Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Aachen vom 25.02.2002 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig sind die Kosten für die Anzüchtung und Lieferung von autologen Chondrozyten in Höhe von 4.039,22 Euro. Diese Kosten sind im Rahmen einer stationären Behandlung, anlässlich der eine autologe Chondrozytentransplantation (ATC) vorgenommen worden ist, angefallen. Bei dieser Behandlung werden aus dem zu behandelnden Gelenk Knorpelzellen entnommen, die zur Züchtung einer ausreichenden Menge Chondrozyten verwendet werden, die anschließend in den Defektbereich implantiert werden.
Der 1981 geborene Kläger erlitt bei einem Treppensturz einen Knorpelschaden im linken Knie. Sein behandelnder Orthopäde Dr. H bescheinigte unter dem 18.09.2001, für Prof. Dr. C, Chefarzt der Orthopädischen Abteilung des C Krankenhauses U, stehe fest, dass eine Behandlung mittels ATC die einzig sinnvolle Möglichkeit sei, dem Knie zu helfen. In einem Schreiben vom gleichen Tage führte Prof. Dr. C aus, aufgrund des arthroskopisch festgestellten Knorpelschadens sei ohne adäquate Therapie in relativ wenigen Jahren mit einer Arthrose zu rechnen. Die Prognose des Gelenkes könne erheblich verbessert werden, wenn der Knorpeldefekt mit Chondrozyten wieder aufgefüllt werden könnte. Hierzu gebe es ein neues Verfahren, das seit 1987 bei bisher über 500 Patienten angewandt worden sei. Die Kosten für die Chondrozytenzüchtung beliefen sich auf etwa 9.900,- DM, es werde um Prüfung gebeten, ob seitens des Kostenträgers diese Kosten übernommen werden könnten.
Die Beklagte lehnte den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 19.09.2001 ab, da es sich bei der beantragten Behandlung um keine ausreichend erprobte Methode handele und wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 08.11.2001 zurück.
Der Kläger hatte sich bereits zuvor am 29.10.2001 gegenüber der Herstellerfirma vertraglich zur Kostentragung für die Knorpelzellzüchtung verpflichtet. Am 30.10.2001 wurde Knorpel zur Züchtung entnommen. Da die zunächst entnommenen Knorpelzellen sich nicht zur Anzüchtung als brauchbar erwiesen, erfolgte am 12.12.2001 ein weiterer Eingriff. Am 06.03.2002 wurde im Rahmen einer weiteren Operation die Implantation des gezüchteten Knorpelgewebes vorgenommen, das unter das Periost (Knochenhaut) injiziert wurde. Die Beklagte hat die Kosten der jeweiligen stationären Aufenthalte in Höhe der Pflegesätze getragen. Der Kläger hat für die Zellzüchtung an die Firma Ormed GmbH & Co KG einen Betrag von 4.039,22 Euro bezahlt.
Zur Begründung der Klage hat der Kläger vorgetragen, die Methode sei angesichts seines Alters angezeigt gewesen. Sowohl Dr. H wie Prof. Dr. C hielten die Chondrozytenimplantation als Behandlungsmaßnahme für medizinisch erforderlich. Der Kläger hat eine Bescheinigung von Prof. Dr. C vom 07.02.2002 vorgelegt, in der Prof. Dr. C bescheinigt, der Kläger sei in eine kontrollierte Studie aufgenommen worden. Diese beinhalte mehrjährige klinische und kernspintomographische Kontrollen zum Nachweis der Wirksamkeit der ATC-Methode.
Mit Gerichtsbescheid vom 25.02.2002 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat eine Leistungspflicht der Beklagten verneint, weil die ATC in das Verzeichnis der im vertragsärztlichen Bereich ausgeschlossenen Methoden der Anlage B der Richtlinien über die Bewertung ärztlicher Behandlungs- und Untersuchungsmethoden (BUB-Richtlinien) aufgenommen worden sei.
Im Berufungsverfahren beruft sich der Kläger darauf, dass der Leistungsausschluss in den BUB-Richtlinien nicht für den stationären Bereich gelte. Im Übrigen sei der Beschluss des Bundesausschusses inzwischen durch Zeitablauf überholt, die Methode werde in verschiedenen internationalen Zentren eingesetzt. Die Behandlung sei in seinem Fall indiziert gewesen, sie sei auch trotz der relativ hohen Kosten wirtschaftlich sinnvoll, da Folgekosten vermieden würden. Soweit im Rahmen der stationären Krankenhausbehandlung die Kosten der Methode möglicherweise nicht durch die Pflegesätze abgedeckt sei, könne dies nicht zu seinem Nachteil gereichen, insoweit müsse sich die Beklagte mit dem Krankenhaus auseinandersetzen.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Aachen vom 25.02.2002 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 19.09.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.11.2001 zu verurteilen, an ihn 4.039,22 Euro zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie weist darauf hin, dass zwar möglicherweise die ATC bei stationärer Erbringung nicht als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen sei. In diesem Fall seien jedoch die gesamten bei der Behandlung anfallenden Kosten durch Zahlung der Pflegesätze, die sie übernommen habe, abgegolten.
Der Senat hat eine Auskunft von Prof. Dr. C eingeholt. Dieser hat mitgeteilt (Schreiben vom 25.09.2003), das Krankenhaus habe mehrfach mit den Vertretern der gesetzlichen Krankenkassen darüber verhandelt, die Anzüchtung von Chondrozyten in den Pflegesatz mit aufzunehmen. Die Kassen hätten dies regelmäßig mit dem Hinweis abgelehnt, dass der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen (jetzt: Gemeinsamer Bundesausschuss) die Behandlung für unwissenschaftlich erklärt habe. Da die Kosten der Anzüchtung der Knorpelzellen den Rahmen des Budgets bei Weitem sprengen würden, hätte die Leistung nicht erbracht werden können. Aus diesem Grund sei wie in allen ihm bekannten Krankenhäusern so verfahren worden, dass der Patient über die Kosten des Anzüchtens der Zellen aufgeklärt worden sei und mit der Krankenkasse selbst verhandelt habe, ob diese die Kosten übernehmen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet, denn das Sozialgericht hat im Ergebnis die Klage zu Recht abgewiesen.
Unabhängig davon, ob sich der erhobene Kostenerstattungsanspruch auf § 13 Abs. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) – in der bis 31.12.2003 geltenden Fassung – oder § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V stützen kann, kann er nur für solche medizinische Maßnahmen bestehen, die ihrer Art nach von der gesetzlichen Krankenversicherung als Sachleistung zu erbringen sind (vgl. nur BSG SozR 3-2500 § 13 Nr. 14, 22; SozR 3-2500 § 92 Nr. 12). Das ist hier nicht der Fall.
Allerdings ergibt sich ein Leistungsausschluss entgegen der Annahme des Sozialgerichts nicht aus dem Umstand, dass der (frühere) Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen mit Beschluss vom 10.04.2000 in die Anlage B (Nr. 28) der Richtlinien über die Bewertung ärztlicher Untersuchungs- und Behandlungsmethoden gemäß § 135 Abs. 1 SGB V ((BUB-Richtlinien) in der Fassung der Bekanntmachung vom 01.12.2003, BAnz Nr. 57 vom 23.3.2004) aufgenommen hat. Die nach §§ 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5, 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V erlassenen BUB-Richtlinien gelten nur für die vertragsärztliche Behandlung, also nur den ambulanten Bereich. Für diesen bestimmt § 135 Abs. 1 SGB V, dass alle Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die nicht schon Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung sind, so lange nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen erbracht werden dürfen, als nicht der Gemeinsame Bundesausschuss eine positive Empfehlung zum Nutzen und der medizinischen Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit der neuen Methode abgegeben hat. Die BUB-Richtlinien greifen hier aber nicht ein, denn die ATC ist im Rahmen einer stationären Behandlung durchgeführt worden. Sowohl zur Knorpelentnahme wie zur Injektion der angezüchteten Knorpelzellen erfolgten Eingriffe während stationärer Aufenthalte. Für den stationären Bereich gilt seit dem 01.01.2000 § 137c SGB V, der dem Gemeinsamen Bundesausschuss die Aufgabe zuweist, die Qualität und Wirtschaftlichkeit der im stationären Bereich eingesetzten Behandlungsmethoden abschließend und verbindlich zu bewerten (BSG SozR 4-2500 § 137c Nr. 1). Da § 137c SGB V im Gegensatz zu § 135 Abs. 1 SGB V den Einsatz neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden nicht von einem positiven Votum des Gemeinsamen Bundesausschusses abhängig macht, bedürfen im stationären Bereich grundsätzlich neuartige Verfahren keiner vorherigen "Zulassung" und können zu Lasten der Krankenkassen angewandt werden, solange sie der Gemeinsame Bundesausschuss nicht ausdrücklich ausgeschlossen hat (BSG, a.a.O.). Für den stationären Bereich hat der (frühere) Ausschuss Krankenhaus mit Beschluss vom 26.03.2003 (BAnz Nr. 72 vom 12.04.2003) die ATC nur für die Anwendung im Schultergelenk und in den Fingergelenken ausgeschlossen. Dieser ohnehin erst nach der hier streitigen Behandlung ergangene Beschluss steht somit dem Anspruch des Klägers nicht entgegen.
Ein Kostenerstattungsanspruch besteht jedoch deshalb nicht, weil der vom Kläger wegen der Zellzüchtung an die Firma Ormed GmbH & CoKG gezahlte Betrag nicht zu den erstattungsfähigen Kosten zählt.
Bei der Operation am 6.3.2002 wurde, wie Prof. Dr. C in seinem Schreiben vom 12.11.2002 an den Kläger ausführt, eine Artroplastik einschließlich Periostlappentransfer durchgeführt. Im Zusammenhang damit wurden die angezüchteten Chondrozyten unter das Periost gespritzt. Die Beklagte hat die Kosten dieses stationären Aufenthalts in Höhe des Pflegesatzes übernommen. Mit der Zahlung der Pflegesätze hat die Beklagte ihre Leistungspflicht gemäß den gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen erfüllt. Gemäß § 10 Abs. 2 der Verordnung zur Regelung der Krankenhauspflegesätze (Bundespflegesatzverordnung – BPflV -) vom 26.09.1994 (BGBl. I, 2750), zuletzt geändert durch Verordnung vom 25.11.2003 (BGBl. I, 2304) werden mit den Pflegesätzen alle für die Versorgung des Patienten erforderlichen allgemeinen Krankenhausleistungen vergütet. Die daneben abrechenbaren Wahlleistungen nach § 22 BPflV (in der bis 31.12.2003 geltenden Fassung)dürfen die allgemeinen Krankenhausleistungen nicht beeinträchtigen und fallen ohnehin allein dem Versicherten zur Last (s.a. § 7 Abs. 2 BPflV). Allgemeine Krankenhausleistungen sind nach § 2 Abs. 2 BPflV die in Abs. 1 a.a.O. genannten Krankenhausleistungen, die unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit des Krankenhauses im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinisch zweckmäßige und ausreichende Versorgung des Patienten notwendig sind. Dazu zählen auch die vom Krankenhaus veranlassten Leistungen Dritter (§ 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BPflV). Aus den genannten Bestimmungen ergibt sich, dass alle zur Behandlung medizinisch erforderlichen Maßnahmen durch die Pflegesätze abgegolten sind. Aus § 10 Abs. 2 i.V.m. § 2 Abs. 2 BPflV folgt die Verpflichtung des Krankenhauses, die notwendigen Leistungen anzubieten und als Gegenleistung ausschließlich Pflegesätze zu berechnen. Umgekehrt hat der Benutzer das Recht, diese Gesamtleistung gegen Zahlung des Pflegesatzes in Anspruch zu nehmen. Dabei muss das Krankenhaus alles medizinisch Notwendige leisten und darf sich dieser Verpflichtung nicht hinsichtlich einzelner Leistungen aus Kostengründen entziehen. Wegen medizinisch notwendiger Maßnahmen darf der Patient auch nicht auf Wahlleistungen und eine gesonderte Vergütung verwiesen werden (Dietz/Bofinger, Krankenhausfinanzierungsgesetz, BPflV und Folgerecht, § 2 BPflV Anm. II 1). Das Krankenhaus ist im Rahmen seines Versorgungsauftrages zur Krankenhausbehandlung der gesetzlich Versicherten verpflichtet (§ 109 Abs. 4 Satz 2 SGB V), d.h. es muss alle medizinisch notwendigen Leistungen, auf die ein Versicherter Anspruch hat (§ 39 Abs. 1 Satz 3 SGB V), erbringen und darf nur die gesetzlich vorgesehene Vergütung berechnen. Diese Verpflichtung zur Erbringung der medizinisch notwendigen Leistungen ist unabhängig davon, ob die Kosten bestimmter einzelner Leistungen im Pflegesatz konkret berücksichtigt worden sind. Sind z.B. Drittleistungen nicht bedacht worden, rechtfertigt dies nicht, diese aus der Gesamtleistung herauszunehmen und gesondert abzurechnen (Dietz/Bofinger, a.a.O. Anm. II 2 a.E.).
Somit werden bei einer stationären Behandlung alle medizinisch notwendigen Maßnahmen ausschließlich durch die – von der Beklagten übernommenen – Pflegesätze vergütet. Soweit die behandelnden Krankenhausärzte eine ATC für medizinisch erforderlich halten, können auch die Kosten der Zellzüchtung nur über die Pflegesätze abgerechnet werden. Selbst eine Vereinbarung über Wahlleistungen nach § 22 BPflV (in der damals geltenden Fassung) wäre nicht möglich. Nach § 22 Abs. 1 Satz 2 BPflV dürfen nämlich therapeutische Leistungen als Wahlleistungen nur gesondert berechnet werden, wenn die allgemeinen Krankenhausleistungen nicht beeinträchtigt werden, also nur hinsichtlich solcher Leistungen, die für die medizinisch notwendige und zweckmäßige Versorgung nicht notwendig sind. Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob es sich bei den implantierten Chondrozyten um ein Arzneimittel i.S.d. § 2 Arzneimittelgesetz handelt (so ohne nähere Begründung LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 18.09.2003 – L 5 KR 133/02 -; ebenso wohl LSG Hamburg, Urteil vom 24.09.2003 – L 5 KR 44/02 -) oder wie die gezüchteten Zellen sonst zu qualifizieren sind. Für eine im Rahmen der Krankenhausbehandlung erforderliche Maßnahme darf das Krankenhaus in keinem Fall eine "Zusatzvergütung" fordern oder vom Patienten verlangen, sich auf eigene Rechnung eine für die Behandlung notwendige Leistung zu beschaffen.
Der Kläger hat sich hier auch nicht gegenüber dem Krankenhaus (als Wahlleistung) zur Bezahlung der Kosten der Zellzüchtung verpflichtet, sondern gegenüber dem Hersteller und auch an diesen den geforderten Betrag gezahlt. Insoweit scheidet grundsätzlich ein Kostenerstattungsanspruch aus. Da eine Kostenerstattung an die Stelle der (primär) von der Krankenkasse geschuldeten Sachleistungen tritt, werden folglich nur solche Kosten erfasst, von denen der Versicherte bei regulärer Leistungserbringung befreit wäre. Andere Kosten, wie etwa die Verpflichtung gegenüber einem anderen als dem krankenversicherungsrechtlich zulässigen Leistungserbringer lösen dagegen keinen Anspruch aus, weil sonst die krankenversicherungsrechtliche Bindung an die zulässigen Formen der Leistungserbringung durch den Anspruch auf Kostenerstattung ohne Weiteres durchbrochen werden könnte (BSGE 80, 181, 182; 86, 66, 69; ebenso LSG Hamburg, a.a.O.). Da die Firma Ormed GmbH & CoKG als Hersteller der Knorpelzellen ersichtlich nicht zu den im Vierten Kapitel des SGB V genannten Leistungserbringern zählt (s. zu den Arzneimittelherstellern BSG MedR 2002, 649), scheidet ein Kostenerstattungsanspruch des Klägers wegen der Chondrozytenzüchtung aus.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Der Senat hat dem Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung beigemessen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) und daher die Revision zugelassen.
Erstellt am: 12.10.2005
Zuletzt verändert am: 12.10.2005