Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf vom 23.06.2005 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Rechtsstreit, der unter dem Aktenzeichen S 10 RJ 101/04 (SG Düsseldorf) geführt wurde, durch die Prozesserklärung der Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Datum vom 26.07.2004 erledigt ist.
In diesem Verfahren begehrte der Kläger die Gewährung eines Altersruhegeldes insbesondere unter Berücksichtigung von Zeiten der Beschäftigung in einem DP-Lager in Landshut und von Zeiten der Beschäftigung im Ghetto Bendzin. Die versicherungspflichtigen Zeiten der Beschäftigung in dem DP-Lager sind im Verwaltungsverfahren durch Übersendung der Lohnlisten des Lagers nachgewiesen worden. Die von der Beklagten angeforderte Lebensbescheinigung und die Erklärung bezüglich des Zahlungsweges für die Rente gingen trotz mehrfacher Erinnerung erst nach Erteilung des Widerspruchsbescheides bei der Beklagten ein. Die Beklagte lehnte die Gewährung eines Altersruhegeldes wegen fehlender Mitwirkung mit Bescheid vom 13.03.2003 und Widerspruchsbescheid vom 18.02.2004 ab.
Hiergegen hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers durch ihren Vertreter, Herrn Rechtsanwalt T, am 16.03 2004 vor dem Sozialgericht Klage erhoben. Während des Klageverfahrens hat die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 04.06.2004 Altersruhegeld ab dem 01.08.1990 unter Berücksichtigung der DP-Zeiten im Lager Landshut als Pflichtbeitragszeiten (01.07.1946 – 31.03.1947) und der Zeit vom 01.01.1940 bis zum 27.04.1945 als Verfolgungzeit gewährt. Zahlungsbeginn der Rente sei aufgrund der Verjährung der 01.01.1993. Auf diesen Bescheid hin hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers durch ihren Vertreter, Herrn Rechtsanwalt X, den Rechtsstreit mit Schriftsatz vom 26.07.2004 in der Hauptsache für erledigt erklärt und beantragt, der Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Zur Frage der Kostenübernahme durch die Beklagte ist in diesem Schriftsatz umfangreich vorgetragen worden. Die Erledigungserklärung hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers, vertreten durch Rechtsanwalt T, am 09.12.2004 widerrufen. Bei der Erklärung vom 28.07.2004 habe es sich um eine einseitige Erledigungserklärung gehandelt. Diese einseitige Erledigungserklärung könne solange widerrufen werden, bis die Beklagte sich ihr angeschlossen und das Gericht noch keine Entscheidung getroffen habe. Die Prozessbevollmächtigte hat sich auf die Kommentierung in Meyer-Ladewig, Kommentar zum Sozialgerichtsgesetz (SGG) § 125 Rdnr. 10 bezogen. Ein solcher Fall sei auch hier gegeben. Streitgegenständlich seien nunmehr die Zeiten der verfolgungsbedingten Arbeitsunfähigkeit und des Auslandsaufenthaltes. Diese Zeiten habe die Beklagte in ihrem Bescheid nicht berücksichtigt.
Der Kläger hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheids vom 04.06.2004 zu verurteilen, ihm höheres Altersruhegeld unter Berücksichtigung weiterer Ersatzzeiten zu gewähren.
Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Mit Gerichtsbescheid vom 23.06.2005 hat das Sozialgericht festgestellt, dass das Klageverfahren vor dem Sozialgericht Düsseldorf durch die Erklärung vom 26.07.2004 beendet worden ist. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, das Gericht sei an einer Sachentscheidung gehindert, da der Rechtsstreit beendet worden sei. Die von der Prozessbevollmächtigten abgegebene Erledigungserklärung führe anders als im Zivil- und Verwaltungsprozess zur Beendigung des Rechtsstreits in der Hauptsache. Die Erledigungserklärung habe keine eigenständige, insbesondere auch keine kostenrechtliche Bedeutung. Sie stelle sich entweder als Klagerücknahme oder als Annahme eines von der Beklagten abgegebenen Anerkenntnisses dar. Die einseitige Erledigungserklärung könne auch nicht widerrufen werden. Soweit die Prozessbevollmächtigte unter Hinweis auf das Urteil des BGH in NJW 2002, S. 442 die Auffassung vertrete, die einseitige Erledigungserklärung könne solange widerrufen werden, wie sich die Gegenseite noch nicht angeschlossen habe, folge das Gericht diesem Vortrag nicht. Anders als in dem vom BGH entschiedenen Zivilprozess führe eine einseitige Erledigungserklärung – wie ausgeführt – im sozialgerichtlichen Verfahren zu einer Erledigung des Rechtsstreits, zu der es keiner Zustimmung des Gegners bedürfe. Es lägen auch keine Wiederaufnahmegründe vor. Auch die Gründe der Restitutions- oder Nichtigkeitsklage träfen nicht zu.
Gegen den am 30.06.2005 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers am 28.07.2005 Berufung eingelegt und zur Begründung vorgetragen, es werde auch weiterhin die Auffassung vertreten, dass eine einseitige Erledigungserklärung jederzeit widerrufen werden könne. Zu verweisen sei u.a. auf die Kommentierung von Meyer-Ladewig zu § 125 SGG Rdnr. 10, in der bestätigt werde, dass bei einseitiger Erklärung durch den Kläger nur dann eine Klagerücknahme anzunehmen sei, wenn die Beklagte widerspreche. Zudem werde in der Kommentierung zu § 94 SGG ausgeführt, das Ende der Rechtshängigkeit sei nur durch "übereinstimmende Erklärung der Hauptsache" möglich.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf vom 23.06.2005 abzuändern und festzustellen, dass das Verfahren S 10 RJ 101/04 durch die Erklärung vom 28.07.2004 nicht erledigt ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Entschädigungsakte des Klägers beim Amt für Wiedergutmachung in Saarburg Bezug genommen. Diese Akten haben vorgelegen und sind ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig aber unbegründet.
Das Sozialgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung festgestellt, dass das Verfahren durch die Erklärung vom 26.07.2004 beendet worden ist.
Die einseitige Erledigungserklärung der Prozessbevollmächtigten des Klägers ist hier als Annahme eines Teilanerkenntnisses und Rücknahme der Klage im Übrigen zu bewerten. Nach der Rechtsprechung des BSG führt die einseitige Erledigungserklärung im sozialgerichtlichen Verfahren zur Beendigung des Rechtsstreits. Sie stellt sich je nach prozessualer Konstellation entweder als Klagerücknahme oder als Annahme eines von der Beklagten abgegebenen Anerkenntnisses dar (vgl. BSG 20.12.1995, Az.: 6 RKa 18/95, Sächsisches Landessozialgericht, L 3 AL 301/03, vom 06.05.2004, Hess LSG, L 15/13 RA 1006/00 vom 21.02.2003). In beiden Fällen führt die Abgabe der entsprechenden Prozesserklärung zur Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache (vgl. BSG 20.12.1995 – 6 RKa 18/95; Krasney/Udschig, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 4. Aufl., S. 259; Roller in Hk SGG, 2. Aufl., § 102 Rdnr. 14; Hennig, SGG, Stand 10/05, §102 Rdnr. 15). Hier hat die Beklagte durch den Rentenbescheid vom 04.06.2004 ein Teilanerkenntnis abgegeben und die Prozessbevollmächtigte des Klägers hat dieses durch ihren Vertreter mit ihrer Erledigungserklärung konkludent angenommen und im Übrigen die Rücknahme der Klage erklärt. Dies ergibt sich auch aus dem Antrag, der Beklagten die Kosten für den Rechtsstreit aufzuerlegen. In der weiteren Begründung wird ausschließlich zur Frage der Kostentragungspflicht Stellung genommen. Damit wird deutlich, dass auch von Seiten der Prozessbevollmächtigten zu diesem Zeitpunkt von einer Beendigung des Verfahrens ausgegangen wurde, da eine Entscheidung über die Kosten durch Beschluss erst möglich ist, wenn das Verfahren anders als durch Urteil beendet worden ist (§ 193 Abs. 1 SGG). Der Kläger muss sich die Erklärung des Vertreters der Prozessbevollmächtigten auch zurechnen lassen, § 73 Abs. 4 SGG i.V.m. § 85 Zivilprozessordnung (ZPO). In der Prozessvollmacht vom 11.05.2004 hat der Kläger die Prozessbevollmächtigte, Rechtsanwältin S, ausdrücklich bevollmächtigt, die Vollmacht ganz oder teilweise zu übertragen (Untervollmacht). Der Senat geht davon aus, dass eine solche Untervollmacht den Rechtsanwälten, die die Klage eingereicht, die Erledigungserklärung abgegeben und den Widerruf erklärt haben, erteilt wurde. Dies ergibt sich aus ihrem Tätigwerden "in Vertretung" der Prozessbevollmächtigten.
Da der Senat durch Auslegung der Erklärung zu dem Ergebnis kommt, dass es sich um die Annahme eines Teilanerkenntnisses und eine Rücknahme im Übrigen handelt, kann nach einhelliger Meinung in Rechtsprechung und Literatur (auch Meyer-Ladewig, 8. Auflage, § 102 Rn. 7c m.w.N.; Roller in Hk SGG 2. Aufl., §102 Rdnr. 11; Kummer, Das sozialgerichtliche Verfahren, 2. Aufl. S. 53) die Klagerücknahme nicht widerrufen werden. Die von der Prozessbevollmächtigten zitierte Kommentierung von Meyer-Ladewig zu § 125 SGG Rn. 10 ist schon deshalb nicht nachvollziehbar, weil der Kommentar in Rn. 6 zu § 125 SGG ebenso wie die anderen Kommentatoren darauf hinweist, dass die Erledigungserklärung im sozialgerichtlichen Verfahren wegen der Möglichkeit der Klagerücknahme mit den gleichen Rechtsfolgen keine selbständige Bedeutung hat.
Auch nach der Einfügung des § 197 a SGG mit dem 6. SGG-Änderungsgesetz vom 17.08.2001, der auf § 161 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) verweist und die Anwendung von § 161 Abs. 2 VwGO (Kostenentscheidung bei Erledigung der Hauptsache) ausschließt wenn die Klage zurückgenommen wird, hat sich die Bedeutung der Erledigungserklärung im sozialgerichtlichen Verfahren – soweit ein Hauptbeteiligter kostenprivilegiert ist – nicht geändert. Zwar hat das 6. SGG-Änderungsgesetz die übereinstimmende und einseitige klägerische Erledigungserklärung in das sozialgerichtliche Verfahren eingeführt, allerdings nur für die Verfahren, in denen für die Kostenentscheidung § 197a SGG maßgeblich ist. In diesen Verfahren ist die Erledigungserklärung des Klägers eine Klageänderung, gerichtet auf die Feststellung der Erledigung des Klagebegehrens. Schließt sich die Beklagte der Erledigungserklärung an, ist nur noch durch Beschluss über die Kosten zu entscheiden (§ 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 161 Abs. 2 VwGO). Ist jedoch ein Hauptbeteiligter – wie vorliegend – kostenprivilegiert, hat die Erledigungserklärung auch nach Einfügung des § 197 a SGG keine eigenständige Bedeutung. Sie ist als grundsätzlich unwiderrufliche, unanfechtbare Klagerücknahme oder Annahme eines Anerkenntnisses auszulegen (vgl. hierzu ausführlich Hauck, Die Erledigungserklärung im sozialgerichtlichen Verfahren, SGb 2004, S. 407 ff.).
Da, wie das Sozialgericht zutreffend festgestellt hat, keine Wiederaufnahmegründe gemäß §§ 179, 180 SGG vorliegen und auch die Voraussetzungen der Nichtigkeits- oder Restitutionsklage nach § 179 Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 579, 580 Zivilprozessordnung nicht vorliegen, war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kosten dieses Verfahrens sind nicht zu erstatten (§ 193 SGG). Ob die Beklagte die Kosten in dem beendeten Verfahren S 10 RJ 101/04 zu übernehmen hat, muss im Rahmen eines Kostenbeschlusses vom Sozialgericht entschieden werden.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 nicht erfüllt sind.
Erstellt am: 24.07.2006
Zuletzt verändert am: 24.07.2006