Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 06.06.2001 wird zurückgewiesen. Der Kläger hat der Beklagten auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Neuberechnung der Degression für das Jahr 1995.
Der Kläger ist als Vertragszahnarzt in N niedergelassen. Er führte vom 15.12.1995 bis 31.08.1998 eine Gemeinschaftspraxis mit einem anderen Zahnarzt.
Die Beklagte hatte für die Degressionsberechnung nach § 85 Abs. 4 b 5. Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) dem Kläger und seinem Partner auch für das Jahr 1995 die volle degressionsfreie Punktmenge zugebilligt. Da das BSG im Urteil vom 03.12.1997 (6 RKA 79/96) dieser Auffassung widersprochen und entschieden hatte, dass bei einer Gemeinschaftspraxis für den im laufenden Kalenderjahr als gleichberechtigtes Mitglied in die Sozietät aufgenommenen Partner nur der der Dauer der Tätigkeit entsprechende Anteil von 350.000 Punkten anzurechnen sei, nahm die Beklagte eine Neuberechnung vor. Ohne vorangegangene Anhörung forderte sie in dem an die Partner der Gemeinschaftspraxis adressierten Bescheid vom 21.12.1999 einen Honoraranteil von 27.508,32 DM zurück. Unter Hinweis auf das genannte Urteil des BSG führte sie aus, bei der Ermittlung der Punktmengen in den Jahren 1993 – 1997 habe sie die Entscheidung des BSG nicht berücksichtigt. Die auf Grund der Rechtsprechung erforderlichen Korrekturen führten zu Honorarrückforderungen von den betroffenen Zahnärzten. Für die Gemeinschaftspraxis ergebe sich für das Kalenderjahr 1995 eine Honorarrückforderung von 27.508,32 DM, deren Zusammensetzung sie in einer Anlage erläuterte. Wegen weiterer Einzelheiten des Inhalts des Bescheides wird auf ihn Bezug genommen. Der Bescheid wurde durch Einwurf-Einschreiben am 21.12.1999 übermittelt.
Am 29.02.2000 legte der Kläger Widerspruch ein. Zur Begründung führte er aus, die Honorarrückforderung könne nur auf der Grundlage des § 45 10. Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) erfolgen. Die Beklagte habe aber die Frist für die Rücknahme des ursprünglichen Honorarbescheides versäumt, die spätestens bis zum Ende des Jahres 1996 hätte erfolgen müssen. Mit Widerspruchsbescheid vom 18.10.2000 wies die Beklagte den Widerspruch wegen Versäumung der Widerspruchsfrist als unzulässig zurück.
Zur Begründung der am 20.11.2000 erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, er sei auf Grund der fehlenden Anhörung davon ausgegangen, dass der Verwaltungsakt nicht in seinen bisherigen Besitzstand eingreife. Wegen dieses Irrtums gelte die Versäumung der Widerspruchsfrist gemäß § 41 Abs. 3 SGB X als nicht verschuldet. Materiell sei der Verwaltungsakt rechtswidrig, da die Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes nicht vorlägen.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 06.06.2001 abgewiesen. Die Beklagte habe den Widerspruch zu Recht als unzulässig zurückgewiesen, denn der Kläger habe die Widerspruchsfrist von einem Monat versäumt. Die Beklagte habe dem Kläger auch nicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand einräumen müssen. Zwar werde nach § 41 Abs. 3 SGB X bei einer unterbliebenen Anhörung das Fehlen des Verschuldens fingiert. Die Vorschrift setze jedoch eine Kausalität zwischen unterbliebener Anhörung und Versäumung der Frist voraus. Hierfür habe der Kläger nichts vorgetragen. Da sich aus dem angefochtenen Bescheid eindeutig die Gründe für die Neuberechnung der Punktmengenüberschreitung ergeben hätten, sei nicht ersichtlich, inwiefern der Kläger an der rechtzeitigen Einlegung des Widerspruchs gehindert gewesen sei.
Gegen das ihm am 12.06.2001 zugestellte Urteil hat der Kläger am 21.06.2001 Berufung eingelegt. Er hält an seiner Auffassung fest, dass Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hätte gewährt werden müssen und meint, § 41 Abs. 3 SGB X sei dahingehend auszulegen, dass die Kausalität zwischen der unterbliebenen Anhörung und der Fristversäumung bereits dann zu bejahen sei, wenn nicht ausgeschlossen werden könne, dass andernfalls der Widerspruch fristgemäß eingelegt worden wäre. In der Sache vertritt er die Auffassung, dass die Neuberechnung der Degressionspunktmenge aus Vertrauensschutzgründen nicht zulässig gewesen sei.
Das Verfahren hat auf Grund des Beschlusses vom 05.06.2002 geruht. Die Beklagte hat am 25.10.2004 die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 06.06.2001 zu ändern und den Bescheid vom 21.12.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.10.2000 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Die Beigeladenen haben sich zur Sache nicht geäußert.
Alle Beteiligten haben einer Entscheidung allein durch den Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, auch hinsichtlich des Vorbringens der Beteiligten, wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der Entscheidung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet, denn das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Der Bescheid vom 21.12.1999 ist bindend geworden, da der Kläger die Widerspruchsfrist (§ 84 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) von einem Monat versäumt hat. Der Bescheid vom 21.12.1999 ist dem Kläger per Einschreiben übersandt worden, so dass er nach § 37 Abs. 2 SGB X am 24.12.1999 als bekanntgegeben galt. Der Kläger hat weder bestritten, dass ihm der Bescheid innerhalb der 3-Tages-Frist zugegangen ist, noch hat er geltend gemacht, der Bescheid sei ihm nicht vor dem 29.01.2000 zugegangen, so dass sein Widerspruch vom 29.02.2000 noch fristgerecht gewesen wäre.
Die Beklagte musste dem Kläger auch nicht nach § 27 Abs. 1 SGB X Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewähren. Die Vorschrift setzt voraus, dass jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Der Kläger hat jedoch keine Tatsachen vorgetragen, die die Versäumung der Widerspruchsfrist als unverschuldet erscheinen lassen. Er hat lediglich die Auffassung vertreten, gemäß § 41 Abs. 3 Satz 1 SGB III gelte wegen der unterbliebenen Anhörung die Versäumung der Widerspruchsfrist als unverschuldet. Diese Vorschrift greift aber nicht ein.
Zwar wäre ungeachtet der Tatsache, dass Rechtsgrundlage der Honorarrückforderung nicht § 45 SGB X, sondern die §§ 19 a Bundesmantelvertrag – Zahnärzte (BMV-Z) bzw. 12 Abs. 1 Zahnarzt-Ersatzkassen-Vertrag (EKV-Z) ist (vgl. zuletzt BSG SozR 4-2500 § 85 Nr. 11) vor Erlass des Bescheides eine Anhörung erforderlich gewesen, da § 24 Abs. 1 SGB X auch bei der Änderung oder Ersetzung eines vorläufigen Bescheides eingreift (BSG SozR3-2500 § 85 Nr. 42). Jedoch setzt § 41 Abs. 3 SGB X die Kausalität zwischen unterbliebener (oder unzureichender) Anhörung und der Fristversäumnis voraus. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift ("dadurch") muss die unterbliebene Anhörung kausal für die nicht rechtzeitige Anfechtung des Verwaltungsaktes gewesen sein. Soweit das LSG Schleswig-Holstein in einem Urteil vom 23.03.1999 (L 6 KA 44/96) allein wegen der fehlenden Begründung eines Bescheides die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bejaht hat, steht dies mit dem Wortlaut der Vorschrift nicht in Einklang.
Auch wenn man annimmt, dass im Zweifel die Kausalität zu bejahen ist und sie immer dann gegeben sei, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass bei ordnungsgemäßem Verfahren der Rechtsbehelf fristgerecht eingelegt worden wäre (so KassKomm/Steinwedel, § 41 SGB X Randnr. 30), ist doch eine Darlegung dazu erforderlich, dass wegen des Verfahrensfehlers die Beschwer nicht erkannt oder überhaupt ein Irrtum über die Notwendigkeit einer rechtzeitigen Anfechtung erregt worden ist (so zu der inhaltsgleichen Vorschrift des § 126 Abs. 3 Abgabenordnung (AO) BFH, Beschluss vom 30.05.2000 – X B 7/01). Hierzu hat der Kläger nichts Substantielles vorgetragen. Zu Recht weist das Sozialgericht darauf hin, dass der Kläger aus der ausführlichen Begründung des angefochtenen Bescheides ohne weiteres erkennen konnte, dass mit dem Bescheid in seinen bisherigen Besitzstand eingegriffen wurde. Der erstinstanzliche Vortrag des Klägers, er habe die Änderung der bisherigen Verwaltungspraxis der Beklagten nicht erkennen könne, ist angesichts des ausdrücklichen Hinweises im Bescheid darauf, dass die Beklagte die Auffassung des BSG in den Jahren 1993 bis 1997 nicht berücksichtigt habe, nicht nachvollziehbar. Die Beklagte hat auch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die erforderliche Korrekturen zu Honorarrückforderungen führten. Eine unterbliebene Anhörung ist für die Versäumung der Anfechtungsfrist nicht ursächlich, wenn in dem Bescheid auf die Gründe der Änderung einer vorangegangenen Honorarfestsetzung hingewiesen worden ist und der Adressat des Bescheides dadurch Gelegenheit hatte, sich innerhalb der Widerspruchsfrist gegen diese Änderung und die Ansicht der Behörde zu wenden (vgl. FG München, Beschluss vom 16.08.2004 – 15 V 2765/04). So liegt es hier.
Da somit der Kläger die Widerspruchsfrist nicht unverschuldet versäumt hat, konnte ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gewährt werden.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 183, 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, insbesondere hat der Rechtsstreit keine grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG), da hier im Einzelfall zu entscheiden war, ob die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vorgelegen haben.
Erstellt am: 30.12.2005
Zuletzt verändert am: 30.12.2005