1) Die Beschwerden der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 23. Februar 2005 hinsichtlich des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und des Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe werden zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. 2) Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die Zahlung von Sozialgeld nach dem Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II).
Die am 00.00.1992 geborene Antragstellerin (Ast.) lebt mit ihrer Mutter – der gesetzlichen Vertreterin – und deren Ehemann, der nicht der Vater der Ast. ist, in einem Haushalt. Der leibliche Vater zahlt keinen Unterhalt. Die Ast. erhielt bis zum 31.12.2004 Hilfe zum Lebensunterhalt von der Stadt E.
Sie beantragte am 21.09.2004 bei der Antragsgegnerin (Ag.) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II und machte die entsprechenden Angaben im Vordruck zu ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen, auf die Bezug genommen wird. Die Ag. lehnte den Antrag mit Bescheid vom 05.01.2005 ab, weil die Ast. im Hinblick auf die angegebenen Einkommensverhältnisse nicht hilfebedürftig im Sinne des SGB II sei. Dabei berücksichtigte die Ag. bei der Ermittlung der Hilfebedürftigkeit das Einkommen des Stiefvaters zu Lasten der Ast … Wegen der Einzelheiten wird auf den Berechnungsbogen Bezug genommen.
Am 26.01.2001 beantragte die Ast. beim Sozialgericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Sie führte zur Begründung aus, nach ihrer Berechnung habe sie unter Berücksichtigung des ihr zustehenden Sozialgeldes in Höhe von 207 EUR monatlich zuzüglich eines Anteils der Unterkunftskosten in Höhe von 135 EUR und abzüglich des Kindergeldes in Höhe von 154 EUR einen Bedarf von 188 EUR, den ihre Mutter nicht aus ihren Einnahmen decken könne. Das Einkommen des Stiefvaters könne nur im Rahmen des § 9 Abs. 5 SGB II herangezogen werden. Insoweit verbliebe aber kein anrechenbares Einkommen. Es sei ihr nicht zuzumuten, das Hauptsacheverfahren abzuwarten.
Die Ag. hat in ihrer Stellungnahme ausgeführt, der Stiefvater der Ast. sei der Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs. 3 SGB II zuzuordnen. Als deren Mitglied habe er sein Einkommen auch für alle anderen einzusetzen. Unter Berücksichtigung der im Antrag angegebenen Einkommensverhältnisse der Mutter der Ast. und des Stiefvaters ergebe sich für die Ast. kein weiterer Bedarf.
Das Sozialgericht hat den Antrag ebenso wie den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 23.02.2005 abgelehnt. Es hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Ast. habe zwar unter Berücksichtigung der Entscheidung des Sozialgerichts Lüneburg vom 10.02.2005 (S 25 AS 17/05 ER) wohl einen Anordnungsanspruch nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) glaubhaft gemacht. Dies gelte aber nicht für den Anordnungsgrund. Unter Berücksichtigung der von der Ast. angegebenen Einkommensverhältnisse der Mutter und des Stiefvaters verbliebe beim Ansatz der Regelsätze der Bedarfsgemeinschaft als Mindestbedarf ein derart überschießender Einkommensbetrag, der für die Sicherung des Lebensunterhalts noch zur Verfügung stehe, dass keine Eilbedürftigkeit für eine einstweilige Anordnung erkennbar sei. Der Mindestbedarf könne zumindest bis zur Entscheidung in der Hauptsache auch vom Stiefvater mitgetragen werden, ohne dass wesentliche Nachteile drohten. Der Antrag auf Prozesskostenhilfe sei somit wegen fehlender Erfolgsaussicht abzulehnen.
Gegen den am 03.03.2005 zugestellten Beschluss richtet sich die am 04.03.2005 eingelegte Beschwerde der Ast … Sie ist weiterhin der Auffassung, dass ein Bedarf in Höhe von 188 EUR bestehe. Es sei ihr auch nicht zuzumuten, bis zum Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten. Dessen Ende sei offen, so dass sie unter Umständen über mehrere Jahre auf die Hilfe ihres Stiefvaters zurückgreifen müsse. Dies sei vom Gesetz aber nicht gewollt. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass die Hauptsache wahrscheinlich Erfolg haben werde. Aus diesem Grunde stehe ihr sowohl für das erstinstanzliche Verfahren als auch für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu.
Die Antragstellerin beantragt schriftsätzlich,
den Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 23.02.2002 abzuändern und die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihr Sozialgeld nach dem SGB II für die Zeit vom 01.01.2005 in gesetzlicher Höhe zu zahlen sowie ihr für das Verfahren vor dem Sozialgericht und auch für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen.
Die Antragsgegnerin beantragt schriftsätzlich,
die Beschwerden zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend und ist weiterhin der Meinung, dass im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung das Einkommen des Stiefvaters nach dem SGB II zu berücksichtigen sei, da er der Bedarfsgemeinschaft angehöre. Da nicht erkennbar sei, dass der Ast. unzumutbare Nachteile drohten, sei auch keine Dringlichkeit für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erkennbar.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze sowie der Verwaltungsakte der Ag. – Az.: 000 – Bezug genommen, die der Entscheidungsfindung zu Grunde gelegen haben.
II.
Die zulässigen Beschwerden, denen das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (Beschluss vom 8. März 2005), sind unbegründet.
Zu 1. Der Anspruch der Ast. auf Erlass einer einstweiligen Anordnung kann sich nur aus § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG ergeben. Insoweit wird auf die Ausführungen des Sozialgerichts betreffend die Rechtsgrundlage im angefochtenen Beschluss verwiesen.
Die Ast. dürfte zwar in Anwendung einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht haben. Sie lebt im Sinne des § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II als minderjähriges unverheiratetes Kind im Haushalt ihrer Mutter – der gesetzlichen Vertreterin – und ihres Stiefvaters. Sie ist auch nicht in der Lage, sich als Schülerin selbst zu unterhalten (§ 9 Abs. 1 SGB II), so dass es entgegen der Auffassung der Ag. als glaubhaft gemacht anzusehen sein wird, dass die Ast. im Sinne des § 9 SGG hilfebedürftig ist. Soweit es hinsichtlich ihres Bedarfs auf die rechnerischen Einzelheiten ankommt, nimmt der Senat im Ausgangspunkt auf die sie betreffende Berechnung der Ag. nach der Veränderung der Einkommensverhältnisse der Mutter ab 01.12.2004 Bezug. Entgegen den Ausführungen ist jedoch nicht das Einkommen des Stiefvaters bei der Ermittlung der Hilfsbedürftigkeit anzusetzen, weil nicht § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II, sondern entgegen der Meinung der Ag. § 9 Abs. 5 SGB II maßgeblich ist.
Nach § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II sind – lediglich – bei minderjährigen unverheirateten Kindern, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Bedarfsgemeinschaft leben und die die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht als ihrem eigenen Einkommen oder Vermögen beschaffen können, auch Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils zu berücksichtigen. Berücksichtigungsfähig ist somit schon nach dem Wortlaut der Norm nur Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils. Entscheidend ist damit das Eltern-Kind-Verhältnis im gesetzlichen, familienrechtlichen Sinn. Dies folgt im Rahmen der Auslegung der Vorschrift auch aus § 9 Abs. 5 SGB II, indem dort für andere Personen wie Verwandte oder Verschwägerte – neben der Erfassung einer Haushaltsgemeinschaft auch – die Einkommens- und Vermögensrechnung gesondert geregelt ist.
Dieses familienrechtliche Eltern-Kind-Verhältnis besteht hier aber nur zur gesetzlichen Vertreterin der Ast. als Mutter, nicht zu deren Ehemann, also dem Stiefvater der Ast … Insoweit liegt nach § 1590 BGB lediglich eine Verschwägerung vor, so dass der Stiefvater nicht als Elternteil anzusehen ist (vgl. Brühl in Münder, LPK – SGB II, 1. Aufl. 2005, § 9 Rn. 27).
Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II. Diese Vorschrift stellt lediglich einen Verteilungsschlüssel für den Fall dar, dass in der Bedarfsgemeinschaft der gesamte Bedarf nicht aus eigenen Mitteln gedeckt ist. Er setzt mithin bereits voraus, dass vorhandene Eigenmittel der zu berücksichtigenden Einzelpersonen bei der Ermittlung der Hilfsbedürftigkeit eingesetzt worden sind und gleichwohl ein zu verteilender Restbedarf auf alle Personen umzulegen ist. Demgegenüber wird aber nicht die Eigenschaft als Leistungsverpflichteter im Rahmen einer Bedarfsgemeinschaft begründet (vgl. Brühl, aaO, Rn 39 ff).
Somit verbleibt allein die Möglichkeit zur Heranziehung des Stiefvaters der Ast. nach § 9 Abs. 5 SGB II, da er zu dieser verschwägert ist und mit ihr in einer Haushaltsgemeinschaft lebt. Insoweit wird vermutet, dass die Ast. Leistungen von ihm erhält, soweit dies nach dem Einkommen des Stiefvaters erwartet werden kann, wobei es sich um eine widerlegbare Vermutung handelt (vgl. Brühl, aaO, Rn 53). Vorliegend wird diese Vermutung nicht wirksam, da nach den glaubhaften Angaben der Ast. von ihrem Stiefvater kein Einkommenseinsatz zu erwarten ist. Denn der Bedarf der Ast. übersteigt nicht die nach § 11 Abs. 2 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung – Alg II-V) vom 20.10.2004 – BGBl. I S. 2622 – zu Gunsten des Stiefvaters zu berücksichtigenden Absetzbeträge vom Einkommen. Danach ist bei ihm von einem nach § 11 Abs. 2 SGB II bereinigten Einkommen in Höhe von 1294,61 EUR auszugehen. Hiervon sind zunächst die Beträge abzuziehen, die er zur Sicherung des Lebensunterhalts seiner Ehefrau – der Mutter der Ast. – nach § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II einzusetzen hat, die Regelleistung in Höhe von 311 EUR zuzüglich anteiliger Kosten für Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II in Höhe von hier zuletzt 135,15 EUR (Blatt 24 VA), also insgesamt 446,15 EUR. Somit verbleibt ein Resteinkommen von 848,46 EUR. Diesem Betrag steht in Anwendung des § 1 Abs. 2 Alg II-V ein Freibetrag in Höhe von 1059,88 EUR (= [ 2 x 345 EUR plus 135,15 EUR = 825,15 EUR] plus [1294,61 EUR minus 825,15 EUR: 2 = 234,73 EUR] = 1059,88 EUR) gegenüber, so dass sich kein einzusetzendes Einkommen des Stiefvaters mehr ergibt und der Bedarf der Ast. ungedeckt bleibt. Damit ist auch bei summarischer Prüfung von einem glaubhaft gemachten Anordnungsanspruch für sie auszugehen.
Für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist jedoch kein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Es ist nicht ersichtlich, dass der Ast. wesentliche Nachteile drohen würden, die abzuwenden wären (§ 86 b Abs. 2 Satz 1 SGG), also die Gefahr der Vereitelung des Rechts bestände oder sie wesentliche rechtliche oder wirtschaftliche Nachteile hätte, wenn sie bis zur Entscheidung in der Hauptsache warten müsste (Zeihe, SGG, 8. Aufl. Stand: November 2004, § 86 b Rn. 31 a). Die Gefahr, dass das beanspruchte Recht auf die Leistung rechtlich oder tatsächlich vereitelt würde, ist nicht ersichtlich, da der Anspruch im Rahmen des geltenden Rechts geltend gemacht und die leistungsverpflichtete öffentliche Hand nicht konkursfähig ist. Somit verbleibt für die Annahme der Eilbedürftigkeit zur Abwendung wesentlicher Nachteile nur das Auftreten einer existenziellen Not der Ast., die es rechtfertigt, ausnahmsweise die Hauptsache vorwegzunehmen und die Ag. zur vorläufigen Leistung zum Lebensunterhalt zu verpflichten. Eine solche Not kann vorliegend nicht als glaubhaft gemacht angenommen werden. Denn das Beschwerdevorbringen lässt nicht erkennen, dass der Stiefvater die Ast. in existenzielle Not geraten ließe und er sie nicht vorübergehend bis zur Entscheidung in der Hauptsache unterstützen würde. Für die gegenteilige Annahme fehlt schon deswegen eine Grundlage, weil er im Fall des Obsiegens gegen die Ast. einen Erstattungsanspruch für die vorgestreckten Beträge haben würde. Der von der Ast. ermittelte Restbedarf von monatlich 188 EUR ist auch nicht so hoch, dass hierdurch der Lebensunterhalt der Familie gefährdet wäre. Insoweit übersteigt das Einkommen des Stiefvaters die gesetzlichen Bedarfssätze erheblich (vgl. auch die Berechnung des Sozialgerichts) und wird zudem durch das Einkommen der Ehefrau – der Mutter der Ast. – ergänzt. Soweit die Ast. auf die Lohnabrechnung Januar 2005 des Stiefvaters verweist, ist der Abschlag durch nicht angefallenen Überstunden nicht derart hoch, dass eine grundlegende Leistungsunfähigkeit auftreten würde. Darüber hinaus ist nicht erkennbar, ob und wieviel Überstunden bereits ab Februar 2005 wieder angefallen sind oder in den Folgemonaten anfallen können. Der Hinweis auf das Konto der Mutter steht der Beurteilung einer fehlenden Eilbedürftigkeit ebenfalls nicht entgegen, da es sich zum Einen ohnehin um ein Guthabenkonto handelt und zum anderen nur das Kindergeld, nicht aber die übrigen vorhandenen Einnahmen der Mutter (seit Dezember 2004 offenbar regelmäßig Erwerbseinkommen aus geringfügiger Beschäftigung) erfasst und diese ausweist. Da somit auf Seiten der Ast. nicht der Eintritt einer existenziellen Not zu erwarten ist, ist es ihr auch vor dem Hintergrund der regelmäßig relativ kurzen Dauer der Verfahren vor den Sozialgerichten zuzumuten, den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten.
Die Beschwerde gegen die ablehnende Prozesskostenhilfeentscheidung ist daher wegen der fehlenden Erfolgsaussicht des einstweiligen Anordnungsantrags ebenfalls unbegründet.
Kosten sind nicht zu erstatten (§ 193 SGG).
Zu 2. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird wegen fehlender Erfolgsaussicht abgelehnt.
Diese Entscheidung ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 12.02.2008
Zuletzt verändert am: 12.02.2008