Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 25. April 2002 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte berechtigt war, die Bewilligung von Unterhaltsgeld (Uhg) mit Wirkung ab 17.12.1998 aufzuheben.
Der im Jahr 1970 geborene Kläger beantragte im August 1998 die Förderung seiner Teilnahme an der in der Zeit von 19.08.1998 bis 30.03.1999 stattfindenden beruflichen Bildungsmaßnahme "Weiterbildung von Kfz-Mechanikern mit Erwerb des Führerscheins Klasse 2 – Fachrichtung Prüf- und Servicemechaniker" – bei der E-Akademie GmbH (E). In dem Ausbildungsvertrag zwischen dem Kläger und der E vom 20.07.1998 ist festgehalten, dass die Teilnahmebedingungen des Maßnahmeträgers als verbindlich anerkannt werden. In diesen ist u.a. vorgesehen, dass grobes Fehlverhalten zur Abmahnung bzw. Kündigung führt, wobei die Hausordnung eine verbindliche Vorgabe darstellt.
Der Kläger bestätigte gegenüber der Beklagten unterschriftlich am 15.07.1998, dass er das Merkblatt 6 "Berufliche Weiterbildung" erhalten und von dessen Inhalt Kenntnis genommen habe. Die Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 21.08.1998 Uhg für die Zeit vom 19.08.1998 bis 30.03.1999.
Am 16.12.1998 kündigte die E mündlich den Ausbildungsvertrag mit dem Kläger fristlos. Mit Schreiben vom 23.12.1998 führte sie hierzu aus, auf Grund des Verhaltens des Klägers am 16.12.1998 habe sie von ihrem Hausrecht Gebrauch gemacht und mündlich die Kündigung ausgesprochen. Obwohl der Kläger mit den anderen Teilnehmern des Lehrgangs eindringlich von dem Referenten, Herrn L, sowie dem Ausbildungsleiter, Herrn X1, zur Änderung seines Verhaltens ermahnt worden sei, habe er Einrichtungsgegenstände demontiert und diese als Wurfgegenstände in der Klasse benutzt. Auch habe er während des Unterrichts am 16.12.1998 einen Knallkörper gezündet und diesen durch das geöffnete Fenster nach draußen auf den Vorplatz geworfen, wo sich Personen befunden hätten.
Am 17.12.1998 meldete sich der Kläger bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Wiederbewilligung der Arbeitslosenhilfe. Er gab an, der von dem Maßnahmeträger erhobene Vorwurf, er habe mit Knallkörpern geworfen, sei unrichtig. Bereits von Beginn des Lehrgangs an habe er gewusst, dass Herr L etwas gegen ihn habe. Er werde einen Rechtsanwalt einschalten. In der Folgezeit ging der Kläger nicht gerichtlich gegen die Kündigung des Ausbildungsvertrages vor. Auch erhob er keinen Widerspruch gegen den Bescheid vom 29.01.1999, mit dem die Beklagte für die Zeit vom 17.12.1998 bis 10.03.1999 den Eintritt einer Sperrzeit feststellte.
Mit Bescheid vom 19.01.1999 hob die Beklagte die Entscheidung über die Bewilligung von Uhg mit Wirkung vom 17.08.1998 auf. Den Widerspruch des Klägers vom 02.02.1999 wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 05.08.1999 zurück. Gegen den am 06.08.1999 abgesandten Bescheid hat der Kläger am 09.09.1999 bei dem Sozialgericht (SG) Detmold Klage erhoben. Er hat geltend gemacht, die von dem Maßnahmeträger gegen ihn erhobenen Vorwürfe träfen nicht zu. Dies könnten andere Lehrgangsteilnehmer als Zeugen bestätigen. Er habe Anspruch auf Uhg, weil er zum Abbruch der Maßnahme gezwungen worden sei.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 19.01.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.08.1999 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm über den 16.12.1998 hinaus weiteres Unterhaltsgeld nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das SG hat Beweis erhoben zur Klärung der Umstände, die zur Kündigung durch den Maßnahmeträger geführt haben, durch Vernehmung des Lehrgangsleiters Reiner X1, des Referenten X L sowie der Lehrgangsteilnehmer W T, B C, D T1 als Zeugen. Wegen des Inhalts ihrer Aussagen wird auf die Sitzungsprotokolle des SG vom 19.07.2001, 20.09.2001 sowie 25.04.2002 verwiesen.
Mit Urteil vom 25.04.2002 hat das SG die Klage abgewiesen und in den Gründen u.a. ausgeführt, die angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig, da der Kläger für die Zeit ab 17.12.1998 keinen Anspruch auf weitere Bewilligung von Uhg habe. Ohne eine tatsächliche Teilnahme des Klägers an der Maßnahme bestehe ein Anspruch auf die Weiterzahlung von Uhg nur dann, wenn der Teilnehmer ohne Verschulden an einer weiteren Teilnahme gehindert sei, etwa wenn der Maßnahmeträger ohne Rechtsgrund gekündigt habe und sich daher im Annahmeverzug mit der von dem Teilnehmer vertraglich geschuldeten "Leistung" befinde. Bei Gesamtwürdigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme sei die Kammer zu der Überzeugung gelangt, dass dem Kläger zu Recht fristlos gekündigt worden sei. Wegen der näheren Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.
Gegen das ihm am 27.05.2002 zugestellte Urteil hat der Kläger am 27.06.2002 Berufung eingelegt. Er macht geltend, die Beweiswürdigung in dem angefochtenen Urteil könne nicht überzeugen, da sich das SG im Wesentlichen auf die Aussagen der Zeugen L und X1 stütze, ohne die entgegenstehenden Angaben verschiedener Lehrgangsteilnehmer ausreichend einzubeziehen und die weiter von ihm benannten Zeugen C1 H und I G anzuhören.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 25.04.2002 zu ändern und nach dem Klageantrag erster Instanz zu erkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, es könne für die Zahlung von Uhg nicht darauf ankommen, ob dem Kläger ein wichtiger Grund für die Nichtteilnahme zur Seite stehe, da nach einer definitiven Beendigung der Maßnahme in keinem Fall Uhg gezahlt werden könne.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Rechtsstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Leistungsakte der Beklagten, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
Das SG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Mit seiner auf die Aufhebung des angefochtenen Bescheides vom 19.01.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 05.08.1999 gerichteten Anfechtungsklage begehrt der Kläger die Wiederherstellung der Wirkung des Bescheides vom 21.08.1998, mit dem die Beklagte dem Kläger Uhg für die Maßnahmedauer vom 19.08.1998 bis 30.03.1999 bewilligte. Einer daneben erhobenen Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hätte es daher nicht bedurft.
Der Bescheid vom 19.01.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.08.1999 ist rechtmäßig. Die Voraussetzungen für die Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 21.08.1998 liegen vor, da in den tatsächlichen Verhältnissen des Klägers eine wesentliche Änderung insofern eingetreten ist, als der Anspruch auf Uhg mit der Beendigung der Fortbildungsmaßnahme am 16.12.1998 entfallen ist (1.). Die Bewilligung von Uhg hat die Beklagte auch zu Recht rückwirkend aufgehoben, da die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 des Sozialgesetzbuchs – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) vorliegen (2).
(1) Für die Zeit nach der endgültigen Beendigung des E-Lehrgangs ab 17.12.1998 hat der Kläger unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf Uhg. Nach § 153 des Sozialgesetzbuchs – Arbeitsförderung – SGB III können Arbeitnehmer bei Teilnahme an einer für die Weiterbildungsförderung anerkannten Vollzeitmaßnahme Uhg erhalten, wenn sie die allgemeinen Förderungsvoraussetzungen für die Förderung der beruflichen Weiterbildung einschließlich der Vorbeschäftigungszeit erfüllen. Diese m.W.v. 01.01.1998 durch das Arbeitsförderungs-Reformgesetz (AFRG) eingeführte Vorschrift ist Grundlage für die Zahlung von Uhg und lehnt sich an die Vorgängervorschrift des § 44 Abs. 1 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) an (Niesel, Sozialgesetzbuch, Arbeitsförderung, SGB III, 2. Aufl. 2002, Stratmann in: Niesel, SGB III, § 153 Rdnr 1). Der Begriff der "Teilnahme" setzt nach der vom Senat geteilten Rechtsprechung zu § 44 AFG voraus, dass der Teilnehmer durch das Konzept der Maßnahme mit dem Fortbildungsziel dienenden Tätigkeiten in Anspruch genommen und dadurch an einer Vollzeitbeschäftigung gehindert wird (BSG SozR 4100 § 44 Nrn 9, 22; Stratmann in: Niesel, SGB III, § 153 Rdnr 4). Unterrichtsversäumnisse an einzelnen Tagen schließen eine regelmäßige "Teilnahme" im Sinne von § 44 AFG und einen Anspruch auf Unterhaltsgeld für Fehltage nicht aus, wenn die Unterrichtsveranstaltungen vorübergehend aus wichtigem Grund nicht besucht werden. Eine Teilnahme im Sinne von § 44 AFG liegt jedoch jedenfalls dann nicht mehr vor, wenn der Antragsteller die im Ausbildungsplan für ihn vorgesehenen Unterrichtsveranstaltungen auf Dauer nicht mehr regelmäßig besucht bzw. besuchen kann (BSG SozR 4100 § 44 Nr. 22).
Auch die hier anwendbaren §§ 153, 155 SGB III bestimmen, dass ein Anspruch auf Uhg nur bei tatsächlicher Teilnahme an der Maßnahme besteht (Hennig in: Hennig/Henke/Schlegel, SGB III, Arbeitsförderung, Kommentar, Stand Januar 2003, § 155 Rdnr 1; Gemeinschaftskommentar zur AFG, Stand Dezember 2002, § 153 Rdnr. 13). Das Merkmal "Teilnahme an der Maßnahme" setzt jedoch voraus, dass diese nicht endgültig beendet ist. So kommt die Zahlung von Uhg ohne Teilnahme nur in den in § 155 Nr. 1 – 5 SGB III geregelten Sonderfällen in Betracht, wobei sich der Kläger darauf beruft, er habe aus einem wichtigen Grund nicht an der Maßnahme teilnehmen können (§ 155 Nr. 1 SGB III). Auch von dieser Ausnahmeregelung sind jedoch nur diejenigen Fallgestaltungen erfasst, in denen vor der tatsächlichen Beendigung der Maßnahme einzelne Fehltage aus wichtigem Grund entschuldbar erscheinen (vgl. zur Fallgestaltung des § 155 Nr. 2 SGB III – BSG Urteil, vom 08.11.2001, – B 11 AL 33/01 R -). Mit dem oben dargestellten Sinn und Zweck der Vorschrift ist es nicht vereinbar, Uhg auch für Zeiträume nach endgültiger Beendigung der Maßnahme zu erbringen.
Da der Kläger die wirksame fristlose Kündigung des Ausbildungsvertrages seitens der E am 16.12.1998 hinnahm, ohne sich arbeitsgerichtlich hiergegen zu wehren, war das Weiterbildungsverhältnis schon zu diesem Zeitpunkt endgültig beendet. Nur durch die Erhebung einer Kündigungsschutzklage hätte der Kläger den Maßnahmeträger in Annahmeverzug versetzen und dadurch seine weitere Teilnahme als Voraussetzung für die Unterhaltsgeldzahlung auch ohne tatsächliche Anwesenheit erreichen können (vgl. zum Annahmeverzug BAG, Urteil vom 17.04.1986, – 2 AZR 308/85 – ; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 9. Aufl. 2000, § 39 I 1). Ein Anspruch auf Uhg bestand daher ab 17.12.1998 nicht mehr. Entgegen der Ansicht des SG scheitert die Zahlung von Uhg – unabhängig vom Vorliegen des behaupteten fehlerhaften Verhaltens seitens des Maßnahmeträgers bzw. der Beklagten – in jedem Fall daran, dass der Kläger in der hier streitigen Zeit ab 17.12.1998 endgültig nicht mehr an einer förderungsfähigen Maßnahme teilgenommen hat, wie dies die §§ 153, 155 SGB III voraussetzen. Das Fehlen der "Teilnahme" kann als tatsächliche Anspruchsvoraussetzung für die Zahlung von Uhg auch nicht im Wege eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs fingiert werden.
(2) Die Beklagte hat die Bewilligung des Uhg zu Recht m.W.v. 17.12.1998 aufgehoben. Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 3 SGB III ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass des Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Nach Satz 2 dieser Vorschrift ist der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit u.a. der Betroffene wußte oder nicht wußte, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist (Nr. 4). Eine grob fahrlässige Unkenntnis von dem Wegfall der Bezugsberechtigung liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (Schroeder-Prinzen u.a., Sozialgesetzbuch – Verwaltungsverfahren – SGB X, 3. Aufl. 1996 – § 48 Rdnr. 25). Wenn die Behörde in beigefügten Merkblättern deutlich und verständlich auf Pflichten bzw. Tatbestände hinweist, so kann den Betroffenen im Regelfall Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis vorgeworfen werden (BSG, Urteil vom 24.04.1997 – 11 RAr 89/96 – mwN). So liegt der Fall hier. In dem Merkblatt Nr. 6 "Förderung der beruflichen Weiterbildung" (Stand April 1998), dessen Kenntnisnahme der Kläger unterschriftlich am 15.07.1998 bestätigt hat, wird darauf hingewiesen, dass ein Anspruch auf Uhg grundsätzlich nur für die Zeit der tatsächlichen Teilnahme am Unterricht besteht (Seite 6 des Merkblattes). Die Beklagte hat in diesem Merkblatt weiter niedergelegt, dass das Uhg längstens bis zum Abschluss der Maßnahme gezahlt werden kann und auch dann entfällt, wenn die Teilnahme an der Maßnahme abgebrochen wird (Seite 18). Nach seiner individuellen Fähigkeiten war der Kläger zur Überzeugung des Senats auch in der Lage, diese klaren und eindeutigen Hinweise im Merkblatt zu verstehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 SGG).
Erstellt am: 08.10.2004
Zuletzt verändert am: 08.10.2004