Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 23.11.2005 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin von der Beklagten die Gewährung einer Regelaltersrente beanspruchen kann. Dabei ist insbesondere streitig, ob Arbeitszeiten der Klägerin im Ghetto Wilna in Litauen als Zeiten einer versicherungspflichtigen Beschäftigung auf die allgemeine Wartezeit anrechenbar sind.
Die jüdische Klägerin wurde am 00.00.1927 in Podbrozie als polnische Staatsangehörige geboren. Sie wanderte 1957 oder 1961 nach Israel aus und besitzt die israelische Staatsangehörigkeit. Sie erhielt eine Entschädigung wegen eines Schadens an Freiheit.
In einer Erklärung zu ihrem Antrag auf Beihilfe nach Art. 5 BEG – Schlussgesetz gab die Klägerin am 31.07.1966 an, dass sie von September 1941 bis September 1943 im Ghetto Wilna und anschließend bis März 1945 in einem Versteck gelebt habe. Die Zeugen T und C gaben an, dass sie zusammen mit der Klägerin von September 1941 bis September 1943 im Ghetto Wilna zusammen inhaftiert gewesen seien.
In einem Antrag auf Entschädigung nach dem Art. II Fund durch die Claims Conference gab die Klägerin am 13.07.1999 an, dass sie von September 1941 bis September 1943 im Ghetto Wilna gewesen sei. Bei Errichtung des Ghettos im September 1941 sei sie gleich dorthin eingewiesen worden und bis September 1943 dort geblieben. Trotz ihres jungen Alters sei sie zu verschiedenen Zwangsarbeiten herangezogen worden. Sie habe im Ghetto an Hunger, Kälte und Nässe gelitten.
Am 13.11.2002 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Regelaltersrente unter Anerkennung von Zeiten nach dem Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG). In dem Versicherungsverlauf zum Rentenantrag gab sie am 25.02.2003 an, von September 1941 bis September 1943 im Ghetto Wilna als Arbeiterin verschiedene Arbeiten 60 Stunden wöchentlich ausgeführt zu haben. Die Frage "Arbeitsverdienst, Höhe des wöchentlichen/monatlichen Entgelts, gegebenenfalls Art und Umfang der Sachbezüge (z.B. Kost, Logis, Deputat)” beantwortete sie nicht. In dem Fragebogen zur Anerkennung von Zeiten nach dem ZRBG gab die Klägerin an, dass sie von September 1941 bis September 1943 innerhalb des Ghettos ohne Bewachung mit der Reinigung von verlassenen jüdischen Wohnungen 10 Stunden täglich beschäftigt gewesen sei. Die Arbeit habe sie freiwillig durch eigene Bemühungen erhalten. Ob sie einen Barlohn erhalten habe, sei ihr nicht mehr erinnerlich. In einer Erklärung vom 21.09.2003 gab die Klägerin an, dass sie für ihre Tätigkeit vergrößerte Lebensmittelrationen erhalten habe. In einer im Januar 2004 bei der Beklagten eingegangenen, nicht von der Klägerin unterschriebenen, Erklärung ist angegeben, dass sie die Arbeit durch eigenen Bemühungen und durch Vermittlung des Judenrates erhalten habe und dass die Arbeitenden dafür größere Lebensmittelrationen für die Arbeitenden und Essen am Arbeitsplatz erhalten hätten. Als Grund für die abweichenden Angaben gab die Klägerin Erinnerungslücken an. Mit Bescheid vom 02.03.2004 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Altersrente ab, da die Klägerin sowohl im Rentenverfahren als auch bei der Claims Conference voneinander abweichende Angaben gemacht habe und die Zeit einer Beschäftigung i.S.d. ZRBG somit nicht glaubhaft gemacht sei.
Die Klägerin legte am 24.03.2004 Widerspruch ein und führte aus, dass die Erklärung in dem Antrag bei der Claims Conference, zu verschiedenen Zwangsarbeiten herangezogen worden zu sein, der Anerkennung einer Zeit nach dem ZRBG nicht entgegenstehe. In einer eidesstattlichen Erklärung vom 10.05.2004 gab sie an, dass sie im September 1941 in das Ghetto Wilna übersiedelt worden sei. Sie habe sich freiwillig zur Arbeit gemeldet und eine Stelle im Ressort Reinigung und Instandhaltung erhalten und größtenteils verlassene jüdische Wohnungen gereinigt. Jeden Morgen um 7.00 Uhr habe sie sich zur Arbeit gemeldet und ihr sei mitgeteilt worden, welche Arbeiten zu verrichten seien. Meistens seien eine Reihe von Wohnungen leer zu räumen gewesen. Mit Hilfe von anderen jüdischen Arbeitern habe sie Möbel und alle weiteren Gegenstände aus der Wohnung entfernt. Anschließend habe sie die ausgeräumten Wohnungen gereinigt und desinfiziert. Je nach Zustand der Wohnungen habe die Arbeit drei bis vier Stunden gedauert. Danach seien meist noch andere Arbeiten wie die Reinigung der Kaserne oder Arbeiten in der Küche angefallen. Mit Widerspruchsbescheid vom 30.11.2004 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Grundsätzlich komme die Anerkennung einer Ghetto-Beitragszeit in Betracht, jedoch sei nach den Angaben der Klägerin im Entschädigungsverfahren bei der Claims Conference nicht davon auszugehen, dass sie eine Beschäftigung aus eigenem Willensentschluss im Ghetto Wilna ausgeübt habe.
Die Klägerin hat am 21.12.2004 Klage erhoben und auf ein Schreiben des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz, Tl, vom 26.03.1943 verwiesen. Hiernach habe der Reichsführer SS aus Gründen der Staatssicherheit die bisher in freien Arbeitsverhältnissen tätigen, nicht lagermäßig eingesetzten Juden im Februar von ihren Arbeitsplätzen abgezogen und einem geschlossenen Einsatz zugeführt oder zur Fortschaffung zusammengezogen. Da sie nicht lagermäßig untergebracht gewesen sei, habe sie mithin in einem freien Arbeitsverhältnis gestanden. Auch sei im Hinblick auf die von der Beklagten im Widerspruchsbescheid zitierten Lohnregelung davon auszugehen, dass ein entgeltliches Beschäftigungsverhältnis bestanden habe.
Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 02.03.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.11.2004 zu verurteilen, ihr ab dem 01.07.1997 eine Regelaltersrente unter Berücksichtigung von Beitragszeiten im Ghetto Wilna von September 1941 bis September 1943 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung gewesen, dass die angefochtenen Bescheide nicht zu beanstanden seien, denn es sei nicht davon auszugehen, dass die Klägerin ein die Versicherungspflicht begründendes Entgelt erhalten habe.
Mit Urteil vom 23.11.2005 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass es nicht glaubhaft gemacht sei, dass die Klägerin entgeltlich tätig gewesen sei. Zwar möge die Gewährung von (guter) Verpflegung zum Überleben eine größere Bedeutung gehabt haben als die Zahlung von geringem Barlohn, jedoch handele es sich dabei nicht nur um eine den Verhältnissen in einem Ghetto entsprechende Eigentümlichkeit. Auch bei normalen Arbeitsverhältnissen möge die Gewährung von Kost und Logis materiell höher zu bewerten sein als ein geringer, aber sozialversicherungspflichtiger Barlohn. Die Klägerin habe im Rentenantrag die Frage nach dem Arbeitsverdienst unbeantwortet gelassen. Im Fragebogen zum ZRBG habe sie am 21.09.2003 angegeben, für ihre Reinigungstätigkeiten vergrößerte Lebensmittelrationen erhalten zu haben. In der Folge sei mitgeteilt worden, dass die Angaben der Klägerin geändert worden seien, da sie aufgrund ihres hohen Alters Erinnerungslücken habe. Sie habe für ihre Tätigkeit sowohl vergrößerte Lebensmittelrationen als auch Essen am Arbeitsplatz erhalten. Dies reiche nicht aus. Der Erhalt von Lebensmitteln zur eigenen Verpflegung begründe als freie Unterhaltsgewährung keine Versicherungspflicht. Dass die Klägerin Lebensmittel in einem Umfang erhalten habe, der über das für die Selbstversorgung notwendige Maß hinausging, sei durch Nichts belegt. Dies habe die Klägerin auch nicht substantiiert vorgetragen und sei vor dem Hintergrund ihrer Erklärung gegenüber der Claims Conference auch wenig wahrscheinlich. Dort habe sie u.a. ausgeführt, dass sie im Ghetto Wilna unter Hunger gelitten habe. Es spräche auch Nichts dafür, dass die gewährten Lebensmittel noch in einem angemessenen Verhältnis zu den geleisteten (10-stündigen täglichen) Reinigungsarbeiten gestanden hätten. Die angeführten Regelungen über Lohnzahlungen an jüdische Arbeitskräfte führten zu keinem für die Klägerin günstigen Ergebnis, denn sie habe selbst nicht substantiiert vorgetragen, für die von ihr geleisteten Arbeiten Barlohn erhalten zu haben. Auch sonst sei es jedenfalls nicht überwiegend wahrscheinlich, dass die Klägerin einem freiwilligen und entgeltlichen Beschäftigungsverhältnis nachgegangen sei. Gegenüber der Claims Conference habe sie ausgeführt, sie sei gleich bei Errichtung des Ghettos Wilna im September 1941 in das Ghetto eingewiesen worden und habe dort bis September 1943 verbleiben müssen. Trotz ihres jugendlichen Alters sei sie zu verschiedenen Zwangsarbeiten herangezogen worden. Auch dies spreche eher für Zwangsarbeit als für ein aus eigenem Willensentschluss zustande gekommenes Beschäftigungsverhältnis. Auch wenn der Klägerin damals die rechtliche Ausprägung des Begriffs Zwangsarbeit nicht bewusst gewesen sei, könne nicht unberücksichtigt bleiben, dass das Wort Zwang auch insbesondere einen allgemeingültigen Sinngehalt dahingehend habe, dass der Begriff des Zwangs gemeinhin als Gegenbegriff zur freien Willensentscheidung verstanden werde und das Merkmal der Freiwilligkeit ausschließe. Gerade weil der Klägerin bei der angeführten Erklärung gegenüber der Claims Conference der genaue rechtliche Gehalt des Begriffs der Zwangsarbeit nicht bekannt gewesen sein dürfte, spräche vieles dafür, dass durch die Verwendung dieses Begriffs entsprechend seinem üblichen Verständnis zum Ausdruck gebracht werden sollte, dass sie sich dem Arbeitseinsatz nicht habe entziehen können und gegen ihren Willen zur Arbeit gezwungen worden sei. Nicht nur die Verwendung des Begriffs lege dies nahe, sondern auch das Vorbringen der Klägerin, trotz ihres jugendlichen Alters zu den verschiedenen (Zwangs-)Arbeiten "herangezogen" worden zu sein.
Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 01.12.2005 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 14.12.2005 Berufung eingelegt. Nach dem von dem Sozialgericht Hamburg eingeholten Gutachten des Dr. Tauber vom 22.11.2005 bei Ghettoarbeitsverhältnissen könne sowohl von freiwillig aufgenommenen Beschäftigungen als auch von deren Entgeltlichkeit ausgegangen werden. Im Hinblick auf die Entgeltregelung für jüdische Beschäftigte des Ghettos Wilna sei auf das Entgelt abzustellen, auf das ein Rechtsanspruch bestand. Dies ergebe sich aus der grundsätzlichen Entscheidung des Reichsversicherungsamtes vom 29.10.1930 (AN 1931 IV, S. 34).
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 23.11.2005 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 02.03.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.11.2004 zu verurteilen, ihr ab dem 01.07.1997 eine Regelaltersrente unter Berücksichtigung von Beitragszeiten im Ghetto Wilna von September 1941 bis September 1943 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheit des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte, die die Klägerin betreffende Verwaltungsakte der Beklagten (Az: 000) sowie die Akte der Bezirksregierung Düsseldorf (Az: 000) verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte gemäß §§ 153 Abs.1, 110 Abs.1, 126 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Abwesenheit des Klägers verhandeln und entscheiden, weil sein Prozessbevollmächtigter in der Terminsmitteilung, die ihm am 15.04.2006 zugestellt worden ist, auf diese Möglichkeit hingewiesen worden war.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten 02.03.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.11.2004 ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin nicht gemäß § 54 Abs. 2 SGG in ihren Rechten. Die Beklagte hat zutreffend entschieden, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Regelaltersrente hat.
Nach § 35 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) hat ein Versicherter Anspruch auf Altersrente, wenn er das 65. Lebensjahr vollendet und die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren erfüllt hat. Zwar hat die Klägerin das 65. Lebensjahr bereits im Mai 1992 vollendet. Sie kann jedoch die erforderliche Wartezeit nicht vorweisen. Als anrechnungsfähige Versicherungszeiten kommen insoweit Beitrags- und Ersatzzeiten im Sinne der §§ 50 Abs.1 Nr.1, 51 Abs.1 und Abs.4 SGB VI in Betracht. Dabei finden nach § 250 Abs.1 SGB VI Ersatzzeiten als rentenrechtliche Zeiten allerdings nur dann Berücksichtigung, wenn vor Beginn der Rente zumindest ein Beitrag wirksam entrichtet worden ist oder als wirksam entrichtet gilt; denn Ersatzzeiten sollen nach dem Gesetz nur Versicherten, d.h. Personen zugute kommen, die bereits Beitragsleistungen erbracht haben (vgl. Niesel in Kasseler Kommentar, § 250 SGB VI RdNr. 10; Schmidt in Kreikebohm, SGB VI, 2. Aufl., § 250 RdNr. 6; BSG, Urteil vom 07.10.2004, B 13 RJ 59/03 R).
Die Klägerin hat jedoch keine auf die Wartezeit anrechenbaren Beitragszeiten zurückgelegt. Gemäß §§ 55 Abs.1, 247 Abs.3 S.1 SGB VI sind Beitragszeiten Zeiten, für die nach Bundesrecht oder Reichsversicherungsgesetzen Pflichtbeiträge oder freiwillige Beiträge gezahlt worden sind. Nach § 2 Abs.1 ZRBG gelten für Zeiten der Beschäftigung von Verfolgten in einem Ghetto Beiträge als gezahlt und werden als sog. "Ghetto-Beitragszeiten" bei der Anrechnung auf die Wartezeit als Beitragszeiten berücksichtigt. Bei der von der Klägerin geltend gemachten Beschäftigung im Ghetto Wilna von September 1941 bis September 1943 handelt es sich jedoch nicht um eine "Ghetto-Beitragszeit" in diesem Sinne, weil die Voraussetzungen des § 1 Abs.1 S.1 ZRBG nicht erfüllt sind. Danach erhalten Verfolgte im Sinne des BEG Leistungen nach dem ZRBG, die (1.) sich zwangsweise in einem Ghetto aufgehalten haben, welches sich in einem Gebiet befand, das vom Deutschen Reich besetzt oder diesem eingegliedert war, und (2.) dort eine aus eigenem Willensentschluss zustande gekommene Beschäftigung gegen Entgelt ausgeübt haben. Insoweit mag dahin stehen, ob diese Beschäftigung nachgewiesen oder – in entsprechender Anwendung des § 4 Fremdrentengesetz (FRG) bzw. § 3 des Gesetzes zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung (WGSVG) – lediglich glaubhaft gemacht sein muss; denn die Klägerin hat schon nicht glaubhaft gemacht, in der streitgegenständlichen Zeit eine aus eigenem Willensentschluss zustande gekommene, entgeltliche Tätigkeit im Sinne des § 1 Abs.1 ZRBG ausgeübt zu haben.
Glaubhaft gemacht ist eine Tatsache, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbaren Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist (vgl. § 4 Abs.1 FRG, § 3 Abs.1 WGSVG). Glaubhaftmachung bedeutet danach mehr als das Vorhandensein einer bloßen Möglichkeit, aber auch weniger als die an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit. Es genügt die "gute Möglichkeit", dass der entscheidungserhebliche Vorgang sich so zugetragen hat, wie behauptet wird. Es muss also mehr für als gegen den behaupteten Sachverhalt sprechen. Dabei sind gewisse noch verbleibende Zweifel unschädlich (vgl. BSG SozR 3-3900 § 15 Nr.4).
Nach der insoweit erforderlichen Gesamtwürdigung aller Umstände sieht es der Senat unter Berücksichtigung der eigenen Angaben der Klägerin zwar als glaubhaft gemacht an, dass sie von September 1941 bis September 1943 im Ghetto Wilna Reinigungsarbeiten verrichtet hat. Es ist aber nicht überwiegend wahrscheinlich, dass es sich dabei um ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis handelte.
Auch bei Arbeiten, die unter den allgemeinen Bedingungen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft verrichtet wurden, ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) eine von den Merkmalen der Freiwilligkeit und Entgeltlichkeit bestimmte Beschäftigung, die grundsätzlich der Versicherungspflicht unterliegt, von nichtversicherungspflichtiger Zwangsarbeit abzugrenzen (BSG SozR 3-5070 § 14 Nr. 2,3; BSG SozR 3-2200 § 1248 Nr.15, 16, 17). Dabei ist das Vorliegen eines – freien – Beschäftigungsverhältnisses danach zu beurteilen, ob die Beschäftigung im Sinne des Arbeitsrechts aufgrund einer zweiseitigen Vereinbarung aufgenommen wurde und den Austausch wirtschaftlicher Werte (Arbeit gegen Lohn) zum Inhalt hatte. Die Ausübung einer Beschäftigung im Sinne von "Zwangsarbeit" genügt dazu nicht (BSG SozR 3-5070 § 14 Nr.2 S.6 ff und Nr.3 S.18 ff). Zwangsarbeit ist in Abgrenzung zur versicherungspflichtigen Beschäftigung die Verrichtung von Arbeit unter obrigkeitlichem (hoheitlichem) bzw. gesetzlichem Zwang, wie z.B. bei Strafgefangenen und Kriegsgefangenen oder in Zwangsarbeitslagern (vgl. z.B. BSGE 80, 250, 253 = SozR 3-2200 § 1248 Nr.15). Typisch ist dabei insbesondere die obrigkeitliche Zuweisung von Arbeiten, ohne dass die Arbeiter selbst hierauf Einfluss haben. Weiter ist charakteristisch für Zwangsarbeit, dass ein Entgelt für die individuell geleistete Arbeit nicht oder nur in geringem Maße an die Arbeiter ausgezahlt wird (vgl. hierzu BSGE 38, 245 = SozR 5070 § 14 Nr.12; BSG, Urteil vom 20.02.1975 – 4 RJ 15/74 -; BSG SozR 5070 § 14 Nr.9). Entsprechendes gilt für die Bewachung der Arbeiter während der Arbeit, um zu verhindern, dass diese sich aus dem obrigkeitlichen Gewahrsam entfernen können (zur Abgrenzung vgl. BSGE 12, 71 = SozR Nr. 18 zu § 537 RVO). Diese Kriterien zeigen, dass eine verrichtete Arbeit sich um so mehr von dem Typus des Arbeits- bzw. Beschäftigungsverhältnisses entfernt und dem Typus der Zwangsarbeit annähert, als sie durch hoheitliche Eingriffe überlagert wird, denen sich der Betroffene nicht entziehen kann (vgl. BSG, Urteil vom 14.07.1999, B 13 RJ 71/99 R). Diese Grundsätze gelten auch für Rentenansprüche, die – wie hier – auf das ZRBG gestützt werden. Mit § 1 Abs.1 ZRBG, der die Zahlbarmachung einer Rente nur für aus eigenem Willensentschluss zustande gekommene, gegen Entgelt ausgeübte Beschäftigungen in einem Ghetto vorsieht, knüpft der Gesetzgeber erkennbar an die von der Rechtsprechung des BSG aufgestellten Kriterien der Freiwilligkeit und Entgeltlichkeit für eine versicherungspflichtige Beschäftigung in einem Ghetto an. Dies ergibt sich sowohl aus dem Wortlaut des § 1 Abs.1 S.1 ZRBG als auch aus der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 14/8583, S.1, 5; 14/8602, S.1,5). Danach ist das ZRBG ausdrücklich in Reaktion (und Akzeptanz) der Rechtsprechung des BSG verabschiedet worden, um – entgegen § 272 SGB VI – in vielen Fällen die daraus resultierenden Rentenansprüche in das Ausland erst zahlbar zu machen. Eine Erweiterung des anspruchsberechtigten Personenkreises über den von der "Ghetto-Rechtsprechung" begünstigten hinaus ist hingegen ersichtlich vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt gewesen (BSG, Urteil vom 07.10.2004, B 13 RJ 59/03 R).
Unter Berücksichtigung der Kriterien des BSG zur Abgrenzung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung zu nichtversicherter Zwangsarbeit ist es nicht überwiegend wahrscheinlich, dass die Klägerin im Ghetto Wilna einer aus eigenem Willensentschluss zustande gekommenen, entgeltlichen Beschäftigung nachgegangen ist.
Der Senat hat bereits erhebliche Zweifel daran, dass den von der Klägerin dort ausgeübten Arbeiten ihr freier Willensentschluss zugrunde lag. Schon ihre eigenen Angaben im Verfahren bei der Claims Conference und im Rentenverfahren vermögen eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für die Freiwilligkeit der behaupteten Arbeit nicht zu begründen. Es mag zwar sein, dass die Klägerin die Arbeiten – entsprechend ihrem Vortrag im Rentenverfahren – u.a. durch Vermittlung des Judenrates erhalten hat. Abgesehen davon, dass eine etwaige Vermittlung der Arbeit durch den Judenrat allein kaum ausreicht, um die Freiwilligkeit der verrichteten Arbeit zu bejahen (vgl. BSG, Urteil vom 07.10.2004, B 13 RJ 59/03), ist es unter Berücksichtigung des Vorbringens der Klägerin in dem Verfahren bei der Claims Conference zumindest ebenso gut möglich, dass es sich dabei um Arbeiten handelte, die dem Typus der Zwangsarbeit entsprachen, weil sie durch derart hoheitliche Eingriffe überlagert waren, dass sich die Klägerin ihnen nicht entziehen konnte. So gab die Klägerin in dem Antrag auf Entschädigung bei der Claims Conference an, dass sie trotz ihres jungen Alters zu verschiedenen Zwangsarbeiten herangezogen worden sei. Es mag zwar sein, dass der Klägerin anlässlich ihrer damaligen Angaben nicht die rechtliche Ausprägung des Begriffs der Zwangsarbeit bekannt und bewusst war und dass allein die Verwendung des Begriffs "Zwangsarbeit" in früheren Verfahren der Anerkennung einer Tätigkeit aus freiem Willensentschluss grundsätzlich nicht entgegensteht, jedoch hat das Wort Zwang – neben seiner inhaltlichen Bedeutung in dem Rechtsbegriff der "Zwangsarbeit" – auch und insbesondere einen allgemein gültigen Sinngehalt dahingehend, dass es gemeinhin als Gegenbegriff zur freien Willensentscheidung verstanden wird und das Merkmal der Freiwilligkeit ausschließt. Gerade weil der Klägerin der (genaue) rechtliche Gehalt des Begriffs der Zwangsarbeit nicht bekannt war, spricht vieles dafür, dass durch die Verwendung dieses Begriffs entsprechend seinem üblichen Verständnis zum Ausdruck gebracht werden sollte, dass sich die Betroffenen dem Arbeitseinsatz gerade nicht entziehen konnten und gegen ihren Willen zur Arbeit gezwungen wurden. Im Übrigen hat die Klägerin den von ihr im Entschädigungsverfahren verwendeten Begriff "Zwangsarbeit" auch inhaltlich ausgefüllt. So gab die Klägerin an, zu verschiedenen Zwangsarbeiten "herangezogen" worden zu sein. Die Verwendung des Wortes "herangezogen" spricht dafür, dass sich die Klägerin der Arbeitsleistung gerade nicht entziehen konnte. Im Übrigen ist eine genaue Unterscheidung zwischen der von der Klägerin verrichteten Zwangsarbeit und der behaupteten freiwillig verrichteten Tätigkeit nicht möglich. Die Angaben der Klägerin im Renten- und Streitverfahren, dass sie von September 1941 bis September 1943 im Ghetto 10 Stunden täglich Reinigungsarbeiten verrichtet habe, kann nur so verstanden werden, dass sie diese Tätigkeit während des gesamten Zeitraumes ausgeübt hat. Unterbrechungen dieser Tätigkeit, weil sie zu verschiedenen Zwangsarbeiten herangezogen wurde, sind nicht erkennbar. Dabei kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Klägerin im Rentenverfahren zunächst nur angegeben hatte, als "Arbeiterin verschiedene Arbeiten" verrichtet zu haben. Eine Konkretisierung der Tätigkeit erfolgte nicht, obwohl in dem Antragsformular die genaue Bezeichnung der ausgeübten Tätigkeit angegeben werden sollte. In dem Antrag an die Claims Conference hatte die Klägerin ebenfalls nur die Verrichtung "verschiedener" Zwangsarbeiten angegeben. Ob es sich bei den zwangsweise verrichteten Arbeiten um andere Tätigkeiten handelte als die im Rentenverfahren behaupteten Arbeiten ist nicht erkennbar. Auch wenn die Klägerin nun im Streitverfahren die von ihr behauptete freiwillige Tätigkeit im Ghetto näher beschreibt, sind in Anbetracht der Erinnerungslücken der Klägerin ihre heutigen Angaben allein nicht geeignet, die Verrichtung einer freiwilligen Tätigkeit glaubhaft zu machen.
Abgesehen von den eigenen Angaben der Klägerin spricht auch die in dem hier streitgegenständlichen Zeitraum von September 1941 bis September 1943 im Reichskommissariat Ostland geltende Verordnungslage gegen das Bestehen eines freien Arbeitsverhältnisses der Klägerin im Ghetto Wilna. Wie bereits erwähnt, liegt ein freiwilliges Beschäftigungsverhältnis in Abgrenzung zur Zwangsarbeit nur dann vor, wenn der Arbeiter im Sinne des Arbeitsrechts aufgrund einer zweiseitigen Vereinbarung tätig ist. Dies setzt voraus, dass der Arbeiter neben einem gewissen Maß an Entscheidungsfreiheit zur Beschäftigungsaufnahme die – wenn auch nur begrenzte – Möglichkeit hat, auf die Organisation und Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses Einfluss zu nehmen (LSG NRW, Urteil vom 03.06.2005, L 4 R 3/05), und insbesondere dominierende Eingriffsmöglichkeiten des Staates in das Arbeitsverhältnis auch während der Beschäftigung fehlen (vgl. BSG, Urteil vom 17.03.1993, 8 RKnU 1/91, SozR 3-5050 § 5 Nr.1). Das Arbeitsverhältnis der Klägerin im Ghetto Wilna zu ihrem "Arbeitgeber" war aber derartig fremdbestimmt, dass ihr eine solche Einflussnahmemöglichkeit nicht zustand; denn zwischen den jüdischen Bewohnern des Reichskommissariats Ostland und den deutschen Besatzungsbehörden bestand bereits ab August 1941 ein öffentlich-rechtliches Gewaltverhältnis, das u.a. durch Einschränkung der Freizügigkeit und wirtschaftlichen Betätigung, Kennzeichnungspflicht, Ortsgebundenheit, Arbeitszwang und Isolierung gekennzeichnet war. Durch die Verordnung des Reichsministers für die besetzten Gebiete vom 16.08.1941 über die Einführung des Arbeitszwangs für die jüdische Bevölkerung (abgedruckt in: Benz/Kwiet/Matthäus, Einsatz im Reichskommissariat Ostland, Berlin 1998, S. 36 ff) ordnete dieser an, dass die in den neu besetzten Ostgebieten ansässigen Juden vom vollendeten 14. bis zum 60. Lebensjahr dem Arbeitszwang unterliegen und zu diesem Zweck in Zwangsarbeitsabteilungen zusammengefasst werden sollten (vgl. § 1 der Verordnung). Die Entziehung des Arbeitszwangs war strafbewehrt. Diese Verordnung wurde von dem damaligen Reichskommissar Lohse durch Vorläufige Richtlinien für die Behandlung der Juden vom 18.08.1941 (abgedruckt in: Benz/Kwiet/Matthäus, a.a.O., S. 38 ff) für die Generalkommissariate umgesetzt. Diese Richtlinien sahen nach Übernahme der Zivilverwaltung u.a. die Konzentration der Juden in Ghettos und deren Heranziehung zur Zwangsarbeit vor (vgl. Ziffer 5 d und e der Richtlinien). Ferner wurde angeordnet, dass die Vergütung nicht der Arbeitsleistung zu entsprechen, sondern nur der Bestreitung des notdürftigen Lebensunterhalts für die Zwangsarbeiter und ihre nicht arbeitsfähigen Famlienmitglieder unter Berücksichtigung ihrer anderen Barmittel zu dienen habe (vgl. Ziffer 5 e der Richtlinien).
Das von der Klägerin in Bezug genommene Schreiben des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz vom 26.03.1943 vermag die Annahme eines freiwilligen Beschäftigungsverhältnisses nicht zu begründen. Dieses Schreiben betrifft die Abschiebung der Juden und ist an die Präsidenten aller Landesarbeitsämter gerichtet. Es ergeben sich hieraus keine Erkenntnisse bezüglich der konkreten Arbeitsbedingungen der Klägerin im Ghetto Wilna. Ob die Klägerin in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden hat, richtet sich allein nach den Umständen des Einzelfalles. Hier ist es schon aufgrund der nicht miteinander in Einklang zu bringenden Angaben der Klägerin im Entschädigungsverfahren bei der Claims Conference und im Rentenverfahren nicht gelungen, ein freiwilliges Beschäftigungsverhältnis glaubhaft zu machen.
Unabhängig von den aufgezeigten – einer Glaubhaftmachung entgegenstehenden – Zweifeln des Senats an der Freiwilligkeit des Beschäftigungsverhältnisses ist es auch nicht überwiegend wahrscheinlich, dass die Klägerin die behaupteten Arbeiten im Ghetto Wilna gegen Entgelt ausgeübt hat. Wie bereits erwähnt, erfordert das Vorliegen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ein Austauschverhältnis zwischen geleisteter Arbeit und gezahltem Entgelt. Zwar ist die Höhe des Entgelts grundsätzlich kein wesentliches Merkmal für das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses und kann auch in Form von Sachbezügen gewährt werden. Art und Umfang der gewährten Leistungen können aber Anhaltspunkte dafür geben, ob das Entgelt als Bezahlung im Sinne einer Entlohnung der geleisteten Arbeit oder zu anderen Zwecken, wie z.B. nur als "Mittel zur Erhaltung der Arbeitskraft” des zur Arbeit gezwungenen Beschäftigten, gedacht ist. Allzu geringfügige Leistungen außerhalb eines jeden Verhältnisses zur erbrachten Leistung haben keine Entgeltcharakter mehr (BSG; Urteil vom 07.10.2004 – B 13 RJ 59/03 R -). Die bloße Gewährung freien Unterhalts genügt insoweit ebenfalls nicht, als solche Versicherungspflicht begründen zu können, weil sie zur Versicherungsfreiheit kraft Gesetzes führt (BSG, Urteil vom 07.10.2004, a.a.O.).
Es ist jedoch nicht glaubhaft gemacht, dass die Klägerin für die von ihr verrichteten Arbeiten im Ghetto Wilna ein Entgelt erhalten hat, das über die Gewährung freien Unterhalts bzw. allzu geringfügige Leistungen hinausging. Der Bezug von Barlohn für die streitgegenständliche Tätigkeit ist auch unter Zugrundelegung der Angaben der Klägerin nicht überwiegend wahrscheinlich. Die Klägerin hat selbst angegeben, dass ihr der Erhalt von Barlohn nicht erinnerlich sei. Im Rentenantragsformular hat sie die Frage nach dem Arbeitsverdienst nicht beantwortet. Die gute Möglichkeit einer Entlohnung in Form von Bargeld lässt sich auch nicht auf das Schreiben des Gebietskommissars Wilna-Land vom 10.07.1942 und die beigefügten Richtlinien stützen. Insoweit mag dahin stehen, ob es im Reichskommissariat Ostland auch freie Arbeitsverhältnisse gab, in denen Juden als Gegenleistung für ihre Arbeit Barlohn erhielten. Die Klägerin selbst hat jedenfalls weder im Entschädigungs- noch in ihrem Rentenverfahren behauptet, für ihre Arbeit im Ghetto Wilna in Form von Bargeld entlohnt worden zu sein. Vielmehr hat sie in dem Fragebogen zum ZRBG selbst eingeräumt, sich nicht erinnern zu können, ob sie Barlohn erhalten habe. Das Vorliegen eines versicherungspflichtigen, entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses richtet sich jedoch stets nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls. Diese sprechen vorliegend – wie bereits ausgeführt – jedoch schon nach dem eigenen Vortrag der Klägerin gegen eine Entlohnung in Form von Bargeld. Auch ein etwaiger Lohnanspruch der Klägerin genügt nicht, um die Entgeltlichkeit ihrer streitgegenständlichen Tätigkeit glaubhaft zu machen. Zwar hat das Reichsversicherungsamt der Beitragsbemessung eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses in seiner Entscheidung vom 29.10.1930, Az: III AV 44/30 B (in: Amtliche Nachrichten für die Reichsversicherung, 1931 IV 34), das tarifvertraglich geschuldete, nicht hingegen das tatsächlich gezahlte Entgelt zu Grunde gelegt. Anders als in dem vom Reichsversicherungsamt zu entscheidenden Fall, in dem unstreitig ein freiwillig zustande gekommenes, der Versicherungspflicht unterliegendes Arbeitsverhältnis vorlag, fehlt es vorliegend aber schon an dem für die Annahme eines solches Beschäftigungsverhältnisses wesentlichen Element der Freiwilligkeit (s.o.).
Die von der Klägerin im Rentenverfahren für ihre Arbeit im Ghetto Wilna als Entlohnung behauptete Verpflegung in Form von Essen am Arbeitsplatz und größeren Lebensmittelrationen stellt ebenfalls kein Entgelt im Sinne des § 1 Abs. 1 S. 1 ZRBG dar. Der erkennende Senat sieht es zwar als glaubhaft gemacht an, dass die Klägerin im Zusammenhang mit den von ihr geleisteten Arbeiten Verpflegung erhielt. Dem Sachvortrag der Klägerin ist jedoch nicht mit der gebotenen Wahrscheinlichkeit zu entnehmen, dass der Umfang der gewährten Verpflegung über allzu geringfügige Leistungen bzw. die bloße Gewährung freien Unterhalts hinausging. Zur Gewährung freien Unterhalts gehören Sachbezüge in geringerem Umfang zur Befriedigung kleinerer Bedürfnisse und Lebensgewohnheiten (vgl. hierzu Etmer, RVO Bd. I, Stand März 1966, § 1228 Anm.4). Gewährte Lebensmittel fallen unter den freien Unterhalt, wenn sie nach Umfang und Art des Bedarfs unmittelbar zum Verbrauch oder Gebrauch, nicht hingegen nach vorbestimmtem Maße zur beliebigen Verfügung gegeben werden (vgl. RVO mit Anmerkungen, herausgegeben von Mitgliedern des Reichsversicherungsamtes, Bd. IV – Invalidenversicherung – 2. Auflage, Berlin 1930, § 1227 Anm.2). Aus dem Sachvortrag der Klägerin, für ihre Arbeit Essen am Arbeitsplatz und größere Lebensmittelrationen erhalten zu haben, lassen sich jedoch weder hinreichend sichere Schlussfolgerungen zum konkreten Umfang, Wert und der Menge der Gegenleistungen für die erbrachten Arbeiten ziehen, noch lässt sich ihrem Vorbringen im Sinne einer guten Möglichkeit entnehmen, dass diese Gegenleistungen in einem angemessenen Verhältnis zu dem nach Angaben der Klägerin täglichen Arbeitseinsatz von 10 Stunden standen. Dies ist im Übrigen nicht nur im Hinblick auf die eigenen Schilderungen der Klägerin in ihrem Verfahren bei der Claims Conference, im Ghetto Wilna an Hunger gelitten zu haben, sondern auch nach den bereits erwähnten Richtlinien für die Behandlung der Juden vom 18.08.1941 unwahrscheinlich. Darin wurde ausdrücklich angeordnet, dass die Vergütung nicht der Arbeitsleistung zu entsprechen, sondern nur der Bestreitung des notdürftigen Lebensunterhalts der jüdischen Arbeitskräfte und ihrer nicht arbeitsfähigen Familienmitgliedern zu dienen habe (s.o.).
Die Ausführungen des Sachverständigen Dr. Tauber in seinem Gutachten vom 22.11.2005 vermögen die Annahme eines freien Beschäftigungsverhältnisses der Klägerin gegen Entgelt nicht zu begründen. Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, bestimmt sich allein nach den Umständen des Einzelfalles. Diese stehen im Fall der Klägerin aber – wie bereits ausgeführt – der Glaubhaftmachung eines solchen Beschäftigungsverhältnisses entgegen.
Anlass, den Sachverhalt insbesondere durch Vernehmung von Zeugen weiter aufzuklären, bestand nicht. Abgesehen davon, dass die Klägerin keine Zeugen benannt hat und solche auch nicht ersichtlich sind, bedarf es einer Zeugenvernehmung schon deshalb nicht, weil es bereits unter Zugrundelegung des eigenen Vortrags der Klägerin an einem versicherungspflichtigen entgeltlichen Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 1 Abs.1 ZRBG fehlt (s.o.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt der Entscheidung in der Sache.
Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs.2 SGG nicht erfüllt sind.
Erstellt am: 27.05.2009
Zuletzt verändert am: 27.05.2009