Rev. d. Kl. wird zurückgewiesen.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 19. Oktober 2004 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Kostenübernahme bzw. Versorgung mit dem Arzneimittel Caverject 20 zur Behandlung einer erektilen Dysfunktion über den 16.01.2004 hinaus.
Der 1965 geborene Kläger leidet an einer Erektionsstörung, der eine somatische Ursache zugrunde liegt. Seit Jahren verordnet ihm der behandelnde Arzt für Urologie Dr. C das zur Behandlung der erektilen Dysfunktion zugelassene Arzneimittel Caverject 20, das im Rahmen einer Schwellkörper-Autoinjektions-Therapie (SKAT) Anwendung findet. Die Beklagte bewilligte ab Oktober 2000 die Versorgung mit dem oben genannten Medikament. Eine letzte Ausgleichung des Rechnungsbetrages in Höhe von 212,- Euro erfolgte am 13.01.2004 bezüglich der eingereichten Rechnung vom 28.11.2003. Zugleich wies die Beklagte den Kläger mit Bescheid vom 13.01.2004 darauf hin, dass eine weitere Kosten-übernahme gemäß § 34 Abs. 1 S. 7 und 8 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) – Fassung ab 01.01.2004 – i. V. m. Ziffer F 18.2 und Anlage 8 der Richtlinien über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Arzneimittel-Richtlin-ien -AMR-) nicht mehr in Betracht komme, da der Gesetzgeber die Leistung im Zusam-menhang mit der durchgeführten Gesundheitsreform für die Zeit ab dem 01.01.2004 durch das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz – GMG) vom 14.11.2003, BGBl I S. 2190, aus dem Leistungs- katalog der gesetzlichen Krankenversicherung gestrichen habe.
Den dagegen gerichteten Widerspruch begründete der Kläger damit, dass durch § 34 Abs. 1 Satz 7 und 8 SGB V lediglich Arzneimittel von der Verordnung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen werden sollten, die letztlich dem Ausgleich einer Willensschwäche der betroffenen Personen dienten. Für die Behandlung somatischer Fehlfunktionen könne die Vorschrift nicht herangezogen werden. Die bei ihm vorliegende Erektionsstörung, in deren Folge ohne Hilfsmittel überhaupt keine kohabitationsfähige Gliedsteife erreicht werden könne, stelle eine Krankheit dar, zu deren Behandlung das Medikament Caverject 20 erforderlich sei. Dagegen diene die Behandlung nicht der Erhöhung der Lebensqualität im Sinne einer Lifestyle-Droge.
Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12.07.2004 als unbegründet zurück und hob vorsorglich den Bescheid vom 12.07.2002, mit dem ihm Kostenzusage erteilt worden war, nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) für die Zukunft auf. Mit der am 16.08.2004 zum Sozialgericht Köln erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, dass die unterschiedslose Pauschalierung für alle Fälle erektiler Dysfunktionen, die von der Krankenbehandlung ausgeschlossen worden seien, gegen das Sozialstaatsprinzip sowie gegen Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verstoße.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 13.01.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.07.2004 zu verurteilen, die Kosten für seine Behandlung mit dem Medikament Caverject 20 über den 16.01.2004 hinaus zu übernehmen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat zur Begründung auf den aus ihrer Sicht zutreffenden angefochtenen Bescheid Bezug genommen.
Mit Urteil vom 19.10.2004 hat das Sozialgericht die Klage unter Hinweis auf die geänderte Rechtslage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Gegen das seinen Bevollmächtigten am 19.11.2004 zugestellte Urteil hat der Kläger am 20.12.2004, einem Montag, Berufung eingelegt. Zur Begründung verweist er auf sein bisheriges Vorbringen.
Ergänzend hat der Kläger auf Anfrage des Senates drei Rezepte über die Beschaffung von Caverject 20, betreffend den Zeitraum ab Januar 2004, vorgelegt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 19.10.2004 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 13.01.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.07.2004 zu verurteilen, ihm die Kosten für seine Behandlung mit dem Medikament "Caverject 20" im Jahre 2004 in Höhe von 515,25 EUR zu erstatten und ihn in Zukunft mit diesem Medikament zu versorgen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erachtet das erstinstanzliche Urteil als zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Sach- und Rechtslage wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 19.10.2004 ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat zu Recht mit Urteil vom 19.10.2004 die Klage abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 13.01.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.07.2004 ist rechtmäßig. Dem Kläger steht weder ein Anspruch auf Erstattung der seit dem 16.01.2004 aufgewendeten Kosten für das Medikament Caverject 20 zu noch ein Anspruch auf – zukünftige – Versorgung mit dem Medikament.
Versicherte haben gemäß § 27 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 3 SGB V Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst u. a. die Versorgung mit Arzneimitteln. § 31 Abs. 1 S. 1 SGB V konkretisiert den Anspruch jedoch dahingehend, dass dies nur gilt, sofern das Arzneimittel nicht nach § 34 SGB V oder durch die Richtlinien nach § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 SGB V ausgeschlossen ist.
Die erektile Dysfunktion, an der der Kläger leidet, ist eine Krankheit i. S. d. § 27 Abs. 1 S. 1 SGB V. Krankheit i. S. d. gesetzlichen Krankenversicherung ist ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf oder – zugleich oder ausschließlich – Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat (BSG, SozR 3-2500 § 27 Nr. 11 S. 38 ff. m. w. N.). Die erektile Dysfunktion des Klägers ist ein derartig regelwidriger behandlungsbedürftiger Körperzustand. Sie beruht weder auf einem natürlichen Alterungsprozess (s. zur Problematik, ob dann Krankheitswert vorliegt, Schmidt in Peters, Handbuch der Krankenversicherung – SGB V -, § 27 RdNrn. 64 ff.) noch ist sie Ausdruck eines übersteigerten Wunsches des Klägers nach Vollzug des Geschlechtsverkehrs. § 34 Abs. 1 S. 7, 8 SGB V schließt jedoch u. a. Arzneimittel, die überwiegend zur Behandlung der erektilen Dysfunktion dienen, seit 01.01.2004 von der Versorgung aus. Danach sind von der Versorgung außerdem Arzneimittel ausgeschlos-sen, bei deren Anwendung eine Erhöhung der Lebensqualität im Vordergrund steht. Ausgeschlossen sind nach S. 8 der Vorschrift insbesondere Arzneimittel, die überwiegend zur Behandlung der erektilen Dysfunktion, der Anreizung sowie Steigerung der sexuellen Potenz, zur Raucherentwöhnung, zur Abmagerung oder zur Zügelung des Appetits, zur Regulierung des Körpergewichts oder zur Verbesserung des Haarwuchses dienen. Zu den ausgeschlossenen Arzneimitteln zählt auch Caverject 20 (s. Anlage 8 der AM-RL in der Fassung vom 16.03.2004, BAnz Nr. 77 vom 23.04.2004).
Der Wortlaut des Gesetztes ist eindeutig und lässt eine andere Auslegung nicht zu. Insbesondere hat der Gesetzgeber nicht hinsichtlich der Ursachen einer erektilen Dysfunktion unterschieden. Der Kläger mag sich insoweit ggf. an der auch in der nach § 34 Abs. 1 S. 9 SGB V ergangenen AM-RL gewählten Begrifflichkeit "Lifestyle-Arzneimittel" stören; der zwingende Wortlaut des Gesetzes und der darin zum Ausdruck kommende Wille des Gesetzgebers stehen einem Anspruch des Klägers gleichwohl entgegen. Bereits mit Wirkung vom 30.09.1998 sah der (frühere) Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen unter Nr. 17.1 lit. f der AM-RL (vgl. AM-RL in der Fassung vom 03.08.1998, BAnz Nr. 182 vom 29.09.1998) den einschränkungslosen Ausschluss von Arzneimitteln u. a. zur Behandlung der erektilen Dysfunktion vor. Die seit dem 01.01.2004 geltende gesetzliche Regelung des § 34 Abs. 1 S. 7 und 8 SGB V soll klarstellen, dass diese Arzneimittel nicht Gegenstand des Leistungskataloges der gesetzlichen Krankenversicherung sind (vgl. BT-Drs. 15/1525 S. 86f.). Erforderlich war die gesetzliche Neuregelung geworden, nachdem in mehreren sozialgerichtlichen Entscheidungen (vgl. u. a. rechtskräftiges Urt. des erkennenden Senates vom 30.01.2003, Az.: L 16 KR 7/02; LSG NRW, Az: L 5 KR 200/02; LSG Niedersachsen-Bremen, Az: L 4 KR 24/02 und L 4 KR 152/02; jeweils veröffentlicht bei www.sozialgerichtsbarkeit.de; Revisionen in den letztgenannten Verfahren anhängig beim BSG unter den Az: B 1 KR 20/03 R, B 1 KR 25/03 R und B 1 KR 26/03 R) insbesondere ein Anspruch auf Versorgung von Versicherten mit dem Arzneimittel "Viagra" zur Behandlung einer erektilen Dysfunktion unter dem Hinweis bejaht worden war, dass durch die AM-RL ein gesetzlich normierter Behandlungsanspruch nicht eingeschränkt werden dürfe, es vielmehr eines Gesetzes bedürfe (ebenso zur SKAT-Therapie: BSG SozR 3-2500 § 27 Nr. 11).
Der Gesetzgeber ist auch befugt, den Anspruch auf Versorgung mit Arzneimitteln zu begrenzen. Der vom Bevollmächtigten des Klägers geltend gemachte Verstoß gegen Verfassungsrecht ist nicht ersichtlich. Welche Behandlungsmaßnahmen in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung einbezogen und welche davon ausgenommen und damit der Eigenverantwortung der Versicherten (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB V) zugeordnet werden, unterliegt aus verfassungsrechtlicher Sicht einem weiten gesetzgeberischen Ermessen, denn ein Gebot zu Sozialversicherungsleistungen in einem bestimmten sachlichen Umfang lässt sich dem Grundgesetz nicht entnehmen (vgl. BSG, SozR 3-2500 § 30 Nr. 5 S. 14, BSG, SozR 3-2500 § 135 Nr. 14 S. 71 jeweils m. w. N. aus der Rechtsprechung des BVerfG). Alleiniger verfassungsrechtlicher Prüfungmaßstab ist das Gebot des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 GG), Gleiches gleich und Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln. Damit ist dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung verwehrt. Da der Gleichheitssatz in erster Linie eine ungerecht-fertigte Verschiedenbehandlung von Personen verhindern will, unterliegt der Gesetzgeber aber bei einer Ungleichbehandlung von Personengruppen regelmäßig einer strengen Bindung. Dennoch kann er grundsätzlich frei entscheiden, auf welche Elemente der zu ordnenden Lebenssachverhalte er seine Unterscheidung stützen will. Eine Grenze ist dann erreicht, wenn sich für seine Ungleichbehandlung kein in angemessenem Verhältnis zu dem Grad der Ungleichbehandlung stehender Rechtfertigungsgrund finden lässt (vgl. beispielsweise BVerfGE, SozR 3-2500 § 5 Nr. 42 S. 184 m. w. N.). Bei der Regelung des § 34 Abs. 1 S. 8 SGB V kann sich der Gesetzgeber darauf berufen, dass die Wirtschaft-lichkeit der ärztlichen Verordnungen bei Arzneimitteln zur Behandlung der erektilen Dysfunktion nicht oder doch nur sehr eingeschränkt überprüfbar wäre. Ein Einsatz als Lifestyle-Droge ist durchaus denkbar (vgl. insoweit zur SKAT BSG, SozR 3-2500 § 27 Nr. 11). Auch ist zu bedenken, dass der Verlust der Kohabitationsfähigkeit die Lebensqualität zwar nachhaltig beeinträchtigt, jedoch keine vitalen Körperfunktionen betrifft. Der Leis-tungsausschluss ist in einem solchen Fall eher hinnehmbar. Der Gesetzgeber hätte die Versorgung auf oral einzunehmende Arzneimittel, wie Viagra, beschränken können, um dem Missbrauchsgedanken Rechnung zu tragen. Für den Betroffenen unterscheidet sich davon die in der Anwendung mit unangenehmen Begleiterscheinungen verbundene SKAT-Therapie deutlich. Dennoch steht dem Gesetzgeber insoweit eine umfassende, inhaltlich nicht zu beanstandende Gestaltungsfreiheit zu (siehe Urteile des LSG NRW vom 03.03.2005, L 5 KR 169/04, www.sozialgerichtsbarkeit.de). Da bereits ein Anspruch auf Versorgung mit dem Arzneimittel Caverject 20 nicht gegeben ist, kommt auch kein Anspruch auf Kostenerstattung gemäß § 13 Abs. 3 SGB V in Betracht. Danach hat die Krankenkasse, wenn sie eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat, den Versicherten die für die Beschaffung der Leistung aufgewendeten Kosten zu erstatten. Die Beklagte hat die Leistung – Versorung mit dem Arzneimittel Caverject 20 – jedoch nicht zu Unrecht abgelehnt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Im Hinblick auf die Vielzahl der Verfahren zur gesetzlichen Neuregelung des § 34 Abs. 1 S. 7 und 8 SGV V hat der Senat der Rechtssache grundsätzliche Bedeuzung beigemessen und die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG zugelassen.
Erstellt am: 04.09.2006
Zuletzt verändert am: 04.09.2006