Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 14.09.2004 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Berücksichtigung weiterer Urlaubsvergütung bei der Berechnung von Insolvenzgeld. Der Kläger stand in einem Beschäftigungsverhältnis zur ehemaligen I GmbH, über deren Vermögen durch Beschluss des Amtsgerichts Siegen vom 08.09.2003 (25 IN 151/03) das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Auf das Arbeitsverhältnis fand der Manteltarifvertrag für die Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden in der Metall- und Elektroindustrie vom 24.08.2001 und 11. September 2001, in Kraft ab dem 01.01.2002, Anwendung. § 14 des Tarifvertrages sieht eine von der Anzahl der genommenen Urlaubstage abhängigen Urlaubsvergütung vor, die auf Wunsch des Beschäftigten vor Antritt des Urlaubes zu zahlen ist, sofern der Urlaub mindestens zwei Wochen umfasst. Fällt ein Zahlungstermin für Entgelt oder Ausbildungsvergütung in die Urlaubszeit, so ist das Entgelt oder die Ausbildungsvergütung auf Wunsch des Arbeitnehmers vor Beginn des Urlaubs auszuzahlen.
§ 14 Abs. 3 lautet:
Durch freiwillige Betriebsvereinbarung kann festgelegt werden, dass die zusätzliche Urlaubsvergütung für das gesamte Urlaubsjahr spätestens mit der Abrechnung für den Monat Juni, bei Eintritt im Laufe des Urlaubsjahres mit Abrechnung für den Monat Dezember ausgezahlt wird. Steht dem (Arbeitnehmer) bei Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis ein anteiliger Urlaubsanspruch zu, kann die zuviel gezahlte zusätzliche Urlaubsvergütung zurückgefordert werden.
Bei der ehemaligen Arbeitgeberin des Klägers bestand auf dieser Grundlage folgende Betriebsvereinbarung vom 17. Januar 2001:
1. Lohn- und Gehaltszahlungen erfolgen zum gleichen Zeitpunkt, und zwar zum Ende eines jeden Monats.
2. Der Auszahlungszeitpunkt des Urlaubs bzw. Weihnachtsgeldes wird wie folgt festgehalten: Urlaubsgeld mit dem Junigehalt Weihnachtsgeld: mit dem Novembergehalt.
3. Diese Betriebsvereinbarung tritt mit Wirkung vom Januar 2001 in Kraft.
Seine Gehaltsansprüche für Mai und Juni 2003 in Höhe von 4206,21 EUR hatte der Kläger an die Stadtsparkasse L verkauft, als er am 30.06.2003 Insolvenzgeld für rückständige Arbeitsentgeltansprüche im Zeitraum vom 08.05.2003 bis 07.08.2003 beantragte.
Für diesen Zeitraum standen ihm nach der Insolvenzgeldbescheinigung vom 29.08.2003 ein noch nicht ausgezahltes Nettoarbeitsentgelt von 1,59 EUR für Mai 2003, von 2364,59 EUR für Juli 2003 und von 484,90 EUR für die ersten sieben Tage im August 2003 zu.
Mit Bescheid vom 10.09.2003 bewilligte die Beklagte dieser Bescheinigung entsprechend Insolvenzgeld in Höhe von 2851,08 EUR und berücksichtigte hierbei (auch) einen Urlaubsgeldanspruch des Klägers für im Juli 2003 tatsächlich genommenen Urlaub in Höhe von 536,13 EUR. Dieser Betrag ist auch in der Lohnabrechnung des Klägers für Juli 2003 ausgewiesen, die der Kläger dem Senat in der mündlichen Verhandlung vom 17.10.2005 überreicht hat.
Mit seinem Widerspruch verlangte der Kläger die Berücksichtigung des vollen Urlaubsgeldes für das Jahr 2003, das ihm aufgrund der geschlossenen Betriebsvereinbarung als Bestandteil seines Junigehaltes zustehe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20.01.2002 wies die Beklagte den Widerspruch zurück mit der Begründung, Urlaubsgeld stehe dem Kläger nur anteilig entsprechend seinem tatsächlich genommenen Urlaub zu. Die Betriebsvereinbarung habe nur zu einer für die Entstehung des Anspruches auf Insolvenzgeld unerheblichen Fälligkeitsverschiebung geführt.
Mit der Klage zum Sozialgericht hat der Kläger seinen Anspruch auf das volle Urlaubsgeld für 2003 als Bestandteil seines Insolvenzgeldanspruches weiter verfolgt und argumentiert, die nach dem Manteltarifvertrag zulässige Betriebsvereinbarung habe nicht nur zu einer Fälligkeitsverschiebung geführt, sondern den vollen Anspruch im Juni 2003 entstehen lassen, der nicht befriedigt worden und daher als Insolvenzgeld auszugleichen sei.
Mit Urteil vom 14.09.2004 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen im Wesentlichen mit der Begründung, nach dem Manteltarifvertrag sei das Urlaubsgeld grundsätzlich nur dann zu zahlen, wenn Urlaub tatsächlich gewährt werde und ein Anspruch auf Urlaubsvergütung auch bestehe. Hieran habe sich durch die Betriebsvereinbarung nichts geändert. Die Verknüpfung von Urlaubsgeld und Urlaubsentgelt lasse es auch nicht zu, dass jeweils 3/12 des Urlaubsgeldes als Bestandteil des Lohnanspruches im Insolvenzzeitraum anzusehen sei. Auf die weitere Urteilsbegründung wird Bezug genommen.
Gegen das ihm am 13.10.2004 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung des Klägers vom 27.10.2004, mit der er geltend macht, durch die abgeschlossene Betriebsvereinbarung sei der Auszahlungszeitpunkt für das Urlaubsgeld in den Juni und damit in den Insolvenzgeldzeitraum verschoben worden und dieses daher vollständig zu berücksichtigen. Dies ergebe sich aus der Parallele zum Urlaubsanspruch selbst, der nach § 12 des Manteltarifvertrages ab dem 01. April in voller Höhe geltend gemacht werden könne. Könne der gesamte Urlaubsanspruch bis zur Auszahlung des Junigehaltes nicht realisiert werden, wäre auch bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses Urlaubsgeld weder ganz noch anteilig zurückzuzahlen. Der Kläger weist auf eine stattgebende Entscheidung des SG Dortmund zum Parallelfall einer Kollegin (S 30 AL 53/04 – L 9 AL 121/05 LSG NW) hin.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 14.09.2004 zu ändern und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 10.09.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20.01.2004 zu verurteilen, dem Kläger weiteres Insolvenzgeld in Höhe des aus dem Bruttobetrag von 1690,85 EUR zu errechnenden Nettobetrages zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält das Urteil des Sozialgerichts für richtig und ergänzt die Argumentation damit, dass es sich bei dem streitigen Urlaubsentgelt um eine Vergütung mit reinem Entgeltcharakter handele, welches (nur) für die Urlaubstage vor Konkurseröffnung zu zahlen gewesen sei. Es sei nicht erwiesen, dass der Kläger bei Ausscheiden nach dem Zeitpunkt der Auszahlung des vollen Urlaubsgeldes dieses nicht hätte anteilig zurückzahlen müssen. Eine derartige Fallkonstellation habe auch im Tarifvertrag nicht geregelt werden müssen, da darin gerade keine einmalige Auszahlung vorgesehen sei. Vielmehr hätte es einer Regelung der Rückzahlungsmodalitäten in der Betriebsvereinbarung bedurft. Da diese fehle, bleibe es dabei, dass nur Urlaubsgeld für den im Insolvenzgeldzeitraum tatsächlich genommenen Urlaub zustehe.
Zu weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Prozessakten und der beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen. Diese Akten sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung des Senats gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Dem Kläger steht weiteres Urlaubsgeld nicht zu, weil Urlaubsgeld nur für tatsächlich genommenen Urlaub Bestandteil seines nach § 183 Abs. 1 Satz 1 als Insolvenzgeld erstattungsfähigen Anspruches auf Arbeitsentgelt für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses vor dem Insolvenzereignis ist. Aus der bei der ehemaligen Arbeitgeberin des Klägers bestehenden Betriebsvereinbarung können keine weiter-gehenden Rechte hergeleitet werden. Das – gesetzlich nicht geregelte – zusätzliche Urlaubsgeld stellt eine über das Urlaubsentgelt nach §§ 1, 11 Bundesurlaubsgesetz hinausgehende Arbeitgeberleistung für die Dauer des Urlaubes dar, mit der die urlaubsbedingten Mehraufwendungen teilweise abgedeckt werden sollen (Linck in: Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 11. Auflage 2004, § 102 Rnr. 98; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 28.08.2003 – L 8 AL 180/02 – m.w.N.; BSG vom 18.03.2004 – B 11 AL 53/03 R). Es ist als zusätzliche Leistung mit Entgeltcharakter Lohnbestandteil (BAG, Urteil vom 01.10.2002, – 9 AZR 215/01, BAGE 103, 45 – 53). Es ist im Rahmen des Abzuges nach § 615 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) auch bei der Berechnung des zustehenden Konkursausfallgeldes bzw. Insolvenzgeldes zu berücksichtigen (vgl. BSG, Urteil vom 07.03.1993 – 10 RaR 7/91 – SozR 3 4100 § 141b Nr. 6).
Ob es allerdings – wie das Urlaubsentgelt – nur im Umfang der im Insolvenzgeldzeitraum tatsächlich genommenen Urlaubstage zusteht (BSG, Urteil vom 17.12.1975, – 7 AR 88/73 – SozR 4100 § 141d Nr. 2) und seine Berücksichtigung im Rahmen des Insolvenzgeldes den hierfür geltenden Grundsätzen folgt, (Hess, Insolvenzgeld, § 183 Rnr. 114; Peters-Lange in Spellbrink-Eicher, Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, § 8 Rnr. 152), ob es als einzelnen Monaten zuzuordnende urlaubsunabhängige Sonderzahlung den drei zum Insolvenzgeldzeitraum gehörenden Monaten zuzuweisen ist (3/12-Auftei-lung, Röder in Niesel, SGB III, 3. Auflage, Rnr. 91 mit Nachweis der BSG-Rechtsprechung) oder ob es als jährlich unabhängig vom tatsächlich genommenen Urlaub zu erbringenden Sonderzahlung nur dann insolvenzgeldfähig ist, wenn der Anspruch auf die Sonderzahlung im Insolvenzgeldzeitraum entsteht ("Alles oder Nichts-Prinzip"; Nachweise der BSG-Rechtsprechung bei Roeder, a.a.O.), richtet sich allein nach den tariflichen Leistungsvoraussetzungen (BAG, a.a.O.).
Dem Kläger stand nach dem hier maßgeblichen Manteltarifvertrag für die Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden in der Metall- und Elektroindustrie vom 24.08.2001 bzw. 11. September 2001, in Kraft ab dem 01.01.2002, zustehende Urlaubsgeld ("Urlaubsvergütung") nur im Umfang des im Insolvenzgeldzeitraum tatsächlich genommenen Urlaubes zu und war daher auch nur hinsichtlich des im Juli tatsächlich genommenen Urlaubes erstattungsfähig. Denn es ist nach § 14 des Manteltarifvertrages von der tatsächlichen Inanspruchnahme des Urlaubes abhängig und bei Angestellten und Auszubildenden gleichermaßen als Prozentsatz des für den jeweiligen Urlaubstag zustehenden regelmäßigen Arbeitsentgeltes zu berechnen (§ 14 Abs. 1, b, c, des Manteltarifvertrages).
Nach § 14 Abs. 2 des Manteltarifvertrages ist die Urlaubsvergütung auf Wunsch vor Antritt des Urlaubs zu zahlen, sofern der Urlaub mindestens 2 Wochen umfasst. Auch hieraus wird deutlich, dass die Urlaubsvergütung von der tatsächlichen Inanspruchnahme des Urlaubs abhängt.
Im Insolvenzgeldzeitraum (08.05. – 07.08.2003) hat der Kläger lediglich im Juli Urlaub genommen. Die entsprechend der Anzahl der genommenen Urlaubstage zustehende Urlaubsvergütung in Höhe von 536,13 EUR ist in der Lohnabrechnung für Juli 2003 ausgewiesen und von der Beklagten mit dem angefochtenen Bescheid erstattet worden.
Der Kläger kann entgegen seiner Ansicht aus der bei der ehemaligen Arbeitgeberin des Klägers bestehenden Betriebsvereinbarung vom 17.01.2001 keine weitergehenden Rechte herleiten. Denn diese Betriebsvereinbarung enthält hinsichtlich des Urlaubsgeldes lediglich eine für die Berücksichtigung als Insolvenzgeld unerhebliche Fälligkeitsbestimmung (BSG, Urteil vom 21.07.2005 – B 11 A/ 11a AL 53/04 R – zur Veröffentlichung im SozR 4 vorgesehen), indem der Auszahlungszeitpunkt des Urlaubsgeldes als "mit dem Junigehalt" bestimmt wird. Auch im Übrigen enthält die Betriebsvereinbarung ausschließlich Bestimmungen über den Zeitpunkt arbeitgeberseitig zu leistender Zahlungen.
Die Betriebsvereinbarung vom 17.01.2001 schafft keine von den Bestimmungen des Manteltarifvertrages unabhängige Rechtsgrundlage für einen Anspruch auf das gesamte für das Kalenderjahr zustehenden Urlaubsgeld.
Die Betriebsvereinbarung stützt sich auf die Öffnungsklausel in § 14 Abs. 3 Satz 1 des Manteltarifvertrages. Hiernach kann durch freiwillige Betriebsvereinbarung festgelegt werden, dass die zusätzliche Urlaubsvergütung für das gesamte Urlaubsjahr spätestens mit der Abrechnung für den Monat Juni, bei Eintritt im Laufe des Urlaubsjahres mit der Abrechnung für den Monat Dezember ausgezahlt wird. § 14 Abs. 3 Satz 1 enthält damit allein eine den Auszahlungszeitpunkt betreffende Öffnungsklausel im Sinne von § 77 Abs. 3 Satz 2 des Betriebsverfassungsgesetzes. Die Möglichkeit einer Abweichung von § 14 Abs. 3 des Manteltarifvertrages, wonach die zuviel gezahlte zusätzliche Urlaubsvergütung zurückgefordert werden kann, wenn dem Arbeitnehmer bei Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis ein anteiliger Urlaubsanspruch zusteht, wird nicht eröffnet.
Schon aus diesem Grunde durften die Vertragsparteien in der Betriebsvereinbarung eine Anspruchsgrundlage für das volle Urlaubsgeld unabhängig von der tatsächlichen Inanspruchnahme des Urlaubes nicht schaffen. Eine derartige Regelung wäre unzulässig und damit als unwirksam anzusehen.
Denn Urlaubsgeld ist, wie bereits dargestellt, als Bestandteil des Arbeitsentgelts im Manteltarifvertrag geregelt. Durch Tarifvertrag geregelte Arbeitsentgelte können nach § 77 Abs. 3 Satz 1 Betriebsverfassungsgesetz nicht Gegenstand von Betriebsvereinbarungen sein. Diese Sperrwirkung wird nur beseitigt, soweit der Tarifvertrag den Abschluss einer ergänzenden Betriebsvereinbarung ausdrücklich zulässt (Öffnungsklausel). Somit besteht vorliegend für eine über die Öffnungsklausel hinausreichende Erweiterung der Anspruchsvoraussetzungen des Urlaubsgeldes die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 Satz 1 Betriebsverfassungsgesetz (Fitting, Betriebsverfassungsgesetz, 22. Auflage 2004, § 77 Rnr. 97 m.w.N.).
Somit kann auch nicht der Argumentation der Klägerseite gefolgt werden, der Urlaubsgeldanspruch richte sich nach dem Umfang des beim Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis gemäß § 12 des Manteltarifvertrages "zustehenden" Urlaubsanspruchs.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG und folgt der Entscheidung in der Sache.
Ein Anlass zur Zulassung der Revision durch den Senat nach § 160 Abs. 2 SGG besteht nicht.
Erstellt am: 05.12.2005
Zuletzt verändert am: 05.12.2005