NZB d.Kl. als unzulässig verworfen.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 18. Dezember 2000 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob in der Versicherungsnummer (VNr) des Klägers das Geburtsdatum von 1967 in 1964 zu ändern ist.
Der Kläger ist in der Türkei geboren, wo er die Grundschule in U und anschließend die erste Klasse der Mittelschule besuchte. Seit 1977 lebt er in der Bundesrepublik. Hier war er Schüler der Hauptschule an der H-straße in H, wo er mit dem Geburtsdatum 02.04.1967 geführt wurde und im Schuljahr 1977/78 die Klasse VIIc besuchte.
Bei der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zum 01.08.1983 vergab die Beklagte dem Kläger entsprechend den damals gemachten Angaben die VNr 11 020467 xxx.
Im Oktober 1996 beantragte der Kläger die Änderung des Geburtsjahres in seiner Versicherungsnummer von 1967 in 1964. Er legte seinen türkischen Paß vor, laut dem sein Geburtsdatum in 02.04.1964 geändert worden war. Er verwies außerdem auf die durch das Zeugnis vom 27.1.1978 belegte Tatsache des Besuchs der 7. Klasse der Hauptschule im ersten Halbjahr des Schuljahres 1977/78 und einen Standesregisterauszug des Standesamtes U für die Sozialversicherungsanstalt vom 16.01.1997, wonach sein am 8.4.1967 beim Standesamt eingetragenes ursprüngliches Geburtsdatum durch Gerichtsurteil vom 10.7.1996 vom " 02.04.1967" auf " 02.04.1964" berichtigt worden sei.
Die Beklagte lehnte durch Bescheid vom 01.09.1997 den Antrag auf Erteilung einer neuen VNr unter Berücksichtigung des neuen Geburtsdatums ab, da das vom Kläger behauptete Datum nicht nachgewiesen sei. Das türkische Gericht habe sich im Wesentlichen auf ein ärztliches Attest, vorgelegte Dokumente und Zeugenerklärungen gestützt. Dem Urteil sei jedoch nicht zu entnehmen, weshalb das Gericht die Beweiskraft dieser Beweismittel höher einschätze als die der zeitlich näher zur Geburt erfolgten Eintragungen in dem türkischen Personenstandsregister. Die Feststellung eines bestimmten Geburtsdatums – Jahrzehnte nach der Geburt – sei ohne zeitnah erstellte Urkunden nicht mehr möglich.
Mit Schreiben vom 27.10.1997 legte der Kläger Widerspruch ein, den die Beklagte als Antrag nach § 44 des 10.Buches des Sozialgesetzbuches ( SGB X) auffasste, welchen sie durch Bescheid vom 30.11.1997 ablehnte, da sich nicht habe feststellen lassen, dass der Bescheid vom 01.09.1997 rechtswidrig sei. Es bestehe kein Anlaß, das in den Personalunterlagen des Heimatlandes geänderte Geburtsdatum für eine neue VNr zugrunde zu legen. Selbst wenn andere Verwaltungsbehörden das geänderte Geburtsdatum für ihre Zwecke berücksichtigten, begründe dies für die gesetzliche Rentenversicherung keine Verpflichtung, ebenso zu handeln.
Der Kläger widersprach: Die Beklagte habe insbesondere die Beweiskraft des deutschen Schulzeugnisses nicht berücksichtigt. Wenn er wirklich im Jahre 1967 geboren worden wäre, hätte er als Zehnjähriger 1977 nicht in die 7. Klasse gehen können, wie das deutsche Schulzeugnis dokumentiere. Es gehe ihm darum, später nicht benachteiligt zu werden und drei Jahre später als seine Klassenkameraden in Rente gehen zu müssen.
Durch Bescheid vom 23.01.1998 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück: Richtiges Geburtsdatum als Bestandteil der VNr sei nach der Rechtsprechung des 5. Senats des Bundes- sozialgerichts (BSG) bei ausländischen Versicherten stets und auf Dauer das von dem Versicherungsträger bei der Vergabe der VNr zugrundegelegte Geburtsdatum, wenn dieses den im damaligen Zeitpunkt von dem Versicherten gemachten Angaben entspreche und mit den damals von ihm vorgelegten ausländischen Urkunden übereinstimme. Diese Voraussetzungen seien im Falle des Klägers erfüllt. Das BSG habe mehrfach entschieden, dass bei der Feststellung des Geburtsdatums eines ausländischen Versicherten eine Bindung an Personenstandseintragungen im Ausland nicht bestehe. Der Inhalt unterliege im Verwaltungsverfahren der freien Beweiswürdigung. Dies gelte selbst dann, wenn die Eintragung in den ausländischen Personenstandsregistern aufgrund richterlicher Anordnung ergänzt worden sei. Das Urteil des Amtsgerichts U könne nicht davon überzeugen, dass er tatsächlich im Jahre 1964 geboren worden sei. Auch das deutsche Schulzeugnis weise als Geburtsdatum den 02.04.1967 aus. Selbst wenn er damals bereits mit 10 Jahren die 7. Klasse der Schule besucht haben müsse, lasse dies nicht den Schluß zu, dass nun der 02.04.1964 das richtige Geburtsdatum sei.
Am 11.02.1998 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Gelsenkirchen erhoben. Er hat auf die im Vorverfahren vorgelegten Urkunden verwiesen und eine Bescheinigung der Direktion der Grundschule U vom 26.08.1998 vorgelegt, wonach er in der Zeit vom 13.09.1971 bis 07.06.1976 diese Schule besucht und sie mit dem Abschlußdiplom Nr. 1142 abgeschlossen habe. Außerdem hat der Kläger seine Einbürgerungsurkunde vom 04.11.1998 über den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit mit dem Geburtsdatum "02.04.1964" vorgelegt und auf türkische Originalschulzeugnisse vom 04.06.1976 über den Besuch der Grundschule im Schuljahr 1975/1976 und vom 16.03.1978 über den Besuch der 1. Klasse der Mittelschule im Schuljahr 1976/1977 verwiesen. Das Grundschulzeugnis enthält kein Geburtsdatum; das Mittelschulzeugnis nennt, wie das deutsche Hauptschulzeugnis, den 2.4.1967 als Geburtsdatum.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 13.11.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.01.1998 zu verurteilen, das Geburtsdatum in der Versicherungsnummer dergestalt zu berichtigen, dass als Geburtsdatum der 02.04.1964 ausgewiesen ist.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat auf § 33a SGB I verwiesen, der die Berücksichtigung des geänderten Geburtdatums nicht rechtfertige. § 33a Abs. 1 SGB I binde den Sozialversicherungsträger an das erstmalig bei Eintreten in die Versicherung angegebene Geburtsdatum. Die Voraussetzungen für eine Berichtigung nach § 33a Abs. 2 SGB I seien nicht erfüllt.
Das Sozialgericht hat Beweis erhoben über die Frage, aus welchen Gründen der Kläger unter Berücksichtung des Geburtsdatums 02.04.1967 in die 7. Klasse der Hauptschule an der H-straße eingestuft worden ist, durch Einholung von Auskünften dieser Schule vom 26.10.1998 sowie vom 21.09.2000. Ferner hat es Beweis erhoben über das Geburtsdatum des Klägers durch Vernehmung des
Industriekaufmanns F U und des Pressearbeiters B A sowie der Eltern des Klägers als Zeugen.
Durch Urteil vom 18.12.2000 hat es die Beklagte verurteilt, das Geburtsdatum des Klägers seinem Antrag entsprechend zu ändern. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte habe die Änderung der VNr zu Unrecht abgelehnt, denn die Voraussetzungen des § 33a Abs. 2 SGB I seien erfüllt. Sowohl aus den Orginialzeugnisurkunden über den Besuch der Grundschule sowie der ersten Klasse der Mittelschule in der Türkei, wie über den Besuch der Hauptschule an der H-straße im Schuljahr 1977/1978 ergebe sich zwingend, dass das Geburtsjahr 1964 sein müsse. Alle diese Urkunden datierten aus einer Zeit vor Eintritt in das Versicherungsleben und seien deshalb als Nachweis im Sinne des § 33a Abs. 2 Ziff. 2 SGB I geeignet; die genannte Vorschrift verlange nicht, dass es sich um Personenstandsurkunden im Sinne des Personenstandsgesetzes (PStG) handeln müsse. Die Zeugenaussagen bestätigten ebenfalls, dass der Kläger 1964 geboren sei.
Gegen das am 07.03.2001 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 15.03.2001 Berufung eingelegt. Zur Begründung führt sie aus:
§ 33a SGB I lasse eine Änderung des maßgebenden Geburtsdatums in der Sozialversicherung nur zu, wenn an dessen Stelle ein anderes (das richtige) Geburtsdatum urkundlich nachgewiesen werde. Etwaige Rückschlüsse, die sich aus anderen Unterlagen (hier Zeugnissen) ergäben, wonach ein anderes Geburtsdatum nur möglich sei, ersetzten nicht den geforderten urkundlichen Beweis eines konkreten Geburtsdatums. Im übrigen beurkundeten Schulzeugnisse lediglich die schulischen Leistungen eines Schülers. Sie seien aber nicht geeignet, seine Personaldaten urkundlich zu beweisen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 18.12.2000 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt ,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten könne es sich bei Urkunden im Sinne des § 33a SGB I auch um andere Schriftstücke handeln als Personenstandsregister. § 33a Abs. 2 Nr. 2 enthalte keine Beschränkung auf eine Berücksichtigung nur bestimmter Arten von Urkunden (Hinweis auf BSG, Urteil vom 05.04.2001 – B 13 RJ 35/00 R -). Das Sozialgericht habe zu Recht ausgeführt, dass sich aus den Zeugnis- urkunden zwingend ergebe, dass das Geburtsjahr 1964 sein müsse.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakten und der Verwaltungsakten der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.
Zu Unrecht hat das Sozialgericht die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte (sinngemäß zur Zurücknahme des Bescheides vom 01.09.1997 und) zur Änderung des Geburtsdatums in der VNr des Klägers verurteilt.
Die Beklagte hat zu Recht die Änderung des Geburtsdatums in der VNr des Klägers abgelehnt, wobei der Senat dahingestellt sein lassen kann, ob auch die besonderen Voraussetzungen des § 44 SGB X für die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes zu beachten waren, oder ob § 44 SGB X hier gemäß § 37 SGB I keine Anwendung findet (vgl. BSG, Beschluss vom 17.02.1998 – B 13 RJ 31/96 R – unter Hinweis auf die Regelung des § 1 Abs. 5 S. 2 der Versicherungsnummernverordnung -VNrV). Der Kläger hat jedenfalls keinen Anspruch auf Änderung des Geburtsdatums in seiner VNr.
Der Anspruch auf Vergabe bzw. Neuvergabe (Berichtigung) einer VNr
richtet sich nach § 147 und § 152 Nr. 3 des 6.Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) i.V.m. der VNrV. Nach § 147 Abs. 1 SGB VI kann der Träger der Rentenversicherung für Personen eine VNr vergeben, wenn dies zur personenbezogenen Zuordnung der Daten für die Erfüllung einer gesetzlichen Aufgabe nach diesem Gesetzbuch erforderlich oder dies durch Gesetz oder Aufgrund eines Gesetzes bestimmt ist. Für die nach diesem Buche versicherten Personen hat er eine VNr zu vergeben. Nach § 147 Abs. 2 SGB VI setzt sich die VNr einer Person aus der Bereichsnummer des die VNr vergebenden Trägers der Rentenversicherung, dem Geburtsdatum, dem Anfangs- buchstaben des Geburtsnamens, der Seriennummer, die auch eine Aussage über das Geschlecht einer Person enthalten darf, und der Prüfziffer zusammen.
§ 152 Nr. 3 SGB VI ermächtigt den Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere über die Zusammensetzung der VNr sowie über ihre Änderung zu bestimmen. Auf dieser Ermächtigungsgrundlage beruht die VNrV, welche in § 1 die Vergabe und in § 2 die Zusammensetzung der VNr näher regelt. Nach § 2 Abs. 3 S. 1 VNrV enthalten die Stellen 3 bis 8 der VNr das Geburtsdatum (vgl. auch § 147 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI, § 2 Abs. 1 Nr. 2 VNrV). Für die zwischen den Beteiligten streitige Vergabe einer VNr wegen der Unrichtigkeit des in der bisherigen VNr eingetragenen Geburtsdatums ist § 1 Abs. 5 VNrV einschlägig. Danach wird eine VNr nur einmal vergeben und nicht berichtigt (Satz 1). Ist das Geburtsdatum oder die Seriennummer in der VNr unrichtig, erhält der Versicherte eine neue VNr; die insoweit unrichtige VNr ist nicht mehr zu verwenden und als nicht mehr verwendbar zu kennzeichnen (Satz 2).
Ob eine VNr im Sinne des § 1 Abs. 5 S. 2 VNrV unrichtig ist, bestimmt sich nunmehr nach § 33a SGB I, der mit Artikel 2 des 1. Gesetzes zur Änderung des 3. Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 16.12.1997 (BGBl. I S. 2970, 2981) eingefügt wurde. Diese Vorschrift ist am 01.01.1998 in Kraft getreten.
Bei Erlaß des Bescheides vom 01.09.1997 wie auch des angefochtenen Bescheides vom 30.11.1997 konnte sie mithin von der Beklagten nicht berücksichtigt werden. Die Vorschrift enthält auch keine Übergangsregelung. § 33a SGB I ist hier gleichwohl zu beachten, wovon auch die Beteiligten ausgehen und auch das Sozialgericht ausgegangen ist. Bei einer kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) ist das zum Zeitpunkt der letztinstanzlichen Entscheidung geltende Recht maßgebend. Voraussetzung ist allerdings, dass das neue Gesetz nach seinem zeitlichen Geltungswillen das streitige Rechtsverhältnis erfaßt, was hier der Fall ist. Die Verpflichtung der Beklagten, eine neue Versicherungsnummer zu erteilen, ist notwendig in die Zukunft gerichtet. Für die Vergangenheit kann eine VNr nicht vergeben werden (vgl. BSG, Beschluss vom 01.02.1995 – 13 RJ 47/93 -; Urteil vom 31.03.1999 – 8 KN 5/95 R -; Urteil vom 05.04.2001 – B 13 RJ 33/00 R -). Der Kläger könnte aus der Zuordnung einer VNr ausschließlich mit Wirkung für die Vergangenheit keine Rechte herleiten. Ob die §§ 300 ff. SGB VI in Fällen wie dem vor- liegenden,in denen Vorschriften des SGB VI auf geänderte Bestimmungen außerhalb dieses Gesetzesbuches Bezug nehmen, (entsprechend) anzuwenden sind, kann dahingestellt bleiben, denn der insoweit gegebenenfalls einschlägige § 300 Abs. 1 SGB VI enthält keine abweichende Regelung (vgl. BSG Urteil vom 05.04.2001 – B 13 RJ 31/00 R -). Aus diesen Gründen ist auch der Anspruch des Klägers auf Änderung bzw. Neuvergabe einer VNr anhand des § 33a SGB I zu prüfen, obwohl er seine Anträge vor dem 01.01.1998 gestellt hat und die bindend gewordene Ablehnungsentscheidung vor diesem Zeitpunkt ergangen ist. Insbesondere ergibt sich für den Kläger keine günstigere Rechtsposition daraus, dass der Ablehnungsbescheid vom 01.09.1997 bereits bindend geworden war.
Nach § 33a Abs. 1 SGB I ist, soweit Rechte oder Pflichten davon abhängig sind, dass eine bestimmte Altersgrenze erreicht oder nicht überschritten ist, das Geburtsdatum maßgebend, das sich aus der ersten Angabe des Berechtigten oder Verpflichteten oder seiner Angehörigen gegenüber dem Sozialleistungsträger oder, soweit es sich um eine Angabe im Rahmen des 3. oder 6. Abschnittes des 4. Buches handelt, gegenüber dem Arbeitgeber ergibt. Von einem nach Abs. 1 maßgebenden Geburtsdatum darf gemäß § 33a Abs. 2 nur dann abgewichen werden, wenn der zuständige Leistungsträger feststellt, dass
1. ein Schreibfehler vorliegt oder
2. sich aus einer Urkunde, deren Original vor dem Zeitpunkt der Angabe nach Abs. 1 ausgestellt worden ist, ein anderes Geburtsdatum ergibt.
Die Absätze 1 und 2 gelten gemäß Absatz 3 für Geburtsdaten, die Bestandteil der VNr oder eines anderen in den Sozialleistungsbereich dieses Gesetzbuches verwendeten Kennzeichens sind, entsprechend.
Da ein Schreibfehler nicht vorliegt, kam eine Änderung des Geburtsdatums in der VNr hier nur nach § 33a Abs. 2 Nr. 2 SGB I in Betracht. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift hat das Sozial gericht zu Unrecht als erfüllt angesehen.
Das Sozialgericht hat sich auf den Standpunkt gestellt, einschlägige Urkunden im Sinne des § 33a SGB I seien hier die Originalzeugnisurkunden der türkischen Grundschule, der türkischen Mittelschule und der 7. Klasse der Hauptschule an der H-sraße in H. Aus diesen Urkunden, so meint das SG, ergebe sich, dass das Geburtsjahr des Klägers 1964 sein müsse, so dass das Geburtsdatum der VNr gemäß § 33a Abs. 2 Nr. 2 SGB I entsprechend zu ändern sei. Das ist unzutreffend.
Der Senat kann offen lassen, ob es sich bei Urkunden im Sinne des § 33a Abs. 2 Nr. 2 SGB I um Personenstandsurkunden handeln muß, wie die Beklagte meint (vgl. zu dieser Frage BSG, Urteil vom 05.04.2001 – B 13 RJ 35/00 R -). Jedenfalls ergibt sich aus den vom Sozialgericht herangezogenen Urkunden ebensowenig wie aus allen anderen Urkunden, deren Original vor Vergabe der VNr im Jahre 1983 ausgestellt worden ist, nicht, wie § 33a Abs. 2 Nr. 2 SGB I aber verlangt, ein bestimmtes anderes Geburtsdatum.
Dem türkischen Grundschulzeugnis läßt sich kein Geburtsdatum entnehmen.Das Mittelschulzeugnis und das Zeugnis der Hauptschule an der H-straße in H nennen aber als Geburtsdatum gerade den 02.04.1967, mithin das bisher in der VNr enthaltene.
Die genannten Unterlagen legen allenfalls den Schluß nahe, dass der Kläger entweder sehr früh eingeschult worden ist oder dass der 02.04.1967 nicht das richtige Geburtsdatum ist. Keineswegs ergibt sich aber aus den genannten Urkunden, dass der Kläger am 02.04.1964 geboren ist. Gesetzesauslegung und Beweiswürdigung des Sozialgerichts, das aus den Urkunden sowie aus den Zeugenaussagen auf ein (bestimmtes !) anderes Geburtsjahr schließen will,berücksichtigen den Wortlaut des § 33a Abs. 2 Nr. 2 SGB I nicht und laufen dem Gesetzeszweck erkennbar zuwider.
Soweit der Kläger auf seine Einbürgerungsurkunde und den deutschen Personalausweis verweist, die als Geburtsdatum den 02.04.1964 nennen, handelt es sich um Urkunden, die nach der erstmaligen Vergabe der VNr ausgestellt worden sind, also um nicht zur Beweisführung nach § 33a Abs. 2 Nr. 2 SGB I geeignete Urkunden.
Eine Bindung der Beklagten hinsichtlich des Geburtsdatums ergibt sich im übrigen auch nach dem PStG nicht, denn es handelt sich nicht um Eintragungen in Personenstandsbücher (vgl. z.B. BSGE 77, 140, 143; BSG,Urteil vom 31.03.1998 – B 8 Kn 11/95 R -).
Die Anwendung des § 33a SGB I verstößt, wie Europäischer Gerichtshof (EuGH) und BSG entschieden haben, auch in Fällen wie denen des Klägers nicht gegen europarechtliche Regelungen (vgl. EuGH, Urteil vom 14.03.2000, SozR 3-6930 Artikel 3 Nr. 1; BSG, Urteil vom 05.04.2001 – B 13 RJ 21/00 R -; BSG,Urteil vom 31.03.1998 – B 8 Kn 5/95 R -).
§ 33a SGB I ist auch nicht verfassungswidrig. Er verstößt insbesondere nicht gegen Artikel 3 und 14 des Grundgesetzes (GG) oder das in dessen Artikel 20 GG verankerte Vertrauensschutzprinzip (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 19.10.2000 – B 8 KN 3/00 R – Urteil vom 31.03.1998 – B 8 KN 5/95 R -; Urteile vom 05.04.2001 – B 13 RJ 21/00 R, 33/00 R und 35/00 R).
Ein Verstoß gegen Artikel 14 Abs. 1 GG scheidet schon deshalb aus, weil die streitige Neuvergabe der VNr keine unmittelbaren Auswirkungen auf den Leistungsfall hat. Gegen Artikel 3 Abs. 1 GG verstößt § 33a SGB I nicht, weil türkische Staatsangehörige durch diese Vorschrift keine andere Rechtsstellung als Deutsche und Staatsangehörige anderer Staaten erhalten. Selbst wenn Falscheintragungen des Geburtsdatums in der Türkei häufiger als anderswo möglich wären und türkische Kläger durch die Regelung des § 33a SGB I hinsichtlich der Richtigkeit des Geburtsdatums in ihrer VNr gegenüber deutschen Versicherten benachteiligt wären, würde dies angesichts der Ziele und Wirkung der Gesetzesänderung als gerechtfertigt anzusehen sein, denn der Gesetzgeber konnte sich bei der Einführung des § 33a SGB I auf wichtige Gründe des öffentlichen Interesses berufen (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 05.04.2001 – B 13 RJ 21/00 R -). § 33a SGB I erscheint auch unter Rechtsstaats- und Vertrauensschutzgesichtspunkten nicht verfassungswidrig. Die mit der Einführung des § 33a SGB I verbundene sog. unechte Rückwirkung bzw. tatbestandliche Rückanknüpfung ist zulässig, weil das Vertrauen des Klägers nicht schutzwürdiger ist als das mit dem Gesetz verfolgte Anliegen. Die Rechtsposition des Klägers bezüglich einer Berichtigung des Geburtsdatums in der VNr war bis zur Einführung des § 33a SGB I wenig gefestigt. Schon vor dem Inkrafttreten dieser Vorschrift konnte sich ein im Ausland geborener Versicherter nicht ohne weiteres darauf verlassen, dass in der deutschen Sozialversicherung ein im ausländischen Personenstandsregister geändertes Geburtsdatum zugrunde gelegt würde, sondern nur damit rechnen, dass der Nachweis einer Unrichtigkeit des ursprünglich angegebenen Geburtsdatums grundsätzlich zulässig war. Zur Überzeugung des Senats wäre dem Kläger auch nach altem Recht der Nachweis, dass er genau am 02.04.1964 geboren ist, nicht gelungen. Durch den bindend gewordenen Bescheid vom 01.09.1997 war zudem die Änderung der VNr von der Beklagten auf der Grundlage der damaligen Gesetzeslage und höchstrichterlichen Rechtsprechung abgelehnt worden.
Der Gesetzgeber war ferner verfassungsrechtlich nicht gehalten, von der Anwendung des § 33a SGB I diejenigen Versicherten auszunehmen, die – wie der Kläger – bereits vor dem Inkrafttreten dieser Vorschrift beim Rentenversicherungsträger einen Antrag auf Neuvergabe der VNr wegen Änderung des amtlich festgestellten Geburtsjahres gestellt hatten. Ein solcher Antrag vermittelte diesen Betroffenen nach dem früheren Recht jedenfalls solange keine besondere schutzwürdige Rechtsposition, als ihr noch nicht entsprochen worden war (vgl. BSG Urteil vom 05.04.2001 – B 13 RJ 21/00 R -).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Anlaß, die Revision zuzulassen, hat nicht bestanden.
Erstellt am: 26.08.2009
Zuletzt verändert am: 26.08.2009