Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 29.06.2005 wird zurückgewiesen. Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Bewilligung von Entgeltsicherung für ältere Arbeitnehmer.
Der 1953 geborene Kläger war bei der Bundesdruckerei, die zuletzt in der Rechtsform einer GmbH geführt wurde, in C als Fahrer beschäftigt. Deren Betriebsstätte in C wurde zum 01.05.2002 an die E Bundesdruckerei GmbH u. Co KG veräußert. Das Arbeitsverhältnis des Klägers ging nach § 613a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) auf die Erwerberin über. Über deren Vermögen wurde mit Wirkung zum 01.04.2004 das Insolvenzverfahren eröffnet (Beschluss des Amtsgerichts Bonn vom 30.12.2003 – 96 IN 194/03). Am 23.01.2004 kündigte der Insolvenzverwalter das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 30.04.2004, ohne ihn von der Arbeit freizustellen. Mit Kaufvertrag vom 26.03.2004 veräußerte der Insolvenzverwalter das Unternehmen an die X C GmbH. Nach dem Vertrag sollten 40 Arbeitnehmer übernommen werden unter einer Anpassung der Vertragskonditionen sowie des Lohn- und Gehaltsgefüges bei einer Erhöhung der Wochenarbeitszeit von 35 auf 40 Stunden (wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Kaufvertrag Bezug genommen). Durch Anstellungsvertrag vom 16.04.2004 wurde das Arbeitsverhältnis zwischen dem Insolvenzverwalter und dem Kläger zum 01.05.2004 als Pförtner/Fahrbereitschaft bei einem monatlichen Bruttogehalt von 2.240,39 bzw. 2.280,00 EUR (Korrektur vom 20.04.2004) fortgesetzt.
Der Kläger, der zum 01.05.2004 einen Anspruch auf Arbeitslosengeld für 660 Tage zu einem wöchentlichen Bemessungsentgelt von 720,00 EUR zu beanspruchen gehabt hätte, beantragte am 27.04.2004 die Bewilligung von Entgeltsicherung im Hinblick auf die Differenz zwischen seinem früheren und dem ab dem 01.05.2004 gezahlten Arbeitsentgelt (3.120,00 EUR gegenüber 2.280,00 EUR).
Mit Bescheid vom 29.06.2004 lehnte die Beklagte den Antrag ab, weil die Beschäftigung bei einem früheren Arbeitgeber erfolgt sei, bei dem der Kläger während der letzten vier Jahre vor Antragstellung mehr als drei Monate versicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei.
Der Kläger legte am 08.07.2004 Widerspruch ein und machte geltend, seine frühere Arbeitgeberin, die E Bundesdruckerei GmbH und Co KG, und die X C GmbH seien auch nicht in Form der Gesellschafter identisch. Die Identität der Betriebsstätte sei nicht maßgeblich. Bei dem neuen Unternehmen sei der Arbeitsvertrag nur zu wesentlich ungünstigeren Bedingungen zustande gekommen, die er zwecks Vermeidung seiner Arbeitslosigkeit akzeptiert habe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 05.08.2004 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück, weil die Betriebsstätte gleich geblieben sei und auch die Ausgestaltung des neuen Arbeitsvertrages für eine Beschäftigung bei dem früheren Arbeitgeber spreche. Auf den Wechsel des Firmeninhabers sei nicht abzustellen.
Der Kläger hat am 14.08.2004 vor dem Sozialgericht (SG) Klage erhoben. Er hat geltend gemacht, seine frühere Arbeitgeberin und der neue Betriebsinhaber seien unter verschiedenen Handelsregister-Nrn. eingetragen. Die insolvente Firma sei an einen vollständig neuen Betriebsinhaber verkauft worden. Dieser Investor habe jedoch zur Bedingung gemacht, dass für ihn günstigere Arbeitsverträge abgeschlossen wurden. Mit der Annahme dieser Verträge seien 40 Arbeitsplätze erhalten worden. Bei dieser Sachlage sei die Ansicht der Beklagten zu einer Weiterbeschäftigung beim bisherigen Arbeitgeber unverständlich.
Mit Urteil vom 29.06.2005 hat das SG die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Gegen das ihm am 05.08.2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 02.09.2005 Berufung eingelegt. Er macht geltend, der Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages zwischen dem Insolvenzverwalter und dem Kläger stelle keine Weiterbeschäftigung im eigentlichen Sinne dar, sondern sei Voraussetzung für die Übernahme des Betriebes durch die X C GmbH gewesen. Dies ergebe sich aus den übereinstimmenden Daten der Übernahme des Betriebsvermögens durch die GmbH und des Beginns der neuen Arbeitsbedingungen. Auch aus der Präambel des Anstellungsvertrages ergebe sich eindeutig, dass Vertragspartner der schlechteren Bedingungen die X GmbH sei. Der so gewählte Weg des Betriebsübergangs, dessen Bedingungen der neue Arbeitgeber gesetzt habe, könne nicht zu seinen – des Klägers – Lasten gehen, denn Sinn und Zweck der Regelung über den Anspruch auf Entgeltsicherung seien auch in diesem Fall erfüllt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des SG Köln vom 29.06.2005 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 29.06.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.08.2004 zu verurteilen, ihm die Entgeltsicherung für ältere Arbeitnehmer ab dem 01.05.2004 dem Grunde nach zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie macht geltend, die vorherige Beschäftigung sei weder tatsächlich noch rechtlich unterbrochen worden, sondern fortgesetzt worden. Eine solche nahtlose Fortführung der Beschäftigung zu ungünstigeren Bedingungen habe der Gesetzgeber aber nicht auf Kosten der Versichertengemeinschaft kompensieren wollen. Intention des Gesetzgebers sei es gewesen, die Einstellung älterer Menschen zu fördern und damit neue Beschäftigungsperspektiven zu eröffnen. Der Begriff des früheren Arbeitgebers müsse, um Mitnahmeeffekte zu vermeiden, auf der Grundlage einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise weit gefasst werden. Daher lasse auch ein zwischenzeitlicher Betriebsübergang die Arbeitgeberidentität unberührt. Schließlich hätten sich die Arbeitsbedingungen jedenfalls nicht bei einem neuen Arbeitgeber ungünstig verändert, weil diese bereits mit dem Insolvenzverwalter vereinbart worden seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil dem Kläger kein Anspruch auf Entgeltsicherung zusteht. Nach § 421j Abs. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) haben Arbeitnehmer, die das 50. Lebensjahr vollendet haben und ihre Arbeitslosigkeit durch Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung beenden oder vermeiden, Anspruch auf Leistungen der Entgeltsicherung, wenn sie 1. einen Anspruch auf Arbeitslosengeld haben und bei Aufnahme der Beschäftigung noch über einen Restanspruch von mindestens 180 Tagen verfügen oder einen Anspruch auf Arbeitslosengeld über mindestens die gleiche Dauer hätten, 2. ein Arbeitsentgelt beanspruchen können, das den tariflichen, oder, wenn eine tarifliche Regelung nicht besteht, auch ortsüblichen Bedingungen entspricht. Wie das SG zu Recht dargelegt hat, könnte vorliegend allein der Tatbestand der Vermeidung von Arbeitslosigkeit durch Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung den Anspruch des Klägers, der unstreitig die übrigen Voraussetzungen des § 421j Abs. 1 SGB III erfüllt, auslösen. Es kann letztlich dahinstehen, ob die Fortsetzung der Beschäftigung nach deren mit der Kündigungsschutzklage angegriffenen Kündigung zu schlechteren Bedingungen durch übereinstimmenden Vertrag zwischen Versichertem und Arbeitgeber jedenfalls dann den Tatbestand der Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung erfüllt, wenn wie hier den Arbeitsvertragsparteien bewusst ist, dass das Arbeitsverhältnis zu den geänderten Bedingungen mit dem Tag fortgesetzt wird, an dem der Betrieb auf einen Erwerber übergeht. Insoweit bestehen Bedenken, weil im Fall des Betriebsübergangs nach § 613a BGB das bereits bestehende Arbeitsverhältnis auf den Erwerber übergeht, so dass keine versicherungspflichtige Beschäftigung aufgenommen wird, und weil hier zwischen dem Insolvenzverwalter und dem Kläger ausdrücklich die Fortsetzung des bestehenden Anstellungsvertrages vereinbart worden war (vgl. auch BAG APNr. 283 zu § 613a BGB).
Selbst bei Erfüllung des entsprechenden Tatbestandsmerkmals scheitert aber der Anspruch des Klägers an der Bestimmung des § 421j Abs. 5 Nr. 2 SGB III, wonach die Entgeltsicherung ausgeschlossen ist, wenn die Aufnahme der Beschäftigung bei einem früheren Arbeitgeber erfolgt, bei dem der Arbeitnehmer während der letzten vier Jahre vor Antragstellung mehr als drei Monate versicherungspflichtig beschäftigt war, sofern es sich nicht um eine befristete Beschäftigung schwerbehinderter Menschen handelt, was hier nicht der Fall ist. Diesbezüglich kann ebenfalls offen bleiben, ob auf die X C GmbH als insoweit maßgeblichen Arbeitgeber abzustellen ist, obwohl der Anstellungsvertrag vom 16.04.2005 noch mit dem Insolvenzverwalter geschlossen worden ist.
Im Fall des § 613a BGB ist der Betriebsübernehmer früherer Arbeitgeber im Sinne des § 421j Abs. 5 Nr. 2 SGB III.
Die Voraussetzungen des § 613a BGB, der auch in insolvenzrechtlichen Verfahren Anwendung findet (BAG a.a.O. Rdnr. 43 m.w.N.) sind vorliegend erfüllt. Erforderlich ist hierfür der rechtsgeschäftliche Übergang eines Betriebs oder Betriebsteils auf einen anderen Inhaber unter Wahrung der Identität der betreffenden wirtschaftlichen Einheit (BAG NZA 2003, 318, 320). Dieses bestimmt sich nach dem Übergang der materiellen und immateriellen Aktiva, des Personals, der Kundschaft, Arbeitsorganisation und der Betriebsmethoden (vgl. Preis in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 5. Auflage, Rdnr. 11 zu § 613a BGB). Im wie hier produzierenden Gewerbe kommt der Übernahme der Belegschaft und der sächlichen Mittel wesentliche Bedeutung zu (BAG a.a.O.; Preis a.a.O., Rdnr. 12 zu § 613a BGB). Nach dem Kaufvertrag zwischen dem Insolvenzverwalter und der X GmbH sollte der Firmenwert, das Anlagevermögen, die vorhandenen Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe sowie die unfertigen Leistungen verkauft werden. Darüber hinaus sollte der Erwerber 40 Arbeitnehmer und damit den überwiegenden Anteil des Personals übernehmen, so dass die vorgenannten Kriterien erfüllt sind.
Von dem Arbeitgeberwechsel sind alle Arbeitsverhältnisse erfasst worden, die noch nicht wirksam gekündigt waren (vgl. BAG DB 78, 1453). Dies trifft dem Grunde nach auch auf das Arbeitsverhältnis des Klägers zu, denn dieses ist über den Kündigungszeitpunkt hinaus durch den Anstellungsvertrag vom 16.04.2004 fortgesetzt worden. Selbst wenn man die Kündigung aufgrund der Rücknahme der Kündigungsschutzklage nach Abschluss dieses Anstellungsvertrages als wirksam ansieht und in dem Abschluss letzteren Vertrages einen mit dem Erwerber des Betriebes neu begründetes Arbeitsverhältnis sehen wollte, wie der Kläger meint (vgl. aber BAG a.a.O.; BAG NZA 2005, 405; BAG DB 2004, 2107), ändert dies nichts daran, dass die Beschäftigung bei dem früheren Arbeitgeber im Sinne des § 421j Abs. 5 Nr. 2 SGB III aufgenommen worden ist. Insoweit kommt es nicht darauf an, dass das konkrete Beschäftigungsverhältnis nach § 613a BGB übergegangen ist, sondern bedeutsam ist allein, dass der Erwerber des Betriebes nach § 613a BGB grundsätzlich in die Rechte und Pflichten des bisherigen Arbeitgebers eintritt, bei dem das Beschäftigungsverhältnis bestanden hat.
Dies folgt zum einen aus dem Begriff des "früheren Arbeitgebers" und zum anderen aus dem gesetzlichen Anliegen der Regelung des § 421j Abs. 5 Nr. 2 SGB III. Schon zur Vorschrift des § 49 Abs. 1 Satz 4a Arbeitsförderungsgesetz (AFG), der einen vergleichbaren Ausschlussgrund für Ansprüche auf Einarbeitungszuschüsse des Arbeitgebers enthielt, wenn die Einarbeitung beim bisherigen Arbeitgeber erfolgte, hat das Bundessozialgericht (BSG) entschieden, dass die Identität des Arbeitgebers weit zu verstehen sei (BSG SozR 3 4100 § 49 Nr. 2 S. 7). Das BSG hat in dieser Entscheidung allerdings eine Unterscheidung zwischen bisherigem und früherem Arbeitgeber gemacht (BSG a.a.O. S. 9) mit der Folge, dass eine unterschiedliche Tätigkeit auch bei demselben Arbeitgeber nicht als Beschäftigung beim bisherigen Arbeitgeber anzusehen war, was hingegen die Verwendung des Begriffs "früherer Arbeitgeber/frühere Beschäftigung" ausgeschlossen hätte. Wenn der Gesetzgeber nunmehr in Kenntnis dieser Rechtsprechung in der Vorschrift des § 421j Abs. 5 Nr. 2 SGB III wie auch in der wortgleichen Bestimmung des früheren § 223 Abs. 1 Nr. 1 SGB III, der den entsprechenden Ausschluss für den Anspruch auf einen Eingliederungszuschuss des Arbeitgebers bestimmte, den Begriff des "früheren Arbeitgebers" verwendet hat, kann dies nur dahin verstanden werden, dass er von einem besonders weiten Begriff der Identität des Arbeitgebers ausgegangen ist, der jedenfalls auch den Betriebsübernehmer erfassen sollte (so auch Voelzke in Haucke/Noftz, Kommentar zum SGB III, Rdnr. 29 zu § 421j).
Dies entspricht auch Sinn und Zweck der Bestimmung des § 421j Abs. 5 Nr. 2 SGB III. Hierdurch sollten weitere Anreize zur Arbeitsaufnahme für ältere Arbeitnehmer geschaffen werden, in dem die mit der Aufnahme einer neuen versicherungspflichtigen Beschäftigung häufig einhergehenden Einbußen im Vergleich zum früheren Arbeitsentgelt kompensiert wurden (BT-Drucks. 15/25 S. 34). Dies sollte aber dort ausgeschlossen sein, wo der Arbeitgeber die Einstellung des älteren Arbeitnehmers nach vorheriger Beschäftigung überwiegend deshalb vornimmt, weil der Arbeitnehmer wegen eines niedrigeren Arbeitsentgelts Anspruch auf Entgeltsicherung geltend macht (BT-Drucks. 15/25 S. 36). Damit sollte gerade vermieden werden, dass der Arbeitgeber seine älteren Arbeitnehmer kündigt, um diese unter Ausnutzung der Förderung wieder zu ungünstigeren Bedingungen einstellen zu können (vgl. Becker in Spellbrink/Eicher, Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, § 9 Rdnr. 183). So liegt es aber auch hier, wo der Betriebsübernehmer zwar daran interessiert ist, die erfahrenen Arbeitskräfte zu übernehmen, dies aber nur unter für ihn günstigeren Bedingungen. Dass die älteren Beschäftigten des übernommenen Betriebs in diesem Fall die neuen Konditionen akzeptieren, um der Gefahr der Arbeitslosigkeit zu entgehen, liegt auf der Hand und gebietet nicht die Unterstützung durch die Solidargemeinschaft. Dabei kann es nämlich keinen Unterschied machen, ob zunächst der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis kündigt und die Neueinstellung zu schlechteren Bedingungen selbst vornimmt oder letzteres durch den Erwerber des Betriebes geschieht. In beiden Fällen tritt in gleicher Weise der Mitnahmeeffekt ein, der gerade durch die Vorschrift des § 421j Abs. 5 Nr. 2 SGB III vermieden werden sollte (vgl. Voelzke, a.a.O., Rdnr. 28 zu § 421j).
Die Berufung musste daher mit der auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beruhenden Kostenentscheidung zurückgewiesen werden.
Der Senat hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache die Revision zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Erstellt am: 15.08.2006
Zuletzt verändert am: 15.08.2006