Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Detmold vom 02.01.2006 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Versorgung mit einem Sportrollstuhl.
Der am 00.00.1963 geborene und bei der Beklagten krankenversicherte Kläger ist querschnittsgelähmt. Er ist zur Fortbewegung auf die Benutzung eines Rollstuhls angewiesen. Die Beklagte hat ihn mit zwei Rollstühlen versorgt. Darunter befindet sich ein Faltrollstuhl, der in einem PKW transportiert werden kann.
Die Beklagte lehnte die Gewährung des vom Kläger unter Vorlage einer ärztlichen Verordnung der Ärztin für Innere Medizin Dr. K, M, beantragten Sportrollstuhls durch den Bescheid vom 06.04.2005 mit der Begründung ab, dass die Versorgung mit einem zusätzlichen Sportrollstuhl im Hinblick auf den im April 2002 zur Verfügung gestellten Aktivrollstuhl dem Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) widerspreche.
Dagegen legte der Kläger am 26.04.2005 Widerspruch ein, den die Beklagte durch den Widerspruchsbescheid vom 31.05.2005 zurückwies: Selbst wenn die sportliche Betätigung als Grundbedürfnis im Sinne des § 33 Abs. 1 SGB V anerkannt würde, bestehe ein Anspruch auf Versorgung mit einem Hilfsmittel nur dann, wenn erst durch dieses Hilfsmittel eine sportliche Betätigung ermöglicht werde. Der Kläger könne aber auch ohne den beantragten Sportrollstuhl Sport treiben (z.B. Schwimmen, Bogenschießen, Gewichtheben, Schießen).
Der Kläger hat dagegen am 16.06.2005 Klage vor dem Sozialgericht Detmold erhoben. Er hat die Auffassung vertreten, dass die sportliche Betätigung gerade von Behinderten als Grundbedürfnis im Sinne des § 33 SGB V anzuerkennen sei. Behinderte seien auf sportliche Betätigung in erhöhtem Maße angewiesen, um am gesellschaftlichen Leben teilnehmen und mit anderen Menschen kommunizieren zu können.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 06.04.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.05.2005 zu verurteilen, ihn mit einem Sportrollstuhl zu versorgen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat entgegnet: Die sportliche Betätigung stelle kein Grundbedürfnis im Sinne des § 33 Abs. 1 SGB V, das die gesetzliche Krankenversicherung durch die Gewährung von entsprechenden Hilfsmitteln zu befriedigen habe, dar.
Das Sozialgericht Detmold hat die Klage durch Gerichtsbescheid vom 02.01.2006 abgewiesen. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.
Gegen den ihm am 05.01.2006 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 02.02.2006 Berufung eingelegt. Zur Begründung wiederholt und vertieft er sein erstinstanzliches Vorbringen. Er betont, dass es gerade für behinderte Menschen von elementarer Bedeutung sei, die Psyche durch den Sport in der Gruppe mit anderen Behinderten zu stärken.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Detmold vom 02.01.2006 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 06.04.2005 und des Widerspruchsbescheides vom 31.05.2005 zu verurteilen, ihn mit einem Sportrollstuhl zu versorgen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts für zutreffend. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird verwiesen auf den übrigen Inhalt der Streitakten sowie der Verwaltungsakten der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn der Bescheid vom 06.04.2005 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 31.05.2005 ist rechtmäßig. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Versorgung mit einem Sportrollstuhl nicht zu.
Nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V in der Fassung des Gesetzes vom 14.11.2003 (Bundesgesetzblatt I, S. 2190) haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 ausgeschlossen sind. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind nicht erfüllt.
Der Sportrollstuhl ist nicht erforderlich, um den Erfolg einer Krankenbehandlung zu sichern. Weder ist laut dem Vorbringen des Klägers eine auf ein solches Ziel gerichtete Verwendung beabsichtigt noch liegen objektive Anhaltspunkte für die Notwendigkeit eines solchen Einsatzes vor. Ebenso wenig ergibt sich ein Hinweis darauf, dass der Sportrollstuhl zum Ausgleich einer drohenden Behinderung erforderlich sein könnte. Bei dem Kläger ist die Behinderung in Form der Auswirkungen der Querschnittslähmung bereits eingetreten, so dass es allein um die Kompensation einer (bestehenden) Behinderung gehen kann.
Der Sportrollstuhl ist dem Kläger jedoch auch nicht zu gewähren, um die aufgrund der Querschnittslähmung bestehende Behinderung auszugleichen. Ein Hilfsmittel ist für den Ausgleich einer Behinderung grundsätzlich erforderlich, wenn das Hilfsmittel die beeinträchtigte Körperfunktion unmittelbar ermöglicht, ersetzt oder erleichtert. Soweit – wie hier – das Hilfsmittel die ausgefallene oder beeinträchtigte Organfunktion nur mittelbar ersetzt, muss zusätzlich geprüft werden, in welchen Lebensbereichen sich der Ausgleich auswirkt. Festzustellen ist dann, ob das Hilfsmittel zur Lebensbetätigung im Rahmen der allgemeinen Grundbedürfnisse benötigt wird (vgl. dazu zuletzt BSG, Urteil vom 10.11.2005, Az.: B 3 KR 31/04 R = Sgb 2006, S. 222 mwN). Zu diesen Grundbedürfnissen gehören zum einen die körperlichen Grundfunktionen (Gehen, Stehen und Treppensteigen, Sitzen, Liegen, Greifen, Sehen, Hören, Nahrungsaufnahme, Ausscheidung), darüber hinaus die elementare Körperpflege und das selbständige Wohnen sowie die Erschließung eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums, der auch die Aufnahme von Informationen, die Kommunikation mit anderen zur Vermeidung von Vereinsamung sowie das Erlernen eines lebens-notwendigen Grundwissens (Schulwissens) umfasst (vgl. dazu BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 32 mwN). Dabei geht es nur um ein Basisbedürfnis und damit lediglich um einen Basisausgleich, also nicht um ein vollständiges Gleichziehen mit den Möglichkeiten eines Gesunden (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 29 mwN). Eine über die Befriedigung eines solchen Grundbedürfnisses hinausgehende berufliche oder soziale Rehabilitation ist Aufgabe anderer Sozialleistungsträger (vgl. BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 29). Die sportliche Betätigung im Freizeitbereich wird vom Begriff des vitalen Lebensbedürfnisses bzw. des allgemeinen Grundbedürfnisses des täglichen Lebens nicht erfasst (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 5 und 27; BSG SozR 3-2500 § 182 b Nr. 12, 30, 34 und 37; BSG Urteil vom 16.09.1999, Az.: B 3 KR 8/98 R SozR 3-2500 § 33 Nr. 31).
Die Grundbedürfnisse des Klägers, sich fortzubewegen und sich einen gewissen körperlichen Freiraum zu erschließen, werden mit den beiden Rollstühlen befriedigt, die ihm die Beklagte bereits zur Verfügung gestellt hat. Bei dem beantragten Hilfsmittel handelt es sich um einen Rollstuhl, mit dem der Kläger Sport treiben, insbesondere Rollstuhl-Rugby spielen möchte. Die sportliche Betätigung im allgemeinen und die Ausübung des Rollstuhl-Rugbys im besonderen stellen jedoch keine von der gesetzlichen Krankenversicherung durch die Gewährung von Hilfsmitteln zu befriedigende Grundbedürfnisse dar.
Ausgangspunkt der oben skizzierten Rechtsprechung ist, dass das Hilfsmittel zur Lebensbetätigung im Rahmen der allgemeinen Grundbedürfnisse benötigt wird. Dies bedeutet, dass Bedürfnisse betroffen sein müssen, die generell (fast) alle Menschen oder aber zumindest die Menschen einer Altersgruppe (z.B. Jugendliche) haben. Dies trifft auf die sportliche Betätigung im Allgemeinen nicht zu. Es ist bekannt, dass eine Vielzahl von Menschen überhaupt keinen Sport treibt. Hinzu kommt, dass es bei der Ausübung von Sport grundsätzlich um eine gesteigerte, den menschlichen Körper besonders beanspruchende Betätigung körperlicher Grundfunktionen geht. So sind etwa Gehen und Stehen die Grundformen einer Vielzahl von Sportarten wie z.B. Laufen, Fuß-/Handball-/Tennisspielen usw. Schon von daher wird deutlich, dass es beim Sporttreiben nicht um ein allgemeines Grundbedürfnis, sondern um die Befriedigung eines von diesen Basisformen abgeleiteten speziellen Bedürfnisses geht.
Selbst wenn man die Ermöglichung einer sportlichen Betätigung zu den Grundbedürfnissen zählen würde, so begründete dies nicht den Anspruch des Klägers auf einen Sportrollstuhl. Denn ohne diesen Rollstuhl ist es ihm nicht generell unmöglich, Sport zu treiben. Auch ohne diesen Rollstuhl ist der Kläger hierzu – wenn auch nur in beschränktem Maße – etwa in Form von Gymnastik oder Hanteltraining in der Lage. Der Sportrollstuhl ist lediglich erforderlich, damit er besondere Sportarten – wie etwa Rugby – ausüben kann. Die Möglichkeit der Ausübung bestimmter besonderer Sportarten kann jedoch erst recht nicht zu den Grundbedürfnissen gehören, die im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung zu befriedigen sind. Denn dies würde über die Gewährung eines Basisausgleichs hinausgehen.
Der Sportrollstuhl ist entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht etwa erforderlich, um sein Grundbedürfnis auf Kommunikation mit anderen zu befriedigen oder seine soziale Integration sicherzustellen. Der Kläger hat hierzu vorgetragen, dass Sport besonders geeignet sei, die Psyche Behinderter zu stärken und durch die Ausübung von Mannschaftssport Kontakte zu ermöglichen bzw. zu festigen. Es mag zutreffen, dass die sportliche Betätigung gerade für behinderte Menschen eine besondere Rolle spielt, weil sie es ihnen trotz körperlicher Einschränkungen er-möglicht, den eigenen Körper wahrzunehmen und gemeinsam mit anderen Betroffenen besondere (Erfolgs-) Erlebnisse zu haben. Dies ändert aber nichts daran, dass dem Kläger auch ohne die Gewährung des Sportrollstuhls nicht die Gefahr der Vereinsamung droht. Der Kläger ist trotz seiner Behinderung in der Lage, mit anderen Menschen unmittelbar mündlich, schriftlich, über Telefon und Internet zu kommunizieren. Auch hier gilt, dass ihm der Sportrollstuhl nur eine Kommunikation mit anderen in einer sehr spezifischen Form, nämlich in einem bestimmten Lebensumkreis (mit seinen Mitspielern), aber gerade nicht im allgemeinen Leben ermöglichen würde. Der Kläger kann sich in diesem Zusammenhang nicht darauf berufen, dass einem behinderten Jugendlichen von dem Bundessozialgericht (Urteil vom 16.04.1998, Az.: B 3 AR 9/97 R = SozR 3-2500 § 33 Nr. 27) ein Rollstuhlbike als Hilfsmittel zugesprochen wurde, um dessen Einbeziehung in den Kreis der laufenden und Fahrrad fahrenden gleichaltrigen Jugendlichen zu gewährleisten. Das BSG hat die spezielle Situation behinderter Jugendlicher berücksichtigt, um die soziale Integration in der (kritischen) jugendlichen Entwicklungsphase zu ermöglichen. Während dem behinderten Jugendlichen ohne die Möglichkeit, mit den gesunden Altersgenossen mobil unterwegs zu sein, tatsächlich der Ausschluss aus dem Kreis der Gleichaltrigen, damit verbunden die Gefahr der (spezifischen) Vereinsamung und letztlich die Gefahr von Entwicklungsstörungen drohen, ist dies bei Erwachsenen – wie auch dem Kläger – nicht der Fall. Den Ausschluss aus dem Kreis seiner (erwachsenen) Bekannten wird der Kläger nicht befürchten müssen, nur weil er nicht an bestimmten sportlichen Aktivitäten selbst teilnehmen kann.
Entgegen der Auffassung des Klägers kann er seinen Anspruch auch nicht auf die Ausführungen des 16. Senats des Landessozialgerichtes in seinem Urteil vom 05.02.2004 (Az.: L 16 KR 102/03) stützen. Bei dem dort zu entscheidenden Fall war streitig, ob eine Badeprothese und damit ein Hilfsmittel zum unmittelbaren Ausgleich einer Behinderung zu gewähren war. Demnach kam es – anders als hier – gar nicht auf die Frage der Befriedigung eines Grundbedürfnisses an.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Anlass die Revision zuzulassen, hat nicht bestanden.
Erstellt am: 20.11.2006
Zuletzt verändert am: 20.11.2006