Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 22.09.2004 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Berufungsverfahren. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer sachlich-rechnerischen Berichtigung für das Quartal III/00. Gegenstand des Streits ist die Frage, ob die Klägerin berechtigt waren, Leistungen nach dem Diabetesvertrag zur Verbesserung der Qualität der ambulanten Versorgung von Diabetikern durch Intensivierung der interdisziplinären Kooperation von Vertragsärzten (DV) für Patienten zu erbringen und abzurechnen, die nicht aufgrund einer Überweisung eines diabetologisch geschulten Hausarztes (DHA) die diabetologische Schwerpunktpraxis (DSP) aufgesucht haben.
Die als Internisten in L tätigen und dort auch zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Betreiber der Klägerin haben die Genehmigung als DSP nach dem DV. Durch Bescheid vom 16.02.2001 wurden für das Quartal III/00 erbrachte und abgerechnete Leistungen nach den Nrn. 9301 bis 9310 des DV bei Patienten mit Diabetes Typ II gestrichen. Bei der Überprüfung der Abrechnung sei festgestellt worden, dass die den gestrichenen Ziffern zugrundeliegenden Leistungen auf Überweisung von Nicht-DHA en abgerechnet worden seien. Liege eine entsprechende Indikation des DV vor sollten Diabetiker nur auf Überweisungsschein von DSP mitbehandelt werden. Daher seien Leistungen auf Überweisung von Nicht-DHA en gestrichen worden.
Ihren hiergegen gerichteten Widerspruch vom 22.02.2001 begründete die Klägerin damit, eine Schwachstelle des DV bestehe darin, dass sich bisher nicht genügend Hausärzte zum DHA qualifiziert hätten. Bisher seien daher die Überweisungen vom Nicht-DHA toleriert worden. Seit Mitte letzten Jahres sei eine Änderung der Überweisungspraxis der Gestalt angekündigt worden, dass künftig nur noch Patienten vom DHA an die Schwerpunktpraxis überwiesen werden dürfte. Bedingung für diese Änderung sei jedoch immer gewesen, dass sich genügend Hausärzte qualifiziert hätten. Die rechtliche und tatsächliche Situation rechtfertige das einseitige Verbot der Beklagten nicht. Die Klägerin könnte überhaupt nicht kontrollieren, ob ein Hausarzt als DHA qualifiziert sei oder nicht, denn dies ginge weder aus dem Praxisstempel noch aus einer anderen verbindlichen Verlautbarung der Beklagten zweifelsfrei hervor. Es gäbe zwar eine Liste, diese sei aber lückenhaft und teilweise falsch. Von der nunmehr zwingenden Regelung der Überweisung vom DHA sei die Klägerin erst am Quartalsende in der Weihnachtszeit 2000 informiert worden.
Nachdem die Beklagte dem Widerspruch mit weiterem Bescheid vom 13.06.2001 hinsichtlich einiger Fälle, in denen Überweisungen vom DHA bzw. Gynäkologen vorlagen, teilweise stattgegeben hatte, wies sie den Widerspruch im Übrigen mit Widerspruchsbescheid vom 25.09.2001 unter Bezug auf den angefochtenen Bescheid zurück.
Hiergegen richtete sich die am 24.10.2001 erhobene Klage. Über den Vortrag im Verwaltungsverfahren hinaus vertreten die Kläger die Ansicht, § 4 Abs. 3 DV sei eine Soll-Vorschrift, aus diesem Grunde müsse die Überweisung nicht vom DHA erfolgen. Bis zum Quartal III/00 seien keine Streichungen in diesen Fällen erfolgt. Von daher bestehe zumindest für das Quartal III/00 Vertrauensschutz, zumal auch die Listen, in denen die DHA aufgeführt seien von der Beklagten im Quartal III/00 noch nicht zur Verfügung gestellt worden seien.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 16.02.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.09.2001 zu verurteilen, die abgesetzten Leistungen nach den Nrn. 9301 bis 9310 des DV abzurechnen und zu vergüten, hilfsweise, die Vergütung in den gestrichenen Fällen nach EBM abzurechnen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags hat die Beklagte im Wesentlichen ausgeführt, die DSP en seien aufgrund der Einigkeit zwischen den Vertragspartnern mit der Veröffentlichung in der KV No-Aktuell 7/99 darüber informiert worden, bis zum 30.09.1999 die Möglichkeit zu haben, Leistungen nach den Ziffern 9303 und 9306 bis 9310 des DV ohne die ansonsten vorgeschriebene Überweisung vom DHA zu erbringen und abzurechnen. Eine Ausnahme habe lediglich für den Typ I Diabetiker und für die Gestations-Diabetikerin bestanden. Die Notwendigkeit der Überweisung vom DHA, über die zwischen den Vertragspartnern Einigkeit bestanden habe, ergebe sich auch aus der Philosophie des DV und sei durch dessen Bezeichnung "Vertrag zur Intensivierung der Interdisziplinären Kooperation von Vertragsärzten in der ambulanten Versorgung von Diabetikern" deutlich zum Ausdruck gekommen. Für die in diesem Bereich tätigen Ärzte seien auch umfangreiche Informationsveranstaltungen durchgeführt worden.
Das Sozialgericht Düsseldorf hat der Klage mit Urteil vom 22.09.2004 stattgegeben. Die Klägerin seien berechtigt gewesen, Leistungen, die den gestrichenen Ziffern des DV zugrundegelegen hätten, an Patienten zu bringen, die nicht auf Überweisung eines DHA die DSP aufgesucht hätten. Ein Vergütungsausschluss für solche Leistungen lasse sich dem DV, der ein öffentlich rechtlicher Vertrag mit normativer Wirkung sei, nicht entnehmen. Bei der über die Wortlautauslegung hinaus anhand der systematischen, teleologischen und entstehungsgeschichtlichen Interpretation vorzunehmenden Auslegung von Vergütungsregelungen gälten die selben Grundsätze, die die Rechtsprechung für die Auslegung von Gebührentatbeständen des einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) entwickelt habe. Die Leistungslegenden der streitigen Gebührenziffern enthielten keinen Leistungsausschluss für den fehlenden Fall der Überweisung vom DHA. Auch aus § 4 Abs. 3 DV lasse sich ein solcher nicht ableiten. Nach dieser Regelung sollten bei entsprechender Indikation alle Diabetiker – vom Typ I abgesehen – nur auf Überweisungsschein von der DSP mitbehandelt werden. § 4 Abs. 4 DV regele die Rücküberweisung an den DHA. Zwar lasse sich aus Abs. 3 der genannten Vorschrift entnehmen, dass mit Überweisung diejenige des DHA gemeint sei, jedoch beinhaltet diese Regelung keinen Vergütungsausschluss, denn ein solcher müsse eindeutig geregelt werden. Das sei z.B. in § 2 Abs. 2 c DV erfolgt. Demgegenüber sei § 4 Abs. 3 DV eine Soll-Vorschrift und kein zwingendes Recht, letzteres sei durch die Formulierung "müssen" zu charakterisieren. An dieser Sachlage ändere sich auch nichts durch die Veröffentlichung in der KV No-Aktuell, denn diese könne lediglich Vertrauensschutz begründen, sei aber nicht geeignet, Normverträge für Vertragsärzte verbindlich auszulegen. Auch eine Auslegung nach Sinn und Zweck des DV führe zu keinem anderen Ergebnis. Die im DV abweichend vom EBM vereinbarte besondere Vergütung werde den DSP en für die Erfüllung hoher Qualitätsanforderungen gewährt. Diese hohe Qualität biete die DSP auch im Falle der Überweisung durch einen Hausarzt, der nicht DHA sei. Die Formulierung des § 4 Abs. 3 DV als Soll-Vorschrift sei auch deshalb sinnvoll, weil es für die Ärzte der DSP ebensowenig wie für die Patienten erkennbar sei, bei welchem Hausarzt es sich um einen DHA handele. Für die Verhältnismäßigkeit eines Vergütungsausschlusses sei daher das Vorhandensein genügender DHA e einerseits und vollständiger Listen hierüber andererseits Voraussetzung. Zumindest im streitigen Quartal sei das aber noch nicht der Fall gewesen.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Nach dem 30.09.1999 seien alle DSP en ausdrücklich darauf hingewiesen worden, Diabetespatienten grundsätzlich nur auf Überweisung von DHA behandeln zu können. Die Ausführungen des Sozialgerichts Düsseldorf gingen fehl, sofern darauf abgestellt werde, der DV enthalte keinen Vergütungsausschluss für Leistungen einer DSP, die auf Überweisung eines Hausarztes, der nicht DHA sei, erfolge. § 4 Abs. 3 und 4 DV stünden in unmittelbaren Zusammenhang. Insbesondere durch Abs. 4 sei deutlich zum Ausdruck gebracht worden, dass die DSP die gestrichenen Ziffern ausschließlich auf Überweisung eines DHA abrechnen könne. In gleicher Weise gingen die Ausführungen des Sozialgerichts zur Auslegung des DV nach dessen Sinn und Zweck fehl. Der Präambel sei das Ziel des DV zu entnehmen, welches darin bestehe, die Qualität der ambulanten Langzeitversorgung der Diabetiker zu sichern bzw. zu verbessern, sie in die Lage zu versetzen und nachhaltig zu veranlassen, ihre Lebensführung auf Dauer an die Erfordernisse ihrer chronischen Erkrankung anzupassen und zu Kosteneinsparungen beizutragen, in dem stationäre Einweisungen vermieden würden. Aus diesem Grunde sollten die Maßnahmen zwischen der DSP und DHA sinnvoll verzahnt werden, damit Qualität und Wirtschaftlichkeit gewährleistet seien. Im Quartal III/2000 seien ca. 1600 bis 1700 DHA e und 100 DSP en tätig gewesen. Listen hierüber seien auf Nachfrage zur Verfügung gestellt worden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 22.09.2004 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Aus dem DV ergebe sich keine Beschränkung hinsichtlich der Abrechnungsmöglichkeiten. Tatsächlich seien auch sämtliche mit der Klage geltend gemachten Honorare auf der Grundlage solcher Behandlungen erzielt worden, die tatsächlich aufgrund von Überweisungen erfolgt seien. Die weiteren Ausführungen der Beklagten zur Zahl der zugelassenen DHA e seien unerheblich. Unzutreffend sei auch, dass entsprechende Listen zur Verfügung gestellt worden seien. Solche Listen, die häufig falsche Angaben enthielten, seien nur mit erheblicher Verzögerung zur Verfügung gestellt worden.
Wegen der weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten, die der Senat beigezogen hat und der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist sowie auf den Vortrag der Beteiligten im Übrigen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
Zu Recht hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, die abgesetzten Nrn. 9301 bis 9310 des DV abzurechnen und zu vergüten, denn der Bescheid vom 16.02.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.09.2001 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin daher gemäß § 54 Abs. 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in ihren Rechten.
Hierzu verweist der Senat zunächst voll inhaltlich auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des sozialgerichtlichen Urteils, die er sich nach Prüfung der Sach- und Rechtslage zu eigen macht (§ 153 Abs. 2 SGG).
Eine abweichende Beurteilung ergibt sich auch nicht aus dem Vorbringen der Beklagten im Berufungsverfahren, denn es besteht in einer Wiederholung und Vertiefung des bereits in der sozialgerichtlichen Entscheidung gewürdigten Vorbringens. Die Ausführungen der Beklagten zu dem sich bereits aus der Präambel ergebenden Sinn und Zweck des DV sind zwar zutreffend, vermögen aber nichts an der Tatsache zu ändern, das eine Vergütungsausschluss einer ausdrücklichen Regelung bedarf und nicht in eine unklare Formulierung hinein zu interpretieren ist. Dies ergibt sich aus dem Umstand, dass ein Vergütungsausschluss immer den grundrechtlich geschützten Bereich entweder der Berufswahl oder Berufsfreiheit betrifft und damit hinsichtlich der Abwägung zwischen der Eingriffsintensität und den einer Qualitätsanforderung zugrundeliegenden Gemeinwohlbelangen, je nach dem welcher Bereich betroffen ist, mit unterschiedlichen Maßstäben zu messen ist (vgl. BSG Urteil vom 08.09.2004, Az.: B 6 KA 82/03 R). Dieser Eindeutigkeit wird die in § 4 Abs. 3 benutzte Formulierung "sollen" nicht gerecht, denn eine solche Formulierung ist lediglich im Sinne einer Empfehlung bzw. wünschenswerten Vorgehensweise zu verstehen und kann daher keinen Anspruch auf Ausschließlichkeit erheben. Dazu wäre es nach Auffassung des Senats erforderlich gewesen, die entsprechende Regelung mit dem Begriff "müssen" zu versehen.
Darüber hinaus sieht der Senat den auch bisher unberücksichtigt gebliebenen Umstand von Bedeutung an, dass die Leistungen der Klägerin für Patienten, die von einem diabetologisch geschulten Hausarzt überwiesen worden sind, auch in den Quartalen IV/99, I/00 und II/00 vergütet worden sind. Hierauf ist bereits im Widerspruchsverfahren von Seiten der klägerischen Praxis hingewiesen worden. Damit hat die Beklagte trotz der anderslautenden Erklärung in der KV No 7/99, dass die Möglichkeit der Abrechnung der streitigen Gebührenziffern bis 30.09.1999 auch bei Patienten möglich sei, ohne dass die vorgeschriebene Überweisung vom DHA gefordert werde, durch ihre Abrechnungspraxis jedenfalls in den nachfolgenden drei Quartalen einen Vertrauenstatbestand geschaffen, aufgrund dessen die Klägerin nicht davon ausgehe konnte und musste, ab dem streitigen Quartal werde nunmehr ohne eine Änderung der Sach- und Rechtslage eine andere Handhabung praktiziert und die einschlägigen Vorschriften restriktiver interpretiert.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG in der bis zum 01.01.2000 gültigen Fassung.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Erstellt am: 10.05.2006
Zuletzt verändert am: 10.05.2006