Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 13. November 2003 geändert. Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Zahlung von Insolvenzgeld (InsG).
Über das Vermögen der Firma N GmbH, der Arbeitgeberin des Klägers, wurde am 05.04.2002 das Insolvenzverfahren eröffnet. Mit Schreiben vom 18.06.2002 übersandte der Insolvenzverwalter den vom Kläger mit Datum vom 22.05.2002 unterzeichneten Antrag auf Insolvenzgeld nebst weiterer Unterlagen an das Arbeitsamt Erfurt. Dort ging der Antrag am 19.06.2002 ein.
Mit Bescheid vom 07.10.2002 lehnte die Beklagte die Zahlung von InsG ab. Der Antrag hätte bis zum 05.06.2002 eingehen müssen. Diesen Zeitpunkt habe der Kläger versäumt. Dagegen legte der Kläger am 18.10.2002 Widerspruch ein. Zur Begründung verwies er unter Vorlage eines Schreibens des Insolvenzverwalters darauf, dass der Antrag durch ein Büroversehen des Insolvenzverwalters erst mit der Erstellung der Insolvenzgeldbescheinigung "weitergeleitet" worden sei. Ihn treffe daher kein Verschulden oder die Verletzung einer Sorgfaltspflicht. Mit Widerspruchsbescheid vom 18.10.2002 (abgesandt am 21.10.2002) wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Dagegen hat der Kläger am 20.11.2002 Klage erhoben. Er hat zur Begründung nochmals darauf verwiesen, er sei davon ausgegangen, dass der Insolvenzverwalter den Antrag rechtzeitig weiterleiten werde. Denn mit einem Büroversehen des Insolvenzverwalters habe er nicht rechnen können.
Mit Urteil vom 13.11.2003 hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben und die Beklagte zur Zahlung von InsG verurteilt: Bei Eingang des Antrags sei zwar die Ausschlussfrist nach § 324 Abs. 3 Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (SGB III) abgelaufen gewesen. Der Kläger habe sich aber mit der erforderlichen Sorgfalt um die Durchsetzung seiner Ansprüche bemüht (§ 324 Abs. 3 Satz 3 SGB III). Er habe nämlich den Antrag auf InsG mit allen dazugehörigen Unterlagen an den für seine insolvent gewordene Arbeitgeberin zuständigen Insolvenzverwalter übersandt. Von daher sei er aus Sicht des Klägers – und auch aus Sicht des Gerichts – genau der richtige Ansprechpartner, dem man den Antrag und die übrigen Unterlagen zuleitet, gewesen.
Gegen das ihr am 15.12.2003 zugestellte Urteil richtet sich die am 06.01.2004 von der Beklagten eingelegte Berufung. Die Beklagte stützt ihre Berufung wie schon zuvor ihre ablehnenden Bescheide auf Fristversäumnis, weil der Kläger noch während des Laufs der Ausschlussfrist von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens Kenntnis erhalten habe und nicht daran gehindert gewesen sei, den Antrag auf InsG bei einer der in § 16 Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil – (SGB I) bezeichneten Stellen einzureichen. Die Versäumung der Frist habe der Kläger auch zu vertreten, da er fahrlässig gehandelt habe. Er habe nämlich mit der Antragstellung den dafür nicht von der Beklagten legitimierten und auch sonst unzuständigen Insolvenzverwalter beauftragt. Der gegenteiligen Auffassung des Sozialgerichts könne nicht gefolgt werden. Die Bundesagentur sei die vom Gesetzgeber bestimmte Stelle, welche Anträge auf InsG entgegenzunehmen habe. Auch wenn dem Kläger das nicht bekannt gewesen sein sollte, müsse er sich wegen Unkenntnis der gesetzlichen Regelung den Vorwurf der Fahrlässigkeit gefallen lassen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 13.11.2003 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er ist der Auffassung, die Beklagte verkenne, dass er in Abstimmung mit dem Insolvenzverwalter den entsprechenden Antrag auf InsG über den Insolvenzverwalter habe stellen wollen. Insofern habe er davon ausgehen müssen, dass der Insolvenzverwalter bzw. dessen Mitarbeiter den Insolvenzantrag rechtzeitig einreichen würde. Ein fahrlässiges Verhalten könne ihm gerade nicht vorgeworden werden. Ob der Insolvenzverwalter unzuständig oder nicht legitimiert gewesen sei, sei unerheblich. Es komme nur darauf an, ob er – der Kläger – sich mit der erforderlichen Sorgfalt um die Durchsetzung seines Arbeitsentgelts bemüht habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den übrigen Inhalt der Prozessakten sowie der Verwaltungsakten der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist begründet. Zu Unrecht und mit unzutreffender Begründung hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben. Der Kläger hat keinen Anspruch auf InsG. Die Beklagte hat seinen Antrag zu Recht wegen Fristversäumnis abgelehnt.
Der Antrag auf InsG ist gemäß § 324 Abs. 3 SGB III innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Monaten nach dem Insolvenzereignis zu stellen. Diese Frist hat der Kläger – wie im Übrigen auch zwischen den Beteiligten nicht umstritten ist – versäumt. Sein Antrag ging erst am 19.06.2002 beim Arbeitsamt ein. Die Frist war jedoch schon bereits am 05.06.2002 abgelaufen (§ 26 Sozialgesetzbuch – Verwaltungsverfahren – SGB X in Verbindung mit §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 und 3, 193 BGB).
Wegen dieses Fristversäumnisses war dem Kläger auch keine Nachfrist nach § 324 Abs. 3 Satz 2 SGB III zu setzen. Nach dieser Vorschrift beginnt nämlich dann, wenn die Ausschlussfrist aus Gründen versäumt wurde, die der Antragsteller nicht zu vertreten hat, eine Nachfrist von zwei Monaten zur Stellung des Antrags (§ 324 Abs.3 Satz 2 und 3 SGB III). Die Voraussetzungen hierfür liegen allerdings nicht vor, weil der Kläger die Versäumung der Frist zu vertreten hat. Er hat sich nämlich nicht mit der erforderlichen Sorgfalt um die Durchsetzung seiner Ansprüche bemüht (§ 324 Abs. 3 Satz 3 SGB III).
Das Sozialgericht irrt, wenn es meint, aus Sicht des Klägers und auch aus Sicht des Gerichts sei der Insolvenzverwalter genau der richtige Ansprechpartner, dem man den Antrag auf InsG und die übrigen Unterlagen zuleiten könne. Dies ist zum Einen schon deswegen unzutreffend, weil der Kläger selbst nicht, wie man dies aus der Darstellung des Sozialgerichts entnehmen muss, davon ausging, dass anstelle der Agentur für Arbeit der Insolvenzverwalter für die Entgegennahme des Antrags auf InsG zuständig sei. Die Unzuständigkeit des Insolvenzverwalters insoweit hat der Kläger durchaus erkannt, da er selbst sowohl im Widerspruchs- als auch im gesamten gerichtlichen Verfahren lediglich dargelegt hat, er habe mit einem Mitarbeiter des Insolvenzverwalters verabredet, dass der Insolvenzantrag über das Büro des Insolvenzverwalters weitergeleitet werden sollte. Der Kläger ging damit vielmehr selbst nur davon aus, dass der Insolvenzverwalter den Antrag "weiterleiten" sollte, nachdem er die noch fehlende Insolvenzgeldbescheinigung ausgefüllt hatte. Zum Anderen ist auch die Auffassung des Sozialgerichts unzutreffend, der Insolvenzverwalter sei der zuständige Ansprechpartner, dem man den Antrag und die übrigen Unterlagen zuleiten müsse. Der Insolvenzverwalter ist eine vom Insolvenzgericht eingesetzte Amtsperson, die Kraft Amtes das Insolvenzverfahren abzuwickeln hat. Der Insolvenzverwalter wird dabei weder im Interesse des Gemeinschuldners noch der Gläubiger und schon gar nicht in dem der Beklagten tätig. Er nimmt vielmehr sein Amt neutral wahr und ist lediglich dem Insolvenzgericht verpflichtet.
Hatte der Kläger somit die Vorstellung, dass der Insolvenzverwalter seinen Antrag lediglich "weiterleiten" sollte, so ging er letztlich damit davon aus, dass der Insolvenzverwalter seine Interessen wie ein Beauftragter wahrnehmen sollte. Es ist unerheblich, ob der Insolvenzverwalter sich auf einen derartigen Auftrag überhaupt einlassen darf und sollte. Wenn er diese Aufgabe, die ausschließlich im Interesse des Klägers liegt, jedoch übernimmt, dann muss sich der Kläger genau wie bei einem anderen Bevollmächtigten ein etwaiges Verschulden zurechnen lassen. Ein Verschulden des Insolvenzverwalters liegt hier auf der Hand. Der Insolvenzverwalter hat "das Versehen" selbst eingeräumt, da der vom Kläger unterzeichnete Antrag rechtzeitig vor Ablauf der Ausschlussfrist bei ihm einging und dort liegenblieb. Damit hat der Insolvenzverwalter die Durchsetzung des Anspruchs des Klägers fahrlässig behindert.
Ob dem Kläger darüberhinaus auch noch ein eigenes Verschulden deswegen trifft, weil er die rechtzeitige Weiterleitung des Antrags nicht mehr kontrolliert hat – was ihm z. B. durch einen Telefonanruf leicht möglich gewesen wäre -, ist angesichts dessen unerheblich.
Sollte der Kläger hingegen davon ausgegangen sein, dass der Insolvenzverwalter eine zuständige Stelle zur Entgegennahme des Antrags war, so hat er ebenfalls nicht mit der erforderlichen Sorgfalt gehandelt. Wenn der Kläger nicht wusste, wo er den Antrag auf InsG einreichen musste, so hätte er dies in Erfahrung bringen müssen. Dies wäre ihm durch einen telefonischen Anruf beim Arbeitsamt, bei dem er sich ebenfalls telefonisch die Antragsunterlagen verschafft hatte, leicht möglich gewesen. Unkenntnis ist schädlich und stets eine Sorgfaltspflichtverletzung, es sei denn, Rechtsrat war nicht rechtzeitig einzuholen (BSG SozR 4100 § 141 e Nr. 8), wofür hier kein Anhaltspunkt besteht. Ebenso wird die erforderliche Sorgfalt verletzt, wenn der Antrag einem vermeintlich Dritten übergeben wird, ohne zuvor Auskunft darüber eingeholt zu haben, ob der Dritte – hier der Insolvenzverwalter – eigentlich dafür zuständig im Sinne von § 16 SGB I ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen dafür nicht vorliegen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG).
Erstellt am: 01.04.2005
Zuletzt verändert am: 01.04.2005