Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 01.02.2006 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Leistungen im tenorierten Umfang bis zum 31.05.2006 zu erbringen sind.
Die Antragsgegnerin trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin in beiden Rechtszügen.
Gründe:
Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin vom 10.02.2006, der das Sozialgericht (SG) nicht abgeholfen hat (Nichtabhilfebeschluss vom 13.02.2006), ist unbegründet.
Zur Begründung verweist der Senat auf die ausführlichen und zutreffenden Ausführungen des SG im angefochtenen Beschluss, denen er sich nach eigener Überprüfung anschließt, und auf die Bezug genommen wird (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG).
Die Beschwerdebegründung rechtfertigt eine abweichende Entscheidung nicht.
Der Erlass der einstweiligen Anordnung ist hier erforderlich, um den Lebensunterhalt der Antragstellerin zu sichern. Der Senat hat insoweit bereits wiederholt entschieden, dass der Erlass der begehrten Anordnung auf Gewährung von Leistungen nach § 2 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) dann nicht mit der Begründung versagt werden kann, es liege kein Anordnungsgrund vor, wenn der Anordnungsanspruch nach dem Ergebnis der summarischen Prüfung nicht zweifelhaft ist (vgl. Beschlüsse des Senats vom 23.01.2006, Az.: L 20 B 15/05 AY ER, und 15.03.2006, Az.: L 20 B 8/06 AY ER). Zur Begründung ist auf den in der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 14/7387, Seite 112) zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers zu verweisen, dass die Anwendung des Bundessozialhilfegesetzes bzw. des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch (SGB XII) und damit die Gewährung deutlich höherer Leistungen nach Erhalt von Leistungen gemäß § 3 AsylbLG über 36 Monate der Regelfall sein soll (vgl. auch LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 15.11.2005, Az.: L 7 AY 4413/05 ER-B: "Die Antragsteller haben nunmehr über drei Jahre nur Sachleistungen nach § 3 AyslbLG und einen geringfügigen Bar-Betrag erhalten. Es liegt auf der Hand, dass in dieser Zeit auch bei Anlegung sozialhilferechtlicher Maßstäbe ein Nachholbedarf entstanden ist. Es ist ihnen nicht zumutbar, den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten und weiter auf ein Existenzminimum unter dem Niveau des § 1 S. 1 SGB XII verwiesen zu werden."). Der Senat hält daran fest, dass es den Leistungsberechtigten lediglich im Einzelfall zumutbar erscheint, z. B. bei erheblichen, im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht zu klärenden Zweifeln am Bestehen des Anordnungsanspruches, bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens mit (niedrigeren) Leistungen nach § 3 AsylbLG wirtschaften zu müssen (vgl. hierzu Beschluss des Senats vom 21.12.2005, Az.: L 20 (9) B 37/05 SO ER).
Hinsichtlich des Anordnungsanspruchs greift die Argumentation der Antragsgegnerin, die ausdrücklich und wiederholt erklärte Weigerung der Antragstellerin, bei der Beschaffung (iranischer) Reisedokumente mitzuwirken, rechtfertige die Annahme einer rechtsmissbräuchlichen Beeinflussung der Dauer ihres Aufenthalts im Sinne des § 2 Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG), aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalles zu kurz.
Der Senat teilt die Auffassung des SG, dass der Rechtsmissbräuchlichkeit nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes gebotenen summarischen Prüfung bereits der Umstand entgegensteht, dass die Antragstellerin derzeit beim Verwaltungsgericht (VG) Gelsenkirchen (Az.: 14a K 1970/05.A) eine gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichtete Klage betreibt, mit der sie in der Folge eines Wiederaufgreifensantrages verbunden mit dem Antrag auf Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 53 Abs. 2 und 4 Ausländergesetz (AuslG) vom 07.05.2004 jetzt das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 – 7 AufenthG festzustellen begehrt.
Für dieses Verfahren hat das VG Gelsenkirchen mit Beschluss vom 25.11.2005 Prozesskostenhilfe (PKH) bewilligt und ist in weitere Ermittlungen eingetreten. Damit kann nicht davon ausgegangen werden, dass der verwaltungsgerichtlichen Klage von vornherein jede Aussicht auf Erfolg abgesprochen werden kann.
Angesichts dieser Umstände erscheint die Annahme eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens der Antragstellerin auch unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit der an sich gebotenen Mitwirkungshandlung (vgl. § 82 AufenthG) nicht gerechtfertigt (vgl. auch GK-AsylbLG, Loseblattsammlung Stand November 2005, § 1a RdNr. 131 unter Verweis auf VG Frankfurt, Beschluss vom 02.06.1999, Az.: 3 G 757/99).
Daher kann dahin stehen, ob das bisherige Verhalten der Antragstellerin für die Dauer ihres Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland überhaupt beeinflusst hat. Insoweit reicht es nämlich nicht aus, dass die Antragstellerin ein abstrakt für die Verlängerung geeignetes Verhalten an den Tag legt, wenn sich dieses konkret aufgrund anderer Umstände als zur Beeinflussung der Dauer des Aufenthalt ungeeignet erweist, etwa weil eine Ausreise aus von ihr nicht im Sinne des § 2 AsylbLG zu vertretenden Gründen nicht möglich ist. Die iranischen Behörden (Konsulate) fordern im Vorfeld der Erteilung von Reisedokumenten zur Rückkehr nach Iran, wie insbesondere in der verwaltungsgerichtlichen Rechtssprechung seit langem berücksichtigt wird, eine Erklärung, dass die Rückkehr freiwillig erfolge (im Folgenden: Freiwilligkeitserklärung; vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 11.12.2002, Az.: 4 LB 471/02; VG Frankfurt, Urteil vom 08.06.2002, Az.: 2 E 339/05). Geht man insoweit davon aus, dass die Abgabe einer solchen Freiwilligkeitserklärung nicht zu den Mitwirkungspflichten eines Ausländers gehört (OLG Köln, Beschluss vom 10.02.2006, Az.: 16 Wx 238/06; OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 27.07.1999, Az.: 20 W 306-99), käme der Mitwirkungspflichtverletzung der Antragstellerin keine ursächliche Bedeutung zu. Soweit man allerdings die Auffassung vertritt, die Verpflichtung zur Mitwirkung bei der Beschaffung der für die Ausreise notwendigen Dokumente beinhalte auch die Verpflichtung zur Abgabe der Freiwilligkeitserklärung (OVG Lüneburg, Urteil vom 11.12.2002, a.a.O.), spräche auch hier grundsätzlich mehr für ein rechtsmissbräuchliches Verhalten im Sinne des § 2 AsylbLG, wobei nach der vom OVG Lüneburg vertretenen Auffassung die Zumutbarkeit aber nicht ungeprüft bleiben darf. Im Hinblick auf das bereits erwähnte Wiederaufnahmeverfahren könnte die Annahme der Rechtsmissbräuchlichkeit erheblich eingeschränkt sein.
Dass schließlich ein rechtsmissbräuchliches Verhalten im Sinne von § 2 Abs. 1 AsylbLG nicht alleine in dem Umstand gesehen werden kann, dass die Antragsteller bisher nicht freiwillig ausgereist sind, hat der Senat bereits wiederholt – auch in die Antragsgegnerin betreffenden Rechtsstreiten – entschieden. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Ausführung im Beschluss vom 23.01.2006 (a.a.O) verwiesen (vgl. auch LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 20.12.2005, Az.: L 7 AY 51/05; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 07.03.2006, Az.: L 8 B 13/05 AY ER -; OVG Bremen, Beschluss vom 09.09.2005, Az.: 2 B 177/05). Der Senat hat keine Veranlassung, von seiner ständigen Rechtsprechung abzugehen.
Die Neufassung des Tenors beruht auf der Praxis, Leistungen der Sozialhilfe und nach dem AsylbLG in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (nur) bis zum Ende des Monats der gerichtlichen Entscheidung zu gewähren. Der Senat geht dabei insoweit davon aus, dass bei im Übrigen unveränderten Verhältnissen und nicht rechtskräftigem Abschluss des Hauptsacheverfahrens die Antragsgegnerin auch über den 31.05.2006 hinaus Leistungen nach § 2 AsylbLG, SGB XII erbringen wird.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Erstellt am: 22.05.2006
Zuletzt verändert am: 22.05.2006