Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichtes Düsseldorf vom 17.09.2002 abgeändert. Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 02.10.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 31.10.2001 verurteilt, bei der Klägerin ab Oktober 2003 einen GdB von 100 festzustellen. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe des Grades der Behinderung (GdB).
Bei der 1932 geborenen Klägerin stellte der Beklagte mit Bescheid vom 01.04.1997 die gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleiches "erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr" (G) sowie einen GdB von 70 fest.
Im Juni 2001 stellte die Klägerin einen Änderungsantrag auf Feststellung eines höheren GdB sowie der gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs "G". Der Beklagte zog Berichte des Orthopäden Dr. D, der Hausärztin Dr. X sowie Entlassungsberichte des Klinikums M bei und holte ein Gutachten nach ambulanter Untersuchung des Internisten Dr. (PL) L ein. Sodann stellte der Beklagte mit Bescheid vom 02.10.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 31.10.2001 einen GdB von 80 fest wegen der Behinderungen
1. Verschleiß an den großen Gelenken, Fußfehlform, ausgeheilter Außenknöchelbruch links, künstliche Hüftgelenke beiderseits (40),
2. orthopädische Leiden (30),
3. Nierenerkrankung, Harnwegsinfekte, Nierenleistungsschwäche (30),
4. Hirndurchblutungsstörungen, Bluthochdruck (30),
5. Zuckerkrankheit, Fettleber-Hepatitis (20),
6. Beeinträchtigung der peripheren Nerven (10).
Hiergegen hat die Klägerin am 12.11.2001 Klage beim Sozialgericht (SG) Düsseldorf erhoben. Sie hat auf eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes hingewiesen.
Das SG hat ein Gutachten des Internisten Dr. T eingeholt. Dieser hat nach ambulanter Untersuchung der Klägerin (Mai 2002) einen Gesamt-GdB von 70 festgestellt.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 17.09.2002 abgewiesen. Auf die Entscheidung wird Bezug genommen.
Gegen das am 01.10.2002 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 04.10.2002 Berufung eingelegt. Sie verfolgt ihr Begehren weiter und verweist insbesondere auf die Vielzahl ihrer Erkrankungen.
Die Klägerin beantragt ihrem schriftsätzlichen Vorbringen nach sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichtes Düsseldorf vom 17.09.2002 zu ändern und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 02.10.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 31.10.2001 zu verurteilen, bei ihr ab Antragstellung einen GdB von mehr als 80 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er ist der Ansicht, dass bei der Klägerin kein höherer GdB als 80 besteht.
Der Senat hat Befundberichte der Hausärztin Dr. X und des Orthopäden Dr. D beigezogen. Sodann hat der Senat ein Gutachten nach Aktenlage des Internisten Dr. N eingeholt. Der vom Senat angeordneten Untersuchung ist die Klägerin trotz Belehrung nicht nachgekommen. Der Sachverständige bewertet den GdB in Übereinstimmung mit dem Beklagten mit 80.
Die Klägerin hat diesem Beweisergebnis widersprochen und unter anderem darauf hingewiesen, dass im Sommer 2003 eine Verschlechterung des Sehvermögens eingetreten sei. Der Senat hat sodann einen Befundbericht der Augenärztin Dr. H eingeholt. Danach haben Behandlungen im Zeitraum von Oktober 1996 bis Oktober 2003 stattgefunden. Die Ärztin diagnostiziert Linsentrübungen und Durchblutungsstörungen in der Netzhaut. Sie beschreibt eine deutliche Befundverschlechterung auf dem rechten Auge mit einem schleichenden Verlauf in den letzten Jahren. Die korrigierte Sehschärfe beträgt im Oktober 2003 rechts 1/20 und links 0,4. Unter Berücksichtigung der vom Senat übersandten Anhaltspunkte für das Funktionssystem "Augen" hat Frau Dr. H einen GdB von 40 zugrunde gelegt. Der Beklagte hat unter Hinweis auf eine Stellungnahme von Frau Dr. N1 den GdB weiter mit 80 eingeschätzt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die zwischen den Beteiligten gewechselten vorbereitenden Schriftsätze, den übrigen Akteninhalt und die Verwaltungsakten des Beklagten.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Der Senat konnte trotz Ausbleibens der Klägerin im Termin aufgrund (einseitiger) mündlicher Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil die Klägerin von diesem Termin mit einem entsprechenden Hinweis benachrichtigt worden ist.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Wegen der bei der Klägerin während des Berufungsverfahrens eingetretenen Verschlechterung der gesundheitlichen Verhältnisse beträgt der GdB ab Oktober 2003 nunmehr 100.
Gemäß § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft abzuändern, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Eine solche Änderung im Ausmaß der Behinderung ist u. a. nur dann nach Nr. 24 Abs. 2 der vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung herausgegebenen "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" (AP), die wegen ihrer rechtsnormähnlichen Qualität für das Sozialgericht und das Landessozialgericht im Regelfall maßgebend sind (BSG, Urteil vom 09.04.1997, 9 RVs 4/95 m.w.N.), u. a. wesentlich, wenn der Vergleich des gegenwärtigen mit dem verbindlich festgestellten Gesundheitszustand eine Differenz von mindestens 10 ergibt.
Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass bei der Klägerin ab Antragstellung kein GdB von mehr als 80 vorliegt. Der Bescheid vom 02.10.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 31.10.2001 war rechtmäßig. Zur Begründung verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichtes Düsseldorf im Urteil vom 17.09.2002. Ergänzend betont der Senat, dass sich auch aus dem Gutachten nach Aktenlage von Dr. N kein Gesamt-GdB von mindestens 90 ergibt.
Es ist jedoch im Laufe des Berufungsverfahrens eine wesentliche Änderung in den gesundheitlichen Verhältnissen der Klägerin eingetreten. Zum einen wird der bei der Klägerin im Funktionssystem "Stoffwechsel" vorliegende Diabetes mellitus Typ II seit Juni 2002 mit Insulin und oralen Diabetika therapiert. Hier ist in Übereinstimmung mit den AP (Nr. 26.15 AP 1996; Bundesarbeitsblatt 05/2004) ein GdB von 30 anzusetzen. Darüber hinaus bedingt der von der behandelnden Augenärztin Dr. H im Oktober 2003 festgestellte korrigierte Visus rechts 1/20 und links 0,4 nach Nr. 26.4 S. 65 AP 1996 einen GdB von 40.
Nach den AP 1996 ist ausgehend von der schwerwiegendsten Gesundheitsstörung zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Funktionsbeeinträchtigungen vergrößert wird. Dabei ist zu berücksichtigen, dass leichte Gesundheitsstörungen, die einen GdB von 10 bedingen, in der Regel nicht zu einer wesentlichen Zunahme des Ausmaßes der Gesundheitsbeeinträchtigungen führen und dass es vielfach bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 nicht gerechtfertigt ist, eine Erhöhung vorzunehmen. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander (Nr. 19 AP 1996).
Unter Berücksichtigung der erheblichen zusätzlichen Auswirkungen der Behinderung im Funktionssystem "Augen" ist nach Einschätzung des Senates ab Oktober 2003 ein Gesamt-GdB von 100 gerechtfertigt. Ob bereits vor diesem Zeitpunkt eine wesentliche Änderung i.S.d. § 48 SGB X eingetreten war, konnte der Senat nicht feststellen, weil die Klägerin dem von dem Sachverständigen Dr. N angesetzten Untersuchungstermin nicht folgen konnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Erstellt am: 09.03.2005
Zuletzt verändert am: 09.03.2005