Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Aachen vom 20.12.2005 wird zurückgewiesen. Kosten sind den Antragstellern im Beschwerdeverfahren zu erstatten. Den Antragstellern wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt O aus E bewilligt.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist im Wesentlichen streitig, in welcher Höhe die Kosten der Unterkunft von der Antragsgegnerin zu erbringen sind.
Die Antragsteller leben in einer Bedarfsgemeinschaft und bewohnen ein Einfamilienhaus, das im Eigentum der Antragsteller steht. Das 1989 erbaute Wohnhaus verfügt bei einer Gesamtgröße von 118 qm über 3 Zimmer, Küche und Bad und befindet sich auf einem 369 qm großen Grundstück.
Seit dem 01.01.2005 erhalten die Antragsteller von der Antragsgegnerin Leistungen nach dem SGB II.
Mit Bescheid vom 18.10.2005 bewilligte die Antragsgegnerin den Antragstellern für die Zeit vom 01.11.2005 bis 30.04.2006 Leistungen in Höhe von 343,58 EUR monatlich. Als anerkannte monatliche Kosten für die Unterkunft und Heizung wurden 384,00 EUR berücksichtigt. Hierbei legte sie als Bezugsgröße eine mit zwei Personen bewohnte Mietwohnung zugrunde.
Gegen diesen Bescheid legten die Antragsteller am 26.10.2005 Widerspruch ein. Da Wohneigentum vorhanden sei, seien die Belastungen aus dem selbst bewohnten Eigenheim als Kosten der Unterkunft zu berücksichtigen. Hierzu zählten auch die Schuldzinsen etc. Diese Kosten seien nicht vollständig berücksichtigt worden. Es sei ihnen nicht möglich, die Schuldzinsen zu senken. Durch die Kürzung der Leistungen seien sie faktisch gezwungen, das Haus zu verkaufen.
Mit Bescheid vom 23.11.2005 änderte die Antragsgegnerin den Bescheid vom 18.10.2005 dahingehend ab, dass für die Zeit von November 2005 bis April 2006 ein Anspruch auf Leistungen in Höhe von 344,96 EUR monatlich besteht. Als Kosten der Unterkunft waren 358,10 EUR ausgewiesen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 28.11.2005 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch vom 26.10.2005 gegen den Bescheid vom 18.10.2005 und den Änderungsbescheid vom 23.11.2005 als unbegründet zurück.
Unter dem 6.12.2005 erließ die Antragsgegnerin einen gegen den Antragsteller zu 1) gerichteten Erstattungsbescheid über 516,28 EUR und kündigte eine Aufrechnung in Höhe von 30 EUR an. Dieser Überzahlungsbetrag hatte sich ergeben, weil die Antragsgegegnerin zuvor vom Sozialgericht vorläufig verpflichtet worden war Unterkunftskosten, in Höhe von 603,10 EUR monatlich zu bewilligen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Höhe der Unterkunftskosten nunmehr im Widerspruchsbescheid endgültig auf 358,10 EUR festgesetzt worden sei.
Am 05.12.2005 haben die Antragsteller Klage unter dem Az.: S 21 AS 78/05 gegen den Bescheid vom 18.10.2005 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 23.11.2005 und in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.11.2005 erhoben. Gleichzeitig haben sie im zugehörigen Eilverfahren um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Sie bemühten sich fortlaufend, ihr Haus zu verkaufen. Dies sei bisher noch nicht gelungen. Eine Entscheidung in der Sache sei sehr eilig.
Die Antragsgegnerin ist den Ausführungen der Antragsteller entgegengetreten und hat geltend gemacht, dass diese sich eine angemessene Wohnung suchen müssten. Außerdem bestehe die Möglichkeit einer Kostensenkung durch Untervermietung. Bei der Frage der Angemessenheit der Unterkunft könne hinsichtlich der Größe zwischen Mietwohnungen und selbst genutzten Eigenheimen nicht differenziert werden.
Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 20.12.2005 die Antragsgegnerin verpflichtet, an die Antragsteller für die Zeit ab Januar 2006 Leistungen von monatlich 616,64 EUR bis zur rechtskräftigen Entscheidung in dem Verfahren S 21 AS 78/05 zu erbringen, sowie die aufschiebende Wirkung der Klage S 21 AS 78/05 gegenüber dem Bescheid vom 18.10. in der Fassung des Änderungsbescheides vom 23.11.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.11.2005 angeordnet. Im Übrigen hat sie die Anträge abgelehnt. Zur Begründung hat das Sozialgericht im Wesentlichen darauf abgestellt, dass die Frage der angemessenen Unterkunft im Fall der Antragsteller in einem Hauptsacheverfahren geklärt werden müsse. Bis dahin bestehe die Gefahr, dass die Antragsteller ihr Haus veräußern müssten. Insofern gehe die Interessenabwägung zu ihren Gunsten aus. Ferner würden sich die Antragsteller gegen den im Widerspruchsbescheid vom 28.11.2005 festgesetzten Erstattungsbetrag wehren.
Sie wollten von der im Bescheid vom 08.12.2005 erklärten Aufrechnung verschont bleiben. Hier gehe die Interessenabwägung ebenfalls zugunsten der Antragsteller aus.
Gegen den am 23.12.2005 zugestellten Beschluss hat die Antragsgegnerin am 23.01.2006 Beschwerde eingelegt, mit der sie geltend macht, dass der im Gesetz bestehende Wertungswiderspruch zwischen geschütztem Vermögen und Kosten der Unterkunft nicht einseitig zugunsten der Hauseigentümer aufgelöst werden könne. Während ein Mieter ohne Weiteres eine Kürzung der Unterkunftskosten auf das angemessene Maß hinnehmen müsse und dadurch mittelfristig zu einem Umzug in eine billigere Wohnung bewegt werde, sollten dem Hauseigentümer nach der Entscheidung des Sozialgerichts auf unabsehbare Zeit die tatsächlichen Kosten gezahlt werden. Diese Folge widerspräche § 22 Abs. 1 SGB II. Diese Vorschrift sei die alleinige Anspruchsgrundlage für die Leistung zur Deckung des Unterkunftsbedarfs. Die Antragsteller wüssten seit Mitte Januar 2005, dass die Unterkunftskosten zukünftig nicht mehr in tatsächlicher Höhe übernommen würden. Sie hätten damit genügend Gelegenheit gehabt, ihre Kosten durch geeignete Maßnahmen zu senken.
Die Antragsteller treten der Beschwerde der Antragsgegnerin entgegen und weisen darauf hin, dass der Gesetzgeber Hilfebedürftigen zugestehe, ein Hausgrundstück zu bewohnen. Tatsächlich ginge dies jedoch nicht, wenn dafür die erforderlichen Mittel nicht zur Verfügung ständen. Die Antragsteller hätten in den Jahren 2001 und 2003 einen Makler beauftragt, das Haus zu verkaufen, was nicht gelungen sei. Sie hätten ein Schild am Haus angebracht, dass das Haus zum Verkauf stehe. Die Möglichkeit, einen Untermieter aufzunehmen, der Teile der Wohnung in Benutzung nehme, bestehe nicht. Es handele sich um ein Einfamilienhaus, in welchem keine abschließbaren Wohnbereiche vorhanden seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Antragsgegnerin Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (Beschluss vom 25.1.2006), ist nicht begründet.
Mit ihrem Antrag wendet sich die Antragsgegnerin dagegen, dass das Sozialgericht den Antragstellern die tatsächlichen Unterkunftskosten in Höhe von 629,78 EUR – klarzustellen ist: abzüglich bewilligter Leistungen – vorläufig zugesprochen hat, wohingegen die Antragsgegnerin die Auffassung vertritt, auch bei einem unzweifelhaft nach § 12 Abs. 3 Nr. 4 SGB II geschützten Hausgrundstück könnten bei einem Zweipersonenhaushalt lediglich die für Mietwohnungen geltenden angemessenen Kosten der Unterkunft übernommen werden. Die auch im Rahmen des § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) mögliche allgemeine Interessenabwägung (vgl. hierzu Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12.05.2005, 1 BvR 569/05, NVwZ 2005, 927) geht auch nach Auffassung des Senats zugunsten der Antragsteller aus. Es bleibt dem Hauptverfahren vorbehalten, den Wertungswiderspruch zwischen einem geschützten Einfamilienhaus, wie in § 12 Abs. 3 Nr. 4 SGB II vorgesehen und den Angemessenheitsregelungen, wie sie sich in § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II finden, aufzulösen (zum Streitstand SG Oldenburg, Beschluss vom 28.11.2005, Az.: S 47 AS 787/05 ER, LSG NRW, Beschluss vom 28.02.2006, L 9 B 99/05 AS ER; vgl. auch Berlit, Nachrichtendienst des Deutschen Vereins 2006, Seite 17). Hierbei wird auch zu berücksichtigen sein, ob der Verwertungsschutz des Wohneigentums dadurch möglich wird, dass die Antragsteller einen Teil ihres Hauses zur Kostensenkung vermieten. Inwieweit hier tatsächlich Sparpotenziale vorhanden sind, wird sich danach richten, ob dort, wo die Antragsteller wohnen, tatsächlich ein entsprechender Markt, d.h. eine Nachfrage für derartigen Wohnraum, vorhanden ist. Darüber hinaus wird in die Entscheidung mit einfließen müssen, ob die Überschreitung der Angemessenheitsgrenze dauerhaft hinzunehmen ist und wie sich auswirkt, dass die Antragsteller durch die Beauftragung eines Maklers versucht haben, ihr Haus zu verkaufen. Schließlich wird zu beachten sein, dass zwischen Mietern und Eigenheimbesitzern ein wesentlicher wirtschaftlicher Unterschied besteht. Während der Kauf oder Bau eines Einfamilienheimes auf Dauer wirtschaftliche Verpflichtungen gegenüber den finanzierenden Banken mit sich bringt, ist es dem Mieter ohne wirtschaftliches Risiko möglich, eine unangemessene Wohnung zu verlassen. Im anderen Fall ist der Bewohner eines Eigenheimes darauf angewiesen, das Haus zu vermieten, um den laufenden Zinsverpflichtungen nachkommen zu können.
Soweit sich die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage S 21 AS 78/05 gegenüber dem Bescheid vom 18.10.2005 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 23.11.2005 und in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.11.2005 richtet, geht die erforderliche Interessenabwägung ebenfalls zugunsten der Antragsteller aus. Verfahrensgegenstand ist die von der Antragsgegenerin vorgenommene Aufrechnung. Ob es sich hierbei um einen Verwaltungsakt handelt, gegen den im Wege des § 86 b Abs. 1 SGG vorgegangen werden muss, oder um eine Willenserklärung, gegen die Eilrechtsschutz nach
§ 86 b Abs. 2 SGG möglich ist ( vgl. zum Meinungsstand: Eicher in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2005, § 43 Rdnr.34), lässt der Senat ausdrücklich offen. Bei der in beiden Verfahrensarten erforderlichen Interessenabwägung stellt der Senat letztlich darauf ab, dass über die Kosten der Unterkunft noch nicht abschließend entschieden ist und damit eine Überzahlung noch nicht endgültig feststeht, so dass vorläufig von einer Aufrechnung abzusehen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer analogen Anwendung des § 193 SGG.
Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe beruht auf § 73 a SGG, §§ 114, 119 Abs. 1 Zivilprozessordnung.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar, § 177 SGG.
Erstellt am: 22.11.2006
Zuletzt verändert am: 22.11.2006