Beigeladenen zu 1) in der Rentenversicherung und nach dem Arbeitsförderungsrecht festgestellt. In dem Bescheid wurde der Kläger zugleich aufgefordert, die Sozialversicherungsbeiträge nachzuentrichten und die erforderlichen Meldungen zu erstatten. Der Bescheid wurde durch Rücknahme der Berufung des Klägers am 13.08.1998 gegen das klagabweisende Urteil des SG Detmold vom 08.03.1996 (S 11 (10) KR 79/90) bestandskräftig.
Nach Beendigung des Verfahrens forderte die Rechtsvorgängerin der Beklagten den Kläger mit Schreiben vom 12.12.1997 auf, die Meldungen zu erstatten und Beiträge abzuführen. Als er hierauf nicht reagierte, setzte sie mit Bescheid vom 11.05.1998 die Beiträge fest. Da sie in diesem Bescheid auch Beiträge zur Krankenversicherung gefordert hatte, hob sie mit Bescheid vom 19.06.1998 den Bescheid vom 11.05.1998 auf und stellte mit Bescheid vom gleichen Tag die Beiträge zur Rentenversicherung sowie zur Bundesanstalt für Arbeit (jetzt: Bundesagentur für Arbeit) sowie Säumniszuschläge für die Zeit vom 16.01. bis 15.06.1998 in Höhe von insgesamt 53.619,70 DM fest. Der Kläger widersprach mit der Begründung, die Beitragsforderung sei verjährt. Da die Beiträge nicht vorsätzlich vorenthalten seien, betrage die Verjährungsfrist 4 Jahre. Durch den Bescheid vom 04.01.1990 sei keine Unterbrechung der Verjährung eingetreten, denn die Beklagte habe in diesem Bescheid keine Beiträge gefordert und ein feststellender Verwaltungsakt habe nach § 52 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) in der bis 31.12.2001 geltenden Fassung (a. F.) keine verjährungsrechtliche Bedeutung. Mit Widerspruchsbescheid vom 16.02.1999 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Zur Begründung der Klage hat der Kläger weiter die Einrede der Verjährung erhoben und sich insoweit auf sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren bezogen.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 12.03.2002 die Klage abgewiesen. Es hat sich der Auffassung angeschlossen, dass auch ein Feststellungsbescheid gemäß § 52 Abs. 1 SGB X a. F. die Verjährung unterbreche, so dass die Beitragsforderung nicht verjährt sei.
Im Berufungsverfahren macht der Kläger weiterhin die Verjährung der Beitragsansprüche geltend. Er ist der Ansicht, dass die 30-jährige Verjährungsfrist nicht eingreife, da er von einer freiberuflichen Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) ausgegangen sei. Auch der Feststellungsbescheid vom 04.01.1990 habe ihn nicht bösgläubig machen können, da er – wie sein Vortrag in dem Vorprozess zeige – unverändert von einer freiberuflichen Tätigkeit ausgegangen sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 12.03.2002 zu ändern und den Bescheid vom 19.06.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.02.1999 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Der Beigeladene zu 1) beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er meint, der Kläger habe als Jurist erkennen müssen, dass Versicherungs- und Beitragspflicht bestanden habe.
Die Beigeladene zu 2) schließt sich dem Antrag und dem Vortrag der Beklagten an.
Die Beigeladene zu 3) hat keinen Antrag gestellt; sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet, denn das Sozialgericht hat zu Recht die Klage gegen den angefochtenen Bescheid abgewiesen.
Die Beklagte hat in dem Bescheid vom 19.06.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.02.1999 zu Recht Beiträge zur Rentenversicherung sowie zur Bundesagentur für Arbeit festgesetzt. Dass der Beigeladene zu 1) im Zeitraum vom 01.11.1986 bis 05.03.1990, für den die Beklagte die Beiträge fordert, versicherungs- bzw. beitragspflichtig beschäftigt war, steht aufgrund des bestandskräftigen Bescheides vom 04.01.1990 fest. Der Kläger ist demgemäß als Arbeitgeber zur Zahlung der Beiträge zur Rentenversicherung (§ 118 Abs. 1 Angestelltenversicherungsgesetz [AVG] in der bis 31.12.1992 geltenden Fassung, § 172 Abs. 1, § 176 Abs. 1 Satz 2 Arbeitsförderungsgesetz [AFG] in der bis 31.12.1996 geltenden Fassung zur Zahlung der Beiträge verpflichtet. Dies wird grundsätzlich auch nicht vom Kläger in Frage gestellt.
Streitig ist zwischen den Beteiligten allein, ob die Beiträge verjährt sind. Dies richtet sich nach § 25 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV), der gemäß § 179 Nr. 1 AFG auch für die Beiträge zur Bundesagentur für Arbeit galt.
Entgegen der Auffassung des Klägers sind die Beitragsansprüche schon deshalb nicht verjährt, weil hier die 30-jährige Verjährungsfrist des § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV eingreift. Nach dieser Vorschrift verjähren Ansprüche auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge in 30 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Für den Vorsatz reicht bedingter Vorsatz aus, d. h. vorsätzlich handelt danach, wer seine Beitragspflicht für möglich hält, jedoch billigend in Kauf nimmt, dass die Beiträge nicht entrichtet werden (BSG USK 90106; BSG SozR 3-2400 § 25 Nr. 7). Dabei genügt es, wenn der zunächst gutgläubige Schuldner während des Laufs der kurzen Verjährung bösgläubig wird. Vorsätzlich im Sinne der genannten Vorschrift sind Beiträge auch dann vorenthalten, wenn der Schuldner von seiner früher entstandenen und fällig gewordenen Beitragsschuld erfährt oder er dies erkennt, die Entrichtung der rückständigen Beiträge aber dennoch willentlich unterlässt (BSG SozR 3-2400 § 25 Nr. 7). Insoweit musste der Kläger bereits aufgrund des Bescheides vom 04.01.1990 in Betracht ziehen, dass der Beigeladene zu 1) versicherungspflichtig beschäftigt und er als Arbeitgeber zur Entrichtung von Beiträgen verpflichtet war. Jedenfalls nach dem Urteil des LAG Hamm vom 01.07.1991, in dem das LAG mit ausführlicher Begründung das Bestehen einer abhängigen Beschäftigung bejaht und vor allem die Berechtigung der außerordentlichen Kündigung mit einem Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot (Bearbeitung eigener Mandate in der Praxis des Arbeitgebers) begründet hatte, konnte sich der Kläger redlicherweise nicht mehr der Einsicht verschließen, dass der Beigeladene zu 1) entgegen der getroffenen Vereinbarung abhängig beschäftigt war und Beiträge zur Sozialversicherung zu entrichten waren.
Zum damaligen Zeitpunkt war nur hinsichtlich der am 15.12.1986 fällig gewordenen Beiträge für den Monat November 1986 die 4-jährige Verjährungsfrist des § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV abgelaufen. Für die übrigen erst seit 1987 fällig gewordenen Beiträge, die der Kläger nach dem oben Gesagten vorsätzlich vorenthalten hat, gilt die 30-jährige Verjährungsfrist.
Aber auch hinsichtlich der Beiträge für den Monat November 1986 bzw. bei Annahme, dass hier grundsätzlich die 4-jährige Verjährungsfrist des § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV maßgebend ist, greift die Einrede der Verjährung nicht durch. Durch den Bescheid vom 04.01.1990 ist die Verjährung gemäß § 52 Abs. 1 Satz 1 SGB X (a. F.) unterbrochen worden. Nach dieser Vorschrift unterbrach ein Verwaltungsakt, der zur Durchsetzung des Anspruchs erlassen wurde, die Verjährung dieses Anspruchs. "Zur Durchsetzung" in diesem Sinne dient auch ein Bescheid, in dem die Versicherungspflicht festgestellt wird. Die sich an die Feststellung der Versicherungspflicht anknüpfende Folge der Beitragspflicht und Zahlungspflicht des Arbeitgebers ist eine selbstverständliche rechtliche Folge, so dass auch ein solcher Bescheid der Durchsetzung des Beitragsanspruchs dient. Demgemäß war es auch schon vor der zum 01.01.2002 erfolgten Neufassung des § 52 Abs. 1 SGB X (mit der nunmehr alle Zweifel ausgeräumt worden sind, dass auch ein feststellender Verwaltungsakt die verjährungsrechtlichen Folgen auslösen kann) herrschende Meinung in der sozialrechtlichen Literatur, dass auch Feststellungsbescheide verjährungsunterbrechende Wirkung haben (vgl. Rüfner in: Wannagat, Sozialgesetzbuch Verwaltungsverfahren [Stand: Dezember 1987] § 52 RdNr. 12; Engelmann in: von Wulffen, SGB X, 4. Auflage 2001, § 52 RdNr. 9; Wahrendonk in: Giese, SGB I und X [Stand: Januar 2002], § 52 RdNr. 5.1; unklar: von Mutius in: GK-SGB X/1 § 52 RdNr. 13). Im vorliegenden Fall ist im Übrigen zu berücksichtigen, dass in dem Bescheid der Kläger ausdrücklich zugleich auf die Verpflichtung zur Entrichtung von Beiträgen hingewiesen wird. Jedenfalls in einem solchen Fall muss einem die Versicherungspflicht bejahenden Bescheid verjährungsunterbrechende Wirkung beigemessen werden: Für den Empfänger ist dann völlig eindeutig, dass auch mit einem solchen Bescheid seine Beitragspflicht "durchgesetzt" werden soll.
Unabhängig davon greift für den Bereich der Rentenversicherung die spezialgesetzliche Regelung des § 142 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 AVG (a.F.) ein. Nach dieser Vorschrift hatte ein Beitragsstreit verjährungsunterbrechende Wirkung (jetzt: § 198 Satz 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VI]). Der Begriff des Beitragsstreits ist insofern zu verstehen (KassKomm-Peters, § 198 SGB VI RdNr. 5), hierzu werden ausdrücklich auch Verfahren zur Feststellung der Versicherungspflicht gezählt (Baier in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Soziale Pflegeversicherung, § 25 SGB IV RdNr. 15).
Da somit durch den Bescheid vom 04.01.1990 gemäß § 52 Abs. 1 Satz 1 SGB X (a.F.) bzw. § 142 AVG (a.F.) die Verjährung unterbrochen worden ist, gilt nach seiner Unanfechtbarkeit die Verjährungsfrist von 30 Jahren (§ 52 Abs. 2 SGB X), so dass die Beitragsansprüche nicht verjährt sind. Die Pflicht zur Zahlung von Säumniszuschlägen ergibt sich aus § 24 Abs. 1 SGB IV, insoweit schuldet der Kläger jedenfalls, wie von der Beklagten gefordert, ab Januar 1998 die Säumniszuschläge.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz ((SGG) in der bis 01.01.2002 geltenden Fassung). Da sich der Beigeladene zu 1) inhaltlich kaum am Verfahren beteiligt hat, hat es der Senat nicht für angemessen gehalten, den Kläger insoweit zur Erstattung von Kosten zu verpflichten.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, insbesondere hat der Rechtsstreit im Hinblick auf die Neufassung des § 52 Abs. 1 SGB X keine grundsätzliche Bedeutung.
Erstellt am: 04.10.2004
Zuletzt verändert am: 04.10.2004