Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 04.01.2005 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Frage, ob die Klägerin Anspruch auf die Versorgung mit Implantaten hat.
Die Klägerin, die an einer Kieferatrophie leidet, legte einen Heil- und Kostenplan ihres behandelnden Zahnarztes Dr. T vor, in dem er vier Implantate und eine Prothese im Unterkiefer vorsah. Der Kostenvoranschlag belief sich über einen Betrag in Höhe von 6.938,77 Euro.
Die Beklagte lehnte die Bewilligung dieser Leistung mit Bescheid vom 17.10.2003/28.01.2004 ab. Zur Begründung führte sie aus, eine Kostenbeteiligung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) bei Implantatversorgung komme nur in Ausnahmefällen in Betracht. Diese seien in den Richtlinien des Bundesausschusses der Zahnärzte und Krankenkassen geregelt. Voraussetzung sei, dass eine dort aufgeführte Ausnahmeindikation vorliege und eine konventionelle prothetische Versorgung ohne Implantat nicht möglich sei. Am Vorliegen einer Ausnahmeindikation fehle es jedoch.
Ihren dagegen gerichteten Widerspruch vom 18.02.2004 begründete die Klägerin damit, sie leide seit längerer Zeit an starken Schmerzen und habe Schwierigkeiten bei der Nahrungsaufnahme. Daraus resultiere ein körperlicher Verfall. Kieferspezialisten und Zahnärzte hielten ihre Implantate für notwendig. Die Beteiligung der GKV an der Implantatversorgung sei in besonders schweren Fällen möglich, aus den von ihr geschilderten Umständen liege bei ihr ein solch schwerer Fall vor. Zur weiteren Begründung übersandte die Klägerin eine Bescheinigung des behandelnden Zahnarztes Dr. T vom 01.04.2004, nach der eine Insertion von Implantaten im Unterkiefer medizinisch indiziert sei, weil bei der Klägerin eine starke Kieferkammatrophie vorliege.
Mit Widerspruchsbescheid vom 09.06.2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die bei der Klägerin vorliegende Atrophie stelle keine Ausnahmeindikation im Sinne der Richtlinien dar. Dies sei auch bereits durch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) bestätigt worden.
Hiergegen richtete sich die am 30.06.2004 erhobene Klage, mit der die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgte und zur Begründung vortrug, die bisherige prothetische Versorgung sei unzulänglich gewesen und habe zu einer Vielzahl schmerzhafter und schwerwiegender Behandlungseingriffe geführt. Sie könne nur mit Implantaten angemessen versorgt werden. Die Richtlinie des Bundesausschusses sei nicht bindend.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 28.01.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.06.2004 zu verurteilen, die Kosten für die Versorgung der Klägerin mit vier Implantaten im Unterkiefer zu übernehmen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte bezog sich zur Begründung ihrer Auffassung auf die in den angefochtenen Bescheiden gemachten Ausführungen.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 04.01.2005 abgewiesen. Nach § 28 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 Satz 8, 9 des Sozialgesetzbuchs (SGB) V umfasse die zahnärztliche Behandlung die Tätigkeit des Zahnarztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten nach den Regeln der zahnärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig sei. Funktionsanalytische und funktionstherapeutische Maßnahmen gehörten nicht zur zahnärztlichen Behandlung, sie dürften von den Krankenkassen auch nicht bezuschusst werden. Das Gleiche gelte für implantologische Leistungen, es sei denn, es lägen seltene vom Gemeinsamen Bundeausschuss in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 festzulegende Ausnahmeindikationen für besonders schwere Fälle vor, in denen die Krankenkasse diese Leistung einschließlich der Suprakonstruktion als Sachleistung im Rahmen einer medizinischen Gesamtbehandlung erbringe. In der auf Grund dessen erlassenen Richtlinie für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche vertragszahnärztliche Versorgung in der Fassung vom 04.06.2003 und vom 24.09.2003 heiße es unter Punkt VII Nr. 2: Ausnahmeindikationen für Implantate und Suprakonstruktionen im Sinne von § 28 Abs. 3 Satz 9 SGB V lägen in den in Satz 4 aufgeführten besonders schweren Fällen vor. Besonders schwere Fälle lägen vor
1. bei größeren Kiefer- oder Gesichtsdefekten, die ihre Ursache
a) in Entzündungen des Kiefers,
b) in Operationen in Folge von Zysten (z. B. großen folikolären Zysten oder Keratozysten),
c) in Operationen in Folge von Osteopathien, sofern keine Kontraindikation für eine Implantatversorgung vorlägen,
d) in angeborenen Fehlbildungen des Kiefers (Lippen-, Kiefer-, Gaumenspalten) oder
e) in Unfällen haben,
2. bei dauerhaft bestehender extremer Xerostomie, insbesondere im Rahmen einer Tumorbehandlung,
3. bei generalisierter Nichtanlage von Zähnen,
4. bei nicht willentlich beeinflussbaren muskulären Fehlfunktionen im Mund- und Gesichtsbereich (z. B. Spastiken).
Eine solche Erkrankung liege bei der Klägerin nicht vor, dies habe ihr behandelnder Arzt Dr. T in dem auf Anforderung des Gerichts erstellten Befund- und Behandlungsbericht bestätigt. Entgegen der Auffassung der Klägerin reiche es für die Implantatversorgung nicht aus, dass ein besonders schwerer Fall vorliege und die Implantatversorgung medizinisch geboten sei. Vielmehr müssten weitere Umstände hinzukommen, die eine außergewöhnliche Situation begründeten. Dies sei bei der Kieferatrophie schon deshalb nicht der Fall, weil sie bei jedem größeren Zahnverlust auftrete, also in der Praxis außerordentlich häufig sei (BSG vom 19.06.2001, Az.: B 1 KR 4/00 R). Die in der Richtlinie aufgeführte Ausnahmeindikation sei auch nicht analog anwendbar auf die Atrophiefälle. Aus den Gesetzesmaterialien ergäben sich Anhaltspunkte dafür, dass die Atrophiefälle bewusst nicht in die Ausnahmeindikationen aufgenommen worden seien. Die Nichteinbeziehung der Kieferatrophie in die Ausnahmeregelung des § 28 Abs. 2 Satz 9 SGB V verletze kein Verfassungsrecht. Welche Behandlungsmaßnahmen in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung einbezogen und welche davon ausgenommen und damit der Eigenverantwortung des Versicherten zugeordnet würden, unterliege aus verfassungsrechtlicher Sicht einem weiten gesetzgeberischen Ermessen. Ein Gebot zu Sozialversicherungsleistungen in einem bestimmten sachlichen Umfang lasse sich dem Gesetz nicht entnehmen. Alleiniger verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab sei das Gebot des allgemeinen Gleichheitssatzes aus Art. 3 des Grundgesetzes (GG). Damit sei dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung verwehrt, da der Gleichheitssatz nur eine unberechtigte Verschiedenbehandlung von Personen verhindern wolle. Die unterschiedliche Behandlung von Versicherten mit einer in Ziffer 29 Satz 4 der Richtlinie aufgeführten Erkrankung und Versicherten mit einer Atrophie rechtfertige sich dadurch, dass die Implantatversorgung jeweils verschiedenen Zwecken diene.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin vom 28. Februar 2005. Die vom Bundesausschuss grundsätzlich getroffenen Regelungen schlössen es nicht aus, in Einzelfällen anderweitige Entscheidungen zu treffen. Aus dem Versorgungsauftrag der gesetzlichen Krankenkassen ergebe sich, dass geprüft werden müsse, ob über die Ausnahmeindikationen hinaus eine Implantatversorgung in Betracht komme. Die gesundheitliche Situation der Klägerin sei derart, dass ohne eine Versorgung mit Implantaten schwerste und von Verfassungs wegen nicht hinzunehmende Beeinträchtigungen verblieben. Eine Versorgung der Klägerin mit einer Prothese sei aus medizinischen Gründen ausgeschlossen. Ihr Kiefer sei derart stark abgebaut und atrophiert, dass überhaupt kein Kieferkamm mehr existiere, auf dem eine Prothese verankert werden könne. Sie könne sich daher durch keine feste Nahrung ernähren, in diesen Fällen sei die Gleichstellung mit den Beispielsfällen geboten. Im Zusammenhang mit der Versorgung mit einer Suprakonstruktion falle auf, dass die dort geregelten Ausnahmeindikationen großzügiger gefasst seien. Der hier zu entscheidende Fall differiere auch zu dem Sachverhalt, der der Entscheidung des Bundessozialgericht vom 13.07.2004 zu Grunde gelegen habe. Dort sei keiner der Kiefer der Betroffenen zahnlos gewesen, so dass die elementaren Kaufunktionen noch vorhanden gewesen seien. Mittlerweile bestehe bei ihr auch wegen der mangelhaften prothetischen Versorgung der Verdacht auf eine Schädigung des Trigeminusnervs, dies ergebe sich aus einer Bescheinigung der Universität Bonn, Prof. Dr. S, vom 21.02.2006.
Die Klägerin beantragt nach dem Inhalt ihrer Schriftsätze,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 04.01.2005 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 28.01.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.06.2004 zu verurteilen, ihr die Versorgung mit vier Implantaten im Unterkiefer zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Die in den Zahnbehandlungsrichtlinien normierten Ausnahmeindikationen lägen im Fall der Klägerin nicht vor. Die angefochtene Entscheidung stehe mit der obergerichtlichen Rechtsprechung in Einklang.
Wegen der weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Verwaltungsakte der Beklagten, deren Inhalt der Senat der Entscheidung zu Grunde gelegt hat sowie auf das Vorbringen der Beteiligten im Übrigen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet.
Die Klägerin ist durch den angefochtenen Bescheid vom 28.01.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.06.2004 nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Implantatversorgung.
Hierzu verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen in der erstinstanzlichen Entscheidung, die er sich nach Prüfung der Sach- und Rechtslage zu eigen macht (§ 153 Abs. 2 SGG).
Auch das Vorbringen der Klägerin im Berufungsverfahren führt zu keiner abweichenden Entscheidung, denn es besteht im Wesentlichen in einer Wiederholung und Vertiefung des erstinstanzlichen Vorbringens. Die Klägerin verkennt, dass die in den Richtlinien festgelegten Ausnahmeindikationen abschließend sind. Dies ergibt sich bereits aus der gesetzlichen Formulierung des § 28 Abs. 2 Satz 9 SGB V, in dem der Gesetzgeber die Formulierung gewählt hat "in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 festzulegende Ausnahmeindikationen für besonders schwere Fälle" und sich unter Ziffer VII 2 Satz 2 der Richtlinien die Formulierung findet "bei Vorliegen dieser Ausnahmeindikationen besteht Anspruch auf Implantate …". Bereits damit wird deutlich, dass es im Rahmen der Implantatversorgung nicht darauf ankommt, ob ein Fall vorliegt, der von seiner Schwere her mit den Ausnahmeindikationen vergleichbar ist. Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich das auch nicht aus der obergerichtlichen Rechtsprechung. Zutreffend weist die Klägerin darauf hin, dass in dem der Entscheidung des BSG vom 13.07.2004 (Az.: B 1 KR 37/02 R) zu Grunde liegenden Sachverhalt keiner der Kiefer der Klägerin zahnlos gewesen ist, jedoch hatte sich das BSG mit dieser Problematik bereits in der Entscheidung vom 19.06.2001 (Az.: B 1 KR 23/00 R) auseinandergesetzt und diese Grundsätze in der neueren Entscheidung nicht revidiert.
Der Senat vermag auch der Auffassung der Klägerin nicht zu folgen, aus der Bescheinigung des Prof. Dr. S vom 21.02.2006 werde ein Verdacht eines durch den zahnlosen Kiefer bedingten Schadens des Trigeminusnervs diagnostiziert. In der Bescheinigung wird lediglich eine Schädigung des Trigeminusnervs angesprochen, ohne jedoch auf die Ursachen einzugehen, diesen Zusammenhang stellt die Klägerin selbst her. Der Frage, ob ein solcher Zusammenhang besteht, ist jedoch nicht weiter nachzugehen, da ein durch einen zahnlosen Kiefer geschädigter Trigeminusnerv ebensowenig eine Ausnahmeindikation im Sinne der genannten Richtlinien darstellt wie der atrophierte Kiefer selbst. Aus diesem Grunde bestand auch entgegen der von der Klägerin im Schriftsatz vom 25.04.2006 vertretenen Auffassung kein weiterer Aufklärungsbedarf durch Einholung eines Gutachtens.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, lagen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Erstellt am: 20.06.2006
Zuletzt verändert am: 20.06.2006