Die Berufungen des Klägers gegen die Gerichtsbescheide des Sozialgerichts Duisburg vom 29.06. und 01.07.2004 werden zurückgewiesen. Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Beendigung der freiwilligen Mitgliedschaft zum 15.09.1993 und – hilfsweise – die Begründung einer Pflichtmitgliedschaft in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR).
Der im April 1936 geborene Kläger ist jedenfalls seit dem 01.04.1994 bei der B Versicherung privat gegen Krankheit versichert. Zuvor war er bei der Beklagten – seit 1973 freiwillig – gesetzlich krankenversichert. Im Juli 1993 erinnerte diese ihn an die Zahlung rückständiger Beiträge für Mai und Juni 1993. Mitte August 1993 mahnte sie erneut. Mit Bescheid vom 26.08.1993 forderte sie den Kläger auf, die rückständigen Beiträge für die Zeit vom 01.05. bis 31.07.1993 zu zahlen und wies darauf hin, dass die Mitgliedschaft zum 15.09.1993 ende, wenn bis dahin keine Zahlung erfolgt sei. Nachdem der Kläger über den 15.09.1993 hinaus säumig geblieben war, stellte die Beklagte eine Beitragsschuld in Höhe von DM 1.603,50 für den Zeitraum vom 01.05. bis 15.09.1993 fest (Bescheid vom 17.09.1993).
Im März 1994 widersprach der Kläger der Beendigung seiner Mitgliedschaft. Die Beklagte stellte fest, dass die Mitgliedschaft nach § 191 Nr 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) am 15.09.1993 geendet habe und eine Wiederherstellung ausscheide (Bescheid vom 08.03.1994; Widerspruchsbescheid vom 06.05.1994). Widerspruch und Klage blieben erfolglos (Urteil des Sozialgerichts (SG) Duisburg vom 14.11.1994, Aktenzeichen (Az) S 21 KR 35/94).
Wegen seines Antrags auf Regelaltersrente meldete ihn die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) im April 2002 bei der Beklagten zur KVdR an.
Die Beklagte lehnte die Aufnahme in die KVdR ab, weil die Vorversicherungszeit nicht erfüllt sei. In der zweiten Hälfte der maßgeblichen Rahmenfrist habe nicht mindestens für 9/10 der Zeit eine Versicherung in einer gesetzlichen Krankenkasse bestanden. Der maßgebliche Zeitraum datiere vom 27.09.1977 bis zum 06.05.2002, betrage also insgesamt 24 Kalenderjahre, 7 Monate und 10 Tage. Davon habe maximal bis zum 31.03.1994, also 16 Jahre, 6 Monate und 4 Tage, eine Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung bestanden (Bescheid vom 10.05.2002).
Mit seinem Widerspruch beantragte der Kläger die Wiedereingliederung in die KVdR, sobald der Gesetzgeber dies im Rahmen der Gesetzesänderungen zum 31.03.2002 ermögliche. Er stelle einen Überprüfungsantrag nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Sein Zustand ohne Versicherungsschutz der gesetzlichen Krankenversicherung sei nach den heute geltenden gesetzlichen Regelungen nicht zu verantworten. Er legte ein Schreiben des – damaligen – Bundesministeriums für Gesundheit vor, worin die gesetzliche Regelung zur KVdR unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27.07.2000 erläutert wird. Der Kläger bezog sich auf den letzten Absatz dieses Schreibens, der lautete: "Personen, die in der zweiten Hälfte ihres Erwerbslebens länger als ein Zehntel dieses Zeitraums nicht gesetzlich krankenversichert waren, werden von dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zur Krankenversicherung der Rentner und damit auch den neuen gesetzlichen Begleitregelungen nicht erfasst. Für sie ändert sich nichts, so dass sie weiterhin zu den bisherigen Bedingungen freiwillig versichert bleiben." Die Beklagte wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 19.12.2003).
Mit seiner Bitte um Überprüfung des Urteils vom 14.11.1994, gestützt u.a. auf § 44 SGB X, an das SG Duisburg trug der Kläger vor, seine Mitgliedschaft bei der Beklagten sei zum 01.01.2003, spätestens zum 01.01.2004 wieder herzustellen. Die Beklagte habe im Jahr 1993 seine Mitgliedschaft "wegen kurzfristig geringfügiger Rückstände" gekündigt. Mit seiner damals eingereichten Klage habe er nicht durchzudringen vermocht. Nach heutiger Sicht und Gesetzgebung seien die damaligen Auslegungen und Entscheidungsgründe nicht zwingend und stichhaltig, somit rechts- und gesetzeswidrig. Es müsse endlich eine gerechte und sozial verträgliche Lösung gefunden werden. Die Beklagte entschied, dass die Bescheide vom 26.08. und 17.09.1993 sowie 08.03.1994, mit denen das Ende der Mitgliedschaft zum 15.09.1993 festgestellt worden war, nicht zurückgenommen würden. Insoweit werde auf die zutreffenden Entscheidungsgründe im Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 14.11.1994 Bezug genommen. Anhaltspunkte, die zu einer anderen Entscheidung führen könnten, habe der Kläger nicht vorgetragen (Bescheid vom 03.02.2004; Widerspruchsbescheid vom 10.03.2004).
Wegen beider Begehren hat der Kläger Klage zum Sozialgericht (SG) Duisburg erhoben. Im Verfahren auf Feststellung der Mitgliedschaft in der KVdR (Az S 9 KR 14/04) hat der Kläger vorgetragen, Zeiten der Versicherung in der Schweiz seien unberücksichtigt geblieben. Die Fortsetzung des Zustandes ohne Versicherungsschutz sei mit den heute geltenden gesetzlichen Regelungen nicht vereinbar und nicht zu verantworten. In diesem und dem weiteren Verfahren (Az S 9 KR 81/04) hat sich der Kläger auf das Schreiben des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung berufen (Schreiben vom 01.03.2004).
Das SG hat in beiden Verfahren – nach dem Hinweis, dass eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid beabsichtigt sei – die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheide vom 29.06. und 01.07.2004).
Gegen beide Gerichtsbescheide hat der Kläger Berufung eingelegt. Der Senat hat die Verfahren miteinander verbunden. Der Kläger hat sein bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Seine Beweisanträge seien verfahrens- und sozialrechtswidrig umgangen und ausgehebelt worden. Es handele sich um ein schweres soziales Unrecht.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtenen Gerichtsbescheide für zutreffend.
Für die Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat kann entscheiden, obwohl im Termin zur mündlichen Verhandlung für den Kläger niemand erschienen ist. Denn der Kläger ist mit einem entsprechendem Hinweis vom Termin ordnungsgemäß benachrichtigt worden.
Die zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen (§§ 153 Abs 1, 113 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) Berufungen sind unbegründet.
Zu Recht hat das SG entschieden, dass der Kläger durch die Bescheide vom 10.05.2002 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.12.2003) und 03.02.2004 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.03.2004) nicht beschwert ist, weil diese Bescheide nicht rechtswidrig sind, § 54 Abs 2 Satz 1 SGG. Außerdem hat es zu Recht die vom Kläger jedenfalls hilfsweise erhobene Klage auf Wiederaufnahme des früheren, mit Urteil vom 14.11.1994 abgeschlossenen Verfahren vor dem SG Duisburg (Az.: S 21 KR 35/94) für unzulässig gehalten, §§ 179 Abs 1 SGG, 589 Abs 1 Satz 2 Zivilprozessordnung (ZPO).
Die Klage ist zulässig, soweit der Kläger sich gegen die frühere Beendigung seiner Mitgliedschaft wendet.
Begründet ist dieses Begehren jedoch nicht. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zurücknahme der Bescheide vom 26.08. und 17.09.1993 sowie 08.03.1994 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.05.1994). Die Beklagte hat darin weder das Recht unrichtig angewandt noch ist sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen, § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X. Auch bei nochmaliger vollständiger Prüfung dieser Bescheide ergibt sich, dass diese Bescheide rechtmäßig sind. Zu Recht hat die Beklagte darin – deklaratorisch – festgestellt, dass die freiwillige Mitgliedschaft des Klägers – kraft Gesetzes – zum 15.09.1993 geendet hat, § 191 Nr 3 SGB V in der Fassung des Art 1 des Gesundheits-Reformgesetzes (GRG) vom 20.12.1988 (BGBl I, 2477 ff, zum 01.01.1989 in Kraft getreten. Nach dieser Vorschrift endet die freiwillige Mitgliedschaft mit Ablauf des nächsten Zahltages, wenn für zwei Monate die fälligen Beiträge trotz Hinweises auf die Folgen nicht entrichtet wurden. Diese Voraussetzungen lagen – was auch der Kläger nicht in Abrede stellt – zum Zeitpunkt der damaligen Entscheidung der Beklagten tatsächlich vor. Deshalb hat auch das SG Duisburg die Bescheide der Beklagten bereits in einem früheren Rechtsstreit – rechtskräftig – mit Urteil vom 14.11.1994 bestätigt. Anhaltspunkte, die zu einer abweichenden Beurteilung Anlass böten, hat der Kläger nicht vorgetragen; sie sind auch sonst nicht ersichtlich. Entgegen der Auffassung des Klägers gilt von Rechts wegen heute nichts Anderes als damals. Der damalige § 191 Nr 3 SGB V gilt unverändert als § 191 Satz 1 Nr 3 SGB V fort. Soweit mit Wirkung ab dem 01.01.2004 durch Art 1 Nr 135 des GKV-Modernisierungsgesetzs vom 14.11.2003 (BGBl, 2190 ff) ein Satz 2 angefügt worden ist, ist dies für die vorliegende Beurteilung ohne Bedeutung. Denn für den Anspruch aus § 44 SGB X, über den die genannten, vom Kläger angefochtenen Bescheide allein befinden, ist maßgeblich auf das Recht abzustellen, dass bei Erlass der angeblich rechtswidrigen Bescheide galt. Diese Rechtslage mit den sich daraus ergebenden rechtlichen Konsequenzen ist dem Kläger überdies zutreffend mit Schreiben des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung vom 01.03.1994 dargelegt worden.
Auch das zulässige Begehren auf Feststellung der Mitgliedschaft in der KVdR hat keinen Erfolg. Entgegen seiner Auffassung ist der Kläger auch nicht als Rentenantragsteller oder -bezieher kraft Gesetzes (erneut) Mitglied der Beklagten geworden. Der Bescheid vom 10.05.2002 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.12.2003) beschwert den Kläger nicht, § 54 Abs 2 Satz 1 SGG. Dieser Bescheid ist nicht rechtswidrig, weil die Beklagte darin zu Recht festgestellt hat, dass mit der Rentenantragstellung im Februar 2002 bzw. dem späteren Bezug einer Regelaltersrente keine Versicherungspflicht kraft Gesetzes eingetreten ist. Eine solche ergibt sich weder aus § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V in der bis zum 31.03.2002 geltenden, noch aus § 5 Abs 1 Nr 11 SGB in der seither wieder geltenden Fassung des GRG, wie sie bereits vom 01.01.1989 bis zum 31.12.1992 galt (vgl. dazu Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 15.02.2000, Az: 1 BvL 16/96 u.a., BGBl I, 1300 = SozR 3 – 2500 § 5 Nr 42). Insbesondere hat die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts entgegen der Erwartung, die der Kläger offenbar mit dieser Entscheidung verbunden hat, keine für seinen Fall bedeutsamen Neuerungen gebracht. Für die Versicherungspflicht nach § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V war seit dem 01.01.1989 durchweg erforderlich, dass während der zweiten Hälfte des Erwerbslebens von der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bis zur Stellung des Rentenantrags mindestens 9/10 mit Mitgliedschaftszeiten belegt sein mussten. Lediglich die seit dem 01.01.1993 geltende Beschränkung auf Pflichtbeitragszeiten hat das Bundesverfassungsgericht nicht für mit dem Grundgesetz vereinbar gehalten (aaO). Selbst wenn aber beim Kläger sämtliche Beitragszeiten – also auch diejenigen der freiwilligen Versicherung ab dem 01.01.1973 bis zum 15.09.1993 – oder maximal bis zum 31.03.1994 – berücksichtigt werden, ergibt sich daraus nicht die nach wie vor erforderliche 9/10-Belegung. Die in der Schweiz zurückgelegten Versicherungszeiten fallen nach der vom Kläger selbst vorgelegten Bescheinigung in den Zeitraum vor 1956-1960 und damit nicht in die zweite Hälfe des Erwerbslebens. Dies alles hat die Beklagte in den vom Kläger angefochtenen Bescheiden bereits berücksichtigt und – unter Einbeziehung der Zeiten freiwilliger Mitgliedschaft – zutreffend berechnet. Diese Zusammenhänge sind dem Kläger im Schreiben des – damaligen – Bundesministeriums für Gesundheit vom 06.06.2002 erläutert worden. Insbesondere ist dort zutreffend ausgeführt, dass die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts den Kläger nicht berührt, weil dieser mehr als 1/10 des Zeitraums – nämlich jedenfalls seit dem 31.03.1994 bis zur Rentenantragstellung – überhaupt nicht gesetzlich krankenversichert war. Der letzte Satz, auf den sich der Kläger zu Unrecht bezogen hat, besagt nichts Anderes, als dass, wer zum 01.04.2002 freiwillig versichert war, dies auch weiterhin bleibt. Auf den Kläger trifft dies nicht zu, weil er zu diesem Stichtag schon längst nicht mehr freiwillig versichert war.
Die jedenfalls hilfsweise erhobene Wiederaufnahmeklage ist an sich nicht statthaft und deshalb unzulässig, § 589 Abs 1 Satz 2 ZPO.
Zu Recht ist das SG ausweislich der Entscheidungsgründe im Gerichtsbescheid vom 01.07.2004 davon ausgegangen, dass der Kläger mit seinem verfahrenseinleitenden Schreiben vom 08.05. und 06.06.2002 sowie 22.10.2003 (alle drei Daten befinden sich auf einem Schreiben) durch den darin gestellten Antrag auf Überprüfung des Urteils vom 14.11.1994 – jedenfalls hilfsweise – Wiederaufnahmeklage erhoben hat. Ebenfalls zu Recht hat es diese für an sich nicht statthaft und damit für unzulässig gehalten, weil der Kläger Gründe, bei denen eine Wiederaufnahme eines bereits rechtskräftig abgeschlossenen Gerichtsverfahrens nach §§ 179 Abs 1 SGG iVm 579, 580 ZPO, 179 Abs 2, 180 Abs 1 und 2 SGG in Betracht kommt, nicht angeführt hat und solche nach Lage der Akten auch nicht erkennbar sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183 Satz 1, 193 Abs 1 Satz 1 SGG.
Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht, § 160 Abs 2 SGG. Insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung, § 160 Abs 2 Nr 1 SGG. Denn für die Entscheidung sind die konkreten Umstände des Einzelfalls maßgeblich.
Erstellt am: 17.01.2005
Zuletzt verändert am: 17.01.2005