Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 13.07.2004 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) für die Zeit vom 17.05.2003 bis 31.12.2004.
Die am 00.00.1955 geborene, geschiedene Klägerin bezog Arbeitslosengeld bis zum 16.05.2003. In ihrem Antrag auf Alhi vom 05.05.2003 gab sie als Vermögen Sparbücher über insgesamt 1.680,00 EUR sowie drei Kapitallebensversicherungen bei der I Versicherungs-AG an. Laut Auskunft des Versicherungsunternehmens vom 28.05.2003 beliefen sich die Rückkaufswerte dieser Versicherungen auf 9.679,53 EUR (Versicherungsschein-Nr. 000), 9.081,91 EUR (Versicherungsschein-Nr. 000) und auf 1.573,86 EUR (Versicherungsschein-Nr. 000) zusammen demnach auf einen Gesamtbetrag von 20.335,30 EUR.
Mit Bescheid vom 04.06.2003 lehnte die Beklagte die Gewährung von Alhi mit der Begründung ab, die Klägerin sei nicht bedürftig. Abzüglich eines Freibetrages in Höhe von 9.400,00 EUR verblieben 12.615,30 EUR als anrechnungsfähiger Betrag. Den dagegen am 06.06.2003 mit der Begründung erhobenen Widerspruch, das Vermögen diene ausschließlich der Alterssicherung, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24.06.2003 mit der Maßgabe zurück, das Sparguthaben der Klägerin werde gemäß einer von ihr vorgelegten Bescheinigung nur noch in Höhe von 186,46 EUR berücksichtigt. Im Übrigen verbleibe es dabei, dass der Freibetrag für Personen, die – wie die Klägerin – nach dem 01.01.1948 geboren seien, gemäß § 1 Abs. 2 Arbeitslosenhilfeverordnung (AlhiVO) 2002 in der ab 01.01.2003 geltenden Fassung der Betrag von 200,00 EUR je vollendetem Lebensjahr des Arbeitslosen und seines Partners bei einer Höchstgrenze von 13.000,00 EUR sei. Zum verwertbaren Vermögen zähle auch der Rückkaufswert der drei Lebensversicherungen der Klägerin.
Am 07.07.2003 hat die Klägerin vor dem Sozialgericht (SG) Köln Klage erhoben und zur Begründung ihr Vorbringen aus dem Vorverfahren im Wesentlichen wiederholt.
Die Klägerin hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 04.06.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24.06.2003 zu verurteilen, ihr ab 17.05.2003 Arbeitslosenhilfe nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat an ihrer in den angefochtenen Bescheiden vertretenen Auffassung festgehalten.
Mit Gerichtsbescheid vom 13.07.2004 hat das SG die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Gegen den ihr am 22.07.2004 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 19.08.2004 Berufung eingelegt und zur Begründung zunächst ihr bisheriges Vorbringen im Wesentlichen wiederholt. Sie ist zudem der Ansicht, die AlhiVO, insbesondere § 1 Abs. 2 AlhiVO, sei mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Es liege ein Verstoß gegen die Grundrechtsgarantie, insbesondere gegen Artikel 2 Grundgesetz (GG) vor, weil mit Sicherheit davon auszugehen sei, dass sie im Pensionsalter auf Sozialhilfe angewiesen sein werde. Sie büße nicht nur ihr Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit ein, sondern habe auch keine Chance, auf die finanzielle Gestaltung ihres Lebensabends Einfluss zu nehmen.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 13.07.2004 zu ändern und ihr Arbeitslosenhilfe unter Aufhebung des Bescheides vom 04.06.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24.06.2003 ab 17.05.2003 bis 31.12.2004 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie weist darauf hin, dass trotz eines zusätzlichen Freibetrags von 200,00 EUR pro Lebensjahr wegen der nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) als Altersvorsorgevermögen zu berücksichtigenden Lebensversicherungen keine Bedürftigkeit der Klägerin vorliege, weil das Gesamtvermögen der Klägerin mit 20.521,76 EUR (oder sogar mit 22.717,17 EUR nach den von der Klägerin zuletzt vorgelegten Versicherungsunterlagen) den Freibetrag von 18.800,00 EUR (2 x 9.400,00 EUR) nach wie vor überschreite.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen. Auf den Inhalt der die Klägerin betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten, der ebenfalls Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das SG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 04.06.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24.06.2003 ist rechtmäßig und beschwert die Klägerin nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Klägerin hat ab 17.05.2003 keinen Anspruch auf Alhi gemäß § 190 Abs. 1 Nr. 5 SGB III in Verbindung mit § 193 Abs. 2 SGB III mangels Bedürftigkeit, auch wenn zusätzlich zu der Freibetragsregelung der AlhiVO 2002 in der ab 01.01.2003 geltenden Fassung für Altersvorsorgebeträge im Härtefall ein weiterer Freibetrag von 200,00 EUR pro Lebensjahr berücksichtigt wird. Das BSG hat dazu insbesondere im Urteil vom 17.03.2005 – B 7 a / 7 AL 78/04 R – wörtlich Folgendes ausgeführt:
"Gemäß § 193 Abs. 1 SGB III ist bedürftig ein Arbeitsloser, soweit er seinen Lebensunterhalt nicht auf andere Weise als durch Alhi bestreitet oder bestreiten kann und das zu berücksichtigende Einkommen die Alhi nicht erreicht; § 193 Abs. 2 SGB III bestimmt darüber hinaus, dass nicht bedürftig ein Arbeitsloser ist, solange mit Rücksicht auf sein Vermögen, das Vermögen seines nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartners oder das Vermögen einer Person, die mit ihm in eheähnlicher Gemeinschaft lebt, die Erbringung von Alhi nicht gerechtfertigt ist. § 193 SGB III wird konkretisiert durch die AlhiV 2002. Vorliegend hat das LSG Bedürftigkeit abgelehnt, weil nach § 1 Abs. 1 AlhiV 2002 das gesamte verwertbare Vermögen der Klägerin zu berücksichtigen ist, soweit der Wert des Vermögens den Freibetrag übersteigt. Dieser beträgt nach § 1 Abs. 2 AlhiV 2002 seit 1. Januar 2003 (vgl. auch § 4 Abs. 2 AlhiV 2002) 200,00 EUR je vollendetem Lebensjahr des Arbeitslosen und darf 13.000,00 EUR nicht übersteigen. Ausgehend von dieser Regelung verblieb noch ein zu berücksichtigendes (nicht offensichtlich unwirtschaftlich zu verwertendes, § 1 Abs. 3 Nr. 6 AlhiV 2002) Vermögen, das der Gewährung von Alhi entgegenstehen würde. Allerdings hat der Senat in den oben bezeichneten Urteilen ausgeführt, dass auch für die Zeit bis zum Inkrafttreten des SGB II zumindest die in § 12 Abs. 2 Nr. 3 enthaltende Privilegierungsregelung im Rahmen einer gesetzlichen Härtefallregelung (§ 193 Abs. 2 SGB III) zu berücksichtigen ist.
Danach sind vom Vermögen abzusetzen geldwerte Ansprüche, die der Altersvorsorge dienen, soweit der Inhaber sie vor dem Eintritt in den Ruhestand auf Grund einer vertraglichen Vereinbarung nicht verwerten kann und der Wert der geldwerten Ansprüche 200,00 EUR je vollendetem Lebensjahr des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und seines Partners, höchstens jedoch jeweils 13.000,00 EUR, nicht übersteigt. Dieser Altersvorsorgefreibetrag tritt selbständig neben den generellen Grundfreibetrag in gleicher Höhe (§ 12 Abs. 2 Nr. 1 SGB II) und darf auch Alhi- Empfängern für die Zeit vor dem 1. Januar 2005 nicht verschlossen sein. Die in § 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB II bezeichnete Unverwertbarkeit auf Grund einer vertraglichen Vereinbarung kann allerdings, wie der Senat mit Urteil vom 17. März 2005 (B 7a/7 AL 68/04 R) entschieden hat, nicht ohne weiteres auf die Altersvorsorgebindung von Lebensversicherungsverträgen in der Zeit bis Ende 2004 übertragen werden. Denn diese Regelung des § 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB III steht in engem Zusammenhang mit der durch das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 erfolgten Änderung des § 165 Versicherungsvertragsgesetz (VVG). Nach § 165 Abs. 1 VVG konnte und kann nämlich ein Versicherungsnehmer das Versicherungsverhältnis jederzeit für den Schluss der laufenden Versicherungsperiode (§ 9 VVG) kündigen, wenn laufende Prämien zu entrichten sind. Daraus resultierte gemäß § 178 Abs. 1 VVG vor dem 1. Januar 2005 die Unzulässigkeit einer vertraglichen Vereinbarung bei den traditionellen Lebensversicherungen (vgl: Winkel, SozSich 2004, 205, 206; Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2005, § 12 RdNr. 48). § 165 Abs. 2 VVG erweitert dieses Kündigungsrecht auf bestimmte Kapitalversicherungen für den Todesfall bei einmaliger Prämienzahlung. Erst mit Wirkung ab 1. Januar 2005 wurde auf Grund eines Beschlusses des Vermittlungsausschusses (BT-Drucks. 15/2259 S. 8 f zu Art. 35c) §§ 165 VVG um einen Abs. 3 erweitert. Danach finden Abs. 1 und 2 des § 165 keine Anwendung auf einen für die Altersvorsorge bestimmten Versicherungsvertrag, bei dem der Versicherungsnehmer mit dem Versicherer eine Verwertung vor dem Eintritt in den Ruhestand ausgeschlossen hat. Der Wert der vom Ausschluss der Verwertbarkeit betroffenen Ansprüche darf 200,00 EUR je vollendetem Lebensjahr des Versicherungsnehmers und seines Partners, höchstens jedoch jeweils 13.000,00 EUR nicht übersteigen. Ersichtlich sollte hiermit ein Gleichklang zwischen § 165 VVG und § 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB II geschaffen werden, bei dem die Verwertbarkeit aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung (Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, K § 12 RdNr. 151) durch eine unwiderrufliche Vereinbarung darüber ausgeschlossen sein muss, dass das Vermögen vor dem Erreichen des Ruhestands weder ausgezahlt, übertragen, verpfändet oder sonstwie genutzt werden kann (BT-Drucks. 15/1749 S. 31 zu Art. 1 § 12 Abs. 2).
Vor dem 1. Januar 2005 konnten somit Versicherungsnehmer die Voraussetzungen des erst am 1. Januar 2005 in Kraft getretenen § 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB II üblicherweise von vornherein nicht erfüllen, so dass die Regelung über das privilegierte Vermögen in diesem Punkt für die Alhi-Empfänger für die Zeit bis 31. Dezember 2004 ungünstiger wäre als für Alg-II-Empfänger ab dem 1. Januar 2005. Wie bereits in den Urteilen vom 9. Dezember 1004 (aaO) ausgeführt wurde, müssen jedoch die Alhi-Vorschriften (in der Zeit vor dem 1. Januar 2005) bei der Berücksichtigung von Vermögen den Standard gewähren, den das SGB II ab 1. Januar 2005 zugesteht, um nicht die gesetzlichen Mindestgrenzen schützenswerten Vermögens zu unterschreiten. Dies zwingt bei der entsprechenden Anwendung des § 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB II in der Zeit vor dem 1. Januar 2005 für die Härtefallprüfung des § 193 Abs. 2 SGB III dazu, auf die Voraussetzungen einer vertraglichen Vereinbarung über die Nichtverwertbarkeit jedenfalls für die von § 165 Abs. 1 und 2 VVG betroffenen Lebensversicherungen zu verzichten. Im Rahmen der Härtefallprüfung wird das LSG – allerdings unter Berücksichtigung der in der Norm genannten Beträge – lediglich zu prüfen haben, ob der vorhandene Lebensversicherungsvertrag nach der subjektiven Zweckbestimmung (dazu nur: Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2005, § 12 RdNr. 51; Spellbrink in Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, 2003, § 13 RdNr. 216 mwN) der Altersvorsorge diente. Dabei genügt es für die Alhi, wenn die Fälligkeit des Vertrags in etwa auf den Zeitpunkt des 60. bis 65. Lebensjahres datiert ist (BSG SozR 3-4100 § 137 Nr. 6 S. 58). Sind diese Voraussetzungen erfüllt, ist mithin in der Zeit vor dem 1. Januar 2005 bei dem entsprechenden Lebensversicherungsvertrag typisierend im Rahmen der Härtefallprüfung von der Erfüllung der Voraussetzungen des § 12 Abs 2 Nr. 3 SGB II auszugehen.
Mittels einer an Sinn und Zweck des Alhi-Rechts orientierten Auslegung der in § 193 Abs. 2 SGB III hineinzulesenden Härtefallklausel können im Einzelfall alle Problemfälle – auch verfassungsrechtlicher Art – gelöst werden. Unter Berücksichtigung der die AlhiV 2002 ergänzenden Härtefallprüfung sind deshalb keinerlei Gesichtspunkte für die Annahme ersichtlich, die Absenkung des generellen Freibetrags von 520,00 EUR im Jahre 2002 (zur Ermächtigungs- und Verfassungskonformität dieser Regelung das Senatsurteil vom 27. Januar 2005 – B 7a/7 AL 34/04 R – und vom 9. Dezember 2004 – B 7 AL 30/04 R -, jeweils unter Rückgriff auf BSGE 91, 94 ff = SozR 4 – 4220 § 6 Nr. 1) auf 200,00 EUR pro Lebensjahr ab 1. Januar 2003 sei nicht ermächtigungsgedeckt und verfassungswidrig. Hier gelten die gleichen Überlegungen wie in der Entscheidung des BSG vom 27. Mai 2003 (BSGE 91, 94 ff = SozR 4 – 4220 § 6 Nr. 1): Verbleibt für die Entscheidung im Einzelfall auf Grund der Härtefallklausel ein individueller Entscheidungsfreiraum, ist die Absenkung des generellen Freibetrags, der ohne jegliche weitere Voraussetzungen gewährt wird, nicht zu beanstanden."
Dieser Rechtsprechung des BSG, die inzwischen als gefestigt anzusehen ist (vgl. auch BSG vom 25.05.2005 – B 11 a /11 AL 51 und 73/04 R -), hat sich der Senat unter Aufgabe seiner gegenteiligen früheren Rechtsprechung bereits mit Urteil vom 20.07.2005 – L 12 AL 167/04 – angeschlossen.
Obwohl die Lebensversicherungsverträge der Klägerin als Härtefall zu dem zusätzlichen Freibetrag führen, weil diese 1981 bzw. 1991 abgeschlossen wurden und bis 01.12.2015, also bis kurz nach Vollendung des 60. Lebensjahres der Klägerin, laufen und damit nach den Vorgaben des BSG typisierend im Rahmen der Härtefallprüfung vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB II auszugehen ist, beträgt der für die Klägerin zu berücksichtigende Freibetrag insgesamt lediglich ab 17.05.2003 18.800,00 EUR ( 2 x 9.400,00 EUR), ab 17.10.2003 19.200,00 EUR (2 x 9.600,00 EUR) sowie ab 17.10.2004 19.600,00 EUR (2 x 9.8000,00 EUR), so dass die Klägerin mit ihrem festgestellten Vermögen von 20.521,76 EUR ab 17.05.2003 bis 31.12.2004 oberhalb der Freibetragsgrenze lag und damit nicht bedürftig war.
Die von der Klägerin angenommene Verfassungswidrigkeit bzw. die von ihr angenommenen Verletzungen des GG liegen nach Auffassung des Senats nicht vor.
Zur Revisionszulassung bestand kein Anlass, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
Erstellt am: 05.01.2006
Zuletzt verändert am: 05.01.2006