Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 22.11.2005 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die Neuberechnung von Krankengeld unter Berücksichtigung von einmalig gezahltem Arbeitsentgelt.
Die 1941 geborene Klägerin, die als Altenpflegerin beschäftigt war, war ab dem 04.06.1997 arbeitsunfähig erkrankt. Die Beklagte bewilligte ihr mit Bescheid vom 16.12.1997 Krankengeld ab dem 05.12.1997 in Höhe von 78,11 Euro brutto gemäß der auf der Rückseite des Bescheides enthaltenen Berechnung. Bemessungsgrundlage war danach (nur) das in den letzten drei Monaten vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit erzielte Entgelt. Die in dem Bescheid als Anlage genannte "Erklärung für den Bezug von Geldleistungen" wurde von der Klägerin am 16.12.1997 unterschrieben, der ebenfalls als Anlage genannte Zahlschein, der vom behandelnden Arzt nach Ablauf eines Kalendermonats auszufüllen war, wurde am 08.01.1998 vom Arzt ausgefüllt und unterschrieben. Die Klägerin bestreitet, den Bescheid vom 16.12.1997 erhalten zu haben.
Seinerzeit war umstritten, ob die nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 11.11.1995 (BVerfGE 92, 53) getroffene Regelung zur Berücksichtigung beitragspflichtigen einmalig gezahlten Arbeitsentgeltes bei der Berechnung von Krankengeld verfassungskonform sei. Da zu Widersprüchen gegen einschlägige Beitrags- und Leistungsbescheide aufgefordert wurde, wandten sich die Sozialpartner und die Spitzenorganisationen der Sozialversicherung im Juli 1998 mit einer über die Medien verbreiteten gemeinsamen Erklärung an die Öffentlichkeit (Erklärung vom 28.07.1998, BKK 1998, 524). Sie stellten in Aussicht, dass die Versicherungsträger die auf Grund der bereits beim Bundesverfassungsgericht anhängigen Musterverfahren zu erwartende Entscheidung über die Beitragspflicht von Einmalzahlungen auf gleichgelagerte Sachverhalte übertragen und zu Unrecht erhobene Beiträge erstattet würden, ohne dass insoweit Anträge oder Widersprüche erforderlich seien. Nachdem das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 24.05.2000 (BVerfGE 102, 127) auch die Neuregelung zur sozialrechtlichen Behandlung von einmalig gezahltem Arbeitsentgelt für verfassungswidrig erklärt hatte, hat der Gesetzgeber in § 47 a 5. Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) entsprechend der Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts für den Zeitraum vom 01.01.1997 bis 21.06.2000 eine Übergangsregelung geschaffen. Dieses sieht die Einbeziehung des einmalig gezahlten Arbeitsentgelts in die Krankengeldberechnung entsprechend § 47 Abs. 2 Satz 6 SGB V auch für die Ansprüche auf Krankengeld vor, über die am 21.06.2000 noch nicht bestandskräftig entschieden war. Für bestandskräftige Entscheidungen ist eine Zugunstenentscheidung nach § 44 10. Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) durch § 47 a Abs. 2 Satz 2 SGB V ausgeschlossen.
Mit Urteil vom 25.03.2003 (B 1 KR 36/01 R) entschied das BSG, dass Versicherten in den Fällen, in denen Leistungsbescheide zur Zeit der Erklärung vom 28.07.1998 noch nicht bestandskräftig gewesen seien, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren sei, da sie durch die Erklärung ohne ihr Verschulden gehindert gewesen seien, fristgerecht gegen die Bescheide über die Bewilligung von Krankengeld Widerspruch zu erheben. Sie hätten davon ausgehen dürfen, dass Widersprüche nicht erforderlich seien.
Unter Verwendung eines Mustertextes der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen beantragte die Klägerin mit Schreiben vom 14.04.2003 die Neuberechnung des Krankengeldes unter Berücksichtigung gezahlten Weihnachts- und Urlaubsgeldes. Unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts beantragte sie Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und legte Widerspruch gegen den "damaligen Bescheid" ein.
Mit Bescheid vom 24.09.2003 lehnte die Beklagte eine Neuberechnung des Krankengeldes ab, da über das Krankengeld am 28.07.1998 bereits unanfechtbar entschieden gewesen sei. Gegen den Bescheid vom 16.12.1997 habe die Klägerin keinen Widerspruch eingelegt. Die Klägerin legte Widerspruch ein und machte geltend, der Bescheid vom 16.12.1997 sei ihr nicht zugegangen. Die Beklagte könne den Nachweis einer Zustellung nicht erbringen. Mit Widerspruchsbescheid vom 18.03.2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Aus der Tatsache, dass die Klägerin die im Bescheid genannte Erklärung ausgefüllt und unterschrieben habe und auch der vom Arzt ausgefüllte Auszahlschein zurückgekommen sei, ergebe sich, dass die Klägerin den Bescheid vom 16.12.1997 erhalten habe.
Zur Begründung der am 13.04.2004 erhobenen Klage hat die Klägerin zunächst vorgetragen, sie habe nur wegen der Erklärung der Spitzenorganisationen darauf verzichtet, Rechtsmittel gegen die Bescheide zur Gewährung von Krankengeld einzulegen. Den Bescheid vom 16.12.1997 habe sie nicht erhalten. Unabhängig davon betreffe dieser Bescheid nicht sämtliche Krankengeldzahlungen bis Juni 1999, so dass der Stichtag 28.07.1998 für die danach ergangenen Bescheide von Bedeutung sei. Im Erörterungstermin vor dem Sozialgericht am 31.08.2005 hat die Klägerin dann angegeben, eine Kollegin, die bei einer anderen Krankenkasse versichert sei, habe sie habe sie auf die Erklärung der Spitzenverbände aufmerksam gemacht. Das sei im Oktober 2003 gewesen.
Mit Urteil vom 22.11.2005 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Eine Neuberechnung des Krankengeldes scheide aus, da der Bescheid vom 16.12.1997, von dessen Erhalt das Gericht überzeugt sei, zum Zeitpunkt der Erklärung der Spitzenorganisationen der Sozialversicherung bereits unanfechtbar gewesen sei, so dass eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen dieser Erklärung nicht in Betracht kommt.
Gegen das ihr am 07.12.2005 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 04.01.2006 Berufung eingelegt. Sie bestreitet weiterhin, den Bescheid vom 16.12.1997 erhalten zu haben und macht insoweit geltend, die Beklagte habe den von ihr zu führenden Nachweis der Zustellung nicht erbracht. Von der Erklärung der Spitzenorganisationen habe sie bereits 1998 Kenntnis gehabt, insoweit sei die Sitzungsniederschrift missverständlich.
Nach ihrem Vorbringen beantragt die Klägerin sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 22.11.2005 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 24.09.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.03.2004 zu verurteilen, das in der Zeit vom 05.12.1997 bis zum 03.12.1998 und vom 05.03.1998 bis zum 09.06.1999 gewährte Krankengeld unter Berücksichtigung einmalig gezahlten Arbeitsentgeltes neu zu berechnen und die Differenzbeträge nachzuzahlen, hilfsweise, die auf die Einmalzahlung entrichteten Beiträge zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, auch hinsichtlich des Vorbringens der Beteiligten, wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der Entscheidung gewesen ist.
II.
Der Senat konnte über die zulässige Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten hat (§ 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG)). Die Beteiligten sind zu dieser Möglichkeit angehört worden.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die von der Klägerin begehrte Neuberechnung des im Zeitraum vom 05.12.1997 bis 09.06.1999 bezogenen Krankengeldes unter Berücksichtigung des einmalig gezahlten Arbeitsentgeltes entsprechend § 47 Abs. 2 Satz 6 SGB V scheidet aus, da die Leistungsbescheide schon vor dem 21.06.2000 bestandskräftig waren (§ 47 a Abs. 1 SGB V). Zu Recht hat die Klägerin allerdings darauf hingewiesen, dass insoweit nicht allein der Bescheid vom 15.12.1997 von Bedeutung ist, da auch in der formlosen Auszahlung von Krankengeld eine konkludente Bewilligung der Leistung liegt (vgl. BSG, Urteil vom 25.03.2003, a. a. O.). Wenn auch nur mit dem Bescheid vom 15.12.1997 über die Höhe des Krankengeldes entschieden worden ist, sind doch auch nach diesem Zeitpunkt mit der Auszahlung weitere Bewilligungsbescheide ergangen. Allerdings sind alle Bewilligungsbescheide in Bestandskraft erwachsen. Selbst wenn am 09.06.1999 letztmalig formlos Krankengeld gezahlt worden sein sollte, ist auch diese Bewilligungsentscheidung bestandskräftig geworden, da die Klägerin innerhalb eines Jahres keinen Widerspruch eingelegt hat (§ 62 SGB X i. V. m. §§ 77, 66 Abs. 2 SGG).
Wiedereinsetzung in die versäumte Widerspruchsfrist nach § 67 Abs. 1 SGG kommt nicht in Betracht, da die Klägerin nicht ohne ihr Verschulden an der Einhaltung der Widerspruchsfrist gehindert war. Das BSG (a. a. O.) hat allerdings wegen der Erklärung der Spitzenorganisationen vom 28.07.1998 gemeint, Versicherte seien dadurch bestimmt worden, von der Einlegung von Widersprüchen gegen Bescheide über die sozialversicherungsrechtliche Behandlung von Einmalzahlungen einzulegen; dies gelte gleichermaßen für Beitrags- wie Leistungsbescheide. Es hat auch gemeint, ein Ursachenzusammenhang zwischen der Erklärung und der unterbliebenen Anfechtung sei zu unterstellen. Das BSG räumt allerdings ausdrücklich ein, dass dem Versicherten die fehlende Kausalität zwischen der Veröffentlichung und einem dadurch begründeten Vertrauensschutz entgegengehalten werden kann, wenn sich nachweisen lässt, dass der Verzicht auf die Anfechtung nicht durch die Presseerklärung veranlasst worden ist. So liegt es hier.
Die Klägerin hat im Erörterungstermin selbst bekundet, sie sei erst im Oktober 2003 durch eine Kollegin auf die Erklärung der Spitzenorganisation aufmerksam gemacht worden. Dass sie nun in dem Schriftsatz vom 04.05.2006, nachdem sie auf die fehlende Kausalität hingewiesen worden ist, vorträgt, die Sitzungsniederschrift sei "missverständlich", sie habe schon 1998 Kenntnis von der Erklärung gehabt, ist unglaubwürdig und als zweckgerichteter Vortrag zu qualifizieren. Die vor dem Sozialgericht abgegebene Erklärung ist eindeutig, es ist nicht ersichtlich, was daran "missverständlich" sein soll. Angesichts der fachanwaltlichen Vertretung der Klägerin auch im Termin wäre auch zu erwarten gewesen, dass der Protokollierung einer derart "missverständlichen" Erklärung widersprochen worden wäre. Dass in dem Antragsschreiben vom 14.04.2003 auf die Erklärung der Spitzenorganisationen Bezug genommen wird, ist allein auf die Verwendung des Musterschreibens der Verbraucherzentrale zurückzuführen. Dieser Antrag ist nach dem eigenen Bekunden der Klägerin auch nur durch einen Zeitungsartikel veranlasst worden. Dem von der Klägerin selbst verfassten Widerspruchsschreiben vom 30.10.2003 lässt sich auch kein Hinweis darauf entnehmen, dass ihr die Erklärung vom 28.07.1998 und ihre Bedeutung bewusst war. Da somit feststeht, dass die unterbliebene Anfechtung der Leistungsbewilligungen nicht durch die Erklärung der Spitzenorganisationen der Sozialversicherung veranlasst worden ist und sonstige Gründe nicht geltend gemacht worden und auch nicht ersichtlich sind, scheidet eine Wiedereinsetzung in die versäumte Widerspruchsfrist aus.
Wegen der Bestandskraft der Bescheide besteht somit kein Anspruch auf eine Neuberechnung des Krankengeldes. Eine Korrektur der Bescheide nach § 44 Abs. 1 SGB X wird durch § 47 a Abs. 2 Satz 2 SGB V – verfassungsrechtlich unbedenklich (BSG a. a. O.) – ausgeschlossen.
Der Hilfsantrag ist aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Urteils (§ 153 Abs. 2 SGG) unbegründet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Erstellt am: 12.07.2006
Zuletzt verändert am: 12.07.2006