Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 15.02.2005 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Minderung des an den Kläger vom 20.12.2003 bis 17.03.2004 gezahlten Arbeitslosengeldes (Alg) um 1.500,00 EUR wegen verspäteter Meldung als arbeitsuchend.
Der 1951 geborene Kläger bezog bis 22.06.2002 Alg. Danach war er mit Unterbrechungen arbeitslos, jedoch mangels Bedürftigkeit ohne Bezug von Arbeitslosenhilfe. Zuletzt war er vom 08.07.2002 bis 31.01.2003 sowie vom 12.05.2003 bis 04.07.2003 beitragspflichtig beschäftigt. Ab 14.08.2003 nahm er erneut eine Beschäftigung als Fliesenleger auf und teilte dies der Beklagten am 25.08.2003 telefonisch mit. Der Arbeitsvertrag war von vornherein bis zum 19.12.2003 befristet.
Am 11.12.2003 meldete sich der Kläger arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Alg. Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 14.01.2004 mit, dass er seiner Verpflichtung, sich unverzüglich beim Arbeitsamt arbeitsuchend zu melden, 76 Tage zu spät nachgekommen sei. Der Leistungsanspruch mindere sich daher um 1.500,00 EUR (täglich 50,00 EUR für längstens 30 Tage). Die Anrechnung beginne am 20.12.2003 und sei voraussichtlich ab 17.03.2004 beendet. Mit Bescheid vom 15.01.2004 bewilligte die Beklagte dem Kläger sodann ab 20.12.2003 nach einem gerundeten wöchentlichen Bemessungsentgelt von 715,00 EUR (Anspruchsdauer: 180 Tage) Alg in Höhe von 237,09 EUR wöchentlich. Gleichzeitig setzte sie einen Minderungsbetrag von täglich 16,93 EUR fest.
Den dagegen am 11.02.2004 erhobenen Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26.03.2004 als unbegründet zurück.
Am 21.04.2004 hat der Kläger vor dem Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen Klage erhoben und vorgetragen, er habe sich telefonisch für die Dauer des befristeten Arbeitsverhältnisses abgemeldet und dabei deutlich auf die Befristung hingewiesen.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 13.(richtig: 15.)01.2004 bzw. 14.01.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26.03.2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab dem 20.12.2003 Arbeitslosengeld ohne Minderung wegen verspäteter Meldung zu bewilligen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat an ihrer in den angefochtenen Bescheiden vertretenen Auffassung festgehalten.
Das SG hat durch Urteil vom 15.02.2005 den Bescheid vom 13.(richtig: 15.)01.2004 und das Schreiben vom 14.01.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26.03.2004 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab 20.12.2003 Alg ohne Minderung wegen verspäteter Meldung zu bewilligen. Die dem Versicherten in § 37 b Satz 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) auferlegte Obliegenheit sei nicht hinreichend inhaltlich bestimmt. Aus dem Gesetz könne nicht mit hinreichender Sicherheit entnommen werden, bis zu welchem Zeitpunkt die Meldung als arbeitsuchend zu erfolgen habe. Während § 37 b Satz 1 SGB III noch klar regele, wann die Meldung bei Beendigung eines unbefristeten Versicherungsverhältnisses zu erfolgen habe, lege § 37 b Satz 2 SGB III für befristete Arbeitsverhältnisse lediglich fest, dass die Meldung frühestens drei Monate vor dessen Beendigung zu erfolgen habe. Bis zu welchem Zeitpunkt die Meldung spätestens zu erfolgen habe, sei dem Gesetz hingegen nicht zu entnehmen. Daher sei es auch nicht statthaft, die Formulierung "frühestens" in "spätestens" umzudeuten. Da sich aus § 37 b Satz 2 SGB III für befristete Arbeitsverhältnisse nicht mit hinreichender Genauigkeit entnehmen lasse, bis zu welchem Zeitpunkt eine Meldung zu erfolgen habe, lasse sich schließen, dass eine Verpflichtung zur frühzeitigen Meldung als arbeitsuchend bei befristeten Arbeitsverhältnissen nicht entstehe.
Gegen das ihr am 08.03.2005 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 01.04.2005 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor: Der Kläger habe Kenntnis von seiner Obliegenheit zur frühzeitigen Arbeitsuchendmeldung gehabt. Unter dem 07.07.2003 habe er einen Leistungsantrag gestellt und darin unterschriftlich bestätigt, das Merkblatt 1 erhalten und zur Kenntnis genommen zu haben. Dieses Merkblatt habe den entscheidenden Hinweis auf die seit dem 01.07.2003 geltende Rechtslage enthalten und darin nicht lediglich den Gesetzestext wiederholt, sondern ausdrücklich auf die Meldepflicht 3 Monate vor Beendigung eines befristeten Beschäftigungsverhältnisses hingewiesen. Mit dem Einwand, er habe der Beklagten die Befristung mitgeteilt, könne der Kläger nur zur Frage des sozial-rechtlichen Herstellungsanspruchs wegen einer Verletzung der Beratungspflicht der Beklagten gehört werden. Dafür sei jedoch nicht die Beklagte, sondern der Kläger beweispflichtig. Die Mitarbeiterin, die den Anruf des Klägers entgegen genommen habe, habe weder in der Bewerberdatei noch in der Veränderungsmitteilung ein Ende des Beschäftigungsverhältnisses vermerkt. Mangels Kenntnis der Beklagten ergebe sich somit kein Anhaltspunkt für eine Beratungspflicht der Beklagten.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 15.02.2005 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er ist der Auffassung, ihn treffe kein Schuldvorwurf hinsichtlich der Obliegenheitsverletzung, weil insbesondere die Rechtsfolgenbelehrung in dem Merkblatt als nicht hinreichend zu qualifizieren sei, wenn es dort heiße, dass eine verspätete Meldung in der Regel zu einer Minderung des Arbeitslosengeldes führe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen. Auf den Inhalt der den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten, der ebenfalls Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Das SG hat der Klage im Ergebnis zu Recht stattgegeben. Die Bescheide der Beklagten vom 14. und 15.01.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26.03.2004 sind rechtswidrig und beschweren den Kläger im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Der Kläger hat für den streitigen Zeitraum vom 20.12.2003 bis 17.03.2004 Anspruch auf ungemindertes Alg. Er hat ab dem 20.12.2003 Anspruch auf Alg, da er alle in § 117 Sozialgesetzbuch – Drittes Buch – (SGB III) geregelten Voraussetzungen eines Anspruchs auf diese Leistungen erfüllte und Fehler bei der Berechnung des Alg-Anspruchs für die Zeit ab 20.12.2003 weder vom Kläger vorgetragen noch ersichtlich sind. Die Voraussetzungen für eine Minderung des Alg nach den §§ 37 b, 140 SGB III lagen entgegen der Auffassung der Beklagten im Falle des Klägers nicht vor. Entgegen der vom SG im angefochtenen Urteil noch vertretenen Auffassung ist die dem Versicherten in § 37 b SGB III auferlegte Obliegenheit zwar hinreichend bestimmt. Denn richtigerweise ist § 37 b Satz 2 SGB III als unselbständige Begrenzung des § 37 b Satz 1 SGB III anzusehen, so dass "an sich" auch der befristet Beschäftigte unverzüglich nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes zur Meldung angehalten ist, er sich jedoch erst drei Monate vor Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses melden muss, auch wenn ihm bereits vorher der Zeitpunkt der Beendigung bekannt ist (BSG, Urteil vom 20.10.2005 – B 7 a AL 50/05 R -).
Die Voraussetzungen für eine Minderung des Alg wegen der verspäteten Meldung des Klägers nach § 140 SGB III sind gleichwohl zu verneinen. Dabei ist zwar nicht davon auszugehen, dass der Kläger entsprechend seiner Behauptung bei seiner telefonischen Mitteilung der Arbeitsaufnahme am 25.08.2003 auch die Befristung oder sogar das genaue Datum des Endes des Beschäftigungsverhältnisses mitteilte, weil weder auf der von der Mitarbeiterin der Beklagten gefertigten Veränderungsmitteilung noch in der Bewerberdatei Entsprechendes vermerkt wurde und ein Grund für einen nicht gefertigten Vermerk im Falle der tatsächlichen Mitteilung nicht ersichtlich ist. Dem Kläger kann jedoch die Nichterfüllung der "Verpflichtung" zur frühzeitigen Meldung nicht vorgeworfen werden, weil nach der Rechtsprechung des BSG, der sich der erkennende Senat anschließt, "insbesondere systematische Gründe und Sinn und Zweck der §§ 37 b, 140 SGB III dafür sprechen, dass der Arbeitnehmer seine Verpflichtung zur unverzüglichen Meldung nicht verletzt, wenn er sich aufgrund unverschuldeter Rechtsunkenntnis nicht innerhalb der gebotenen Handlungsfrist beim Arbeitsamt meldet" (BSG, Urteil vom 25.05.2005 – B 11 A/11 AL 81/04 R -). Insoweit kommt es auf die subjektive Kenntnis bzw. das Kennenmüssen des Arbeitsuchenden (BSG, a.a.O.) sowie auf die Belehrungspflichten an, die der Gesetzgeber dem Arbeitsamt auferlegt, bevor aus Obliegenheitsverletzungen des Arbeitslosen nachteilige Rechtsfolgen für seinen Anspruch auf Alg eintreten können. An diese Belehrungspflicht aber hat die Rechtsprechung hohe Anforderungen gestellt, weil es Zweck des Erfordernisses der Rechtsfolgenbelehrung ist, dem Arbeitslosen die sich aus seinem Verhalten ergebenden Konsequenzen vor Augen zu führen und ihn in allgemeiner Form zu warnen (BSG, a.a.O.). Die Rechtsfolgenbelehrung darf sich insbesondere nicht auf eine formelhafte Wiederholung des Gesetzestextes beschränken. Vielmehr liegt eine wirksame Rechtsfolgenbelehrung nur vor, wenn sie konkret, richtig und vollständig ist und dem Arbeitslosen in verständlicher Form zutreffend erläutert, welche unmittelbaren und konkreten Auswirkungen aus dem versicherungswidrigen Verhalten resultieren (BSG, a.a.O., m.w.N.).
Die Voraussetzungen einer in diesem Sinne wirksamen Rechtsfolgenbelehrung erfüllt Nr. 1.7 des Merkblattes 1 der Beklagten, Stand April 2003, dessen Erhalt und Kenntnisnahme der Kläger am 17.07.2003 unterschriftlich bestätigte, nicht. Darf sich nach dem oben Gesagten die Rechtsfolgenbelehrung insbesondere nicht auf eine formelhafte Wiederholung des Gesetzestextes beschränken, handelt es sich bei dem Hinweis, "dass eine verspätete Meldung in der Regel zu einer Minderung des Arbeitslosengeldes führt", allenfalls um eine nicht ausreichende formelhafte Wiedergabe des Gesetzestextes des § 140 Satz 1 SGB III. Insbesondere ist diese formelhafte inhaltliche Wiedergabe des Gesetzestextes aber jedenfalls unrichtig. Denn nach dem Gesetzestext des § 140 Satz 1 SGB III mindert sich das Alg zwingend und nicht, wie es im Merkblatt 1 heißt, "in der Regel", was bedeutet, dass in besonderen Ausnahmefällen eine Minderung des Alg nicht eintritt.
Aufgrund dieser unrichtigen Rechtsfolgenbelehrung kann dem Kläger die Nichterfüllung der Verpflichtung zur frühzeitigen Meldung nicht vorgeworfen werden mit der Folge, dass er für den streitigen Zeitraum vom 20.12.2003 bis 17.03.2004 Anspruch auf ungemindertes Alg hat.
An diesem Ergebnis ändert schließlich auch der Umstand nichts, dass das BSG in seinem Urteil vom 20.10.2005 – B 7a AL 50/05 R – ausgeführt hat, "das LSG wird auch dem erstmals mit der Revision vorgebrachten Hinweis der Beklagten Rechnung zu tragen haben, dass ihre Aufhebungsbescheide bereits zu diesem Zeitpunkt einen Hinweis auf die Obliegenheit nach § 37 b SGB III enthielten". Denn diese Formulierung enthält keine Bewertung bzw. Beurteilung der an die Belehrungspflichten zu stellenden inhaltlichen Anforderungen, zumal das BSG gleichzeitig darauf hinwies, dass aus den Akten ein Erhalt eines solchen Aufhebungsbescheides durch den dortigen Kläger nicht ersichtlich sei. Der Formulierung ist aber erst recht nicht zu entnehmen, dass damit im Widerspruch zum Urteil des BSG vom 25.05.2005 – B 11 a/11 AL 81/04 R – zum Ausdruck gebracht werden sollte, dass auch ohne die dargelegten inhaltlichen Voraussetzungen jedweder Hinweis den Anforderungen an die Belehrungspflichten genüge.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 183, 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG dafür nicht vorliegen.
Erstellt am: 25.07.2006
Zuletzt verändert am: 25.07.2006