Urteil des LSG wurde aufgehoben.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 17.10.2003 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Im Streit ist die Erstattung der Kosten für eine ambulant durchgeführte Uterus-Arterien-Embolisation (UAE) zur Behandlung eines Myoms. Bei diesem Verfahren wird unter Röntgenkontrolle mit Kontrastmittel ein Katheter in die beiden Arterien, die den Uterus und damit auch das Tumorgewerbe mit Blut versorgen, eingeführt. An der Stelle, an der sich das Blutgefäß in die Myome hineinverzweigt, wird ein sandkorngroßes Kunststoffgranulat in die Blutbahn eingebracht, um die Gefäße dauerhaft zu verschließen. Damit wird die Blutzufuhr zu dem fibrösen Gewebe unterbunden, wodurch sich die Geschwulst zurückbildet. Das Verfahren ist noch nicht Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung.
Die 1958 geborene Klägerin ist versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten. Mit Schreiben vom 11.04.2001 teilte sie der Beklagten mit, sie wolle sich an der Universitätsklinik G bei Prof. Dr. W wegen einer Myombehandlung vorstellen. Dieser führe eine Myomembolisation (UAE) durch. Es handele sich um ein neuartiges Verfahren; sie habe keine Kenntnis, dass dieses anderswo eingesetzt werde. Um eine Operation zu vermeiden, wolle sie diese Alternative wahrnehmen. Sie benötige die Zusage für eine Kostenübernahme, sofern sich bei der am 23.04.2001 anstehenden Untersuchung herausstelle, dass in ihrem Fall die Methode in Betracht komme.
Die Beklagte holte eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) ein. Gynäkologe Dr. H wies in seiner Stellungnahme vom 27.04.2001 darauf hin, dass für die beantragte Methode in der Bundesrepublik noch keine ausreichenden Erkenntnisse hinsichtlich der Langzeitergebnisse vorlägen. Goldstandard der Myombehandlung sei nach abgeschlossener Familienplanung eine Operation. Nachdem die Klägerin am 29.04.2001 mitgeteilt hatte, dass Prof. Dr. W den Befund günstig beurteilt habe, um die neue Methode anzuwenden, teilte die Beklagte mit Bescheid vom 02.05.2001 mit, dass eine Kostenübernahme ausscheide.
Im Widerspruchsverfahren machte die Klägerin u.a. unter Bezugnahme auf eine Bescheinigung der behandelnden Gynäkologin Dr. C vom 15.05.2001 und ein Schreiben von Prof. Dr. W vom 13.06.2001 geltend, sie bedürfe wegen eines Myoms dringend einer ärztlichen Behandlung und wünsche eine Therapie, die das Organ und ihre Fruchtbarkeit erhalte. Entgegen der Annahme des MDK sei ein Therapieerfolg mit der UAE wissenschaftlich erwiesen, wie die weltweit schon in erheblicher Zahl durchgeführten Behandlungen zeigten. Eine Hysterektomie lehne sie wegen der mit diesem Eingriff verbundenen Komplikationen ab, eine Hormonbehandlung komme in ihrem Fall nicht in Betracht. Die Klägerin forderte insoweit eine "Einzelfallentscheidung" der Beklagten unter Berücksichtigung ihres berechtigten Wunsches nach einer nebenwirkungsarmen Behandlung. Die Beklagte holte ein weiteres Gutachten des MDK ein. Dr. H nahm in seinem Gutachten vom 04.07.2001 zu den von der Klägerin geschilderten Nachteilen einer Operation Stellung und hielt an seiner Auffassung fest, gleichwohl könne die UAE wegen der nicht nachgewiesenen Langzeitfolgen nicht befürwortet werden. Als Alternative komme eine Hormonbehandlung oder eine Operation in Betracht. Die Klägerin kritisierte auf die Mitteilung der Beklagten über das Ergebnis des Gutachtens (Schreiben vom 09.07.2001) im weiteren Schriftverkehr die nach ihrer Ansicht fehlende inhaltliche Auseinandersetzung des MDK mit der Behandlungsmethode. Nachdem die Beklagte nach Einholung eines weiteren MDK-Gutachtens von Dr. F, der sich der Auffassung von Dr. H anschloss, darauf hingewiesen hatte, dass die Leistungsgewährung schon an der fehlenden Anerkennung der Behandlungsmethode durch den (jetzt) Gemeinsamen Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen scheitere, machte die Klägerin geltend, dass andere Krankenkassen nach Mitteilung der Universitätsklinik G die Kosten übernommen hätten. Ferner wies sie darauf hin, dass die Methode in anderen Kliniken stationär angeboten werde. Mit Widerspruchsbescheid vom 12.11.2001 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Die Klägerin hat sich bereits am 17.09.2001 in G einer ambulanten Behandlung unterzogen. Die ihr hierfür entstandenen Kosten hat sie mit insgesamt 2.414,19 DM (ärztliche Behandlung 1.776,29 DM, Fahrkosten 187,90 DM, Hotelkosten 450,- DM (= 1.234,36 Euro)) beziffert.
Zur Begründung der am 13.12.2001 erhobenen Klage hat die Klägerin vorgetragen, aufgrund der Größe des Myoms und der damit verbundenen Beschwerden sei eine Behandlung dringend erforderlich gewesen. Eine Operation habe sie abgelehnt, für eine Hormonbehandlung sei das Myom zu groß gewesen. Eine andere fertilitäts- und organerhaltende Behandlung als die UAE sei nicht in Betracht gekommen.
Das Sozialgericht hat eine Auskunft des (damaligen) Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen eingeholt, der unter dem 07.08.2002 mitgeteilt hat, ihm liege kein Antrag zur Anerkennung der UAE vor. Der Geschäftsführung sei bekannt, dass im stationären Bereich diese Methode zur Behandlung gutartiger wie bösartiger Tumore angewandt werde.
Mit Urteil vom 17.10.2003 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Wegen der fehlenden Anerkennung der Methode durch den Bundesausschuss scheide eine Leistungspflicht der Beklagten aus. Ein Systemversagen sei zu verneinen, denn es sei nicht ersichtlich, dass die Methode bereits von vielen Ärzten angewandt werde. Ein Kostenerstattungsanspruch auf der Grundlage eines Herstellungsanspruchs bestehe nicht, denn die Beklagte habe die Klägerin nicht darauf hinweisen müssen, dass bei einer stationären Behandlung die fragliche Methode möglicherweise hätte erlangt werden können.
Die Klägerin hat gegen das ihr am 18.11.2003 zugestellte Urteil am 18.12.2003 Berufung eingelegt. Sie räumt ein, dass grundsätzlich die fehlende Anerkennung der UAE durch den Bundesausschuss der Leistungspflicht der Beklagten entgegenstehe. Sie rügt allerdings, dass das Sozialgericht keine Ermittlungen dazu angestellt habe, aus welchen Gründen ein Systemversagen auszuschließen sei. Der Umstand, dass inzwischen in mindestens 22 Kliniken diese Behandlung durchgeführt werde, belege, dass sich die Methode durchgesetzt habe. Sie meint ferner, in ihrem Fall bestehe ein Erstattungsanspruch aufgrund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs. In der mündlichen Verhandlung sei erstmals darauf hingewiesen worden, dass die Behandlungskosten übernommen worden wären, wenn die Behandlung stationär durchgeführt worden wäre. Die Beklagte habe insoweit ihre Beratungspflicht verletzt, denn sie habe immer nur mitgeteilt, dass die Kosten der Embolisationsbehandlung in keinem Fall übernommen würden. Sie – die Klägerin – habe keine Kenntnis von der unterschiedlichen Regelung im ambulanten und stationären Bereich gehabt. Von daher habe sie eine stationäre Behandlung gar nicht beantragen können. Bei einem Hinweis der Beklagten auf eine Kostenübernahme bei stationärer Behandlung hätte sie selbstverständlich diese Behandlung gewählt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 17.10.2003 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 02.05.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.11.2001 zu verurteilen, ihr 1.234,36 Euro zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und meint, ein Herstellungsanspruch scheide aus. Die Klägerin habe immer nur wegen einer ambulanten Behandlung nachgefragt, so dass keine Veranlassung bestanden habe, sie hinsichtlich einer stationären Behandlung zu beraten. Im Übrigen obliege es den Ärzten, über eine Therapie zu entscheiden, so dass eine gezielte Beratung im Hinblick auf einen stationären Aufenthalt nicht möglich gewesen sei.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet, denn das Sozialgericht hat zu Recht einen Erstattungsanspruch wegen der am 17.09.2001 durchgeführten Behandlung verneint.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist nur noch die Behandlung vom 17.09.2001, da hinsichtlich der am 28.08.2002 durchgeführten weiteren Behandlung die Beteiligten einen Unterwerfungsvergleich abgeschlossen haben.
I. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung der ihr für die Behandlung am 17.09.2001 entstandenen Kosten nach § 13 Abs. 3 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Unabhängig von den weiteren Voraussetzungen kommt ein solcher Anspruch nur in Betracht, wenn die in Frage stehende Leistung von der Krankenkasse als Sachleistung hätte gewährt werden müssen. Das ist bei der ambulanten Durchführung der UAE nicht der Fall.
1. Die Klägerin hat nach § 27 Abs. 1 SGB V Anspruch auf Krankenbehandlung, der u.a. auch die ärztliche Behandlung (Satz 2 Nr. 1 a.a.O.) einschließt. Die UAE zur Behandlung eines Myoms zählt jedoch nicht zu den von einer gesetzlichen Krankenkasse geschuldeten Leistungen, weil diese Methode (noch) nicht zur vertragsärztlichen Versorgung gehört und die für die Abrechnungsfähigkeit neuer Behandlungsmethoden nach § 135 Abs. 1 SGB V erforderliche Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V (Richtlinien über die Bewertung ärztlicher Behandlungs- und Untersuchungsmethoden (BUB-Richtlinien) in der Fassung vom 01.12.2003, BAnz Nr. 57 (S. 5678) vom 24.03.2004) nicht vorliegt.
§ 135 Abs. 1 SGB V bestimmt, dass neue Behandlungsmethoden nur abgerechnet werden dürfen, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss in den genannten Richtlinien Empfehlungen u.a. zum therapeutischen Nutzen der Therapie abgegeben hat. Diese Vorschrift legt nach gefestigter Rechtsprechung des BSG (grundlegend Urteile vom 16.09.1997, u.a. SozR 3-2500 § 135 Nr. 4; zuletzt etwa SozR 4-2500 § 135 Nr. 1), der der Senat folgt (s. etwa Beschluss vom 14.01.2004 – L 5 KR 165/03), für ihren Anwendungsbereich zugleich den Umfang der den Versicherten von den Krankenkassen geschuldeten Leistungen fest. Bei den BUB-Richtlinien handelt es sich um untergesetzliche Rechtsnormen, die in Verbindung mit § 135 Abs. 1 SGB V für Ärzte, Krankenkassen und Versicherte verbindlich regeln, welche neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden vom Anspruch auf Krankenbehandlung umfasst sind.
Das Fehlen einer positiven Entscheidung des Bundesausschusses steht einer Leistungspflicht der Krankenkasse entgegen. § 135 Abs. 1 SGB V ist in der Art eines Verbots mit Erlaubnisvorbehalt gefasst und schließt neue Behandlungsmethoden so lange von der Abrechnung zu Lasten der Krankenkassen aus, als nicht der Bundesausschuss sie als zweckmäßig anerkannt hat (BSG SozR 3- 2500 § 135 Nr. 4 S. 14). Die Prüfung und Feststellung, ob eine neue Behandlungsweise dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse und damit dem in § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V geforderten Versorgungsstandard genügt, obliegt nach der gesetzlichen Konzeption – vom Ausnahmefall des Systemversagens abgesehen – dem Gemeinsamen Bundesausschuss (BSGE 86, 54, 56; BSG SozR 4-2500 § 135 Rz 8). Die von der Klägerin im Verwaltungsverfahren erhobene Forderung nach einer "Einzelfallentscheidung" ging daher fehl. Da der Gemeinsame Bundesausschuss sich mit der UAE noch nicht befasst hat (Auskunft vom 07.08.2002), besteht für diese Methode keine Leistungspflicht der Beklagten. Das wird von der Klägerin jetzt auch nicht mehr grundsätzlich in Frage gestellt.
2. Das Sozialgericht hat auch zutreffend ein sog. Systemversagen verneint. Ein Leistungsanspruch (auch in Form eines Kostenerstattungsanspruchs) kann ausnahmsweise in Betracht kommen, wenn die fehlende Anerkennung der Methode darauf zurückzuführen ist, dass der Gemeinsame Bundesausschuss trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen das Verfahren nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt hat. In einem solchen Fall widerspricht die Nichtberücksichtigung der Methode in den BUB-Richtlinien höherrangigem Recht, nämlich der Garantie eines den Anforderungen des § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V entsprechenden Krankenbehandlungsanspruchs aus § 27 Abs. 1 SGB V (BSG SozR 3-2500 § 135 Nr. 4 S. 21; BSGE 86, 54, 60f).
Ein Kostenerstattungsanspruch käme unter dem Gesichtspunkt des Systemversagens nur in Betracht, wenn zum einen die fehlende Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses auf einer unsachgemäßen Behandlung durch den Ausschuss oder die antragsbefugten Stellen beruhen würde und zum anderen die Wirksamkeit der Methode nachgewiesen wäre (BSG SozR 3-2500 § 135 Nr. 4 S. 21). Es gibt keine Anhaltspunkte für ein Systemversagen in diesem Sinne. Für diese Beurteilung ist bei einem Kostenerstattungsanspruch auf den Zeitpunkt der Behandlung, hier also den September 2001, abzustellen, da maßgebend ist, ob schon zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme der Leistung die fehlende Anerkennung wegen einer Systemstörung überwunden werden kann. Erkenntnisse, die erst nach diesem Zeitpunkt gewonnen wurden, können dagegen die Fehlerhaftigkeit der Richtlinien zum Behandlungszeitpunkt nicht begründen (BSG SozR 3-2500 § 135 Nr. 12 S. 56). Die Klägerin verweist selbst in ihrer Berufungsbegründung nur auf Studien, die erst in den Jahren 2002 bzw. 2003 publiziert worden sind. Entscheidend ist insoweit nicht der Zeitpunkt der Erstellung, sondern der der Publikation der Studien, da erst zu diesem Zeitpunkt der Bundesausschuss bzw. die antragsbefugten Stellen von den gewonnenen Erkenntnissen Notiz nehmen können.
Ebensowenig bestand wegen der Verbreitung der Methode Anlass zu einer Befassung durch den Bundesausschuss. Die Klägerin hat insoweit nur auf den Einsatz im stationären Bereich hingewiesen. Es kann dahinstehen, ob die Methode auch im September 2001 bereits in zahlreichen Kliniken eingesetzt wurde, da es im Rahmen des § 135 SGB V nur auf die Verbreitung der Methode im ambulanten Bereich ankommen kann. Ferner weisen Günther et. al. (Deutsches Ärzteblatt, Jg. 99, S. A-1828, 1830) darauf hin, dass die Methode im ambulanten Bereich nur sehr selten eingesetzt wird; in der Regel wird wegen der auftretenden Schmerzen nach der Embolisation ein kurzer stationärer Aufenthalt von 24 bis 72 Stunden für erforderlich gehalten. Für eine Verbreitung der Methode im ambulanten Bereich ist somit nichts ersichtlich.
Unabhängig davon erscheint fraglich, dass tatsächlich die für eine Anerkennung der Methode erforderlichen Erkenntnisse vorliegen. In dem Aufsatz von W et al (Fortschr Röntgenstr 2003; 175: 1032) wird darauf hingewiesen, dass zwar vielversprechende Arbeiten über die UAE publiziert worden seien, jedoch die neue Methode noch nicht an Hand von randomisierten Kontrollstudien gegenüber den Standardbehandlungen evaluiert und überprüft worden sei. Aus diesem Grund solle die Myomembolisation derzeit nicht als Standardtherapie angesehen und nur an spezialisierten Zentren durchgeführt werden. Um die Myomembolisation einer Vielzahl von Patientinnen als gesicherte Alternative anbieten zu können, müsse ein exakter Indikationskatalog erstellt werden und eine Evaluation der Vor- und Nachteile gegenüber der Myomnukleation und der Hysterektomie in Studien erfolgen (a.a.O. S. 1039; s.a. Günther et. al., a.a.O., S. 1835).
III. Die Klägerin kann die Kostenerstattung auch nicht auf einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch stützen.
1. Dieses richterrechtliche Rechtsinstitut, dessen dogmatische Begründung letztlich nicht geklärt ist (vgl. von Koch, Auskunfts- und Beratungspflichten im Sozialrecht, 2000, Rdnr. 65 ff.), setzt nach den neueren Rechtsprechungen des BSG auf der Tatbestandsseite eine Pflichtverletzung, die dem zuständigen Sozialleistungsträger zuzurechnen ist, und einen hierdurch bewirkten sozialrechtlichen Nachteil oder Schaden beim Berechtigten voraus. Auf der Rechtsfolgenseite ist der Herstellungsanspruch auf die Vornahme einer Amtshandlung zur Herstellung des Zustandes gerichtet, der bestehen würde, wenn die Pflichtverletzung nicht erfolgt wäre (vgl. BSG SozR 4-3100 § 60 Nr. 1 Rz 24; SozR 4-6940 Art. 3 Nr. 1 Rz 22; SozR 4-2600 § 58 Nr. 3 Rz 19). Der Herstellungsanspruch ist grundsätzlich auf Naturalrestitution und nicht die Gewährung einer monetären Kompensationsleistung gerichtet; der Versicherte soll (nur) auf der Primärebene so behandelt werden, als stehe ihm das infolge der Pflichtverletzung beeinträchtigte Recht (noch) in vollem Umfang zu (BSG SozR 3-2400 § 28h Nr. 11 S. 44; SozR 3-2600 § 58 Nr. 2 S. 6). Angesichts dieses – begrenzten – Anwendungsbereichs des Herstellungsanspruchs erscheint es grundsätzlich fragwürdig, dass in Fällen der unterbliebenen Beratung über einen – möglicherweise zustehenden – Sachleistungsanspruch die Erstattung der Kosten für eine in Anspruch genommene, jedoch nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung zählende Leistung im Wege eines Herstellungsanspruchs verlangt werden kann. Mit dieser Rechtsfolge werden die Grenzen zu einem Schadensersatzanspruch überschritten (s. insoweit auch die Bedenken bei Gagel, SGb 2000, 517, 518).
2. Allerdings hat das BSG in früheren Entscheidungen bei Vereitelung eines Leistungsanspruchs des Versicherten, wenn entweder die Sachleistung verweigert wurde oder deren Inanspruchnahme aufgrund unzureichender Beratung nicht möglich war, eine Erstattung der Kosten der selbstbeschafften Leistung bejaht (BSGE 35, 10; SozR 2200 § 182 Nrn. 57, 80, 82, 86; dagegen stützt sich die Entscheidung des BSG vom 27.04.1989, BSGE 65, 56, auf § 18 Abs. 2 Satz 1 BVG a.F. = Abs. 4 Satz 1 n.F., die Voraussetzungen eines Herstellungsanspruchs werden ausdrücklich nicht gefordert). Ob in den genannten Fällen diese Rechtsfolge zutreffend mit einem Herstellungsanspruch begründet werden konnte (ablehnend etwa Ladage, Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch, 1990, S. 106; Adolf, Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch, 1991, S. 208 ff.; soweit Gagel, a.a.O., diese frühere Rechtsprechung trotz Bedenken billigt, geht er von unzutreffenden Annahmen aus), kann angesichts der inzwischen eingetretenen Rechtsentwicklung dahinstehen.
3. Im Bereich des Krankenversicherungsrechts hat der Gesetzgeber nunmehr die Rechtsfolgen einer "Leistungsvereitelung" in § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V geregelt. Er hat damit festgelegt, unter welchen Voraussetzungen anstelle der Sachleistung die Kostenerstattung verlangt werden kann und für die Folgen einer Pflichtverletzung der Krankenkassen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben eine spezielle Regelung getroffen, neben der der Herstellungsanspruch nicht mehr anwendbar ist (BSG SozR 3-2600 § 58 Nr. 2 S. 4; SozR 3-2500 § 13 Nr. 11 S. 51; ebenso LSG Berlin, Urteil vom 24.10.2003 – L 9 KR 118/02 -; a.A.: BSGE 89, 50, 54; s.a. BSG SozR 3-2500 § 37 Nr. 3; ohne Erörterung, jedoch im Ergebnis ebenso LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 18.02.2004 – L 4 KR 229/01 -; Bayerisches LSG, Beschluss vom 08.09.2003 – L 4 B 347/03 KR ER -).
Der Gesetzgeber hat bei der Einführung des SGB V durch das Gesundheitsreformgesetz (GRG) vom 20.12.1988 (BGBl. I, 2477) das Verhältnis von Sachleistung und Kostenerstattung geregelt. Nach § 13 Abs. 1 SGB V ist anstelle der Sach- und Dienstleistung die Kostenerstattung nur zulässig, "soweit es dieses und ( seit dem 01.07.2001 (Gesetz vom 19.06.2001, BGBl. I 1046)) das Neunte Buch vorsieht". In der Begründung des GRG wird betont, dass eine Kostenerstattung nur zulässig sei, wenn sie ausdrücklich im Fünften Buch (auf das bei Inkrafttreten des GRG allein verwiesen wurde) zugelassen sei (BT-Drucks. 11/2237, 164). Die Kostenerstattung wegen einer geschuldeten, aber nicht als Sachleistung erhältlichen Behandlung war bei Inkrafttreten des GRG in § 13 Abs. 2 SGB V geregelt. Die Begründung des Gesetzes nimmt insoweit nicht Bezug auf die genannte frühere Rechtsprechung des BSG zur Kostenerstattung, so dass nicht zu erkennen ist, dass für alle von dieser Rechtsprechung erfassten Fallkonstellationen eine Regelung getroffen werden sollte. Vielmehr wird in der Begründung ausgeführt, dass in allen anderen als den geregelten Fällen einer selbstbeschafften Leistung keine Leistungspflicht der Krankenkasse bestehe (a.a.O.). Von daher kann die Behauptung, der Gesetzgeber habe nur versehentlich die gesamte Bandbreite sozialrechtlicher Herstellungsansprüche im Bereich der GKV nicht vollständig erfasst und gesetzestechnisch umgesetzt (so BSGE 89, 50, 54), nicht nachvollzogen werden. Die zitierte Gesetzesbegründung legt vielmehr näher, dass neben den anderen im SGB V enthaltenen Fällen einer Kostenerstattung (s. etwa §§ 37 Abs. 4, 38 Abs. 4 SGB V) mit § 13 Abs. 2 SGB V a.F. eine abschließende Regelung der Kostenerstattung geschaffen werden sollte.
Es erscheint auch zweifelhaft, ob tatsächlich neben der Regelung des § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V Bedarf für einen weitergehenden Kostenerstattungsanspruch in Fällen unterbliebener oder unzureichender Beratung besteht. Nach der ersten Alternative des § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V besteht ein Kostenerstattungsanspruch dann, wenn die Krankenkasse die geschuldete Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte. Diese Fallgruppe erfasst nicht nur Notfälle i.S.d. § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V (wobei eine solche Notfallbehandlung ohnehin nur zu einem Sachleistungsanspruch führt, da der Arzt oder das Krankenhaus nur einen Vergütungsanspruch gegen die Kassenärztliche Vereinigung bzw. die Krankenkasse erlangen, vgl.BSG SozR 3-2500 § 13 Nr. 25 S. 118 mwN ), sondern die medizinische Dringlichkeit kann sich auch dadurch ergeben, dass mit der Ausführung einer zunächst nicht eilbedürftigen Leistung so lange gewartet wird, bis sie zwingend erbracht werden muss (BSG SozR 3-2500 § 13 Nr. 4 S. 26; Nr. 22 S. 105). Demnach können damit auch Fälle erfasst werden, in denen Versicherte infolge eines Beratungsmangels über die Möglichkeiten der Realisierung ihres Anspruchs in dem bestehenden Versorgungssystem sich die inzwischen dringlich durchzuführende Behandlung selbst beschafft haben (s. etwa Hessisches LSG, Urteil vom 21.10.2004 – L 1 KR 554/01).
Ohnehin erscheint fraglich, ob tatsächlich (allein) eine fehlerhafte Beratung maßgebend für die früheren Entscheidungen des BSG war. Die insoweit nicht eindeutigen Ausführungen des BSG in den Entscheidungen vom 28.01.1979 (SozR 2200 § 182 Nr. 57) und 09.03.1982 (SozR 2200 § 182 Nr. 80), die beide psychotherapeutische Behandlung betrafen, lassen vermuten, dass in beiden Fällen ein bestehendes Versorgungsdefizit für solche Leistungen eine wesentliche Rolle spielte, so dass ein Fall des § 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. SGB V vorgelegen haben könnte.
Soweit das BSG in seinem Urteil vom 30.10.2001 (BSGE 89, 50) einen Herstellungsanspruch für möglich hält, geht es ohnehin weit über die bisher entschiedenen Fallkonstellationen hinaus. Danach soll ein Kostenerstattungsanspruch wegen der Kosten einer in einem Pflegeheim durchgeführten künstlichen Beatmung in Betracht kommen, für die als stationäre Behandlungspflege die Krankenkasse nicht leistungspflichtig war und die nur bei einer Pflege im Haushalt hätte nach § 37 Abs. 2 SGB V erlangt werden können. Der Kostenerstattungsanspruch soll also wegen einer nur möglichen anderen Gestaltung der tatsächlichen Verhältnisse bestehen. Insoweit dürften die Grenzen eines Herstellungsanspruchs überschritten werden, da der Heimaufenthalt nicht im Wege eines Herstellungsanspruchs "hinweggedacht" und durch eine fiktive Pflege im Haushalt "ersetzt" werden kann (so zutreffend für einen ähnlich gelagerten Fall LSG NRW, Urteil vom 22.01.1998 – L 2 KN 7/95 -).
Unabhängig davon erscheint es dem Senat zweifelhaft, ob die Beratungspflicht der Krankenkasse tatsächlich so weit reicht, dass sie Versicherte auf bestimmte, konkrete Behandlungsmöglichkeiten hinzweisen hat. Zwar hat das BSG die Erforderlichkeit der vorherigen Befassung der Kasse mit dem Leistungsbegehren des Versicherten im Rahmen des § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V damit begründet, dass die Feststellung der für den Kostenerstattungsanspruch vorausgesetzten Versorgungslücke allein der Krankenkasse obliege. Nur diese habe in der Regel einen vollständigen Überblick über die rechtlichen Rahmenbedingungen und die vorhandenen Versorgungsstrukturen und könne zuverlässig beurteilen, ob die begehrte Behandlung überhaupt zu den Leistungen der Krankenversicherung gehöre und wie sie in dem bestehenden Versorgungssystem realisiert werden könne. Daher sei die vorherige Prüfung durch die Krankenkasse, verbunden mit der Möglichkeit einer Beratung des Versicherten, sachgerecht und liege auch im eigenen Interesse des Versicherten (SozR 4-2500 § 13 Nr 1 Rz 13). Ob die Beratung der Krankenkasse in diesem Zusammenhang dann so weit gehen muss, dass sie dem Versicherten mitzuteilen hat, welches Vertragskrankenhaus die gleiche Leistung (dort endoskopische Bandscheibenoperation) erbringt wie das Nichtvertragskrankenhaus (so der Fall des LSG Niedersachsen-Bremen, a.a.O.) oder wo die ambulant ausgeschlossene Behandlung stationär erbracht wird (so vergleichbar dem vorliegenden der Fall des Bayerischen LSG, a.a.O.), ist fraglich. Wenn es keinen Anspruch auf Gewährung spezieller Gesundheitsleistungen im System der GKV gibt (BVerfG NJW 1997, 3085; MedR 1997, 318; BSGE 86, 54, 65) erscheint es fragwürdig, die Krankenkasse auf der anderen Seite für verpflichtet zu halten, den Versicherten aufzeigen zu müssen, wo sie ganz bestimmte Behandlungen erlangen können. Bei Nachfrage nach einer konkreten Behandlung, die wegen der fehlenden Zulassung des gewünschten Leistungserbringers (so der Fall des LSG Niedersachsen-Bremen) oder des Ausschlusses der begehrten Methode aus dem Leistungskatalog nicht erbracht werden darf, müsste es vielmehr ausreichen, allgemein bestehende Behandlungsalternativen (auch mit anderen Methoden) zu benennen. Im vorliegenden Fall kommt dazu, dass ambulante und stationäre Behandlung nicht beliebig "austauschbar" sind. Der Umstand, dass wegen der unterschiedlichen Regelungsansätze in § 135 Abs. 1 SGB V und § 137c SGB V für den Ausschlus (neuer) Methoden (vgl. dazu BSGE 90, 289, 293) eine im ambulanten Bereich ausgeschlossene Methode im stationären Bereich erbracht werden darf, kann nicht bedeuten, dass die Erforderlichkeit einer stationären Behandlung damit zu begründen wäre, nur im Krankenhaus bestehe die Leistungspflicht der Kasse für diese Methode. Von daher kann bei einer Nachfrage eines Versicherten nach einer ausgeschlossenen ambulanten Behandlung die Kasse nicht verpflichtet sein, ihn darauf hinzuweisen, dass (und wo) er sich auch stationär behandeln lassen könne, um die gewünschte Behandlungsmethode zu erlangen. Letztlich kann der Senat diese Fragen aber offen lassen, da, wie dargelegt, schon grundsätzlich ein Herstellungsanspruch ausscheidet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Der Senat hat die Revision zugelassen, da er von einer Entscheidung des BSG abweicht und der Rechtsstreit auch grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs. 2 Nr. 1, 2 SGG).
Erstellt am: 05.03.2007
Zuletzt verändert am: 05.03.2007