Es wird festgestellt, dass das Verfahren L 11 KA 27/04 durch den Vergleich vom 16.11.2005 erledigt ist. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit eines Prozessvergleichs.
Der Kläger war im Bereich der Beklagten vom 28.06.1993 bis 30.06.1996 als Vertragszahnarzt tätig. Zwischen ihm und der Beklagten waren wegen verschiedener Fragen Verfahren anhängig.
Um die Auszahlung eines Restguthabens von (damals) 18.967,78 DM zu erlangen, hatte der Kläger im November 1998 die von der Beklagten geforderte Bürgschaft zur Sicherung eines evtl. Rückzahlungsanspruchs gestellt. Zur Auszahlung kam es nicht, weil die Beklagte mit Bescheid vom 09.11.1998 für das Jahr 1993 eine Neuberechnung des Degressionsabzuges unter Berücksichtigung der tatsächlichen Tätigkeitsdauer des Klägers im Jahre 1993 vorgenommen hatte (L 11 KA 26/04). Außerdem hatte sie mit Bescheid vom 18.12.1998 Honorar auf Grund einer nachträglicher Änderung der Gesamtvergütung der Ersatzkassen im Jahr 1993 zurückgefordert (L 11 KA 27/04). Wegen einer Änderung der Gesamtvergütung der Primärkassen für das Jahr 1996 erfolgte mit Bescheid vom 12.12.2000 eine weitere Honorarrückforderung (L 11 KA 83/05). Neben seinen Klagen gegen die Rückzahlungsansprüche forderte der Kläger von der Beklagten die Rückgabe der Bürgschaftsurkunde, die Auszahlung von 115.000,00 DM, die er wegen zweier Vergleiche in Zusammenhang mit Wirtschaftlichkeitsprüfungen an die Ersatzkassen (30.000,00 DM auf Grund eines Vergleiches vom 10.11.1995) bzw. an alle Kassenarten (85.000,00 DM auf Grund eines Vergleichs vom 10.06.1996) gezahlt hatte; der Kläger meint insoweit, diese Vergleiche seien nicht (mehr) wirksam. Diese Ansprüche sowie die Forderung nach Ersatz der Avalzinsen war Gegenstand eines weiteren Verfahren (L 11 KA 32/05). Darüber hinaus hatte der Kläger im Wege einer Untätigkeitsklage einen Anspruch auf Bescheidung verfolgt (L 11 KA 98/05).
Alle Berufungsverfahren sind gemeinsam in der mündlichen Verhandlung am 16.11.2005 verhandelt worden. Die Beklagte hatte bereits vor dem Termin den Bescheid vom 09.11.1998 aufgehoben und die Bürgschaftsurkunde an den Kläger zurückgesandt. In der mündlichen Verhandlung hatte der Kläger zunächst das Anerkenntnis im Verfahren L 11 KA 26/04 angenommen; ferner hatten die Beteiligten das Verfahren wegen der Rückgabe der Bürgschaftsurkunde übereinstimmend für erledigt erklärt. Nach weiterer Erörterung des Gesamtkomplexes aller Berufungsverfahren haben die Beteiligten sodann zur Erledigung aller fünf Berufungsverfahren folgenden Vergleich geschlossen:
1. Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass zu dieser Terminsstunde alle streitigen Ansprüche zwischen den Beteiligten aus der Abrechnung der vertragszahnärztlichen Tätigkeit des Klägers bis zum 30.06.1996 erledigt sind und Ansprüche gegenseitig nicht mehr geltend gemacht werden. Das heißt im Einzelnen, dass es bei den Honorarrückbuchungen für die Kalenderjahre 1993 und 1996 verbleibt und der Kläger auf die in diesen Verfahren geltend gemachten weiteren Ansprüche verzichtet.
2. Die Beklagte übernimmt die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens L 11 KA 98/05 für beide Rechtszüge nach einem Streitwert von 6.000,00 Euro.
Der Kläger hat mit Schreiben vom 30.11.2005 zum Einen die "Übersendung der Original-Niederschrift" gefordert und weiter vorgetragen, er habe nach Erörterung der ihm zustehenden Ansprüche, bei der sich abgezeichnet habe, dass diese die Ansprüche der Beklagten überstiegen, vorgeschlagen, dass beide Seiten auf ihre streitigen Ansprüche verzichten sollten. Der Vergleichstext weiche hiervon zwar ab, er erfasse aber andererseits auch nicht alle streitig gewesenen Ansprüche, was der Kläger näher dargelegt hat. Diese Ansprüche müssten nunmehr erfüllt werden, wenn sich die Beklagte unabhängig von der Formulierung des Vergleichs weigere, "Sinn und Geist" des Vergleichs anzuerkennen, nämlich den Verzicht der Beklagten auf ihre Ansprüche gegen ihn im Gegenzug zu seinem Verzicht auf seine Ansprüche. Mit Schreiben vom 07.01.2006 hat der Kläger beantragt, die Nichtigkeit des Vergleichs festzustellen. Er meint, die Voraussetzungen eines Vergleichs, nämlich ein beiderseitiges Nachgeben hinsichtlich einer ungeklärten Sach- und Rechtslage lagen nicht vor, da in den Verfahren L 11 KA 26/04 und L 11 KA 32/05 die Rechtslage geklärt gewesen sei. Ferner sei der Vergleich wegen eines sittenwidrigen Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung nichtig. Er sei völlig einseitig, da in Wahrheit die Beklagte auf keine Ansprüche verzichtet habe. Ferner sei der Vergleich in sich widersprüchlich und nicht ausführbar, da zum Einen auf die gegenseitige Geltendmachung von Ansprüchen verzichtet worden sei, zum Anderen aber ausdrücklich festgestellt werde, dass es bei den Honorarrückbuchungen für die Jahre 1993 und 1996 verbleibe, d. h., die Beklagte insoweit gerade keinen Verzicht erkläre. Im Übrigen beschränke sich der Vergleich auf die Erledigung der streitigen Ansprüche aus der Abrechnung bis zum 30.06.1996, erfasse also die danach vorgenommenen Honorarberechnungen nicht.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 29.04.2004 zu ändern und die Bescheide vom 18.12.1998 und 18.03.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.11.1999 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, alle Verwaltungskostenbeiträge seit Zulassungsbeginn bis Zulassungsende 1996 an ihn zurückzuzahlen.
Die Beklagte stellt keinen Antrag. Nach ihrer Auffassung ist das Verfahren durch den Vergleich erledigt.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, auch hinsichtlich des Vorbringens der Beteiligten, wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Ein Vergleich gemäß § 101 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beendet prozessual den Rechtsstreit unmittelbar und führt zur Beendigung der Rechtshängigkeit. Da aber der Kläger die Wirksamkeit des Vergleichs angreift und damit die Rechtshängigkeit rückwirkend wieder auflebt, war das ursprüngliche Verfahren fortzusetzen. Dabei ist der Senat davon ausgegangen, dass der Kläger nur in den von ihm ausdrücklich mit Aktenzeichen bezeichneten Verfahren deren Fortführung betreiben will. Die Einwände des Klägers gegen die Wirksamkeit des Vergleichs greifen aber nicht durch; das Verfahren ist durch den Vergleich erledigt.
Der Kläger macht vor allem geltend, die Voraussetzungen des § 57 10. Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), dass ein beiderseitiges Nachgeben hinsichtlich einer ungeklärten Sach- und Rechtslage vorliegen müsse, lägen nicht vor, da in den Verfahren L 11 KA 26/04 und L 11 KA 32/05 die Rechtslage geklärt gewesen sei. Diese Behauptung trifft hinsichtlich des Verfahrens L 11 KA 32/05 nicht zu. Zwar hatte die Beklagte die Bürgschaftsurkunde bereits vor dem Termin zurückgegeben, der Kläger hatte in diesem Verfahren aber weitere Ansprüche erhoben, nämlich den Anspruch auf Ersatz der ihm entstandenen Avalzinsen sowie auf Rückzahlung der infolge der Vergleiche mit den Krankenkassen gezahlten 115.000,00 DM. Insoweit bestand zwischen den Beteiligten noch Streit, was der Kläger letztlich auch dadurch eingeräumt hat, dass er die Ergänzung der Sitzungsniederschrift dahingehend gefordert hat, dass er nach einem Hinweis des Vorsitzenden insoweit nur einen Anspruch gegen die Krankenkassen habe. In dem Verfahren L 11 KA 26/04 hatte der Kläger zwar schon das in der Rücknahme des angefochtenen Bescheides liegende Anerkenntnis der Beklagten angenommen. Für die Wirksamkeit des Vergleichs ist dieser Umstand allerdings irrelevant. Zum Einen ist ohnehin materiell in dem Vergleich keine von dem Anerkenntnis abweichende Regelung getroffen worden, so dass nicht ersichtlich ist, inwieweit deshalb der Vergleich in Bezug auf die anderen Verfahren unwirksam sein soll. Zum Anderen ist zu berücksichtigen, dass der Vergleich deshalb "zur Erledigung aller fünf Berufungsverfahren" (soweit in der Niederschrift zunächst die Zahl 6 genannt war, handelte es sich um eine offenbare Unrichtigkeit) geschlossen worden ist, weil mit den Beteiligten vorab der Gesamtkomplex aller Verfahren erörtert worden war und die Beteiligten in diesem Zusammenhang ihren Willen bekundet hatten, einen "Schlussstrich" unter alle Verfahren zu ziehen. Von daher sind zur Klarstellung, dass mit dem Vergleich alle Streitigkeiten bereinigt werden sollten, alle fünf Berufungsverfahren erwähnt worden. Im Übrigen kann bei einem Vergleich, der mehrere Verfahren betrifft, zur Beurteilung der Frage, ob eine bestehende Ungewissheit durch gegenseitiges Nachgeben beseitigt worden ist, sinnvoll nur darauf abgestellt werden, ob in Bezug auf das "Gesamtpaket" eine Ungewissheit hinsichtlich der Rechtslage bestand, so dass es unschädlich ist, wenn auch unstrittige Punkte einbezogen werden. Daher liegt auch das Erfordernis, dass eine Ungewissheit durch gegenseitiges Nachgeben beseitigt worden ist, vor. Bei dem Prozessvergleich genügt insoweit wegen seiner Doppelnatur auch ein Nachgeben prozessualer Art (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl., § 101 Randnr. 4). Im Rahmen einer Gesamtregelung ist es somit ausreichend, wenn nur im prozessualen Bereich eines der erfassten Verfahrens ein Nachgeben einer Seite vorliegt, so dass es hier ausreichend ist, dass die Beklagte im Verfahren L 11 KA 98/05 die Gerichtskosten – die materiell der Kläger zu tragen gehabt hätte (§ 22 Abs. 1 Satz 1 GKG) – übernommen hat.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist der Vergleich nicht in sich widersprüchlich oder nicht ausführbar.
Zunächst ist es völlig eindeutig, dass der Vergleich alle Ansprüche betreffen soll, die ihren Grund in der vertragszahnärztlichen Tätigkeit des Klägers bis zum 30.06.1996 haben. Erledigt werden Ansprüche aus der Abrechnung dieser Tätigkeit bis 30.06.1996. Dies betrifft selbstverständlich auch alle Ansprüche wegen der Bürgschaft, die ja nur wegen der Auszahlung des Resthonorars gefordert und gestellt worden war. Es ist auch unerheblich, wann die bis zum 30.06.1996 entstandenen Honoraransprüche später neu berechnet worden sind; die insoweit erfolgten Honorarrückforderungen betreffen naturgemäß nur das aus der Abrechnung bis 30.06.1996 entstandenen Honoraransprüche.
Es besteht auch kein Widerspruch zwischen den beiden Sätzen der Ziffer 1 des Vergleichs. In Satz 1 wird klargestellt, dass mit Vergleich alle wechselseitigen Ansprüche erledigt werden. Die diese Feststellung konkretisierende materielle Regelung wird in Satz 2 getroffen. Zunächst verbleibt es bei den Honorarrückforderungen für die Jahre 1993 und 1996 (erster Halbsatz). Da hinsichtlich der Degressionsneuberechnung für das Jahr 1993 bereits durch das Anerkenntnis eine materielle Regelung bestand (Aufhebung der diesbezüglichen Rückforderung) konnte sich die Aussage für das Jahr 1993 nur auf die Rückforderung wegen der Neufestsetzung der Gesamtvergütung der Ersatzkassen beziehen. Das hat der Kläger auch so verstanden, wie sich aus seinem Schreiben vom 07.01.2006 ergibt. Ferner verzichtet der Kläger auf die weiter erhobenen offenen Ansprüche. Der Kläger bezieht insoweit zu Unrecht den zweiten Halbsatz ausschließlich auf die die Honorarrückforderung für die Jahre 1993 und 1996 betreffenden Verfahren. Die Konkretisierung, was Satz 1 des Vergleiches bedeute, betrifft im ersten Halbsatz die Honorarrückforderung, die ausdrücklich erwähnt werden, im zweiten Halbsatz alle noch nicht materiell erledigten Ansprüche, die in allen weiteren vom Vergleich erfassten Verfahren erhoben worden sind. Der Kläger mag im Nachhinein seine Zustimmung zu dem Vergleich bedauern, er muss sich aber an seiner eindeutigen Erklärung festhalten lassen.
Soweit der Kläger rügt, der Vergleich sei einseitig und wegen eines sittenwidrigen Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung nichtig, kann er damit ebenfalls nicht durchdringen. Es ist schon unzutreffend, dass im Rahmen der zuvor erfolgten Erörterung des Gesamtkomplexes wesentliche Ansprüche des Klägers "notiert" worden seien. Dass wegen der Rückzahlung der infolge der Vergleiche in den Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahren gezahlten Beträge allenfalls Ansprüche gegen die Krankenkassen in Betracht kommen können, ist ebenso Gegenstand der Erörterung gewesen wie die Unzuständigkeit der Sozialgerichte für die geforderten Avalzinsen. Erörtert wurde lediglich, welcher Betrag bei einer möglichen Amtshaftungsklage in Betracht kommen könnte. Abwegig ist es, wenn der Kläger wegen des vom Sozialgericht festgesetzten Streitwertes von 6.000,00 Euro für die Untätigkeitsklage (Verfahren L 11 KA 98/05) von einem entsprechenden materiellen Zahlungsanspruch seinerseits ausgeht, da es nur um die wirtschaftliche Bewertung des Interesses an einer Bescheidung ging. Von daher standen keineswegs erhebliche Ansprüche des Klägers im Raum. Zudem hatte die Beklagte darauf hingewiesen, dass für die geforderte Berechnung der Auswirkung des Vergleiches vom 10.06.1996 auf die Degressionsberechnung für dieses Jahr keine Unterlagen mehr vorliegen und daher über die bereits früher erteilte Abrechnung hinaus, die der Kläger nicht anerkennen wollte, keine weitergehende Berechnung und Erläuterung möglich sei. Vor diesem Hintergrund verbietet sich eine Bewertung des Maßes des Nachgebens, wenn die Beteiligten in der konkreten Situation die Regelung als sachgerecht angesehen haben.
Soweit der Kläger materielle Ausführungen zu seinen angeblichen Forderungen gegen die Beklagte macht, geht dieser Vortrag angesichts der Erledigung des Verfahrens durch den Vergleich ins Leere.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in der bis zum 01.01.2002 geltenden Fassung; da das Verfahren bereits im Jahre 1999 anhängig geworden ist, ist noch das bis zum 01.01.2002 geltende Kostenrecht anzuwenden.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Erstellt am: 05.07.2006
Zuletzt verändert am: 05.07.2006