Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 23.06.2004 abgeändert. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 30.04.2002 verurteilt, den Widerspruch der Beigeladenen zu 1) gegen den Bescheid des Prüfungsausschusses vom 17.07.2001 zurückzuweisen. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über Regresse wegen Arzneimittelverordnungen in den Quartalen II/2000 und III/2000.
Die Klägerin nimmt als niedergelassene Ärztin in B an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Sie verordnete im II. und III. Quartal 2000 drei mal der Versicherten B T das Arzneimittel Thymoject. Bei dem Präparat handelt es sich um ein Fertigarzneimittel mit dem arzneilich wirksamen Bestandteil Thymusdrüse, das fiktiv zugelassen ist. Anwendungsgebiete sind Erkrankungen, die mit einem Immuneffekt verbunden sind, z.B. bösartige Tumore.
Die Beigeladene zu 1) beantragte am 26.03.2001 wegen der Verordnungen die Festsetzung eines Regresses in Höhe von insgesamt 527,54 DM. Die Klägerin wies in ihrer Stellungnahme zu dem Prüfantrag darauf hin, sie behandele die Patienten seit 1997 wegen eines Mammakarzinoms erfolgreich mit einer komplementären Therapie mit Mistelextrakten, Orthomolekulartherapie und – in Intervallen – Thymojectinjektionen, nachdem schulmedizinische Behandlungsmaßnahmen ausgeschöpft gewesen seien. Der Prüfungsausschuss gelangte zu dem Ergebnis, dass keine unzulässigen Verordnungen vorlägen und lehnte die Festsetzung eines Regresses ab (Bescheid vom 17.07.2001).
Die Beigeladene zu 1) legte Widerspruch ein und machte geltend, das Arzneimittel sei nur fiktiv zugelassen. Die für eine Zulassung geforderte therapeutische Wirksamkeit sei nicht durch kontrollierte klinische Studien belegt. Qualität und Wirksamkeit des Medikamentes entsprächen somit nicht dem für alle Krankenversicherungsleistungen geforderten allgemein anerkannten Band der medizinischen Erkenntnisse. Mit Bescheid vom 30.04.2002 setzte der Beklagte antragsgemäß einen Regress in Höhe von 527,54 DM (269,73 Euro) wegen unzulässiger Verordnung des Arzneimittels Themoject fest. Zur Begründung der Unzulässigkeit der Verordnungen bezog er sich auf einen Beschluss des 7. Senats des LSG NRW vom 11.10.2000 (L 7 B 3/00 V), wonach die Verordnung von Thymoject nicht von der Leistungspflicht der GKV umfasst sei.
Zur Begründung der Klage hat sich die Klägerin im Wesentlichen auf ihre Stellungnahme gegenüber dem Prüfungsausschuss bezogen.
Das Sozialgericht hat nach Beiziehung von Unterlagen zu dem Arzneimittel Thym-Uvocal die Klage mit Urteil vom 23.06.2004 abgewiesen. Es hat offengelassen, ob die Verordnung wegen eines Verstoßes gegen die Arzneimittelrichtlinien unzulässig sei. Die Verordnung sei unabhängig davon deshalb unzulässig gewesen, weil die verordnete Leistung nicht von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen umfasst sei. Die immun-biologische Therapie, zu der die Behandlung mit Thymuspeptiden gehöre, sei eine neue Behandlungsmethode im Sinne des § 135 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Da sie vom (jetzt) Gemeinsamen Bundesausschuss nicht anerkannt sei, könne sie zu Lasten der GKV nicht erbracht werden.
Zur Begründung der fristgerecht eingelegten Berufung macht die Klägerin geltend, die Verordnung sei nicht unwirtschaftlich gewesen und bezieht sich im Übrigen auf einer Entscheidung des Sozialgerichts Düsseldorf vom 05.05.2004 (S 33 KA 75/02).
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 23.06.2004 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, den Widerspruch der Beigeladenen zu 1) gegen den Bescheid des Prüfungsausschusses vom 17.07.2001 zurückzuweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und meint, unabhängig davon sei das Präparat nach dem Beschluss des LSG NRW vom 11.10.2000 (a.a.O.) nicht verordnungsfähig.
Die Beigeladenen haben sich im Berufungsverfahren nicht geäußert.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, auch hinsichtlich des Vorbringens der Beteiligten, wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin hat auch in der Sache Erfolg, denn das Sozialgericht hat zu Unrecht angenommen, dass die streitigen Verordnungen von Thymoject unzulässig gewesen sein. Der Prüfungsausschuss hat somit zu Recht die Festsetzung eines Regresses gegen die Klägerin abgelehnt, so dass der Beklagte, dessen Entscheidung allein im Gerichtsverfahren der Überprüfung unterliegt (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr. 22) zur Zurückweisung des Widerspruchs des Beigeladenen zu 1) gegen den Bescheid vom 17.07.2001 zu verpflichten war.
I. Der Verordnungsfähigkeit von Thymoject steht entgegen der im Beschluss des 7. Senats des LSG NRW vom 11.10.2000 (a. a. O.) vertretenen Auffassung nicht entgegen, dass das Medikament nicht förmlich nach § 25 Abs. 1 Arzneimittelgesetz (AMG) zugelassen war, sondern nur als sogenanntes Alt-Arzneimittel fiktiv als zugelassen galt (§ 105 AMG). Das BSG hat in der Vergangenheit die Verordnungsfähigkeit nur für solche Medikamente verneint, für die die Zulassung nicht beantragt (BSGE 72, 252 "Goldnerz") oder abgelehnt worden war (SozR 3-2500 § 31 Nr. 3 "Edelfosin"). Insoweit ist das Arzneimittelrecht "negativ vorgreiflich", weil eine erforderliche, aber nicht vorhandene Zulassung stets die Verordnungsfähigkeit ausschließt. Im Urteil vom 27.09.2005 (B 1 KR 6/04 R) hat jetzt das BSG darüber hinausgehend die Leistungspflicht auch für ein Medikament verneint, wenn eine abschlägige Entscheidung der zuständigen Arzneimittelbehörde über die Verlängerung der Arzneimittelzulassung ergangen ist und die arzneimittelrechtliche Verkehrsfähigkeit des Mittels nur aus rein verfahrensrechtlichen Gründen des einstweiligen Rechtsschutzes hergeleitet werden kann. Zum Zeitpunkt der hier streitigen Verordnung war aber noch keine arzneimittelrechtliche Entscheidung über die Verlängerung der Zulassung ergangen. Allein der Umstand, dass sich ein Medikament im Nachzulassungsverfahren befindet und seine Bewertung durch die Arzneimittelbehörde noch aussteht, steht der Leistungspflicht der Krankenkassen nicht entgegen.
II. 1.) Die Unzulässigkeit der Verordnungen ergibt sich auch nicht aus Ziffer 17.1 AMR (in der jetzigen Fassung Ziffer 20.1 m). Die Regelung der Ziffer 17.1 AMR betrifft "Verordnungseinschränkungen auf Grund §§ 2 Abs. 1 Satz 3, 12, 70 SGB V", die damit begründet werden, für die genannten Arzneimittel fehlten – von den ausdrücklich geregelten Ausnahmen abgesehen – im allgemeinen die Voraussetzungen für die Notwendigkeit einer entsprechenden Arzneimitteltherapie und/oder für deren therapeutischen Nutzen. Unter den in Nr. 17.1 genannten Mitteln, die "nicht verordnet werden dürfen", werden unter Buchstabe m Zellulartherapeutika und Organhydrolysate genannt.
a) Es kann dahinstehen, ob es sich bei Thymoject um ein Organhydrolysat im Sinne der genannten Bestimmung handelt. Der Senat bezweifelt allerdings die Richtigkeit der Auffassung, dass wegen der Zubereitung Thymoject nicht ein Organhydrolysat im Sinne der Nr. 17.1 m AMR sei. Die insoweit angeführte Stellungnahme des Bundesausschusses vom 24.08.1994 ist unergiebig, da er nur davon spricht, Organhydrolysate seien "grobe" Zubereitungen aus tierischen Organen. Insoweit mögen inzwischen auf Grund des wissenschaftlichen Fortschritts im pharmakologischen Bereich auch "feinere" Zubereitungsmöglichkeiten möglich und üblich sein, ohne dass dies etwas am Charakter des Präparates als Organhydrolysat ändert. Von daher ist es nicht überzeugend, wenn in dem für den Hersteller von Thym-Uvocal erstellten Gutachten vom 21.03.2002 allein wegen der aufwändigen Herstellung und der geringen Größe der Thymus-Peptide gefolgert wird, Thym-Uvocal sei kein Organhydrolysat. Fehl gehen dürfte jedenfalls die Gleichstellung mit den aus tierischen Organen gewonnenen Mitteln wie Insulin oder Heparin. Letztere sind aus Organen gewonnene Einzelsubstanzen, während im vorliegenden Fall ein Peptidgemisch hergestellt wird. Von daher dürfte auch nicht eine auf einen wesentlichen Wirkstoff quantitativ standardisierte Zubereitung vorliegen, weil es keinen einzelnen Wirkstoff gibt, sondern "der" Wirkstoff das Peptid-Gemisch ist. Wie dem Urteil des Thüringischen LSG vom 28.06.2004 (L 6 KR 696/01) zu entnehmen ist, hat das BfArM auch gegenüber diesem Gericht bestätigt, dass es sich bei Thym-Uvocal um ein Organhydrolysat handele (so dass es für den Senat nicht ganz verständlich ist, weshalb das BfArM sich jetzt für eine entsprechende Stellungnahme nicht für befugt hält).
b) Auf die Frage, ob tatbestandlich der Verordnungsausschluss der Nr. 17.1 m AMR eingreift, kommt es jedoch nicht an, weil der Bundesausschuss bis zum 31.12.2003 nicht ermächtigt war, ein Arzneimittel grundsätzlich in den nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V erlassenen Richtlinien auszuschließen, so dass die genannte Regelung unwirksam ist.
Eine solche Befugnis war in dem vor dem 01.01.2004 geltenden Recht in § 34 Abs. 3 SGB V ausdrücklich nur dem Verordnungsgeber eingeräumt worden. § 34 Abs. 3 Satz 1 SGB V ermächtigt das zuständige Ministerium, unwirtschaftliche Arzneimittel durch Verordnung von der Versorgung nach § 31 SGB V auszuschließen. Als unwirtschaftlich anzusehen sind nach Satz 2 a. a. O. unter anderem Arzneimittel, deren Wirkung wegen der Vielzahl der enthaltenen Wirkstoffe nicht mit ausreichender Sicherheit beurteilt werden können oder deren therapeutischer Nutzen nicht nachgewiesen ist. Demgegenüber sah § 92 Abs. 1 Satz 1 SGB V in der bis 31.12.2003 geltenden Fassung nur allgemein vor, dass der Bundesausschuss Regelungen zur Sicherung einer wirtschaftlichen Versorgung treffen könne. Durch das die GKV-Modernisierungsgesetz vom 14.11.2003 (BGBl I, 2190 (GMG)) ist mit Wirkung vom 01.01.2004 zum Einen in § 92 Abs. 1 Satz 1 SGB V ein Halbsatz 3 eingefügt worden, der nunmehr ausdrücklich den Gemeinsamen Bundesausschuss auch zum Ausschluss von Leistungen ermächtigt, wenn nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse der diagnostische oder therapeutische Nutzen, die medizinische Notwendigkeit oder die Wirtschaftlichkeit nicht nachgewiesen sind. Zum Anderen ist § 34 Abs. 3 SGB V durch eine Regelung (Satz 3 a. a. O.) ergänzt worden, wonach die Kompetenz des Gemeinsamen Bundesausschuss subsidiär neben der des Verordnungsgebers besteht.
Die Frage, ob auch nach dem bis 31.12.2003 geltenden Recht der (frühere) Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen neben dem Verordnungsgeber die Kompetenz besaß, Arzneimittel in Richtlinien auszuschließen, war in der Literatur umstritten (s. Nachweise bei Knispel, NZS 2000, 441, 442). Der 8. Senat des BSG hatte sie im Urteil vom 30.09.1999 (SozR 3-2500 § 27 Nr. 11) noch offen gelassen. Seine Entscheidung, die die Unwirksamkeit der früheren Ausschlussregelung der Ziffer 17.1 f AMR für Arzneimittel zur Behandlung der erektilen Dysfunktion betraf, beruhte darauf, dass der Bundesausschuss nicht ermächtigt sei, den Begriff Krankheit in § 27 Abs. 1 SGB V hinsichtlich seines Inhalts und seiner Grenzen selbst zu bestimmen und im Rahmen der Richtlinien die Behandlung bestimmter Krankheiten oder Krankheitssymptome zu Lasten der GKV gänzlich auszuschließen. Für Heilmittel hatte der 1. Senat des BSG allerdings im Urteil vom 16.09.1999 (SozR 3-2500 § 27 Nr. 12) entschieden, dass § 34 Abs. 3 SGB V für die Anordnung von Leistungsverboten bei Heilmitteln eine abschließende Regelung treffe (ebenso Urteil vom 19.03.2002, SozR 3-2500 § 138 Nr. 2). In seiner jüngsten Entscheidung vom 10.05.2005 (B 1 KR 28/04 R) zum Ausschluss von Medikamenten zur Behandlung der erektilen Dysfunktion knüpft der 1. Senat nunmehr an diese Rechtsprechung an und stützt die Unwirksamkeit der früheren Ausschlussregelung der Ziffer 17.1 f AMR auch darauf, dass die Kompetenz zum Ausschluss von Arzneimitteln aus der Leistungspflicht dem Gesetz- bzw. Verordnungsgeber vorbehalten war. Überzeugend legt er da, dass erst mit dem GMG der Gesetzgeber – ausdrücklich als Reaktion auf die genannte Rechtsprechung des BSG – klargestellt habe, dass subsidiär zur Befugnis des Verordnungsgebers, Leistungen von der Verordnungsfähigkeit in der GKV auszuschließen, auch der Richtliniengeber nach § 92 SGB V Leistungsausschlüsse treffen könne. Soweit die Gesetzesbegründung von einer "Klarstellung" spricht (BT-Drucksache 15/1525, 87) sieht das BSG zu Recht die jetzt erfolgte Regelung nicht als Klarstellung, sondern als Änderung der Rechtslage an, denn es lehnt ausdrücklich eine Vorwirkung dieser Regelung ab. Der Senat hält diese Auffassung des BSG, dass der Bundesausschuss vor dem 01.01.2004 nicht befugt war, Arzneimittelgruppen in den Richtlinien nach § 92 SGB V von der Leistungspflicht auszuschließen, für zutreffend (ebenso LSG Schleswig-Holstein NZS 2005, 596 zum Verordnungsausschluss in Ziffer 17.1 f AMR für Abmagerungsmittel und Appetitzügler; dagegen geht das Thüringische LSG, a. a. O., ohne Problematisierung von der Wirksamkeit der Ausschlussregelung in Ziffer 17.1 m AMR aus).
c) Der Ausschluss in den AMR kann auch nicht damit gerechtfertigt werden, dass er sich schon unmittelbar aus §§ 2 Abs. 1 Satz 3, 12 SGB V ergebe, der Bundesausschuss also damit nur eine quasi deklaratorische Regelung getroffen habe. Aus § 34 Abs. 3 SGB V ergibt sich, dass für einen vollständigen Ausschluss aus der Leistungspflicht unter dem Aspekt der Unwirtschaftlichkeit eine eigenständige Entscheidung erforderlich ist. Zur Wirtschaftlichkeit in diesem Sinne zählt auch der therapeutische Nutzen. Diese Entscheidung war nach dem oben Gesagten bis zum 31.12.2003 dem Verordnungsgeber vorbehalten. Auch steht die Annahme eines aus § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V folgenden Ausschlusses in Widerspruch zur Zuständigkeit der Arzneimittelbehörden für die Beurteilung von Wirksamkeit und Qualität von Fertigarzneimitteln. Bei der Versorgung mit zulassungspflichtigen Arzneimitteln verzichtet das Krankenversicherungsrecht weitgehend auf eigene Vorschriften zur Qualitätssicherung, da es bei dem für die Zulassung geforderten Nachweis der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des Medikaments (§ 21 Abs. 2 AMG) im Kern um die gleichen Kriterien geht, die auch für Leistungen der GKV gelten. Das BSG hat daher ausdrücklich verneint, dass der Bundesausschuss zulassungspflichtige Arzneimittel für den Einsatz in der GKV einer nochmaligen gesonderten Begutachtung unterziehen und die arzneimittelrechtliche Zulassung durch eine für die GKV geltende Empfehlung ergänzen bzw. ersetzen dürfe (BSG SozR 3-2500 § 31 Nr. 8; SozR 4-2500 § 27 Nr. 1). Das in Frage stehende Arzneimittel war zwar nicht nach § 25 AMG zugelassen, sondern verfügte nur über eine fiktive Zulassung nach § 105 AMG. Dies ändert aber nichts daran, dass über die Wirksamkeit und Qualität eines Arzneimittels ausschließlich im Rahmen des Arzneimittelrechts zu entscheiden ist. Wenn dieses für Alt-Arzneimittel eine zeitlich beschränkte (fiktive) Zulassung bis zu einer abschließenden Bewertung durch die Zulassungsbehörden hinnimmt, kann dieser Entscheidung nicht durch eine Beurteilung des Bundesausschusses (oder gar der einzelnen Krankenkassen), dass Wirtschaftlichkeit und Qualität des in Frage stehenden Arzneimittels nicht im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V nachgewiesen seien, vorgegriffen werden. Erst wenn die arzneimittelrechtliche Prüfung mit einem für den Hersteller negativen Ergebnis abgeschlossen ist und die Arzneimittelbehörde eine Verlängerung der Zulassung abgelehnt hat und die weitere arzneimittelrechtliche Verkehrsfähigkeit des Arzneimittels nur noch aus rein verfahrensrechtlichen Gründen (wegen der aufschiebenden Wirkung eingelegter Rechtsmittel) hergeleitet werden kann, entfällt die Leistungspflicht der GKV (vgl. BSG Urteil vom 27.09.2005 – B 1 KR 6/04 R).
2.) Der Regress kann auch nicht auf einen Verstoß gegen Ziffer 17.2 f AMR gestützt werden. Diese Vorschrift macht die Verordnung der im Einzelnen genannten Arzneimittel davon abhängig, dass zuvor allgemeine nicht medikamentöse Maßnahmen genutzt wurden, hierdurch aber das Behandlungsziel nicht erreicht werden konnte und eine medikamentöse Behandlung mit diesen Arzneimitteln zusätzlich erforderlich ist. Hierzu zählt Buchstabe f auch sogenannte Umstimmungsmittel und Immunstimulanzien. Insoweit fehlen schon jegliche Feststellungen der Prüfgremien dazu, inwieweit im konkreten Fall einer Tumor(nach)behandlung nicht medikamentöse Maßnahmen die hier durchgeführte Arzneimitteltherapie hätten ersetzen können. Im Übrigen liegt auf der Hand, dass die der Thymustherapie zugeschriebene Wirkung, nämlich die bei zunehmender Alterung abnehmende Funktion der Thymusdrüse für die Regulierung des Immunsystems auszugleichen (s. dazu die im Prüfverfahren eingereichten Unterlagen) durch nicht medikamentöse Maßnahmen kaum erreicht werden können.
III. Schließlich folgt die Unzulässigkeit der Verordnungen auch nicht daraus, dass es sich bei der Thymustherapie um eine neue Behandlungsmethode im Sinne des § 135 Abs. 1 SGB V handelt, die der – hier fehlenden – positiven Bewertung durch den Bundesausschuss bedürfe. Die Ansicht, Arzneimitteltherapien mit nicht zugelassenen Arzneimitteln unterfielen (grundsätzlich) dem § 135 Abs. 1 SGB V (so der 7. Senat des LSG NRW in dem Beschluss vom 11.10.2000, a. a. O.) trifft nicht zu. Eine solche Zuständigkeit des Bundesausschusses besteht nur für – nicht dem AMG unterfallende – Rezepturarzneimittel (vgl. BSGE 82, 233; 86, 54), nicht aber für Fertigarzneimittel (BSG SozR 3-2500 § 31 Nr. 8; SozR 4-2500 § 27 Nr. 1.). Ambulant durchgeführte bloße Pharmakotherapien unterliegen somit nicht dem Erlaubnisvorbehalt des § 135 Abs. 1 SGB V. Etwas anderes mag für medikamentöse Behandlungen gelten, wenn die Medikation im Rahmen einer Kombination verschiedener sich ergänzender Maßnahmen erfolgt, die alle unverzichtbarer Bestandteil der Gesamtbehandlung sind und gerade die Kombination der Mittel das besondere (und ggf. neuartige) der ärztlichen Behandlung ausmachen soll (s. insoweit BSG SozR 3-2500 § 135 Nr. 4 für eine "immun-biologische Therapie"). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Die Klägerin hat im Rahmen ihrer komplementären Therapie neben Thymoject lediglich weitere Arzneimittel (Mistelextrakte) und sonstige Präparate verordnet (wobei dahinstehen kann, ob sich bei den im Rahmen der sog. Orthomolekulartherapie angewandten Mittel um Arzneimittel oder Nahrungsergänzungsmittel handelt). Dass ihrem Vorgehen ein eigenes theoretisch wissenschaftliches Konzept zugrundeliegt, das es von anderen Therapieverfahren unterscheidet und seine systematische Anwendung in der Behandlung bestimmter Krankheiten rechtfertigen soll (zum Begriff der Methode im Sinne des § 135 SGB V s. BSG SozR 3-2500 § 92 Nr. 12) ist weder von dem Beklagten noch dem Sozialgericht festgestellt und auch von der Klägerin nicht behauptet worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i. V. m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG, da sich die für die Entscheidung maßgebende Rechtslage durch die genannten Ergänzungen der §§ 34 Abs. 3, 92 Abs. 1 Satz 1 SGB V durch das GMG geändert hat und sich somit die für die Entscheidung maßgebenden Rechtsfragen künftig nicht mehr in gleicher Weise stellen werden.
Erstellt am: 06.09.2006
Zuletzt verändert am: 06.09.2006