Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 06.04.2006 wird zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten darum, ob die Antragsgegnerin berechtigt ist, die monatlichen Abschlagszahlungen infolge eines vom Prüfungsausschuss der Ärzte und Krankenkassen Nordrhein verhängten Regresses um jeweils 10 v.H. zu reduzieren.
Der Antragsteller ist als Arzt für Innere Medizin zur vertragsärztlichen Versorgung in B zugelassen. Die Höhe der Vorauszahlung auf das vertragsärztliche Honorar (Abschlagszahlung) belief sich in der Vergangenheit auf monatlich 8.800,00 Euro. Mit Bescheid vom 06.12.2005/16.01.2006 setzte der Prüfungsausschuss einen Verordnungsregress für das Quartal I/02 in Höhe von 2.310,50 Euro fest. Der hiergegen gerichtete Widerspruch ist noch nicht beschieden.
Mit Schreiben vom 09.01.2006 unterrichtete die Antragsgegnerin den Antragsteller darüber, dass angesichts des Regresses die Abschlagszahlung gem. § 11 Abs. 2 des Honorarverteilungsvertrages (HVV) in der ab 01.01.2006 geltenden Fassung reduziert werde. Für den Monat Januar 2006 wurde die Abschlagszahlung des Antragstellers reduziert und 6.500,00 Euro angewiesen.
Der Antragsteller hat beim Sozialgericht (SG) am 06.02.2006 um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Er hat vorgetragen, die Regelung des § 11 Abs. 2 HVV sei rechtswidrig. Denn nach § 106 Abs. 5 Satz 4 SGB V habe die Anrufung des Beschwerdeausschusses in Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahren aufschiebende Wirkung. Die Kürzung der Abschlagszahlungen bewirke faktisch, dass diese Regelung außer Kraft gesetzt werde. Mit der verringerten Abschlagszahlung sei es ihm nicht möglich, den Praxisbetrieb aufrecht zu erhalten. Die monatlichen Praxis- und Lebenshaltungskosten würden sich auf mehr als 9.500,00 Euro belaufen. Er verfüge nicht über genügend finanzielle Reserven, um die Kürzung der Abschlagszahlungen finanziell auffangen zu können. Das bei der Stadtsparkasse B geführte Praxiskonto weise ein Sollsaldo von 3.321,08 Euro auf.
Der Antragsteller hat beantragt,
die Antragsgegnerin zu verpflichten, die monatlichen Abschlagszahlungen an ihn ab dem 01.01.2006 im gleichen Umfang wie bisher, nämlich in Höhe von 8.800,00 Euro monatlich, auszuzahlen und seit dem 01.01.2006 eingehaltene Beträge, die von dieser Summe abweichen, spätestens bis zum 28.02.2006 nach zu erstatten.
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, dass kein Anordnungsanspruch gegeben sei. Der Antragsteller habe weder wesentlichen Nachteile noch eine wesentliche Erschwernis bzgl. der Verwirklichung eines Rechts substantiiert dargelegt. Zudem fehle es am Anordnungsgrund. Die Erfolgsaussichten der Hauptsache seien gering. Weder Gesetz noch Bundesmantelverträge sähen einen Anspruch auf Abschlagszahlungen vor. Eine Rechtsgrundlage hierfür finde sich allein im HVV. Darin sei geregelt, dass Abschlagszahlungen in Höhe von bis zu 25 v.H. geleistet werden könnten. Das gelte jedoch nicht, wenn ein Verordnungsregress verhängt worden sei. Es sei bereits mehrfach höchstrichterlich entschieden worden, dass ein Vertragsarzt keinen Anspruch auf ein Honorar in bestimmter Höhe habe.
Mit Beschluss vom 06.04.2006 hat das SG Düsseldorf die Antragsgegnerin verpflichtet, die monatlichen Abschlagszahlungen für die Dauer des Widerspruchsverfahrens gegen den Regressbescheid des Prüfungsausschusses vom 09.01.2006 ohne Kürzungen zu gewähren und bereits einbehaltene Beträge auszuzahlen. Die Verringerung der Abschlagszahlungen auf der Grundlage von § 11 Abs. 2 HVV sei rechtswidrig. Hierdurch werde gegen höherrangiges Recht verstoßen. Denn § 106 Abs. 5 Satz 4 SGB V bestimme, dass die Anrufung des Beschwerdeausschusses aufschiebende Wirkung habe. Das habe zur Folge, dass die bescheidmäßig festgesetzten Regresse für die Dauer des Widerspruchsverfahrens nicht realisiert werden könnten. Wenn die Antragsgegnerin dennoch die dem Antragsteller auszukehrenden Abschlagszahlungen kürze, setze sie sich über diese Rechtsfolgen hinweg. Da es offenkundig rechtswidrig sei, die Abschlagszahlungen – wie geschehen – zu reduzieren, habe der Antragsteller zum Anordnungsgrund hinreichend vorgetragen.
Diese Entscheidung greift die Antragsgegnerin mit der Beschwerde an. Sie trägt vor:
Die Vertragspartner des HVV hätten den Vertragsärzten mit dem Anspruch auf Abschlagszahlung ein subjektives öffentliches Recht eingeräumt. Dieses könne von den Vertragspartnern auch wieder beseitigt oder eingeschränkt werden. Rechtliche Vorgaben für einen derartigen actus contrarius bestünden nicht. Es existiere keine originäre Rechtsposition, deren Einschränkung mit höherrangigem Recht kollidieren könnte. Es mache grundsätzlich keinen Unterschied, ob freiwillig eine Rechtsposition gegeben und dann konditioniert eingeschränkt werde oder eine Rechtsposition von vornherein überhaupt nicht gewährt und dann erweitert werde. Zwar sei § 106 Abs. 5 SGB V zu entnehmen, dass ein durch Bescheid festgesetzter Regress für die Dauer des Widerspruchsverfahrens nicht realisiert werden könne. Hierüber setze sich die Antragsgegnerin nicht hinweg, da sie nicht in geschützte Rechtspositionen des Antragstellers eingreife. Fraglich erscheine, ob § 106 Abs. 5 SGB V eine Wertentscheidung dergestalt zu entnehmen ist, dass der Umstand eines Regresses während des Widerspruchsverfahrens völlig unbeachtlich sei. Von einer derartigen Wertentscheidung könne nur dann ausgegangen werden, wenn die Gewährung von Abschlägen als Vorauszahlung auf eine spätere Honorarzahlung Parallelitäten zur Honorarzahlung aufweise und mithin eine Reduzierung von Abschlägen Honorareinbehaltungen gleich zu setzen sei. Festzustellen sei insoweit, dass dem Gesetz Abschlagszahlungen fremd seien. Das Gesetz kenne nur das Quartal als Abrechungszeitraum. Abschlagszahlungen beruhten allein auf der freiwilligen Entscheidung der Vertragspartner des HVV. Stelle man den § 106 Abs. 5 SGB V in den Zusammenhang des Normkomplexes – ohne die Berücksichtigung von Abschlagszahlungen – so zeige sich, dass der Widerspruch im Gegensatz zur Klage aufschiebende Wirkung habe. Nach Abschluss des Beschwerdeverfahrens dürfe ein Regressbetrag vom Honorar abgezogen werden. Da über Widersprüche binnen drei Monaten zu entscheiden sei, liege vor Erlass des Abrechnungsbescheides für den Zeitraum eines Quartals regelmäßig die Entscheidung des Beschwerdeausschusses vor, so dass vom Quartalshonorar der Regressbetrag einbehalten werden könne. Dies entspreche dem Normprogramm des § 106 SGB V. In § 106 Abs. 5 SGB V sei bestimmt, dass die Kassenärztliche Vereinigung (KV) auf jeden Fall den Krankenkassen den Regressbetrag erstatten müsse, ungeachtet ob der Betrag vom verursachenden Arzt zu erlangen sei. Daher sei es nahezu zwingend, dass die KV bei der Honorarfestsetzung – abgesehen von der Ausnahme einer nachgewiesenen wirtschaftlichen Gefährdung – im Sinne des § 106 Abs. 5 c Satz 4 SGB V die vom Beschwerdeausschuss bestätigten Betrage einbehalte. Beurteile man vor diesem Hintergrund die – freiwilligen – Vorauszahlungen, so sei § 11 Abs. 2 HVV zu entnehmen, dass der Arzt hierdurch bereits bis zu 90 v.H. seines vermutlichen Honorars tatsächlich erhalte. Er müsste bei einem die 10 v.H. – Restzahlung übersteigenden Betrag nicht nur keine Restzahlung erhalten, sondern zurückzahlen. Dies solle aus beiderseitigem Interesse vermieden werden. Der Arzt solle nicht in die Situation gebracht werden, auf einmal einen höheren Betrag zurückzahlen zu müssen. Die KV solle nicht Geld hergeben müssen, dass sie später wieder einziehen müsse. Deshalb gebe es einen hinreichenden Grund, die Vorauszahlungen bei den Ärzten zu reduzieren, bei denen aufgrund eines Bescheides ein Regress letztlich möglich erscheine. Als Korrektiv sehe der HVV eine Unerheblichkeitsgrenze von 1.000,00 Euro vor. Ferner sei klargestellt, dass eine Auszahlung der von der Vorauszahlung vorsorglich abgezogenen Beträge erfolge, wenn der Beschwerdeausschuss nicht rechtzeitig entscheide. Schließlich sei geregelt, dass Abschlagszahlungen nur ein mal reduziert werden können. Die Vorschrift enthalte damit eine unter Hintanstellung der Bedürfnisse der KV für den Betroffenen günstige Zumutbarkeitsregel, die aber zur Folge habe, dass er für den Abzug nach der Entscheidung des Beschwerdeausschusses Eigenvorsorge tragen müsse.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Entscheidung des SG Düsseldorf aufzuheben.
Der Antragsteller beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er bezieht sich auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidung und trägt ergänzend vor: Die streitgegenständliche Regelung des HVV verstoße gegen § 106 Abs. 5 SGB V. Die Antragsgegnerin dürfe das im HVV ausdrücklich geregelte Recht der Vertragsärzte auf Abschlagszahlungen nicht durch eine weitere Regelung im HVV auf eine solche Weise einschränken, dass gegen § 106 Abs. 5 SGB V verstoßen werde. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs bezwecke, dass Ärzte einen vom Prüfungsausschuss festgesetzten Regress im Widerspruchsverfahren überprüfen könnten. Hier komme es regelmäßig zu abweichenden Entscheidungen des Beschwerdeausschuss, so dass ein Arzt, der Widerspruch eingelegt habe, gerade nicht vor Abschluss des Verwaltungsverfahrens mit ihm negativen Auswirkungen des Ausgangsbescheids belastet werden solle. Diese aufschiebende Wirkung werde durch die streitgegenständliche Regelung umgangen. Das Recht der Vertragsärzte auf Abschlagszahlungen sei ausdrücklich geregelt und entspreche langjähriger verwaltungsrechtlicher Praxis. Es treffe nicht zu, dass die streitgegenständliche HVV-Regelung dieses zunächst eingeräumte Recht wieder einschränke. Dem Grunde und der Höhe werde das Recht auf Abschlagszahlungen durch die strittige Regelung gerade nicht eingeschränkt. Vielmehr würden mit dem Anspruch auf Abschlagszahlung in Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahrens verhängte Regresse verrechnet. Solange einem Vertragsarzt grundsätzlich ein Recht auf Abschlagszahlung eingeräumt sei, müsse die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs in Wirtschaftlichkeitsprüfverfahren über Arzneimittel beachtet werden.
Die übrigen Beteiligten haben sich nicht geäußert.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im übrigen nimmt der Senat Bezug auf den Inhalt der Streitakte.
II.
Die statthafte und im übrigen zulässige Beschwerde ist unbegründet.
Der angefochtene Beschluss des SG ist nicht zu beanstanden. Mit zutreffender Begründung hat das SG dem Antragsteller einstweiligen Rechtsschutz gewährt.
Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache, soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt, auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind hiernach auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Durch das am 02.01.2002 in Kraft getretene 6. SGG-ÄndG (BGBI. l S. 2144 ff.) ist der einstweilige Rechtsschutz im SGG in Anlehnung an §§ 80 ff Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) geregelt worden. Dies rechtfertigt es, die zu §§ 80, 80 a, 123 VwGO entwickelten Grundsätze auf das sozialgerichtliche Verfahren zu übertragen (LSG NRW, Beschlüsse vom 18.09.2002 – L 10 B 9/02 KA ER – und vom 23.08.2002 – L 10 B 12/02 KA ER -). Danach ist zwischen Sicherungs- (§ 86 b Abs. 2 Satz 1 SGG) und Regelungsanordnung (§ 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG) zu unterscheiden. Eine Sicherungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 1 SGG kommt danach in Betracht, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Eine Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG kann ergehen, wenn eine Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Hierunter fallen die praktisch häufigen Fälle eines Verpflichtungs- oder Leistungsbegehrens, in denen es um die vorläufige Begründung oder Erweiterung einer Rechtsposition geht, z.B. um die vorläufige Zulassung im Vertragsarztrecht (vgl. Düring in Berliner Kommentare, SGG, 2. Auflage, 2006, § 86 b Rdn. 11). In beiden Fällen entspricht es einer verfassungsrechtlich unbedenklichen verwaltungsgerichtlichen Praxis, die Gewährleistung vorläufigen Rechtsschutzes davon abhängig zu machen, dass der Antragsteller einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund glaubhaft macht (BVerfGE 79, 69, 74). Droht danach dem Antragsteller bei Versagung des einstweiligen Rechtsschutzes eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in seinen Rechten, die durch eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann, so ist – erforderlichenfalls unter eingehender tatsächlicher und rechtlicher Prüfung des im Hauptsacheverfahren geltend gemachten Anspruchs – einstweiliger Rechtsschutz zu gewähren (vgl. BVerfG vom 12.05.2005 – 1 BvR 569/05 -), es sei denn, dass ausnahmsweise überwiegende, besonders gewichtige Gründe entgegenstehen (BVerfGE 93, 1 ff). Andererseits müssen die Gerichte unter Umständen wegen der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit Rechtsfragen nicht vertiefend behandeln und können ihre Entscheidung maßgeblich auf der Grundlage einer Interessenabwägung treffen (BVerfG NJW 1997, 479, 480; NVwZ RR 2001, 694 bis 695).
Eine Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 setzt voraus, dass eine vorläufige Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum einstweiligen Rechtsschutz im sozialgerichtlichen Verfahren (vgl. BVerfGE 79, 69; 46, 166) wurde ganz überwiegend gefordert, dass dem Antragsteller schwere irreparable und unzumutbare Nachteile drohen (vgl. nur LSG NRW vom 24.06.1997 – L 11 SKa 20/97 – m.w.N.). Hieran ist grundsätzlich festzuhalten, allerdings ist bei wertender Betrachtung zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber in § 86 a SGG in der Fassung des 6. SGG-ÄndG den Interessen des Bürgers daran, von einer Vollstreckung belastender Verwaltungsakte vorläufig verschont zu bleiben, im Bereich des Sozialrechts höheres Gewicht beigemessen hat (LSG Niedersachsen vom 08.10.2001 – L 3 KA 72/01 ER -). Schließlich sind auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes, kann dies für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung sprechen (vgl. auch § 86 a Abs. 3 Satz 2 SGG). An der Vollziehung offensichtlich rechtswidriger Verwaltungsakte besteht kein öffentliches Interesse; vielmehr überwiegt dann das Interessen an der Herstellung der aufschiebenden Wirkung (LSG NRW, Beschluss vom 15.01.003 – L 10 B 22/02 KA ER – GesR 2005, 115 f.). Andererseits liegt ein überwiegendes öffentliches Interesse dann vor, wenn der angefochtenen Verwaltungsakt ersichtlich rechtmäßig ist (vgl. auch Begründung zum 6. SGG-ÄndG BT-Drucks. 14/5943 zu Nr. 34).
In Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich:
Das SG hat die einstweilige Regelung zu Recht erlassen.
Rechtsgrundlage für die strittige Regelung ist § 11 Abs. 2 HVV in der ab 01.01.2006 geltenden Fassung. Sie lautet:
"Von der Zahlung an die an der Honorarverteilung Teilnehmenden werden die von der Vertreterversammlung der KV Nordrhein beschlossenen Verwaltungskostenbeiträge in Abzug gebracht. Auf das Vierteljahreshonorar erhalten die an der Honorarverteilung Teilnehmenden monatliche Abschlagszahlungen, deren Höhe mindestens 20 %, höchstens jedoch 30 % des anerkannten Gesamthonorars der letzten durch die KVNo fertiggestellten Quartalsabrechnung betragen soll. Abweichend hiervon wird nach Erlass eines Bescheides des Prüfungsausschusses über einen Regress von mindestens Euro 1.000,- pro Quartal die nächste und ggf. jede weitere Abschlagszahlung eines noch nicht abgerechneten Quartals um 10 % -Punkte reduziert, bis der, ggf. von der Restzahlung abzuziehende, Regressbetrag erreicht ist. Durch diese Reduzierung kann der Wert von 20 % des anerkannten Gesamthonorars der letzten durch die KV Nordrhein fertig gestellten Quartalsabrechnung unterschritten werden. Soweit der Beschwerdeausschuss nicht bis zum Erlass des Honorarbescheides die Entscheidung des Prüfungsausschusses bestätigt, werden die von den Abschlagszahlungen abgezogenen Beträge mit der jeweiligen Restzahlung ausgezahlt. Eine erneute Reduzierung der Vorauszahlungen aufgrund desselben Bescheides des Prüfungsausschusses ist ausgeschlossen. Im Falle der Überzahlung sowie bei Insolvenz kann die Abschlagszahlung reduziert werden. Satz 4 gilt entsprechend. Die Restzahlung für die fertiggestellte Quartalsabrechnung erfolgt bis zum Ende des auf das Abrechnungsquartal folgenden 4. Monats. Forderungen gegen die Kassenärztliche Vereinigung werden erst fällig, nachdem Prüfungen auf Richtigkeit und ggf. auf Wirtschaftlichkeit durchgeführt und deren Ergebnisse rechtswirksam gewordne sind. Bis zu diesem Zeitpunkt steht der Honorarbescheid unter Vorbehalt; Zahlungen der Kassenärztlichen Vereinigung an den Vertragsarzt bleiben bis dahin aufrechnungsfähige und rückzahlungspflichtige Vorschüsse. In den ersten beiden Quartalen nach Aufnahme der Vertragsarztpraxis erhält der Arzt angemessenes Abschlagszahlungen aufgrund der von ihm nachgewiesenen Zahl der Behandlungsfälle."
Zutreffend hat das SG angenommen, dass ein Anordnungsanspruch gegeben ist. § 11 Abs. 2 Satz 3 HVV verstößt gegen höherrangiges Recht und ist unwirksam, soweit der Einbehalt von 10 v.H. ungeachtet dessen erfolgt, dass Widerspruch eingelegt worden ist. Nach § 106 Abs. 5 Satz 4 SGB V hat die Anrufung des Beschwerdeausschusses aufschiebende Wirkung. Diese gesetzliche Regelung wird durch § 11 Abs. 2 Satz 3 HVV unterlaufen. Das LSG NRW hat sich im Beschluss vom 16.04.2003 – L 10 B 21/02 KA ER – eingehend mit dem Wesen der aufschiebenden Wirkung befasst und ausgeführt:
"Die Bedeutung der aufschiebenden Wirkung ist streitig. Teilweise wird sie als Wirksamkeitshemmung, teilweise als Vollziehbarkeitshemmung verstanden (Frehse aaO § 21 Rdn. 112 m.w.N.). Das kann hier dahin stehen, denn sowohl im Falle einer Vollziehbarkeitshemmung als auch – erst Recht – im Falle einer Wirksamkeitshemmung darf der Verwaltungsakt nicht vollzogen werden (vgl. auch Meyer – Ladewig, SGG, 7. Auflage, 2003, § 86a Rdn. 4 m.w.N.). Das BVerwG hat sich auf den Standpunkt gestellt, die aufschiebende Wirkung beseitige nicht die Wirksamkeit des Verwaltungsaktes, sie habe vielmehr nur zur Folge, dass der angefochtene Verwaltungsakt vorläufig nicht vollzogen werden dürfe und ist damit von einer Vollziehbarkeitshemmung ausgegangen. Vollziehbarkeitshemmung bedeutet, dass der Behörde nunmehr jegliches Gebrauchmachen von den Wirkungen des Verwaltungsaktes einstweilen untersagt ist. Dann aber ist auch die Aufrechnung als Vollziehung anzusehen. Denn eine Aufrechnung ist ohne Gebrauchmachen von dem materiellen Regelungsinhalt des Verwaltungsaktes nicht möglich, weil erst der materielle Regelungsgehalt die entsprechend § 387 BGB notwendigen Voraussetzungen für eine Aufrechnung – u.a. Fälligkeit der Forderung – schafft bzw. herbeiführt (zutreffend BFH vom 31.08.1995 – VII R 58/94 -). Dass die von der Antragsgegnerin erklärte Aufrechung keine hoheitliche Maßnahme sondern die rechtsgeschäftliche Ausübung eines Gestaltungsrechts darstellt, steht dem nicht entgegen. Insoweit verkennt die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung, dass als "Vollziehung" nicht nur die zwangsweise Durchsetzung sondern jedes Gebrauchmachen vom Regelungsinhalt eines Verwaltungsaktes anzusehen ist. Ein derartiges Verständnis ist zur Überzeugung des Senats auch verfassungsrechtlich zwingend. Unter Zugrundelegung der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung würde nämlich die Bitte um vorläufigen Rechtschutz ins Leere gehen. Denn auch wenn das Gericht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs feststellen oder anordnen würde, könnte das eigentliche Ziel des Verfahrens, nämlich die Auszahlung der vertragsärztlichen Vergütung infolge der Aufrechnung nicht erreicht werden. Soweit also das Bundesverwaltungsgericht seine Auffassung damit begründet, dass die Aufrechnungserklärung die Ausübung eines schuldrechtlichen Gestaltungsrechts sei und für sich allein keinen Verwaltungsakt darstelle, mithin dem eines die betreffende Forderung konkretisierenden Leistungsbescheides vollziehe, wird der durch Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) zu gewährleistende Rechtsschutz unangemessen verkürzt. Daher ist die Aufrechnung mit einer Forderung, die in dem angefochtenen Verwaltungsakt ihren Grund hat, ausgeschlossen."
Hieraus ist herzuleiten, dass die Antragsgegnerin aus eigenem Recht keinerlei Maßnahmen ergreifen darf, die dem solchermaßen skizzierten Wesen der aufschiebenden Wirkung widersprechen. Der Widerspruch bewirkt, dass der Bescheid des Prüfungsausschusses vorläufig keine Rechtswirkungen zu Lasten des Widerspruchsführers entfaltet und weder vollziehbar ist, noch vollstreckt werden kann. Das Rechtinstitut der aufschiebenden Wirkung soll für die Dauer des Widerspruchsverfahrens einen Eingriff in die Rechtsposition des Widerspruchsführers verhindern (vgl. Hencke in Peters, Handbuch der Krankenversicherung, § 106 Rdn. 40). Der KV ist dann jegliches "Gebrauchmachen", das mit der aufschiebenden Wirkung kollidieren könnte, untersagt. Hiergegen verstößt die Antragsgegnerin, wenn sie die Abschlagszahlungen trotz des gegen den Regressbescheid gerichteten Widerspruchs mittels eines "aufrechnungsähnlichen" Vorgangs um 10 v.H. reduziert.
Der durch § 11 Abs. 2 Satz 2 eingeräumte Anspruch auf Abschlagszahlung ist mangels entgegenstehender Regelungen mit seinem Entstehen fällig und zu erfüllen. Zwar bestimmt § 11 Abs. 2 Satz 10 HVV, dass Forderungen gegen die KV erst fällig werden, nachdem Prüfungen auf Richtigkeit und ggf. Wirtschaftlichkeit durchgeführt und deren Ergebnisse rechwirksam geworden sind (zur Problematik einer solchen Regelung vgl. LSG Schleswig-Holstein vom 05.12.2001 – L 6 B 83/01 KA ER – MedR 2002, 269 f.), indessen betrifft diese Regelung nicht den Anspruch auf monatliche Abschlagszahlung. Sie bezieht sich auf den Honoraranspruch als solchen. Der Vertragsarzt hat mit Vorlage seiner Abrechnung noch keinen Anspruch auf ein betrags- oder punktemäßig bezifferte Honorarvolumen. Sein Anspruch ist zunächst auf die Teilhabe an der vertragsärztlichen Gesamtvergütung beschränkt (vgl. BSG vom 31.10.2001 – B 6 KA 14/00 R -, 09.12.2004 – B 6 KA 73/03 R -, 08.02.2006 – B 6 KA 27/05 R -). Erst mittels des Abrechnungsbescheides konkretisiert sich der Teilnahmeanspruch auf einen Honoraranspruch. Darum geht es hier jedoch nicht. Zu klären ist allein, ob der durch § 11 Abs. 2 Satz 2 HVV eingeräumte Anspruch auf Abschlagszahlung durch die Einbehaltregelung des § 11 Absatzes 2 Satz 3 HVV modifiziert werden kann.
Das wäre dann der Fall, wenn das durch § 11 Abs. 2 HVV gewährte Recht auf monatliche Abschlagszahlung wieder genommen oder eingeschränkt werden könnte. Grundsätzlich gilt, dass die KV jedes ihren Mitgliedern kraft körperschaftlicher Normsetzungsbefugnis eingeräumte Recht wieder nehmen kann, sofern die Rechtegewährung nicht auf einer höherrangigen Verpflichtung beruht. Ob und inwieweit den Vertragsärzten kraft Gesetzes ein durch untergesetzlichen Normen zu konkretisierender Anspruch auf monatliche Abschlagszahlung zuzubilligen ist, mag dahinstehen. Diese Frage ist nicht entscheidungserheblich. Die Antragsgegnerin hat im Zusammenwirken mit den Beigeladenen den HVV vereinbart und den Vertragsärzten einen Anspruch auf monatliche Abschlagszahlung eingeräumt. Werden – wie hier – durch den HVV Rechte gewährt, dürfen die entsprechenden Regelungen nicht gegen höherrangiges Recht verstoßen. Nichts anderes gilt, sofern einmal gewährte Rechte (hier: Anspruch auf Abschlagszahlung nach § 11 Abs. 2 Satz 2 HVV) später eingeschränkt werden (hier: Einbehaltbefugnis nach § 11 Abs. 2 Satz 3 HVV). Dabei ist jeder Vorgang – Rechtegewährung einerseits und Rechteeinschränkung andererseits – für sich zu betrachten. Die Einräumung von Rechten ist ggf. an anderen gesetzlichen Normen zu messen, als deren Einschränkung. So liegt es hier. Die der Antragsgegnerin durch § 11 Abs. 2 Satz 3 HVV eingeräumte Befugnis, die dem Vertragsarzt an sich zustehende Abschlagszahlung um 10 v.H. zu reduzieren, stellt sich faktisch als Teilausschnitt eines actus contrarius dar. Anders als die Rechtegewährung (= Anspruch auf Abschlagszahlung) ist deren "Teilrücknahme" durch § 11 Abs. 2 Satz 3 HVV an § 106 Abs. 5 Satz 4 SGB V zu messen, verstößt – wie dargestellt – hiergegen und ist unwirksam.
Die Voraussetzungen für den Anordnungsgrund hat der Antragsteller hinreichend dargelegt. Ausweislich seines Vorbringens droht eine Gefährdung der beruflichen Existenz infolge finanzieller Engpässe, die auf die Reduzierung der Abschlagszahlungen zurückzuführen sind. Der Senat sieht dieses Vorbringen jedenfalls in diesem Verfahrens als ausreichend an, denn das Vorgehen der Antragstellerin ist offensichtlich rechtswidrig. An der Vollziehung rechtswidrigen Verwaltungshandelns besteht kein öffentliches Interesse. Eine weitergehende Interessenabwägung ist entbehrlich.
Die Beschwerde konnte nach alledem keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 12.07.2006
Zuletzt verändert am: 12.07.2006