Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 28.09.2005 geändert. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig ab August 2005 bis einschließlich Februar 2006 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II) in Höhe von 537,95 EUR monatlich zu erbringen. Die Antragsgegnerin trägt die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin in beiden Rechtszügen.
Gründe:
Die zulässige Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (Beschluss vom 10.10.2005), ist begründet.
Die Antragstellerin hat Anspruch auf den Erlass einer Regelungsanordnung des sich aus dem Tenor dieses Beschlusses ergebenden Inhalts nach § 86b Abs. 2 S. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -. Der hierfür erforderliche Anordnungsgrund im Sinne einer Eilbedürftigkeit der Angelegenheit folgt aus der derzeitigen Mittellosigkeit der Antragstellerin. Die Dringlichkeit insbesondere der Erbringung von Leistungen nach § 22 SGB II ergibt sich aus der nach dem Schreiben der Vermieterin vom 14.11.2005 drohenden Kündigung des Mietvertrages vom 24.02.2004 im Hinblick auf die rückständigen Mietzinszahlungen. Der nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG erforderliche Anordnungsanspruch im Sinne eines materiell-rechtlichen Anspruches auf Leistungen nach §§ 20, 22 SGB II ohne Berücksichtigung der Einkünfte des Herrn E. K. ergibt sich (derzeit) aus dem Umstand, dass die Antragstellerin mit dem Genannten keine zur Anrechnung seiner Einkünfte führende Bedarfsgemeinschaft i.S. von § 7 Abs. 3 SGB II bildet. Denn Herr K. gehört nicht zur Bedarfsgemeinschaft der Antragstellerin als die Person, die im Sinne von § 7 Abs. 3 Nr. 3b SGB II mit ihr in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebt.
Unter einer eheähnlichen Gemeinschaft ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 17.11.1992 – 1 BvL 8/87 – BVerfGE 78, 234 ff.) eine Lebensgemeinschaft zwischen einem Mann und einer Frau zu verstehen, die auf Dauer angelegt ist, daneben keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zuläßt und sich durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründen, also über die Beziehung in einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehen. Eine eheähnliche Lebensgemeinschaft zwischen der Antragstellerin und Herrn K. ist derzeit bereits deshalb nicht anzunehmen, weil keine Feststellung möglich ist, dass es sich um eine Lebensgemeinschaft handelt, die auf Dauer angelegt ist. Diese Feststellung läßt sich entgegen den Vorstellungen der Antragsgegnerin nicht durch den Hinweis ersetzen, die Antragstellerin habe Herrn K. bei ihrer Stellung des Leistungsantrages als ihren Lebensgefährten bezeichnet (Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 17.01.2006). Denn die Feststellung, ob eine eheähnliche Gemeinschaft i.S. vom § 7 Abs. 3 Nr. 3b SGB II bzw. im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes vorliegt, ist eine komplexe juristische Bewertung, die eine Gesamtwürdigung aller Umstände erforderlich macht und schon deshalb juristischen Laien regelmäßig nicht möglich ist (Beschluss des Senats vom 23.12.2005 – L 19 B 81/05 AS ER) Im Übrigen dürfte auch die Bezeichnung als "Lebensgefährte" im allgemeinen Sprachgebrauch der Bezeichnung als "Partner in eheähnlicher Gemeinschaft" nicht notwendig gleichkommen, wovon die Antragsgegnerin offensichtlich ausgeht. Bei der Feststellung des Vorliegens einer eheähnlichen Gemeinschaft kommt der Dauer der Beziehung eine wesentliche, wenn auch nicht ausschließliche Bedeutung zu (Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 24.06.1999 – 5 B 119/98 -; Tegethoff, ZFSH/SGB 2001, Seite 643, 645). Das Zeitkriterium ist insbesondere deshalb von Bedeutung, weil sich das Moment der "Anlage einer Beziehung auf Dauer" gegen den Willen der Beteiligten meist nur für die Vergangenheit feststellen läßt, wenn also die Beziehung bereits einige Zeit besteht (Winkler in: Info also 2005, Seiten 251ff. 252 m.w.N.) Das BSG hat insoweit – diesen Gedanken konkretisierend – eine dreijährige Dauer der Beziehung gefordert, um die genügende Ernsthaftigkeit und Kontinuität zu bezeugen (Urteil vom 29.04.1998 – B 7 AL 56/97 R – SozR 3-4100 § 119 AFG Nr. 15). Allerdings hat das BSG später klargestellt, dass diese Grenze nicht als absolute zeitliche Mindestgrenze zu verstehen sei (BSG, Urteile vom 17.10.2002 – B 7 AL 96/00 R – SozR 4100 § 119 AFG Nr. 26 sowie B 7 AL 72/00 R – SozR 4300 § 144 SGB III Nr. 10 -).
Der erkennende Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an und sieht die Dauer des Zusammenlebens von regelmäßig drei Jahren als Hinweistatsache für das Vorliegen einer auf Dauer angelegten Gemeinschaft im Sinne der eheähnlichen Gemeinschaft nach § 7 Abs. 3 Nr. 3b SGB II an, soweit nicht gewichtige andere Hinweistatsachen eine andere Gesamtwürdigung bedingen. Als solche kommen grundsätzlich, ohne dass dies hier einer abschließenden Festlegung bedürfte, gemeinsame langfristige Vermögensdispositionen der Partner oder die Betreuung gemeinsamer Kinder in einem gemeinsamen Haushalt in Betracht.
Bei Stellung des auf einstweiligen Rechtsschutz gerichteten Antrages beim Sozialgericht lebte die Antragstellerin mit Herrn K. 6 Monate in einem gemeinsamen Haushalt. Diese Dauer des Zusammenlebens läßt nicht den Schluss zu, dass zwischen der Antragstellerin und Herrn K. eine auf Dauer angelegte Gemeinschaft besteht.
Dem steht auch nicht der Umstand entgegen, dass die Kinder der Antragstellerin seit Dezember 2005 in den Haushalt aufgenommen worden sind. Die Antragstellerin hat durch Schriftsatz ihres Rechtsanwaltes vom 27.01.2006 plausibel vorgetragen, dass die 1991 geborenen Kinder ihr mit Vollendung des 14. Lebensjahres einsetzendes Selbstbestimmungsrecht genutzt haben, vom Haushalt des getrennt lebenden Vaters in den Haushalt der Antragstellerin überzuwechseln.
Entsprechend dem Sinn des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens, einer gegenwärtigen Notlage abzuhelfen, hat der Senat den Zeitraum der zu erbringenden Leistung begrenzt auf die Zeit vom Monat der Antragstellung beim Sozialgericht bis zum Monat der Beschlussfassung des Senates. Er geht jedoch davon aus, dass die Antragsgegnerin diesen Beschluss auch für den Folgezeitraum sowie hinsichtlich der Ansprüche der Kinder der Antragstellerin befolgt, solange ihr keine neuen Hinweistatsachen für das Bestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft zwischen der Antragstellerin und Herrn K. vorliegen.
Der Senat hat die Höhe der vorläufig zu erbringenden Leistungen bemessen auf der Grundlage einer monatlich zustehenden Regelleistung nach § 20 SGB II in Höhe von 345,00 EUR zuzüglich eines monatlichen Anspruches nach § 22 SGB II in Höhe von 192,95 EUR, der der Hälfte der mit Bescheid vom 21.04.2005 anerkannten Unterkunftskosten der Antragstellerin entspricht. Insoweit hat die Antragstellerin angegeben, die Unterkunftskosten mit Herrn K. zu teilen. Der Senat hat von einer Differenzierung der Unterkunftskosten für die Zeiträume vor und nach Zuzug der beiden Kinder der Antragstellerin im Hinblick auf die Eilbedürftigkeit einer Auskehrung von Leistungen an die Antragstellerin abgesehen. Dies wird bei der Berechnung der Ansprüche der Antragstellerin und ihrer Kinder für die Zeit ab März 2006 ebenso zu prüfen sein wie die nach dem Schriftsatz der Antragstellerin vom 08.02.2006 derzeit offene Frage, wem das Kindergeld für D. und L. zusteht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG in entsprechender Anwendung.
Eine Beschwerde gegen diesen Beschluss an das Bundessozialgericht ist nach § 177 SGG nicht zulässig.
Erstellt am: 03.05.2006
Zuletzt verändert am: 03.05.2006