Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Aachen vom 18. März 2005 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller (Ast) begehrt die Übernahme von Mietkosten für die von seiner Mutter ererbte Wohnung in B für die Zeit vom 01.10.2004 bis zu seiner Haftentlassung.
Er ist am 00.00.1944 geboren und hat bereits bis 1991 wegen Betrugsdelikten eine Haftstrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung verbüßt, von der er nach 16-jähriger Dauer auf Bewährung entlassen worden war. Seit 1992 verbüßt er erneut eine siebenjährige Freiheitsstrafe wegen schweren Betruges und befindet sich seit Ablauf dieser Freiheitsstrafe in der Sicherungsverwahrung gemäß § 66 Abs. 1 Strafgesetzbuch(StGB) – Urteil des Landgerichts Aachen vom 04.01.1993 (Az: 61 KLS 50 JS 134/92).
Nach dem Tod seiner Mutter im September 2004 konnte der Ast deren Mietwohnung als Erbe übernehmen. Ein Räumungsversuch der Vermieterin blieb erfolglos. Der Ast beantragte deswegen am 21.09.2004 die Zahlung der Miete für diese Wohnung vom Antragsgegner (Ag) bis zum Ende seiner Haftentlassung im Wege einer Darlehensgewährung. Er trug vor, er habe in dieser Wohnung stets zur Untermiete gewohnt und dort auch seine Hafturlaube verbracht. Er beabsichtige, nach seiner Haftentlassung wieder dort hinzuziehen. Auf Anforderung des Ag übersandte der Ast zwei Haftbescheinigungen der JVA B vom 01.10.2004 und 05.01.2005. Danach war die Haftentlassung des Ast offen. Dieser trug vor, er rechne damit, im Sommer 2005 entlassen zu werden. Ferner beabsichtige er, die Wohnung mit einem derzeit ebenfalls noch inhaftierten Lebensgefährten zu bewohnen. Dessen Haftentlassung sei voraussichtlich für den 04.07.2006 ausweislich einer Haftbescheinigung der JVA B vorgesehen. Er – der Ast – beabsichtige zudem, die Wiederaufnahme seines Verfahrens und die Beendigung der Sicherungsverwahrung schon im Dezember 2005 im Hinblick auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Dauer der Sicherungsverwahrung von Betrugstätern zu betreiben. Der Ag lehnte mit Bescheid vom 15.02.2005 den Antrag ab. Er führte zur Begründung aus, dass mit einer kurzfristigen Haftentlassung des Ast nicht zu rechnen sei. Außerdem könne nach der derzeitigen Wohnungsmarktlage davon ausgegangen werden, dass der Ast nach der Haftentlassung eine angemessene Unterkunft finden könne. Hiergegen richtet sich der am 22.02.2005 erhobene Widerspruch des Ast.
Am 28.02.2005 hat er beim Sozialgericht beantragt, den Ag im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Kosten für die Wohnung vom 01.10.2004 bis zu seiner Haftentlassung zu übernehmen. Er gab an, wegen der Weigerung des Ag entstünden ihm irreparable Nachteile, da er nach der Haftentlassung obdachlos werde.
Der Ag hat vorgetragen, die Übernahme von Kosten zur Sicherung einer Unterkunft bei Inhaftierten sei nur bei Vorliegen besonderer Umstände gerechtfertigt. Deshalb komme die Übernahme nur bei kurzfristigen Inhaftierungen von 12, maximal 18 Monaten ab Antragstellung in Betracht. Der Zeitpunkt der Haftentlassung des Ast sei jedoch nicht absehbar. Darüber hinaus sei die Wohnungslage in B derzeit entspannt, so dass nicht zu befürchten sei, dass der Ast nach seiner Haftentlassung keine anderweitige angemessene Wohnung finde.
Das Sozialgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 18.03.2005 abgelehnt. Es hat im Wesentlichen dargelegt, dass der Ast keine besonderen Umstände glaubhaft gemacht habe, die die Vorwegnahme der Hauptsache im Wege der einstweiligen Anordnung – die Übernahme der vollen Miete – rechtfertigten. Der Anspruch richte sich nach §§ 15 a, 72 Bundessozialhilfegesetz (BSHG), und zwar nicht nur für die Zeit bis zum 31.12.2004, sondern auch darüber hinaus. Denn der Ast begehre einen Dauerverwaltungsakt, der bis zu dessen Entlassung aus der Haft Geltung habe. Da der Ast seinen Antrag am 21.09.2004 gestellt habe, richte sich der Anspruch insgesamt nach dem bis 31.12.2004 geltenden Recht. Obwohl sich der Ast noch in Haft befinde, könnten vom Ag die Mietkosten übernommen werden, wenn für den Inhaftierten Wohnungslosigkeit nach seiner Haftentlassung drohe. Eine Kostenübernahme komme nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung jedoch nur bei kurzfristigen Haftstrafen in Betracht, wobei zeitlich eine Grenze von einem Jahr bis zur Entlassung angenommen werde. Der Ag habe sein insoweit eingeräumtes Ermessen nicht fehlerhaft ausgeübt. Denn derzeit sei es völlig ungewiss, wann der Ast aus der Haft entlassen würde. Er befinde sich seit 1992 wegen schweren Betruges in Haft und seit 1999 in Sicherungsverwahrung. Angesichts des Vorlebens könne nicht damit gerechnet werden, dass der Ast vorzeitig aus ihr entlassen werde. Aus diesem Grunde ergebe sich auch kein Anspruch des Ast auf Übernahme der Mietkosten nach § 72 BSHG. Denn die Hilfen zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten könnten ausnahmsweise im Fall einer Inhaftierung nur dann übernommen werden, wenn eine Haftentlassung konkret bevorstehe, was vorliegend gerade nicht der Fall sei.
Gegen den am 29.03.2005 zugestellten Beschluss richtet sich die am 04.04.2005 eingelegte Beschwerde des Ast. Er verbleibt weiterhin bei seiner Auffassung, dass ihm Wohnungslosigkeit drohe, wenn er aus der Haft entlassen werde. Er rechne damit, dass dieses bis Mitte 2006 geschehe. Der Ag habe daher die Mietkosten insoweit seit Antragstellung zu übernehmen.
Der Antragsteller beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Aachen vom 18.03.2005 abzuändern und den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Miet- kosten für die Wohnung I-straße 0 in B vom 01.10.2004 bis zu seiner Entlassung aus der Haft zu übernehmen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.
Er weist erneut darauf hin, dass eine Haftentlassung des Ast in kürzerer Zeit nicht zu erwarten sei, da der Zeitpunkt ausweislich der Haftbescheinigung völlig offen sei. Darüber hinaus sei der B Wohnungsmarkt derart entspannt, dass der Eintritt einer Obdachlosigkeit des Ast nach seiner Haftentlassung nicht zu befürchten sei.
II.
Die Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (Beschluss vom 04.04.2005), ist zulässig, weil die Beschwerdeschrift entgegen der Annahme des Ag mit dem Handzeichen des Ast unterzeichnet ist. Sie ist aber unbegründet. Der Ast hat keinen Anspruch auf die vorläufige Übernahme der Mietkosten im Darlehenswege für die Dauer seiner weiteren Inhaftierung.
Der Senat nimmt zur Begründung zunächst im Wesentlichen auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses Bezug, die von der Rechtsgrundlage der §§ 15 a, 72 BSHG ausgehen (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG) und die um die nachfolgenden Ausführungen zur anzuwendenden Rechtsgrundlage ergänzt werden. Insoweit ist richtig zu stellen, dass die §§ 15 a, 72 BSHG nur bis 31.12.2004 Anwendung finden. Seit 01.01.2005 sind als Nachfolgevorschriften die § 22 Abs. 5 Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II), 5 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. 34 Abs. 1 Sozialgesetzbuch – Sozialhilfe – (SGB XII) maßgebend, weil Übergangsvorschriften für vor dem 01.01.2005 gestellte Anträge nicht in diesen Gesetzen vorgesehen sind und der Ast eine Verpflichtung des Ag begehrt. Der Anspruch richtet sich daher nach dem zum Zeitpunkt der Gerichtsentscheidung geltenden Recht – also dem SGB II und XII, dass aber inhaltlich insoweit den hier relevanten Bestimmungen bis 31.12.2004 weitgehend entspricht (vgl. Niesel,SGB III, 3. Auflage, vor § 422 Rn. 14 zum anzuwendenden Recht).
In Anwendung des nunmehr auch zu berücksichtigenden §§ 22 Abs. 5 SGB II hat der Ast ebenfalls keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Er ist zwar dem Grunde nach gemäß § 7 Abs. 1 SGB II Leistungsberechtigter, weil keine Anhaltspunkte für eine fehlende Erwerbsfähigkeit im Sinne der Nr. 3 i.V.m. § 8 SGB II erkennbar sind. Dass er für den Ag wegen seiner Inhaftierung nicht i.S.d. § 119 SGB III für eine Eingliederung in den Arbeitsmarkt verfügbar ist, ist insoweit unerheblich (vgl. Münder, SGB II, 1. Aufl., 2005, § 8 Rn. 5). Es ist jedoch im Rahmen der gebotenen summarischen Prüfung nicht überwiegend wahrscheinlich, dass der Ast die Voraussetzungen für eine Darlehensgewährung nach § 22 Abs. 5 SGB II erfüllt. Zwischenzeitlich dürften angesichts der Einkommenslage zwar Mietschulden aufgelaufen sein, so dass die Vermieterin das aktenzeichenmäßig benannte Räumungsverfahren betreibt und zum Zeitpunkt der Entlassung aus dem Vollzug bei Erfolg dieser Klage Wohnungslosigkeit bezogen auf die ererbte Wohnung drohen dürfte. Es ist aber nicht glaubhaft, dass hierdurch die Aufnahme einer konkret in Aussicht stehenden Beschäftigung verhindert wird. Denn der Ast kann gegenwärtig keine Beschäftigung aufnehmen. Die von ihm für die Zeit nach der Haftentlassung in C bei einem Rechtsanwalt in Aussicht genommene Beschäftigung ist derart vage und nicht belegt – Einzelheiten hat der Ast nicht dargelegt -, dass sie nicht konkret in Aussicht steht.
Soweit ab 01.01.2005 auch § 34 SGB XII für das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs zu prüfen ist – seine Anwendung neben § 22 Abs. 5 SGB II ist nach § 5 Abs. 2 Satz 2 SGB II gerade nicht ausgeschlossen und ergänzt diesen vielmehr (vgl. Münder, a.a.O., § 5 Rn. 48, § 22 Rn. 71; Eicher/Spellbrink, SGB II, München 2005, § 22 Rn. 100) -, ist auch insoweit der Anspruch nicht glaubhaft gemacht. Denn wegen des entsprechenden Regelungsinhalts wird auf die Ausführungen des Sozialgerichts zu den Vorläuferbestimmungen (§§ 15 a, 72 BSHG) bis 31.12.2004 Bezug genommen, die weiterhin zutreffend sind.
Ein anderes Ergebnis ergibt sich auch nicht aus dem erneuten Hinweis des Ast darauf, dass er im Jahr 2006 relativ sicher mit seiner Entlassung rechne. Zum einen steht dieser Annahme die Bescheinigung der Anstalt entgegen, die einen voraussichtlichen Entlassungstermin gerade nicht benennt. Zum anderen kann wegen der fehlenden Befristung der erneuten Sicherungsverwahrung angesichts des erheblichen kriminellen Vorlebens des Ast nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit damit gerechnet werden, dass er vor Ende der 10 Jahresfrist (§ 67 d Abs. 2 StGB beginnend 1999 nach Ablauf der Strafhaft) eine Vollstreckungsaussetzung nach § 67 d Abs. 2 StGB erreichen kann, selbst wenn im Jahre 2006 der Überprüfungstermin i.S.d. § 67 e Abs. 2 StGB liegen sollte. Außerdem ist angesichts des Vorlebens des Ast sogar eine Verlängerung der Sicherungsverwahrung über 10 Jahr hinaus nach § 67 d Abs. 3 StGB möglich. Da es sich bei diesen genannten Regelungen um verfassungsgemäße Bestimmungen handelt (vgl. BVerfG vom 05.02.2004 – 2 BvR 2029/01 in NJW 2004, 739 ff.) – eine EuGH-Entscheidung hat der Kläger weder näher benannt, noch ist sie auffindbar -, ist sein Anordnungsanspruch auch unter diesem Gesichtspunkt nicht glaubhaft gemacht.
Soweit er schließlich die – wie dargelegt äußerst ungewisse – Restzeit bis Mitte 2006 als kurze Dauer ansieht, führt auch dieser Vortrag zu keinem anderen Ergebnis. Denn bei der Kostenübernahme von Mietschulden handelt es sich um eine Ermessensleistung des Ag. Da die Rechtsprechung zum Begriff der kurzen Dauer nicht einheitlich ist (vgl. Fichtner, BSHG, 2. Auflage, § 15 a Rn. 7; Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2005, § 34 Rn. 5) und nur in einem Fall ein Zeitraum bis 18 Monaten zur Haftentlassung als kurz bezeichnet wird, im Übrigen regelmäßig jedoch höchstens 12 Monate, spricht nichts für eine ermessensfehlerhafte Auffassung des Ag, einen Zeitraum von höchstens 12 Monaten als Restzeit ausstehend zu verlangen. Ein Anordnungsanspruch ist daher insgesamt nicht glaubhaft gemacht.
Letztlich ist auch nicht von einem glaubhaft gemachten Anordnungsgrund auszugehen. Denn insoweit ist zu berücksichtigen, dass nach den Angaben des Ag die Wohnungsmarktlage in B entspannt und daher von der Annahme auszugehen ist, dass der Ast nach seiner Entlassung eine berechtigte Aussicht zum Auffinden einer angemessen Wohnung hat und ihm daher keine irreparablen Schäden drohen. Somit besteht auch keine Eilbedürftigkeit für eine vorläufige Entscheidung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 08.06.2005
Zuletzt verändert am: 08.06.2005