Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 06.02.06 abgeändert. Es wird festgestellt, dass die Zulassung des Antragstellers zur Teilnahme an der vertragszahnärztlichen Versorgung im Bereich Kieferorthopädie in der Zeit vom 14.12.2005 bis 13.06.2006 nicht ruht. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen. Der Streitwert wird auf 16.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe:
I.
Mit Beschluss vom 20.01.2005 ordnete der Disziplinarausschuss der Antragsgegnerin wegen Missachtung von Abrechnungsbestimmungen als Disziplinarmaßnahme das Ruhen der Zulassung des Antragstellers für die Dauer von sechs Monaten beginnend ab 01.06.2005 an. Die dagegen beim Sozialgericht Düsseldorf unter dem Aktenzeichen S 2 KA 47/05 anhängig gemachte Klage nahm der Antragsteller am 13.12.2005 zurück. Nachdem die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 17.01.2006 mitgeteilt hatte, auf Grund der Klagerücknahme habe der Disziplinarbeschluss mit Wirkung ab 14.12.2005 Rechtskraft erlangt, so dass die Zulassung des Klägers nunmehr für die Zeit vom 14.12.2005 bis 13.06.2006 ruhe, beantragte der Antragsteller am 31.01.2006 den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Zur Begründung vertrat er im Wesentlichen die Auffassung, der im Disziplinarbeschluss angeordnete Ruhenszeitraum sei am 30.11.2005 abgelaufen. Die aufschiebende Wirkung seiner Klage habe der Vollziehung des angeordneten Ruhens entgegengestanden, mit der Klagerücknahme sei die aufschiebende Wirkung ex nunc entfallen. Die ex nunc-Wirkung bleibe von den Regelungen der Disziplinarordnung unberührt und gebe der Antragsgegnerin nicht das Recht, die Ruhensfrist zu verschieben. Die Antragsgegnerin vertrat im Wesentlichen die Auffassung, die ex nunc-Wirkung der Klagerücknahme hinsichtlich der aufschiebenden Wirkung der Klage habe unweigerlich zur Folge, dass ab diesem Zeitpunkt (14.12.2005) die Anordnung des Ruhens der Zulassung eingetreten sei.
Das Sozialgericht Düsseldorf hat mit Beschluss vom 06.02.2006 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückgewiesen. Das Vorliegen des für den Erlass einer einstweiligen Anordnung notwendigen Anordnungsanspruches lasse sich nicht feststellen. Das Entfallen der aufschiebenden Wirkung ex nunc nach Rücknahme der Klage führe nicht unweigerlich zu der Konsequenz, dass sich damit der Ruhenszeitraum verschiebe. Dies ergebe sich aber aus der Auslegung des Disziplinarbeschlusses anhand der Vorschriften der §§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Für den Antragsteller als Empfänger des Beschlusses sei unschwer zu erkennen gewesen, dass seine Kassenzulassung nicht zugleich mit sofortiger Wirkung ruhend gestellt werden sollte, der Disziplinarausschuss ihm vielmehr zur Vermeidung von Härten eine Auslauf- und Übergangsfrist einräumen sollte, um ihn in die Lage zu versetzen, seinen Praxisbetrieb auf die geänderte Situation einzustellen. Angesichts dessen sei der Ruhenszeitraum erst vier Monate nach Erlass des Disziplinarbeschlusses festgesetzt worden. Der Antragsteller habe keinesfalls darauf vertrauen dürfen, dass es ihm mit Hilfe der aufschiebenden Wirkung seiner legitimerweise erhobenen Klage gelingen würde, sich über den Ruhenszeitraum zu "retten" und damit seine vertragszahnärztliche Tätigkeit ohne Unterbrechnung ausüben zu können. Angesichts der viermonatigen Übergangsfrist und der durch die aufschiebende Wirkung der Klage bewirkten weiteren sechsmonatigen Frist seien schwere Nachteile nicht gegeben.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers vom 07.02.2006. In Statussachen habe die ex nunc eintretende Beendigung der aufschiebenden Wirkung zur Folge, dass der Status im Hinblick auf den Zeitraum, der von der aufschiebenden Wirkung umfasst werde, erhalten bleibe. Daraus ergebe sich, dass das vom Disziplinarausschuss vom 01.06.2005 angeordnete Ruhen der Zulassung nicht vollzogen werden konnte und mangels anderweitiger Regelung auch jetzt nicht mehr vollziehbar sei. Auch nach Erhebung der Klage habe der Disziplinarausschuss nicht die sofortige Vollziehung angeordnet oder den Beginn des Ruhenszeitraums angesichts der eingetretenen aufschiebenden Wirkung etwa dahingehend neu festgesetzt, dass er den Beginn an der Bestandskraft des Disziplinarausschusses orientiert hätte. Aus diesem Grunde bleibe für die vom Sozialgericht angestellten Überlegungen zur Auslegung des Beschlusses kein Raum. Nicht nachvollziehbar sei auch die Annahme des Fehlens eines Anordnungsgrundes, denn angesichts der sich aus der Auffassung der Antragsgegnerin ergebenden Rechtsfolgen habe der Antragsteller einen Anspruch, seinen derzeitigen Status im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes klären zu lassen.
Die Antragsgegnerin hält den angefochtenen Beschluss für rechtmäßig. Inhalt der belastenden Entscheidung sei zunächst die Anordnung des Ruhens der Zulassung, die konkrete Festsetzung des Zeitraums stütze sich auf § 11 Abs. 1 Satz 2 der Disziplinarordnung (DO). Hierbei handele es sich um eine Nebenbestimmung im Sinne von § 32 Abs. 2 Nr. 1 des Sozialgesetzbuches (SGB) X in Form der aufschiebenden Befristung. Eine solche beziehe sich auf den Eintritt der Rechtsfolge der Entscheidung, da andernfalls der Ruhensbeschluss unmittelbar bei Bekanntgabe seine Wirksamkeit entfalte. Durch die Anfechtung des Disziplinarbeschlusses im Klagewege werde neben der Wirksamkeit der Hauptentscheidung auch die Wirksamkeit der aufschiebenden Befristung gehindert und damit auf den Zeitpunkt der Bestandskraft des Verwaltungsakts verlagert. Zum Vorliegen eines Anordnungsgrundes habe der Antragsteller nichts vorgetragen.
Hinsichtlich der weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den Vortrag der Beteiligten im Übrigen verwiesen.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig und begründet.
Rechtsgrundlage für die begehrte einstweiligen Anordnung ist § 86 b Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Danach sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung nach dieser Vorschrift setzt das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrundes voraus (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 8. Aufl. 2005, § 86 b Anm. 27 ff.). Davon ist vorliegend auszugehen.
Hinsichtlich des Anordnungsanspruchs hat das Sozialgericht zutreffend ausgeführt, der Beschluss des Disziplinarausschusses vom 20.01.2005 ordne das Ruhen der Zulassung für die Dauer von sechs Monaten mit Wirkung vom 01.06.2005 an. Die vom Antragsteller gegen diesen Beschluss erhobene Klage habe nach § 86 a Abs. 1 SGG aufschiebende Wirkung entfaltet, die nach Klagerücknahme am 13.12.2005 mit Wirkung ex nunc wieder entfallen sei. Dies habe indes nicht unweigerlich zur Konsequenz, dass sich damit der Ruhenszeitraum verschiebe und ab dem 14.12.2005 einsetze. In diesem Sinne hat auch das Hessische Landessozialgericht in einem Urteil vom 18.11.1998 (Az.: L 7 KA 645/98) ausgeführt, der Disziplinarausschuss sei nicht verpflichtet, die sofortige Vollziehung anzuordnen oder einen festen Zeitraum für das Ruhen datumsmäßig zu bestimmen, da im ersten Fall ein Antrag des Arztes auf einstweilige Aussetzung der Vollziehung riskiere und im zweiten Fall der Bescheid nach Ablauf des festgelegten Zeitraums nicht mehr vollziehbar sei. Letzterer Ansicht folgt der erkennende Senat, da andernfalls auch die Festlegung des Ruhenszeitraums leer liefe und keinen Sinn mehr ergäbe. Der Disziplinarausschuss muss sich bei einer datumsmäßigen Festlegung des Ruhenszeitraums an dieser Bestimmung festhalten lassen. Will er ein Unterlaufen dieser Regelung verhindern, besteht die Möglichkeit, das Ruhen der Zulassung ab Eintritt der Bestandskraft anzuordnen. An dieser Einschätzung der Sachlage vermag auch die Regelung der mit einer gegen den Disziplinarbeschluss erhobenen Klage eintretenden aufschiebenden Wirkung nichts zu ändern, denn es handelt sich hierbei um eine legitime Vorgehensweise auf Seiten des Antragstellers, dessen Rechtsfolgen dem bei der Antragsgegnerin eingerichteten Disziplinarausschuss bekannt sind. Darüber hinaus hat der Disziplinarausschuss die Möglichkeit, die aufschiebende Wirkung der Klage durch Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht eintreten zu lassen, selbst wenn damit ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung veranlasst würde.
Angesichts der Eindeutigkeit des Ruhenszeitraums bei einer datumsmäßigen Bestimmung kann dieser entgegen der Auffassung des Sozialgerichts nicht durch eine spätere Auslegung ein anderer Inhalt gegeben werden. Schon rein begrifflich setzen die vom Sozialgericht hierzu herangezogenen Vorschriften der §§ 133, 157 BGB, in denen jeweils der Begriff "Auslegung" als Tatbestandsmerkmal benutzt wird, voraus, dass eine Unklarheit besteht. Die vom Disziplinarausschuss im Beschluss vom 20.01.2005 benutzte Formulierung "als Disziplinarmaßnahme wird mit Wirkung vom 01.06.2005 das Ruhen der Zulassung für die Dauer von sechs Monaten angeordnet" ist aber nicht unklar, vielmehr soll hier durch Auslegung der angeordneten Maßnahme eine Regelung unterstellt werden, die sie erkennbar nicht hatte und auch nicht haben sollte. Aus diesem Grunde kommt es entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin auch nicht auf die Frage an, ob es sich bei der datumsmäßigen Bestimmung des Ruhenszeitraums um eine Inhaltsbestimmung oder eine Nebenbestimmung handelt. Da, wie ausgeführt, für eine Auslegung kein Raum ist, kann auch unerörtert bleiben, ob und unter welchen Voraussetzungen die Vorschriften des BGB im Bereich hoheitlichen Handelns und der sich daraus ergebenden Rechtsfolgen überhaupt heranzuziehen sind.
Der Senat hat auch keine Bedenken gegen das Vorliegen der Voraussetzungen eines Anordnungsgrundes. Dieser besteht bei der Regelungsanordnung in der Notwendigkeit zur Abwendung wesentlicher Nachteile (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer a. a. O. § 27 a). Es bedarf keiner weiteren Ausführung, dass durch die Verlagerung des für eine ursprünglich andere Zeitspanne festgelegten Ruhenszeitraums dem Antragsteller wesentliche Nachteile drohen, da dieser an der Ausübung seiner vertragsärztlichen Tätigkeit gehindert wird. Daran vermögen auch entgegen der Auffassung des Sozialgerichts weder die viermonatige Übergangsfrist zwischen dem Beschlussdatum und dem ursprünglichen Beginn des Ruhenszeitraums noch die durch die aufschiebende Wirkung der Klage bewirkte weitere sechsmonatige Frist etwas zu ändern.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a SGG.
Bei der Streitwertfestsetzung hat sich der Senat an den Ausführungen des Sozialgerichts Düsseldorf in dem im Verfahren S 2 KA 47/05 gefassten Beschluss vom 10.01.2006 orientiert und vorliegend im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes 2/3 des dort angenommenen Streitwerts zu Grunde gelegt.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 02.11.2006
Zuletzt verändert am: 02.11.2006