Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 11. April 2006 wird zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.
Gründe:
Die Antragsgegnerin bewilligte der Antragstellerin Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II für die Zeit vom 17.11.2005 bis 30.04.2006. Nachdem die Antragsgegnerin aufgrund eines Hausbesuchs zu der Auffassung gelangt war, die Antragstellerin lebe mit dem Zeugen C in einer eheähnlichen Gemeinschaft, forderte sie von der Antragstellerin Nachweise über das Einkommen und Vermögen des Partners unter vorläufiger Einstellung der Leistungszahlung. Mit Bescheid vom 10.03.2006 stellte sie die Zahlung der Leistungen zum 01.03.2006 ein, weil mangels der Feststellung der Hilfebedürftigkeit keine weitergehende Auszahlung von Leistungen möglich sei.
Die Antragstellerin legte hiergegen am 27.02. und 23.03.2006 Widerspruch ein und hat am 28.03.2006 beim Sozialgericht (SG) Dortmund um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht.
Das SG hat die Antragstellerin sowie den Zeugen C gehört. Wegen deren Angaben wird auf die Sitzungsniederschrift vom 10.04.2006 Bezug genommen. Mit Beschluss vom 11.04.2006 hat das SG die aufschiebende Wirkung der Widersprüche gegen die Zahlungseinstellung vom 16.02.2006 und 10.03.2006 angeordnet und die Antragsgegnerin verpflichtet, der Antragstellerin die bis zum 30.04.2006 bewilligten Leistungen auszuzahlen. Das SG ist auf der Grundlage der Beweiserhebung zu dem Ergebnis gelangt, dass sich eine eheähnliche Gemeinschaft zwischen der Antragstellerin und dem Zeugen C nicht beweisen lasse.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Beschluss verwiesen.
Die dagegen von der Antragsgegnerin am 24.04.2006 eingelegte Beschwerde, mit der sie ihre Auffassung weiter verfolgt, es sprächen gewichtige Indizien für das Bestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft zwischen der Antragstellerin und dem Zeugen C, ist zulässig, aber nicht begründet.
Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Es kann dahinstehen, ob der Widerspruch der Antragstellerin nach § 39 Nr. 1 SGB II keine aufschiebende Wirkung entfaltet (vgl. einerseits Beschluss des Senats vom 31.03.2006 – L 19 B 15/06 AS ER -, Eicher/Spellbrink, Kommentar zum SGB II, Rdnr. 12/13 zu § 39, andererseits Conradis in Lehr- und Praxiskommentar zum SGB II, Rdnr. 7 zu § 39). Da die Antragsgegnerin eine mögliche aufschiebende Wirkung ignoriert, hätte die Antragstellerin in jedem Fall Anspruch auf die Feststellung dieser Wirkung.
Es bedarf im vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahren auch keiner Entscheidung darüber, ob die Antragstellerin mit dem Zeugen C in eheähnlicher Gemeinschaft lebt. Die Leistungseinstellung durch die Antragsgegnerin erweist sich nämlich schon aus anderen Gründen als rechtswidrig, so dass der Anspruch der Antragstellerin begründet ist.
Der Bescheid vom 10.03.2006 nennt keine Rechtsgrundlage, die formlose Einstellung vom 16.02.2006 bezieht sich auf die Mitwirkungspflichten nach § 60 Abs. 1 Nr. 1 SGB I. Der Bescheid vom 10.03.2006 erfüllt aber weder die Anforderungen des § 66 Abs. 1 SGB I, noch ist die Antragsgegnerin nach § 40 Abs. 1 Nr. 2 SGB II i.V.m. § 331 Abs. 1 SGB III berechtigt, der Antragstellerin die streitigen Leistungen bis zum 30.04.2006 weiter vorzuenthalten.
Nach § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB I kann der Leistungsträger, wenn derjenige, der eine Sozialleistung beantragt oder erhält, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 62, 65 (SGB I) nicht nachkommt und hierdurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert wird, ohne weitere Ermittlungen die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen, soweit die Voraussetzung der Leistung nicht nachgewiesen sind. Diese Voraussetzungen sind schon deshalb nicht erfüllt, weil die Antragsgegnerin das ihr hierbei eingeräumte Ermessen (vgl. dazu BSG SozR 3-1200 § 66 Nr. 3 Seite 13f) nicht ausgeübt hat, da es zumindest an einer Abwägung hinsichtlich der Möglichkeit einer anderweitigen Klärung der offenen Fragen – Befragen des Zeugen C – fehlt.
Die Möglichkeit der vorläufigen Zahlungseinstellung nach § 331 Abs. 1 SGB III hat der Gesetzgeber mit der Verpflichtung verknüpft, die Leistung unverzüglich nachzuzahlen, soweit der Bescheid, aus dem sich der Anspruch ergibt, zwei Monate nach der vorläufigen Einstellung der Zahlung nicht mit Wirkung für die Vergangenheit aufgehoben ist (§ 331 Abs. 2 SGB III). Mangels des Erlasses eines entsprechenden Aufhebungsbescheides ist die Beklagte daher verpflichtet, die bis zum 30.04.2006 bewilligten Leistungen unverzüglich auszukehren, so dass sich auch insoweit der Anspruch der Antragstellerin auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes als begründet erweist, wobei dahinstehen kann, ob insoweit einstweiliger Rechtsschutz nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG oder nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG zu gewähren ist (vgl. dazu Beschluss des Senats vom 24.02.2006 – L 19 B 100/05 AS ER).
Die Beschwerde war daher mit der auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG beruhenden Kostenentscheidung zurückzuweisen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 22.06.2006
Zuletzt verändert am: 22.06.2006