Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 24.01.2001 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist der Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit (BU).
Der 1965 geborene Kläger wurde im September 1982 im Deutschen Steinkohlenbergbau angelegt und bis 1985 erfolgreich zum Bergmechaniker ausgebildet. Anschließend war er etwa 1 ½ Jahre als Hauer unter Tage beschäftigt und wurde nach der Lohngruppe 10 Unter Tage der Lohnordnung für den rheinisch-westfälischen Steinkohlenbergbau (= Anlage 4 des Manteltarifvertrags für die Arbeitnehmer des rheinisch-westfälischen Steinkohlenbergbaus – LO) entlohnt. Im November 1986 erlitt er einen schweren Arbeitsunfall unter Tage und war in der Folgezeit arbeitsunfähig. Ab dem 22.3.1990 wechselte er in die Tätigkeit eines Kauenwärters (Lohngruppe 3 LO). Zum 31.12.1997 kehrte er ab. Seitdem ist er arbeitslos.
Einen ersten Antrag auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom Juli 1987 lehnte die Beklagte ab, weil sie den Kläger trotz der Folgen seines Arbeitsunfalls noch für fähig hielt, u.a. als Verwieger 1 und Lampenwärter im Bergbau zu arbeiten (Bescheid vom 19.10.1987). Später gewährte sie ab Januar 1988 Bergmannsrente (jetzt: Rente für Bergleute) wegen verminderter bergmännischer Berufsfähigkeit. Weitergehende Rentenanträge (August 1991 wegen "Verschlechterung des Allgemeinzustands" und Februar 1996 "wegen Beckenschiefstand, HWS, LWS, Kopfschmerzen, Schulterblätter") blieben erfolglos (Bescheide vom 31.3.1992 und 4.6.1996).
Dem jetzigen Verfahren liegt ein Antrag auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit vom April 1997 zugrunde. Internistin N vom Sozialmedizinischen Dienst der Beklagten (SMD) P fand – wie bereits 1996 – eine geringgradige Minderbelastbarkeit des Achsenskeletts bei Halswirbelsäulen- und Lendenwirbelsäulensyndrom sowie Zustand nach schwerer Quetschung des rechten Kniegelenks mit Patellafraktur und Tibiakopffraktur nebst Muskelabriss und Zerstörung der Kniekehlenarterie bei Zustand nach Anlage eines Venenbypasses und knöchern fester Ausheilung. Der Kläger sei noch in der Lage, regelmäßig leichte und mittelschwere Arbeiten vollschichtig ohne Zwangshaltungen und ohne Arbeiten im Hocken und Knien sowie ohne längeres Laufen auszuführen. Er sei auf die Tätigkeiten eines Lampenwärters und eines Apparatewärters in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie verweisbar (Gutachten vom 22.7.1997). Orthopäde G aus F fand keine funktionell wesentlichen Beeinträchtigungen im Kniebereich oder an der Wirbelsäule (Gutachten vom 26.1.1998). C/SMD P sah die bisherige Leistungsbeurteilung bestätigt (Stellungnahme vom 28.1.1998). Die Beklagte lehnte den Antrag ab (Bescheid vom 19.8.1997; Widerspruchsbescheid vom 18.3.1998).
Dagegen hat der Kläger noch im März 1998 Klage zum Sozialgericht (SG) Duisburg erhoben. Die von der Beklagten genannten Verweisungstätigkeiten kämen für ihn nicht mehr in Betracht, insbesondere nicht diejenige des Auslieferungsfahrers im Arzneimittelgroßhandel. Er könne das rechte Bein nicht belasten und keine längeren Strecken mit dem PKW fahren. Wegen seiner Sitzbeschwerden müsse er ständig die Haltung wechseln können, das könne er im PKW nicht.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 19.08.1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18.03.1998 zu verurteilen, ihm Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat ihre Entscheidung auch nach der erstinstanzlichen Beweisaufnahme weiter für zutreffend gehalten und sich auf eine Stellungnahme ihrer beratenden Ärztin M aus C1 bezogen (Stellungnahme vom 30.03.2000).
Sachverständiger Q, Chefarzt Abt. für Physikalische und Beschäftigungstherapie im Sankt K Hospital E, hat den Kläger noch für in der Lage gehalten, leichte und mittelschwere Tätigkeiten zu ebener Erde mit wechselnden Belastungen unter Vermeidung von Zwangshaltungen regelmäßig und vollschichtig auszuüben. Es bestehe keine signifikante Einschränkung der Wegstrecke (Gutachten vom 22.09.1998). Sachverständiger Orthopäde X aus H hat gemeint, der Kläger sei allenfalls noch unterhalbschichtig für leichte bis gelegentlich mittelschwere körperliche Arbeiten zu ebener Erde in wechselnder Haltung unter Vermeidung von Zwangshaltungen und einseitigen Körperhaltungen einsetzbar. Eine mehr als unterhalbschichtige Arbeit führe mit Wahrscheinlichkeit zu einer unzumutbaren Verschlimmerung der Symptomatik. Dies ergebe sich aus einem Kernspintomographie-Befund des rechten Kniegelenks vom 13.10.99, der Q noch nicht vorgelegen habe (Gutachten vom 03.02.2000). Q ist auch nach Kenntnis dieses Befundes bei seiner Einschätzung verblieben und hat den Kläger für noch in der Lage gehalten, die Tätigkeit eines Güteprüfers auszuüben, sofern diese Tätigkeit nicht überwiegend im Stehen versehen werde (ergänzende Stellungnahmen vom 25.4. und 26.9.2000). Das SG hat die Klage abgewiesen, weil der Kläger noch vollschichtig die sozial zumutbare Verweisungstätigkeit eines Güteprüfers versehen könne (Urteil vom 24.01.2001).
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung des Klägers. Die vom SG benannte Verweisungstätigkeit des Güteprüfers komme schon deshalb nicht in Betracht, weil sie eine Einarbeitungszeit von 3 bis zu 6 Monaten voraussetze und Gewichte von mehr als 10 Kilogramm zu heben und zu tragen seien. Solche Gewichte könne er aber allenfalls kurzfristig tragen. Die von der Beklagten außerdem benannten Verweisungstätigkeiten könne er ebenfalls nicht mehr versehen. Tätigkeiten aus der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie kämen schon deshalb nicht mehr in Betracht, weil seine Ausbildung zum Bergmechaniker so weit zurückliege, dass er über verwertbare Kenntnisse nicht mehr verfüge.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 24.01.2001 zu ändern und ihm unter Abänderung des Bescheides vom 19.08.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.03.1998 Rente wegen Berufsunfähigkeit nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Mit dem von Q festgestellten Leistungsvermögen könne der Kläger jedenfalls auf die Tätigkeiten des Kassierers an Selbstbedienungstankstellen, des Automatenauffüllers im Tabakwarengroßhandel, des Prüffeldelektrikers und des Teilemontierers verwiesen werden.
Der Senat hat die Hautärztin T, die praktische Ärztin C2 und den Orthopäden I befragt, Auskünfte zum Berufsbild des Güteprüfers eingeholt, berufskundliche Unterlagen zu den von der Beklagten benannten Berufen beigezogen und zum Gegenstand des Verfahrens gemacht und im Termin zur mündlichen Verhandlung den Verbandsingenieur C3 als Sachverständigen gehört.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist unbegründet.
Das SG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 19.08.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.03.1998 ist nicht rechtswidrig und beschwert den Kläger daher nicht, § 54 Abs 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Der nach dem zuletzt gestellten Antrag allein noch streitige Anspruch auf Rente wegen BU besteht nicht.
Der Anspruch des Klägers auf Gewährung von Rente wegen BU richtet sich noch nach § 43 Abs 1 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung vom 24.03.1999 (alte Fassung – aF), weil der Kläger den Rentenantrag im April 1997 gestellt hat und eine Rentengewährung ab 1997 (mindestens jedoch seit der Abkehr, also ab 1.1.1998) streitig ist (§ 300 Abs 2 SGB VI). Da der Kläger nach dem 1. Januar 1961 geboren ist (und deshalb die Übergangsregelung des § 240 SGB VI keine Anwendung findet), setzt der Anspruch auf Rente wegen BU (alten Rechts) für die Zeit ab 1. Januar 2001 zudem voraus, dass der Rentenanspruch am 31. Dezember 2000 bereits bestanden hat (§§ 300 Abs 5, 302b Abs 1 Satz 1 SGB VI). Ein Anspruch des Klägers auf Rente wegen BU hat bis zum 31.12.2000 schon deshalb nicht bestanden, weil der Kläger bis dahin nicht berufsunfähig war, § 43 Abs 1 Satz 1 Nr 1 iVm Abs 2 SGB VI.
Gemäß § 43 Abs 2 Satz 1 SGB VI aF sind berufsunfähig Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Die verbliebene Berufsfähigkeit darf mithin nur noch für weniger als die Hälfte der entsprechenden Arbeit eines gleich qualifizierten gesunden Versicherten ausreichen. Gemäß § 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI umfasst der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs unter den besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsfähigkeit iS der sozialen (gesetzlichen) BU-Versicherung ist damit das Vermögen des Versicherten, seine durch Ausbildung oder bisherige Berufstätigkeit erworbene berufliche Qualifikation (Berufskompetenz) im Arbeitsleben zur Erzielung von Einkommen einsetzen zu können. Der Versicherungsfall der BU (dazu und zum Folgenden grundlegend: BSGE 78, 207 = SozR 3-2600, § 43 Nr 13) ist eingetreten, sobald krankheits- oder behinderungsbedingte Einschränkungen der körperlichen, seelischen oder geistigen Leistungsfähigkeit die Fähigkeit des Versicherten, seine bislang auf einer bestimmten Qualifikationshöhe betätigte Berufsfähigkeit einzusetzen, auf weniger als die Hälfte herabgesetzt haben. Rechtsbegründende Voraussetzungen des Versicherungsfalls der BU ist also zunächst, dass das Leistungsvermögen des Versicherten allein wesentlich bedingt durch Krankheit oder Behinderung ab einem bestimmten Zeitpunkt dauerhaft, dh für mehr als 26 Wochen, derart herabgesunken ist, dass er seinen rentenversicherten bisherigen Beruf (sog Hauptberuf) nicht mehr hälftig und vollwertig ausüben kann. Ausgangspunkt der Beurteilung der BU ist danach der bisherige Beruf. Darunter ist im Allgemeinen diejenige versicherungspflichtige Beschäftigung zu verstehen, die zuletzt auf Dauer, dh mit dem Ziel verrichtet worden ist, sie bis zum Eintritt der gesundheitlichen Unfähigkeit oder bis zum Erreichen der Altersgrenze auszuüben; in der Regel ist das die letzte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit, jedenfalls dann, wenn sie die qualitativ höchste ist (BSG SozR 2200 § 1246 Nr 158; SozR 3-2200 § 1246 Nr 56, 61 mwN). Wurde zuvor im Laufe des Erwerbslebens eine höher qualifizierte Tätigkeit im Wesentlichen krankheits- oder behinderungsbedingt aufgegeben, so ist zu prüfen, ob diese Tätigkeit gleichwohl maßgeblicher Hauptberuf geblieben ist, oder ob der Versicherte sie "freiwillig" aufgegeben bzw sich mit ihrem Verlust dauerhaft abgefunden hat (BSG Urteil vom 29.7.2004, Az B 4 RA 5/04 R).
Sind diese Voraussetzungen erfüllt, muss des Weiteren die von Amts wegen zu beachtende materiell-rechtliche rechtshindernde Einwendung des zumutbaren Vergleichsberufs (Verweisungsberufs) geprüft, dh festgestellt werden, ob der Versicherte gesundheitlich fähig ist, einen Beruf, der seinem bisherigen Beruf qualitativ gleichwertig ist, noch vollwertig und wenigstens hälftig (bei der sog. Arbeitsmarktrente wegen BU: vollschichtig) zu verrichten. Hierfür obliegt dem Versicherungsträger sowohl die Darlegungs- als auch die objektive Beweislast. Kann der Versicherte den typischen Aufgaben eines zumutbaren Verweisungsberufs (fachliches Anforderungsprofil) und den mit diesen fachlichen Anforderungen üblicherweise verbundenen gesundheitlichen Belastungen (gesundheitliches Belastungsprofil) genügen, ist er grundsätzlich nicht berufsunfähig, ist also die Einwendung begründet. Ist der benannte Vergleichsberuf – ausnahmsweise – nicht "arbeitsmarktgängig", wofür der Versicherte die Darlegungs- und Beweislast trägt, muss konkret festgestellt werden, ob es gleichwohl genügend Arbeitsplätze des Vergleichsberufs gibt, an denen der Versicherte arbeiten könnte.
Die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit richtet sich nach der Wertigkeit des bisherigen Berufs. Die Rechtsprechung des BSG zur BU iS von § 43 SGB VI aF (bzw § 1246 Abs 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO)) hat zur praktischen Ausführung der rechtlichen Vorgaben die Berufe der Versicherten nach ihrer Wertigkeit gestuft in verschiedene Gruppen eingeteilt. Die Gruppen sind von unten nach oben nach ihrer Leistungsqualität geordnet, diese gemessen nach Dauer und Umfang der im Regelfall erforderlichen Ausbildung und beruflichen Erfahrung. Die jeweilige Einordnung in dieses "Mehrstufenschema" bestimmt das Feld der Berufstätigkeiten, auf die der Versicherte verwiesen werden kann. Die von der Rechtsprechung hierfür zugrunde gelegten Berufsgruppen sind, ausgehend von der Bedeutung, die die Ausbildung für die Qualität eines Berufes hat, nach Leitberufen gebildet worden. Sie sind charakterisiert durch den Beruf des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von bis zu zwei Jahren) und des ungelernten Arbeiters. Eine "Verweisung", die grundsätzlich durch die konkrete Benennung eines Berufs erfolgen muss, der an – im Regelfall – mindestens 300 Arbeitsplätzen im Bundesgebiet ausgeübt wird, kann nur auf einen Beruf derselben qualitativen Stufe oder der nächst niedrigeren erfolgen (vgl BSG SozR 2200 § 1246 Nr 140 und 143; BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr 5 und 61). Ausschlaggebend für die Zuordnung einer bestimmten Tätigkeit zu einer dieser Gruppen ist jedoch nicht allein die Ausbildung, maßgeblich sind vielmehr die Qualitätsanforderungen der verrichteten Arbeit insgesamt, dh der aus einer Mehrzahl von Faktoren ermittelte Wert der Arbeit für den Betrieb auf der Grundlage der in § 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI aF (§ 1246 Abs 2 Satz 2 RVO) am Ende genannten Merkmale der Dauer und des Umfangs der Ausbildung sowie des bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen der bisherigen Berufstätigkeit ("Gesamtbild"; hierzu im Einzelnen BSG SozR 4-2600 § 43 Nrn 1 und 4 mwN). Neben Art und Dauer der Ausbildung ist für die Bewertung einer Tätigkeit auch auf den ihr von den Tarifvertragsparteien beigemessenen qualitativen Wert abzustellen.
Aufgrund ihrer Einordnung in Tarifnormen kann eine Tätigkeit, die nicht die entsprechende Ausbildungsdauer erfordert, dennoch einer gelernten oder angelernten gleichstehen. Hierbei kommt den tariflichen Regelungen unter zwei Gesichtspunkten besondere Bedeutung zu. Zu unterscheiden ist die abstrakte – "tarifvertragliche" – Klassifizierung der Tätigkeit innerhalb eines nach Qualitätsstufen geordneten Tarifvertrags (vgl dazu BSG SozR 2200 § 1246 Nr 46, 111, 116, 122, 123, 164) von der – "tariflichen" – Eingruppierung des Versicherten in eine bestimmte Tarifgruppe des jeweiligen Tarifvertrags durch den Arbeitgeber (BSG SozR 2200 § 1246 Nr 168, 169; BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr 22). Soweit die Tarifvertragsparteien eine bestimmte Berufsart im Tarifvertrag aufführen und einer Tarifgruppe zuordnen, kann in der Regel davon ausgegangen werden, dass die tarifvertragliche Einstufung der einzelnen in der Tarifgruppe genannten Tätigkeiten auf deren Qualität beruht; denn die Tarifparteien als unmittelbar am Arbeitsleben Beteiligte nehmen relativ zuverlässig eine Bewertung von Berufstätigkeiten vor, die den Anforderungen auch des Mehrstufenschemas und der Qualität des Berufs in Bezug auf die in § 43 Abs 2 SGB VI aF (§ 1246 Abs 2 RVO) genannten Merkmale entspricht (vgl BSGE 68, 277, 281 = SozR 3-2200 § 1246 Nr 13; BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr 14; BSGE 70, 56 = SozR 3-2200 § 1246 Nr 21). Ausnahmen von diesem Grundsatz gelten lediglich dann, wenn die Einstufung durch qualitätsfremde Merkmale bestimmt ist (BSG SozR 2200 § 1246 Nr 101, 123; BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr 13, 22).
Nach diesen Grundsätzen ist der für die Beurteilung der Berufs(un)fähigkeit maßgebliche Hauptberuf des Klägers derjenige des Hauers für Erweiterungsarbeiten. Der Senat geht davon aus, dass es sich dabei qualitativ um einen Beruf handelt, der jedenfalls unter Berücksichtigung der "Tarifrechtsprechung" des BSG im Rahmen des "Mehrstufenschemas" in die Gruppe der Facharbeiter einzustufen ist. Obwohl der Kläger diese – körperlich schwere – Tätigkeit wegen Krankheit oder Behinderung nicht einmal mehr halbschichtig vollwertig ausüben kann, ist er nicht berufsunfähig, weil er – rechtshindernd – auf Berufe aus dem Bereich der Metall- und Elektroindustrie, zB. Tätigkeiten eines Teilemontierers und -zurichters (im Folgenden: Teilemontierer) und eines Prüffeldmontage- und Verdrahtungselektrikers (im Folgenden: Prüffeldelektriker) verwiesen werden kann. Diese – arbeitsmarktgängigen – Beruf sind ihm jedenfalls bis Ende 2000 objektiv, dh trotz seiner gesundheitlichen Leistungseinschränkungen körperlich, und subjektiv (sozial) zumutbar gewesen. Im Einzelnen:
Hauptberuf des Klägers, und damit maßgeblicher Beruf für die Beurteilung der Berufs(un)fähigkeit, ist nicht die zuletzt ausgeübte versicherungspflichtige Tätigkeit als Kauenwärter, sondern die von ihm bis November 1986 versehene Tätigkeit des Hauers für Erweiterungsarbeiten. Diese höherwertige Tätigkeit hat der Kläger aus gesundheitlichen Gründen (wegen der schweren Beinverletzung infolge Arbeitsunfalls) endgültig aufgeben müssen. Eine solche aus versicherungsrechtlich bedeutsamen Gründen erfolgte Aufgabe hat regelmäßig zur Folge, dass der mit dem unfreiwillig aufgegebenen Beruf verbundene Berufsschutz rentenrechtlich erhalten bleibt. Anhaltspunkte dafür, dass eine vom Regelfall abweichende Fallgestaltung vorliegt, weil der Kläger sich dennoch wesentlich aus versicherungsfremden Gründen von dieser Tätigkeit gelöst hat oder mit dem Verlust der Tätigkeit dauerhaft abgefunden hat, sind nicht ersichtlich
Diesen Hauptberuf kann der Kläger bereits seit November 1986 nicht einmal mehr halbschichtig vollwertig ausüben. Das steht nach den insoweit übereinstimmenden Äußerungen der von der Beklagten seit 1987 jeweils befragten Ärzte fest, die den Kläger wegen der übereinstimmend festgestellten, wesentlich auf die Folgen der Knieverletzung zurückgehenden körperlichen Leistungseinschränkungen für allenfalls noch in der Lage hielten, mittelschwere Arbeiten vollschichtig zu versehen. Schwere körperliche Tätigkeiten, wie sie dem Berufsbild des Hauers im Steinkohlenbergbau gerichtsbekannt das Gepräge geben, waren damit seit November 1986 nicht mehr zumutbar.
Bei diesem Hauptberuf handelt es sich innerhalb des "Mehrstufenschemas" um einen Facharbeiterberuf. Dies folgt aus der vom Kläger erfolgreich durchlaufenen Berufsausbildung zum Berg- und Maschinenmann und der daran anknüpfenden Entlohnung nach der (Facharbeiter-)Lohngruppe 10 LO. Dafür, dass die tarifliche Einordnung der Tätigkeit oder die konkrete Einstufung durch den Arbeitgeber etwa aus qualitätsfremden Gründen erfolgten, sind Anhaltspunkte nicht ersichtlich.
Mit dem Berufsschutz des Facharbeiters muss sich der Kläger anspruchshindernd auch auf Tätigkeiten der nächstniedrigeren Gruppe des "Mehrstufenschemas", hier derjenigen der sonstigen Ausbildungsberufe, verweisen lassen. Ob es sich bei der von der Beklagten zunächst benannten und vom SG seiner Entscheidung als anspruchshindernd zugrunde gelegten Tätigkeit eines Güteprüfers um eine dem Kläger zumutbare arbeitsmarktgängige (vgl BSG SozR 3-2600 § 43 Nrn 13, 26; s auch zuletzt BSG Urteil vom 29.07.2004, Az B 4 RA 5/04 R, nicht veröffentlicht) Verweisungstätigkeit handelt, kann offen bleiben. Die vom Senat hierzu eingeholten Auskünfte des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall und der IG Metall geben insoweit Anlass zu ernsthaften Zweifeln, weil sie nahe legen, dass der ohne Überforderung des Klägers noch zumutbare Einarbeitungszeitraum von bis zu 3 Monaten nicht ausreicht, eine solche Tätigkeit vollwertig zu verrichten. Jedenfalls bei den von der Beklagten (zuletzt auch) benannten Tätigkeiten eines Teilemontierers oder eines Prüffeldelektrikers in der Metall- und Elektroindustrie handelt es sich – unter Berücksichtigung der "Tarifrechtsprechung" des BSG – um zumutbare Verweisungstätigkeiten, auf die der Kläger anspruchshindernd verwiesen werden kann. Da der Kläger nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme trotz seiner Leistungseinschränkungen den körperlichen, geistigen und seelischen Anforderungen dieser (arbeitsmarktgängigen) Tätigkeit noch zu genügen vermag, liegt Berufsunfähigkeit im Rechtssinne nicht vor.
Nach dem Beweisergebnis ist der Kläger jedenfalls im hier maßgeblichen Zeitraum bis Ende 2000 noch in der Lage gewesen, regelmäßig und vollschichtig leichte und – mindestens gelegentlich – auch mittelschwere Tätigkeiten zu ebener Erde mit wechselnden körperlichen Belastungen ohne Zwangshaltung oder Haltungskonstanz zu versehen. Auch seine Wegefähigkeit ist nicht in rechtlich erheblichem Umfange eingeschränkt, da ihm Fußwege von bis zu 1000 Metern mehrmals täglich noch zumutbar sind. Diese Einschätzung folgt aus dem Gutachten des Q, der damit die seit 1986 fast unveränderte Beurteilung der von der Beklagten eingeschalteten Ärzte (zuletzt Internistinnen N und C sowie Orthopäde G) bestätigt, dass seit 1986 eine im Wesentlichen jedenfalls bis etwa 2001 gleich gebliebene Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit vorlag. Die von X auf dieser Tatsachengrundlage angenommene, quantitativ weitergehende Einschränkung der Leistungsfähigkeit sieht der Senat durch objektive Tatsachen nicht als bestätigt an. X weist zur Begründung seiner Auffassung, der Kläger sei bereits damals nur untervollschichtig einsatzfähig gewesen, auf einen MRT-Befund vom Oktober 1999 hin. Wieso ein solcher im bildgebenden Verfahren erhobener Befund eine weitergehende funktionelle Einschränkung, auf die es ankommt, beweisen soll, führt er nicht aus. Vor diesem Hintergrund ist nachvollziehbar, dass Q in Kenntnis dieses Befundes bei seiner Einschätzung verblieben ist. Auch die Auskünfte der behandelnden Ärzte, insbesondere des Orthopäden I, machen deutlich, dass der Kläger zumindest gelegentlich noch mittelschwere Arbeiten verrichten konnte. Der Kläger hat diesem Beweisergebnis dadurch Rechnung getragen, dass er sein Begehren zuletzt auf die Gewährung von Rente wegen Berufsunfähigkeit beschränkt hat.
Dieses Leistungsvermögen hat den Kläger jedenfalls bis Ende 2000 befähigt, die vom Sachverständigen C3 bezeichneten Tätigkeiten in der Metall- und Elektroindustrie, insbesondere die Tätigkeiten eines Teilemontierers und eines Prüffeldelektrikers, noch vollschichtig und vollwertig zu versehen. Das folgt aus den Ausführungen des Sachverständigen C3, seinem Gutachten vom 15.11.2004 im Berufungsverfahren LSG NRW L 18 KN 154/02, das der Senat urkundsbeweislich verwertet, und insbesondere seinen auf den konkreten Fall des Klägers bezogenen sachverständigen Ausführungen im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat. Schon wegen seiner Stellung als Verbandsingenieur des Arbeitgeberverbandes der Metall- und Elektroindustrie Köln bestehen keine Zweifel an der erforderlichen Berufs- und Sachkunde des Sachverständigen.
Danach handelt es sich bei den in der Metall- und Elektroindustrie vorkommenden verschiedenartigen Tätigkeiten eines Teilemontierers um leichte Tätigkeiten, die wahlweise in wechselnder Körperhaltung versehen werden können und bei denen unübliche Körperhaltungen und Zwangshaltungen nicht anfallen (vgl dazu im Einzelnen die vom Sachverständigen dazu exemplarisch skizzierten Tätigkeiten bei den Firmen O, J Montage GmbH J1, J2 GmbH, M1 GmbH und P L AG). Bei diesen Tätigkeiten sind Gewichte von 2 bis max. 5 kg zu bewegen. Ähnliches gilt auch für die Tätigkeit eines Prüffeldelektrikers, wie sie z.B. bei den Firmen O und M2 E1 anfallen.
Diese Tätigkeiten sind dem Kläger auch sozial zumutbar, weil er sich wegen seiner durch die Ausbildung zum Bergmechaniker erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten innerhalb von max. 3 Monaten vollständig in solche Tätigkeiten einzuarbeiten vermag und sie nach Ablauf dieser Einarbeitungszeit vollwertig verrichten kann. Auch insoweit folgt der Senat der überzeugenden und nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen C3.
Durch seine Ausbildung zum Bergmechaniker sind dem Kläger breite und qualifizierte Kenntnisse und Fähigkeiten im Bereich der Elektrotechnik und der mechanischen Fertigung vermittelt worden mit der Folge, dass im Bereich der Metall- und Elektroindustrie, wo solche Kenntnisse und Fähigkeiten gleichermaßen gefordert werden, ein breites Verweisungsspektrum besteht. Innerhalb dieses Verweisungsspektrums befähigen ihn die als Bergmechaniker erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten insbesondere, die Tätigkeiten des Teilemontierers und des Prüffeldelektrikers auszuüben. Soweit der Kläger dagegen eingewandt hat, dass seine Ausbildung längere Zeit zurückliege und sich die Anforderungen in den letzten 20 Jahren geändert haben, hält der Senat diesen Einwand mit dem Sachverständigen C3 für nicht stichhaltig. Zwar dürfte der Kläger dort Schwierigkeiten haben, wo Kenntnisse und Fertigkeiten der neueren Regelungstechnik erforderlich sind. Indes schließt dies allenfalls eine Verweisbarkeit auf entsprechende Facharbeitertätigkeiten im Bereich der Metall- und Elektroindustrie aus. Die hier benannten Tätigkeiten des Teilemontierers und/oder Prüffeldelektrikers erfordern dagegen lediglich Kenntnisse und Fähigkeiten, wie sie dem Kläger grundlegend bereits durch die Ausbildung zum Bergmechaniker vermittelt worden sind. Bei diesen Tätigkeiten genügt demzufolge eine Einarbeitungszeit von bis zu 3 Monaten, um sie auch unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich eingetretenen Veränderungen im Berufsbild vollwertig ausüben zu können. Der Kläger kann nach den Grundsätzen der "Tarifrechtsprechung" zumutbar auf diese Tätigkeiten verwiesen werden, weil sie nach der Lohngruppe 6 des Tarifvertrags der Eisen- und Metallindustrie entlohnt werden. In dieser Tarifgruppe, die direkt unter der Lohngruppe 7, nach der Facharbeiter entlohnt werden, liegt, werden Tätigkeiten erfasst, die eine Ausbildung von bis zu 2 Jahren voraussetzen (sonstige Ausbildungsberufe). Auch wenn die hier konkret benannten Tätigkeiten in der Lohngruppe 6 nicht ausdrücklich bezeichnet werden, wird durch die vom Sachverständigen C3 mitgeteilte Einstufung in diese Lohngruppe deutlich, dass sie nach dem maßgeblichen Tarifvertrag die Wertigkeit eines sonstigen Ausbildungsberufes haben, also der – nächst niedrigen – Berufsgruppe zugewiesen werden, auf die sich der Kläger als Facharbeiter im Rahmen des sog. Mehrstufenschemas verweisen lassen muss.
Die benannten Tätigkeiten sind auch arbeitsmarktgängig. Auch das folgt aus den Angaben des Sachverständigen C3, insbesondere in dem bereits genannten Gutachten vom 15.11.2004. Dort hat der Sachverständige allein für den von ihm überschauten Bereich im Großraum L2 im Einzelnen dargelegt, dass schon dort eine ausreichende Zahl entsprechender Arbeitsplätze zur Verfügung steht. Dies gilt erst recht bundesweit (vgl dazu auch LSG NRW, Urteil vom 07.03.2006, Az.: L 18 KN 88/04 und LSG NRW Urteil vom 07.05.2003, Az.: L 8 RJ 137/02).
Insgesamt hat die Beweisaufnahme verdeutlicht, dass für den Kläger als ausgebildeten Bergmechaniker wegen der damit verbundenen umfassenden und grundlegenden Ausbildung auf den Gebieten "Elektrotechnik" und "Mechanische Fertigung" in der Metall- und Elektroindustrie ein umfassendes, breites Verweisungsspektrum besteht, dort also eine Vielzahl (freier oder besetzter) Arbeitsplätze zu Verfügung besteht, die der Kläger schon nach kurzer Einarbeitungszeit vollwertig ausfüllen kann. Nähere Ausführungen dazu, ob der Kläger im Rahmen dieses breiten Verweisungsspektrums auch auf die vom Sachverständigen ebenfalls benannten Tätigkeiten des "Zerspannungsmechanikers" oder des "Anlagenführers" verwiesen werden kann, bedarf es an dieser Stelle nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183 Abs 1, 193 Abs 1 SGG.
Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht, § 160 Abs 2 SGG. Maßgeblich für die Entscheidung sind die konkreten Umstände des Einzelfalls.
Erstellt am: 12.09.2006
Zuletzt verändert am: 12.09.2006