Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 19. Dezember 2003 geändert und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin einen Betrag i.H.v. 7932,14 Euro zu zahlen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte der Klägerin Aufwendungen nach Maßgabe des § 105 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) zu erstatten hat.
Der 1964 geborene – seinerzeit als Monteur beschäftigte – G E (im Folgenden D.) ist bei der Beklagten gegen Krankheit und bei der Klägerin gesetzlich gegen Unfall versichert.
Er erlitt am 13.03.2000 eine Weber-B-Fraktur links, als er vor seiner Wohnung beim Absteigen von dem Fahrrad mit dem linken Fuß auf einen Gegenstand trat, dadurch wegrutschte und mit dem Fuß umknickte. D. wurde deshalb vom 14.03. bis 22.03.2000 stationär im St. B-Hospital in I behandelt.
Ausweislich des Durchgangsarztberichtes von Dr. C, Oberarzt der Chirurgischen Abteilung des St. B-Hospitals in I, vom 24.03.2000 erhielt dieser am 24.03.2000 einen Anruf von der Beklagten, wonach D. dort einen Wegeunfall – Umknicken auf dem Weg von der Arbeit nach Hause – angegeben habe. Dr. C führte weiter aus, bei der ambulanten Vorstellung am 24.03.2000 habe D. behauptet, er habe den Wegeunfall auch bei seiner stationären Aufnahme am 14.03.2000 angegeben. Da die Aufnahme in der Nacht gegen 3:30 Uhr stattgefunden habe, sei der Wegeunfall wohl nicht richtig verstanden worden. Dokumentiert sei in ihrer Akte "Freizeitunfall – Umknicken vor dem Haus gegen 19.00 Uhr" -. D. habe außerdem angegeben, den Wegeunfall direkt am nächsten Tag seinem Arbeitgeber gemeldet zu haben.
Im Rahmen des von der Klägerin eingeleiteten Feststellungsverfahrens gab D. an, er sei am 14.03.2000 nach der Rückkehr von der Arbeit um 16.30 Uhr vor seiner Haustür beim Absteigen vom Fahrrad umgeknickt und habe sich verletzt. Der Arbeitgeber teilte unter dem 26.06.2000 mit, in einem zwischenzeitlich geführten Gespräch habe D. angegeben, er habe sich am 13.03.2000 um ca. 16.15 Uhr auf dem Rückweg von der Arbeit vor seiner Wohnung am linken Fußknöchel verletzt. Am folgenden Tag etwa gegen 3.00 Uhr morgens sei er mit dem Notarztwagen ins St. B-Hospital in I gefahren. Am 13.03.2000 habe D. noch seinen Arbeitskollegen Herrn B verständigt, der den Vorfall am nächsten Tag an den Vorgesetzten weitergemeldet habe.
Der Arbeitskollege Herr B teilte auf Anfrage der Beklagten mit, er könne zu dem Unfall keine näheren Angaben machen, da D. ihn lediglich dahingehend informiert habe, dass er sich am Knöchel verletzt habe.
Die Klägerin lehnte mit Bescheid vom 25.04.2001 gegenüber D. die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab, weil es sich bei dem Ereignis vom 13.03.2000 um keinen Versicherungsfall gehandelt habe. Aufgrund der widersprüchlichen Angaben sei das Vorliegen eines Wegeunfalls nicht erwiesen, so dass Beweislosigkeit vorliege. Die Folgen der Nichtbeweisbarkeit einer anspruchsbegründenden Tatsache habe der Versicherte zu tragen. Den dagegen von D. eingelegten Widerspruch, mit dem dieser darauf hinwies, er habe am 13.03.2000 im Krankenhaus keine Angaben zum Unfall gemacht, der Unfall sei, wie stets angegeben, am 13.03.2000 um 16.15 Uhr auf dem Heimweg von der Arbeit geschehen, wies die Klägerin durch bestandskräftigen Widerspruchsbescheid vom 23.08.2001 als unbegründet zurück.
Die Klägerin machte mit Schreiben vom 12.04.2001 ihre im einzelnen bezifferten Aufwendungen gegenüber der Beklagten gem. § 105 SGB X geltend. Diese verweigerte unter dem 29.10.2001 die Erstattung, weil entsprechend den Angaben des Versicherten von einem Wegeunfall auszugehen sei.
Am 05.12.2001 hat die Klägerin gegen die Beklagte Klage beim Sozialgericht (SG) Düsseldorf auf Erstattung ihrer aus Anlass des den D. betreffenden Ereignisses vom 13.03.2000 erbrachten Aufwendungen gem. § 105 SGB X erhoben. Sie hat vorgetragen, aufgrund der widersprüchlichen Angaben zum Unfallgeschehen sei ein Versicherungsfall der gesetzlichen Unfallversicherung nicht feststellbar. Im Übrigen sei unter Berücksichtigung der sich aus § 11 Abs. 4 des Fünften Sozialgesetzbuches – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) – ergebenden Zuständigkeitsabgrenzung bei Nichterweislichkeit des Vorliegens eines Versicherungsfalles der gesetzlichen Unfallversicherung stets der Krankenversicherungsträger erstattungspflichtig, wie das SG Hamburg in seinem Urteil vom 01.07.2002 – S 36 U 512/97 – zutreffend entschieden habe.
Demgegenüber hat die Beklagte die Auffassung vertreten, nach den allgemeinen Regeln der Beweislast wirke sich eine Beweislosigkeit grundsätzlich zu Lasten des Anspruchstellers aus, wie auch das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen im Urteil vom 28.01.1998 – L 17 U 100/97 – entschieden habe. Das SG hat Beweis erhoben durch die Vernehmung des D. als Zeugen. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 02.09.2003 verwiesen.
Mit Urteil vom 19.12.2003 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, es lasse sich nicht feststellen, ob die Klägerin für die von ihr erbrachten Leistungen unzuständig gewesen sei. Es sei weder ein Arbeitsunfall noch ein Freizeitunfall erwiesen. Entsprechend den allgemeinen Beweislastgrundsätzen, von denen abzuweichen kein Anlass bestehe, habe die Klägerin den Beweis zu erbringen, dass ihrer Leistungserbringung kein Arbeitsunfall zugrunde gelegen habe.
Gegen das ihr am 03.02.2004 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 03.03.2004 Berufung eingelegt. Sie wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und trägt vor, bei kritischer Würdigung der Umstände des Falles sei nicht lediglich objektive Beweislosigkeit anzunehmen, sondern der Nachweis des Nichtvorliegens eines Versicherungsfalles erbracht. Entsprechend den unbefangenen Erstangaben des D., denen ein höherer Beweiswert zukomme, sei nicht von einem Wegeunfall auszugehen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 19.12.2003 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr einen Betrag i.H.v. 7932,14 Euro zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beteiligten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet. Das SG hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die Klägerin hat vielmehr Anspruch auf Erstattung der anlässlich des Ereignisses vom 13.03.2000 für den Versicherten erbrachten Leistungen i.H.v. 7932,14 Euro.
Rechtsgrundlage des streitigen Erstattungsanspruchs ist § 105 SGB X. Nach dieser Vorschrift ist, wenn ein unzuständiger Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, ohne dass die Voraussetzungen für § 102 Abs. 1 SGB X vorliegen, der zuständige oder zuständig gewesene Leistungsträger erstattungspflichtig, soweit dieser nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat.
Der Anspruch der Klägerin hängt mithin davon ab, dass sie für die von ihr erbrachten Leistungen – im Wesentlichen in Form von Heilbehandlungskosten, Verletztengeld und Sozialversicherungsbeiträgen – unzuständig gewesen ist. Gem. §§ 1, 7 des Siebten Sozialgesetzbuches – Gesetzliche Unfallversicherung – (SGB VII) sind Leistungen aus der Unfallversicherung nur zu erbringen, sofern ein Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit vorliegt. Nach § 11 Abs. 4 SGB V besteht auf Leistungen der Krankenversicherung kein Anspruch, wenn sie als Folge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung zu erbringen sind. Unter Berücksichtigung dieser Zuständigkeitsabgrenzung zwischen Unfall- und Krankenversicherungsträgern war die Klägerin vorliegend der unzuständige Leistungsträger, denn nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens lässt sich das Vorliegen eines Arbeitsunfalles nicht feststellen.
Das SG ist mit zutreffender Begründung zu dem Ergebnis gelangt, dass weder ein Arbeitsunfall noch ein Freizeitunfall erwiesen ist. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat hierauf Bezug. Soweit das SG daraus den Schluss gezogen hat, es lasse sich nach alledem nicht feststellen, dass der Versicherte keinen Arbeitsunfall erlitten habe und damit die Klägerin unzuständig gewesen seil, ist diese Rechtsauffassung nicht zutreffend. Denn sie führte zu dem unbefriedigenden Ergebnis, dass einerseits die "Unzuständigkeit" der Klägerin nicht festgestellt werden könnte, andererseits aber zugleich die Beklagte sachlich zuständiger Leistungsträger im Sinne von § 11 Abs. 4 SGB V i.V.m. § 105 SGB X wäre. Dies widerspricht der sich aus § 11 Abs. 4 SGB V ergebenden Zuständigkeitsabgrenzung zwischen Unfall- und Krankenversicherungsträger. Soweit das SG sich in diesem Zusammenhang auf das Senatsurteil vom 28.01.1998 – L 17 U 100/97 – gestützt hat, in dem ausgeführt wurde, die Feststellung der Unzuständigkeit des klagenden Unfallversicherungsträgers i.S.v. § 105 SGB X erfordere den Nachweis, dass kein Arbeitsunfall vorgelegen habe und die entsprechende Nichtfeststellbarkeit gehe zu Lasten der Berufsgenossenschaft als Anspruchsstellerin, hält der Senat diese Auffassung vor dem Hintergrund der Regelung des § 11 Abs. 4 SGB V nach Überprüfung nicht mehr aufrecht.
Unzuständigkeit der Klägerin im Sinne von § 105 SGB X ist vielmehr dann anzunehmen, wenn sich das Vorliegen eines Arbeitsunfalles auch bei Ausschöpfung aller Beweismittel nicht feststellen lässt (ebenso Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung [Kommentar] § 105 SGB X Rdnr. 1b; Behn, BG 1992, 125, 128; SG Hamburg vom 01.07.2002 – 36 U 512/97 – HVBG – Info 11/2003, S. 955; a.A. Hanna, SGb 2002, 369, 371). Diese Auffassung entspricht dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Erstattungsregelungen und steht auch im Einklang mit der Rechtsprechung des BSG. Zur Vorgängervorschrift des § 105 SGB X in § 1509a Reichsversicherungsordnung (RVO) – wonach ein Erstattungsanspruch bestand, wenn sich nachträglich herausstellte, dass die Krankheit nicht Folge eines Arbeitsunfalls war – hat das BSG entschieden, dass ein Erstattungsanspruch besteht, wenn das Vorliegen eines Arbeitsunfalls auch bei Ausschöpfung aller Beweismittel nicht festgestellt werden kann (BSG SozR 2200 § 1509a Nr. 1). Gleiches muss auch für den Erstattungsanspruch nach § 105 SGB X gelten.
Der Erstattungsanspruch aus § 105 Abs. 1 SGB X ist zwar grundsätzlich selbständig und besteht unabhängig vom Anspruch des Berechtigten gegen den zuständigen Leistungsträger. Ungeachtet dieser Selbständigkeit ist er jedoch inhaltlich abhängig und untrennbar verbunden mit dem Anspruch des (vermeintlich) Leistungsberechtigten. Denn es ist Sinn des Erstattungsanspruchs, die Kosten von Sozialleistungen, die einem bestimmten Berechtigten gewährt worden sind, auf die als leistungspflichtig in Betracht kommenden Träger angemessen zu verteilen. Daraus folgt als notwendige, aber auch ausreichende Voraussetzung des Ausgleichsanspruchs, dass in der Person des Berechtigten die wesentlichen Grundvoraussetzungen des – vom klagenden Leistungsträger tatsächlich schon erfüllten – Anspruchs auf eine gleichartige und zeitgleiche Leistung gegen den beklagten Träger vorliegen (vgl. BSG SozR 3-1300 § 105 Nr. 5 m.w.N.).
Unzuständigkeit im Sinne von § 105 SGB X bedeutet deshalb, dass der Leistungsträger weder eine eigene noch eine Leistungspflicht im Auftrage eines anderen erfüllt haben darf, d.h. die Leistung erfolgte nach der materiellen Rechtslage ohne Rechtsgrund (BSG SozR 3-1300, § 105 Nr. 4). Zuständig ist damit derjenige, der nach materiellem Recht mit dem erhobenen Leistungsanspruch richtigerweise anzugehen ist, d.h. sachlich befugt ist (BSG SozR 1300 § 111 Nr. 6).
Da – wie oben dargelegt – ein Arbeitsunfall des Versicherten nicht erwiesen ist, war allein die Beklagte richtige Anspruchsgegnerin; die Klägerin ist mithin unzuständig im Sinne von § 105 Abs. 1 SGB X.
Die Höhe des Erstattungsanspruchs, die sich gem. § 105 Abs. 2 SGB X nach den für den zuständigen Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften richtet, beläuft sich, wie auch von der Beklagten nicht in Abrede gestellt wird, auf 7932,14 Euro.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der bis zum 01.01.2002 geltenden Fassung.
Grund zur Zulassung der Revision besteht nicht, da die Voraussetzungen gem. § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Erstellt am: 14.11.2005
Zuletzt verändert am: 14.11.2005