Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 20.06.2005 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe der der Klägerin seit dem 13.09.2003 zustehenden Arbeitslosenhilfe (Alhi).
Die 1957 geborene Klägerin und ausgebildete Datenverarbeitungskauffrau ist Muslimin. Sie bezog bis zum 15.08.2002 Arbeitslosengeld nach einem gerundeten wöchentlichen Bemessungsentgelt von 875,00 EUR. In ihrem bis zum 31.03.2001 ausgeübten letzten Beschäftigungsverhältnis hatte sie in den letzten 12 Monaten vor dessen Beendigung ein Entgelt in Höhe von insgesamt 87.794,79 DM unter Berücksichtigung von Weihnachtsgeld in Höhe von 5.077,60 DM, Urlaubsgeld in Höhe von 4.642,90 DM und einer Tantieme in Höhe von 952,05 DM erhalten.
Eine gegen den Bescheid vom 10.09.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.12.2002 über die Bewilligung von Alhi ab dem 13.09.2002 gerichtetes Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Köln (Az.: S 4 AL 284/2002), in dem die Klägerin die Berücksichtigung von Kirchensteuer durch die Beklagte bemängelte, endete durch Klagerücknahme.
Mit Bescheid vom 09.09.2003 bewilligte die Beklagte ab dem 13.09.2003 Alhi nach einem gerundeten wöchentlichen Bemessungsentgelt von 745,00 EUR. Ihren dagegen eingelegten Widerspruch vom 15.09.2003 begründete die Klägerin mit der Nichtberücksichtigung von Einmalzahlungen beim Bemessungsentgelt sowie dem Abzug von Kirchensteuern. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11.11.2003 als unbegründet zurück, da Einmalzahlungen bei der Berechnung des Bemessungsentgelts auch nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) im Rahmen der Arbeitslosenhilfe nicht zu berücksichtigen seien und die Kirchensteuer weiterhin zu den gewöhnlich anfallenden Abzügen zähle, auch wenn im Einzelfall auch keine Kirchensteuer gezahlt worden sei.
Mit ihrer am 24.11.2003 beim Sozialgericht (SG) Köln erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiter.
Im laufenden Klageverfahren bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 14.04.2004 (dem die Klägerin mit Schriftsatz vom 29.04.2004 widersprochen hat) Alhi nach einem gerundeten wöchentlichen Bemessungsentgelt von 745,00 EUR ab der erneuten Arbeitslosmeldung am 04.06.2004 bis zum 31.12.2004.
Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 20.06.2005 abgewiesen. Die Berücksichtigung des Kirchensteuerabzuges erfolge auf der Grundlage des § 136 Abs. 2 SGB III und sei nicht verfassungswidrig. Insoweit hat das SG verwiesen auf Rechtsprechung des Landessozialgerichts Berlin vom 25.06.2004 (Az.: L 4 AL 45/2003). Zu Recht habe die gemäß § 200 Abs. 1 SGB III (Sozialgesetzbuch Drittes Buch [SGB III]) auch Einmalzahlungen nicht berücksichtigt.
Gegen den ihr am 23.06.2005 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 14.07.2003 ohne weitere Begründung Berufung eingelegt. In der mündlichen Verhandlung hat sie u.a. ausgeführt, der Kirchensteuerabzug sei ungerecht.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 20.06.2005 zu ändern und ihr unter Änderung des Bescheides vom 09.09.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11.11.2003 ab 13.09.2003 höhere Arbeitslosenhilfe zu bewilligen unter Berücksichtigung von Einmalzahlungen und ohne Berücksichtigung von Kirchensteuer.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des SG für richtig und verweist unter Aufrechterhaltung ihrer bisherigen Argumentation auf die Rechtssprechung des Bundessozialgerichts zu den streitigen Rechtsfragen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten (Stamm-Nr. 000) sowie der Gerichtsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung sein wird.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist jedenfalls unbegründet. Das SG hat die Sach- und Rechtslage zutreffend beurteilt. Die Klägerin ist durch die angefochtenen Bescheide nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG, da ihr eine höhere Alhi ab 13.09.2003 nicht zusteht.
Die Klägerin beanstandet zu Unrecht, dass bei der Ermittlung des für die Höhe der Alhi maßgebenden Leistungsentgelts Kirchensteuer abgezogen wurde. Die Beklagte gewährte die Alhi gemäß § 136 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III in der bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung des Gesetzes vom 24. März 1997 (BGBl. I S. 594). Dass diese Vorschrift durch Gesetz vom 23. Dezember 2003 (BGBl. I S. 2848) mit Wirkung vom 1. Januar 2005 aufgehoben worden ist, ist für den in Bezug auf den Kirchensteuerabzug streitigen Leistungszeitraum ab dem 13.09.2005 ohne Bedeutung.
Die Beteiligten streiten nur noch über die Höhe der der Klägerin in der Zeit vom 13.09.2003 bis zum 16.11.2003 zustehenden Arbeitslosenhilfe (Alhi). Ab dem 17.11.2003 bezog die Klägerin Unterhaltsgeld. Bezüglich des Bescheides vom 14.06.2004 (Leistungsbewilligung vom 04.06. bis 31.12.2004) haben die Beteiligten einen Teilvergleich geschlossen.
Die 1957 geborene Klägerin und ausgebildete Datenverarbeitungskauffrau ist Muslimin.
Nach § 136 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III in der bis 31. Dezember 2004 geltenden Fassung ist bei der Bestimmung der pauschalierten Entgeltabzüge, "die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen", für die Kirchensteuer die Steuer nach dem im Vorjahr in den Ländern geltenden niedrigsten Kirchensteuer-Hebesatz zugrunde zu legen.
Die Anwendung der Vorschrift des § 136 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III begegnet zur Überzeugung des Senats keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat bereits mit Beschluss vom 23. März 1994 (1 BvL 8/85=SozR 3-4100 § 111 Nr. 6) zur Vorgängernorm des § 111 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) ausgeführt, es sei mit dem Grundgesetz (GG) vereinbar, dass nach § 111 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 AFG auch bei Arbeitslosen, die keiner Kirche angehörten, bei der Berechnung des für die Höhe des Arbeitslosengeldes maßgebenden Nettoentgelts als "gewöhnlich" anfallender Abzug auch ein Kirchensteuer-Hebesatz zu berücksichtigen war, jedenfalls so lange wie eine deutliche Mehrheit von Arbeitnehmern einer Kirche angehöre, die Kirchensteuer erhebe.
Das BSG hat unter Beachtung der skizzierten verfassungsrechtlichen Rechtsprechung mit Urteil vom 25. Juni 2002 (B 11 AL 55/01 R) entschieden, dass der Gesetzgeber gehalten sei, den geänderten Verhältnissen Rechnung zu tragen, sobald ihm Zahlen vorlägen, wonach die Zahl der einer steuererhebenden Kirche angehörenden Arbeitnehmer unter 55 % gesunken sei. (vgl. auch Beschluss vom 23. März 2004, B 11 AL 213/03 B).
Die letzte Sonderauswertung des Statistischen Bundesamtes basiert auf Daten des Jahres 1998, sie wurden Ende Mai 2003 erstellt. Danach waren im Jahr 1998 von den insgesamt 29,4 Mio. in der Statistik erfassten lohnsteuerpflichtigen Arbeitnehmern 16,7 Mio. kirchensteuerpflichtig. Dies entspricht einem Anteil von 56,8 Prozent. Für den hier streitigen Zeitraum lagen somit keine Zahlen vor, die nach der Rechtsprechung des BSG (a.a.O.) den Gesetzgeber gezwungen hätten, bereits zu einem früheren Zeitpunkt als dem 01.01.2005 der stetig sinkenden Mitgliederzahlen Kirchensteuer erhebender Kirchen Rechnung zu tragen. Auch der Senat schließt sich nach eigener Überprüfung ausdrücklich der bereits vom SG angeführten Rechtsprechung des LSG Berlin mit Urteil vom 25. Juni 2004 (L 4 AL 45/03) an (vgl. auch das Urteile des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht vom 15. April 2005, L 3 AL 26/04 sowie des LSG NRW vom 16.08.2005, L 1 AL 117/03). Den Beteiligten ist eine Abschrift dieser Entscheidung, auf deren ausführliche Begründung zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, durch das SG zur Verfügung gestellt worden.
Erst seit dem 01.01.2005 ist das Leistungsentgelt (im Rahmen der Bewilligung von Arbeitslosengeld) nach § 133 SGB III n.F. zu berechnen. Gemäß Abs. 1 dieser Vorschrift mindert sich das Bemessungsentgelt nur noch um eine Sozialversicherungspauschale von 21 Prozent des Bemessungsentgelts (Nr. 1), um die Lohnsteuer nach näheren Maßgaben (Nr. 2) und um den Solidaritätszuschlag ohne Berücksichtigung von Kinderfreibeträgen (Nr. 3). Der Gesetzgeber hat ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs vom 5. September 2003 (BT-Drucks. 15/1515, S. 86) der Rechtsprechung des BVerfG (a.a.O.) zeitnah nach Vorliegen der genannten Sonderauswertung des Statistischen Bundesamtes für das Jahr 1998 Rechnung getragen, da auf absehbare Zeit nicht mehr zweifelsfrei davon ausgegangen werden könne, dass eine deutliche Mehrheit von Arbeitnehmern einer Kirchensteuer erhebenden Kirche angehöre. Dass der Wegfall des Kirchensteuerabzugs erst zum 01.01.2005 realisiert wurde, ist wegen der erforderlichen praktischen und finanzpolitischen Vorlaufzeit nicht zu beanstanden (vgl. LSG Berlin, a.a.O.).
Die Klägerin kann sich ebenso wenig mit Erfolg darauf berufen, die Beklagte habe ihr unter Berücksichtigung von Einmalzahlungen höhere Leistungen der Alhi bewilligen müssen. Gemäß §§ 200 Abs. 1, 434c Abs. 4 SGB III bleiben bei der Bemessung von Leistungen der Alhi Arbeitsentgelte außer Betracht, die einmalig gezahlt werden.
Diese Vorschriften sind zur Überzeugung des Senats nicht verfassungswidrig. Sie verstoßen weder gegen Art. 14 GG noch gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.
Das BSG hat diesbezüglich ausgeführt:
"Im Hinblick darauf, dass es sich bei der Alhi um eine Sozialleistung handelt, die aus Steuermitteln finanziert und die nur bei Bedürftigkeit des Antragstellers gewährt wird, haben der 7. und der 11. Senat des BSG bereits mehrfach entschieden, dass der Anspruch auf Alhi nicht unter den Schutzbereich der Eigentumsgarantie fällt (vgl nur BSGE 73, 10, 17 ff = SozR 3-4100 § 118 Nr 4; BSGE 85, 123, 130 = SozR 3-4100 § 136 Nr 11; SozR 3-4300 § 427 Nr 2). Daran hält der Senat fest. Dem letztgenannten Umstand kommt Bedeutung für den Prüfungsmaßstab bei der Beurteilung der Rechtfertigungsgründe für die Ungleichbehandlung zu (BVerfGE 74, 9, 24; 91, 389, 401 – stRspr). Da der Gesetzgeber mit der Nichtberücksichtigung von einmalig gezahltem Arbeitsentgelt bei der Alhi nicht in den Schutzbereich eines anderen Grundrechts eingreift, unterliegt der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers für Ungleichbehandlungen nicht den engen Bindungen, die etwa bei dem dem Schutzbereich des Art 14 GG unterfallenden Alg zu beachten sind (vgl schon BSG SozR 3-4100 § 136 Nr 6). Es bestehen deshalb keine grundsätzlichen Bedenken dagegen, dass der Gesetzgeber sich bei der Alhi von der beitragsbezogenen Betrachtungsweise löst und lediglich die laufend gezahlten Arbeitsentgelte zum Maßstab der Leistungsgewährung macht.
Da der Erfolgswert der gezahlten Beiträge kein geeigneter Maßstab für eine verfassungsrechtlich zu beanstandende Ungleichbehandlung der Bezieher von Alhi ist, könnte der Kläger einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz nur geltend machen, wenn der Gesetzgeber von Verfassungs wegen gehalten wäre, den früheren Lebensstandard, der auch durch Einmalzahlungen geprägt wird, während der gesamten Dauer der Arbeitslosigkeit aufrecht zu erhalten (so zutreffend Krauß in Wissing, SGB III § 200 RdNr 17). Das BVerfG lehnt jedoch die Geltung des Lebensstandardprinzips als Verfassungsgebot in seiner Rechtsprechung ausdrücklich ab (BVerfGE 51, 115, 125 = SozR 4100 § 112 Nr 10; BVerfGE 72, 9, 20 f = SozR 4100 § 104 Nr 13; BVerfGE 90, 226, 240 = SozR 3-4100 § 111 Nr 6). Der Gesetzgeber ist deshalb von Verfassungs wegen nicht gehindert, bei der Ausgestaltung der Alhi einfachgesetzlich von diesem Prinzip (vgl zur Geltung des Lebensstandardprinzips für die Alhi Spellbrink in Kasseler Handbuch SGB III § 13 RdNr 17) wieder abzuweichen."
Der Senat schließt sich den Ausführungen des BSG nach eigener Überprüfung an (vgl. statt vieler auch Urteil des LSG NRW vom 16.08.2005, L 1 AL 117/03, m.w.N.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) bestehen nicht.
Erstellt am: 31.01.2006
Zuletzt verändert am: 31.01.2006