Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 17.05.2006 geändert. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ab dem 20.04.2006 ohne Anrechnung des von der Antragstellerin bezogenen Existenzgründungszuschusses im Sinne von § 421 l Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) bis zum Ablauf des Monats gerichtlichen Entscheidung zu gewähren. Die Antragsgegnerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin für beide Rechtszüge.
Gründe:
I:
Die Beteiligten streiten, ob ein Existenzgründungszuschuss nach § 421 l SGB III auf die von der Antragstellerin bezogenen Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II als Einkommen anzurechnen ist.
Die 1976 geborene Antragstellerin ist seit dem 01.03.2004 als selbstständige Deeskalations- und Kommunikationstrainerin tätig. Seither bezieht sie von der Bundesagentur für Arbeit einen Existenzgründungszuschuss. Im Dezember 2004 wurde sie zusätzlich als Rechtsanwältin zugelassen. Seit März 2005 bezieht sie den Existensgründungszuschuss für ihre Tätigkeit als selbstständige Rechtsanwältin. Seit dem 01.03.2006 beträgt der monatliche Existenzgründungszuschuss noch 240,00 EUR.
Am 03.08.2005 beantragte die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.
Mit Bescheid vom 21.10.2005 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 31.01.2006 bewilligte die Antragsgegnerin Leistungen nach dem SGB II; dabei berücksichtigte sie den Existenzgründungszuschuss leistungsmindernd als Einkommen der Antragstellerin. Den hiergegen eingelegten Widerspruch der Antragstellerin wies die Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 03.04.2006 als unbegründet zurück; zuvor wurden mit Bescheid vom 14.02.2006 weiterhin Leistungen nach dem SGB II unter Anrechnung des Existenzgründungszuschusses bewilligt. Wegen der Einzelheiten wird auf die genannten Bescheide Bezug genommen. Seit dem 21.04.2006 ist insoweit ein Hauptsacheverfahren vor dem Sozialgericht Detmold unter dem Aktenzeichen L 12 AS 73/06 anhängig.
Am 20.04.2006 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht Detmold beantragt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr Leistungen nach dem SGB II ohne Anrechnung des Existenzgründungszuschusses zu gewähren. Sie hat vorgetragen, zwischen den Leistungen nach dem SGB II und dem Existenzgründungszuschuss bestehe keine Zweckidentität. Der Existenzgründungszuschuss solle in Anbetracht der Gesetzesbegründung (u.a.) zu den Sozialversicherungskosten und damit nicht zur unmittelbaren Sicherung des Lebensunterhalts beitragen. Auch der Höhe nach sei er nicht geeignet, neben der sozialen Absicherung auch den Lebensunterhalt sicherzustellen. Würde der Existenzgründungszuschuss auf Leistungen nach dem SGB II angerechnet, würde sein Zweck – die Förderung der Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit zur Beendigung der Arbeitslosigkeit – unterlaufen mit der Folge, dass der Anreiz zur Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit verloren ginge. Sie habe im ersten Quartal 2006 einen Verlust in Höhe von 931,55 EUR erwirtschaftet. Ihr Geschäftskonto, für das ein Kontokorrentkredit von 5.000,00 EUR eingeräumt sei, habe zum 20.04.2006 einen Sollstand von 4.435,62 EUR aufgewiesen, ihr Privatkonto einen Sollstand von 1.458,29 EUR. Zudem habe sie einen Existenzgründungskredit von 25.000,00 EUR aufgenommen. Ohne die beantragte einstweilige Anordnung bestehe deshalb die Gefahr, dass sie Insolvenz anmelden müsse und ihre selbstständige Tätigkeit nicht fortführen könne.
Die Antragsgegnerin hat demgegenüber vorgetragen, der Existenzgründungszuschuss sei keine durch entsprechende Zweckbestimmung privilegierte Einnahme und als Einkommen auf die Leistungen nach dem SGB II anzurechnen. Dies gelte zumal, da im Rahmen der Leistungen nach dem SGB II Sozialversicherungsbeiträge für die Antragstellerin bezahlt würden (117,07 EUR Krankenversicherungsbeiträge, 15,08 EUR Pflegeversicherungsbeiträge sowie 78,00 EUR Zuschuss zum Versorgungswerk der Rechtsanwälte). Die Antragstellerin bestreite deshalb diese Sozialversicherungsaufwendungen nicht aus dem Existenzgründungszuschuss, wie es der Gesetzgeber aber ausdrücklich vorgesehen habe. Deshalb sei zumindest in ihrem Fall die Anrechnung des Existenzgründungszuschusses auf die Leistungen nach dem SGB II angemessen. Im Übrigen sei ein Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht worden.
Mit Beschluss vom 17.05.2006, auf dessen Begründung Bezug genommen wird, hat das Sozialgericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Hiergegen hat die Antragstellerin am 08.06.2006 Beschwerde eingelegt, der das Sozialgericht mit Beschluss vom 09.06.2006 nicht abgeholfen hat.
Die Antragstellerin trägt vor, als Pflichtmitglied im Versorgungswerk der Rechtsanwälte im Land Nordrhein-Westfalen zahle sie monatlich einen Beitrag von 101,40 EUR (Bescheid des Versorgungswerks vom 28.02.205). Nach § 26 SGB II erhalte sie von der Antragsgegnerin jedoch nur einen monatlichen Betrag von 78,00 EUR als Zuschuss zu diesem Beitrag. Folge man der Argumentation des Sozialgerichts, die von ihr begehrte Leistung sei eine Doppelleistung aus öffentlichen Mitteln, so dürfte zumindest die Differenz zwischen 101,40 EUR und 78,00 EUR (= 23,40 EUR) nicht als Einkommen angerechnet werden. Dies ergebe sich schon aus § 11 Abs. 2 Nr. 3b SGB II, wonach Beiträge zur Altersvorsorge von Personen, die von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit seien, abzusetzen seien, soweit sie nicht nach § 26 SGB II bezuschusst würden. Im Übrigen nimmt die Antragstellerin Bezug auf die Begründung ihres Antrages in erster Instanz. Sie hält an ihrem Antrag fest, die Antragstellerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende ohne Anrechnung des Existenzgründungszuschusses zu gewähren. Nur hilfsweise begehrt sie den Abzug von 23,40 EUR von dem als Einkommen angerechneten Betrag.
Die Antragsgegnerin hält den Beschluss des Sozialgerichts für richtig. Im Übrigen trägt sie vor, der Bescheid des Versorgungswerks vom 28.02.2005 habe ihr bisher nicht vorgelegen. Um den konkreten Anspruch der Antragstellerin berechnen zu können, sei diese bereits darauf hingewiesen worden, dass im Rahmen ihrer Gewinnberechnung aus selbstständiger Tätigkeit weitere Unterlagen, insbesondere auch zur Pflichtversicherung, vorzulegen seien. Insoweit bestehe hinsichtlich des Hilfsantrages kein Anordnungsgrund. Sie – die Antragsgegnerin – sei selbstverständlich bereit, eine Nachberechnung durchzuführen, wenn nunmehr alle für eine Gewinnermittlung notwendigen Unterlagen vorgelegt würden.
Die Antragstellerin hat hierzu erwidert, sie habe bislang angenommen, bereits alle erforderlichen Unterlagen vorgelegt zu haben. Die Antragsgegnerin möge – ggf. außerhalb des vorliegenden Verfahrens – darlegen, welche Unterlagen für eine Nachberechnung noch fehlten; diese würden dann umgehend nachgereicht.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Antragsgegnerin, ferner auf die ebenfalls beigezogene Akte des Hauptsacheverfahrens S 12 AS 73/06 SG Detmold, Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig und begründet. Zu Unrecht hat es das Sozialgericht abgelehnt, die beantragte einstweilige Anordnung zu erlassen.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Erforderlich ist danach, dass ein materiell-rechtlicher Anspruch besteht (sog. Anordnungsanspruch), und dass eine gerichtliche Entscheidung über diesen Anspruch eilbedürftig ist (sog. Anordnungsgrund). Diese Voraussetzungen sind jeweils glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Zivilprozessordnung).
Nach Ansicht des Senats besteht nach summarischer Prüfung ein Anordnungsanspruch der Antragstellerin.
Soweit dabei zwischen den Beteiligten im Sinne des Hilfsantrages der Antragstellerin allein ein Betrag von 23,40 EUR als den bereits bewilligten Zuschuss für Altersvorsorgeaufwendungen überschreitender, an das Versorgungswerk der Rechtsanwälte zu erbringender monatlicher Betrag im Streit steht, bestünde allerdings ersichtlich kein Eilbedürfnis für die gerichtliche Entscheidung, weil die Antragsgegnerin insoweit eine unmittelbare Prüfung nach Kenntnisnahme des Bescheides des Versorgungswerks vom 28.02.2005 zu erkennen gegeben hat. Nach Ansicht des Senats ist jedoch der gesamte Existenzgründungszuschuss nicht als Einkommen zu berücksichtigen ist, so dass es gleichwohl der gerichtlichen Entscheidung bedarf.
Die Antragsgegnerin berücksichtigt zur Zeit nach Maßgabe des § 11 Abs. 1 und Abs. 2 SGB II den Existenzgründungszuschuss nach § 421 l SGB III der Antragstellerin als Einkommen. Der Existenzgründungszuschuss ist jedoch nach § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II privilegiert. Nach dieser Vorschrift sind Einnahmen, soweit sie als zweckbestimmte Einnahmen einem anderen Zweck als die Leistungen nach dem SGB II dienen, nicht als Einkommen zu berücksichtigen.
Die Frage, ob ein Existenzgründungszuschuss nach § 421 l SGB III im Sinne des § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II eine anderweitig zweckbestimmte und damit anrechnungsfreie Einnahme ist, ist in der Rechtsprechung umstritten (verneinend etwa LSG Hessen, Beschluss vom 29.06.2005 – L 7 AS 22/05 ER; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 10.11.2005 – L 2 B 44/05 AS ER; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 06.12.2005 – L 10 B 1144/05 AS ER sowie Beschluss vom 16.12.2005 – L 25 B 1267/05 AS ER; bejahend demgegenüber LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 25.04.2006 – L 8 AS 29/06 sowie Beschluss vom 24.06.2005 – L 8 AS 97/05 ER. LSG Bayern, Urteil vom 20.01.2006 – L 7 AS 37/05 lässt die Frage dahinstehen, zieht jedoch die Betriebsausgaben als mit der Erzielung des Einkommens verbundene notwendige Ausgaben im Sinne des § 11 Abs. 2 Nr. 5 SGB II ab). Höchstrichterliche Entscheidungen liegen noch nicht vor; anhängig sind zu dieser Frage allerdings die Revisionsverfahren B 7b AS 16/06 R betreffend das Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 25.04.2006 sowie B 7b AS 20/06 R betreffend das Urteil des LSG Bayern vom 20.01.2006.
Die Berücksichtigung einer Einnahme unterbleibt, wenn eine klare Zweckbestimmung dieser Einnahmen und Zuwendungen besteht, die nicht den Zwecken der Leistungen nach dem SGB II entspricht. Dabei muss der Zweck einer öffentlichen Leistung nicht ausdrücklich benannt sein; es genügt vielmehr, wenn er sich durch Auslegung der einschlägigen Regelungen mit hinreichender Deutlichkeit ermitteln lässt. Denn die Notwendigkeit einer ausdrücklichen Zweckbestimmung ist dem Wortlaut des § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II im Gegensatz zur thematisch vergleichbaren Regelung des § 77 Abs. 1 BSHG nicht zu entnehmen. Sie ist auch nicht zur Verwirklichung des Regelungszwecks erforderlich (Mecke, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2005, § 11 Rz. 80 m.w.N.).
Zweckbestimmung des von der Antragstellerin bezogenen Arbeitslosengelds II ist entsprechend der Überschrift des Zweiten Abschnitts des Dritten Kapitels des SGB II die Sicherung des Lebensunterhalts. Ob auch der Existenzgründungszuschuss im Wesentlichen diesem Zweck dient, ist in erster Linie aus den Gesetzesmaterialien § 421 l SGB III zu ermitteln. Wenn das Sozialgericht in seiner Entscheidung bei den Gesetzesmaterialien zu §§ 16, 29 SGB II ansetzt, so übersieht es, dass diese Gesetzesmaterialien zeitlich später entstanden sind als die Gesetzesmaterialien zu § 421 l SGB III und das SGB III selbst. Ein einmal vom Gesetzgeber des § 421 l SGB III vorgesehener Leistungszweck des Existenzgründungszuschusses kann sich jedoch durch Überlegungen im Rahmen des späteren Gesetzgebungsverfahrens zum SGB II nicht geändert haben.
Eine Individualisierung der Zweckbestimmungsüberlegungen, wie sie die Antragsgegnerin möglicherweise mit dem Bemerken zum Ausdruck bringt, dass "zumindest im vorliegenden Falle" die Anrechnung des Existenzgründungszuschusses auf die Leistungen nach dem SGB II in jedem Fall angemessen sei, kommt von vornherein nicht in Betracht, da sich die Zweckbestimmtheit im Sinne von § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II mangels gegenteiliger Anhaltspunkte im Gesetzeswortlaut abstrakt-generell bestimmen muss.
Heranzuziehen sind mithin die Gesetzesmaterialien zum Zweiten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 05.11.2002 (BT-Drucks. 15/26, S. 19 und S. 22 f. zu § 421m des Gesetzentwurfs).
Danach soll durch die Förderung der sog. "Ich-AG" bzw. der "Familien-AG" der Übergang in die Selbstständigkeit befristet sozial flankiert werden, in dem Gründerin und Gründer in den Schutz der Sozialversicherung einbezogen bleiben. Gleichzeitig gehe es – wie bei anderen in dem Gesetzentwurf vorgesehenen Maßnahmen – um die wirkungsvolle Zurückdrängung der Schwarzarbeit im Dienstleistungssektor (BT-Drucks. a.a.O.; S. 19). Mit dieser Einbeziehung in den Schutz der Sozialversicherung ist (entgegen der offenbar vom LSG Berlin-Brandenburg in den genannten Beschlüssen vom 06. und 16.12.2005 verfolgten Lesart) jedoch vom Gesetzgeber nicht zum Ausdruck gebracht worden, dass es sich bei dem Existenzgründungszuschuss um eine im Wesentlichen lebensunerhaltssichernde Leistung handeln soll. Vielmehr soll Personen, die bislang aus einem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsleben stammen, ein Übergang in eine – grundsätzlich nicht sozialversicherungspflichtige – Selbstständigkeit ermöglicht werden, in dem für einen Übergangszeitraum Pauschalleistungen aus Sozialversicherungsmitteln gewährt werden, mit denen darüber hinaus zum Teil auch Sozialversicherungsbeiträge für diesen Übergangszeitraum finanziert werden können. Letztlich kommt darin jedoch zum Ausdruck, dass der Schritt in die Selbstständigkeit durch einen (nur) zeitweisen Einbezug in die Sozialversicherung und aus Sozialversicherungsmitteln flankiert werden soll; dies knüpft wegen der mit einem Schritt in die Selbstständigkeit notwendigerweise verbundenen Kostenlast jedoch nicht notwendig und auch nicht ersichtlich in erster Linie an die eigenen Lebensunterhaltskosten an.
Dem steht auch nicht entgegen, dass der Bezug des Existenzgründungszuschusses nach § 421 l Abs. 1 Satz 2 SGB III an den Bezug von Entgeltersatzleistungen nach dem SGB III bzw. an die Teilnahme an einer nach dem SGB III geförderten Arbeitsbeschaffungsmaßnahme anknüpft. Die Beschränkung der Gewährung des Zuschusses auf diesen Personenkreis ist vielmehr allein deswegen erfolgt, weil der Existenzgründungszuschuss aus Beitragsmitteln zur Arbeitslosenversicherung aufgebracht wird (BT-Drucks. a.a.O., S. 22).
Dass es gerade nicht und auch nicht in erster Linie um die Sicherung allein des Lebensunterhalts des Zuschussberechtigten geht, wird auch darin deutlich, dass nach § 421 l Abs. 1 Nr. 2 SGB III der Zuschuss gewährt wird, wenn das aus der selbstständigen Tätigkeit erzielte Arbeitseinkommen voraussichtlich 25.000,00 EUR im Jahr nicht übersteigt. Solange deshalb prognostisch ein Arbeitseinkommen von bis u 25.000,00 EUR zu erwarten ist, wird der Existenzgründungszuschuss gleichwohl gewährt. Er kann nach § 421 l Abs. 3 Satz 1 SGB III – trotz maximal dreijähriger Leistung (§ 421 l Abs. 2 Satz 1 SGB III) – nur dann zwingend nicht mehr erbracht werden, wenn das Arbeitseinkommen pro Jahr 25.000,00 EUR überschreitet. Selbst dann muss jedoch der bereits geleistete Zuschuss nicht wieder zurückgezahlt werden, auch wenn das Überschreiten der Höchstgrenze bereits unterjährig eingetreten ist; damit berücksichtigt das Gesetz das Interesse des Geförderten an größerer Erwartungssicherheit hinsichtlich der Gewährung des Zuschusses (BT-Drucks. a.a.O., S. 23). Ist aber bei einem Existenzgründungszuschuss von im ersten Jahr insgesamt 7.200,00 EUR, im zweiten Jahr insgesamt 4.320,00 EUR und im dritten Jahr insgesamt 2.880,00 EUR (vgl. § 421 l Abs. 2 Satz 2 SGB III) gleichwohl ein – neben den Zuschuss tretendes – Jahreseinkommen von bis zu 25.000,00 EUR möglich, so wird ersichtlich, dass mit dem Existenzgründungszuschuss nicht in erster Linie der Lebensunterhalt gesichert werden soll. Vielmehr sollen die Gesamtkosten der Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit, zu der auch und vornehmlich die Betriebskosten gehören, durch die Gewährung einer Sozialleistung ergänzend abgefedert werden.
Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass nach der Entwurfsbegründung (BT-Drucks. a.a.O. zu Abs. 4) der Existenzgründungszuschuss als mit dem Überbrückungsgeld (§ 57 SGB III) "dem Zweck nach gleichgerichtete Leistung an Arbeitnehmer im Dritten Buch" bezeichnet wird und durch § 421 l Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB III eine Förderung mit Existenzgründungszuschuss bei Bezug von Überbrückungsgeld ausgeschlossen ist, um – so die Entwurfsbegründung – eine "Doppelförderung" auszuschließen. Denn als gemeinsamer Zweck im Sinne der Entwurfsbegründung ist nach Ansicht des Senats nicht die Sicherung des Lebensunterhalts (an die § 57 Abs. 1 SGB III u.a. ausdrücklich anknüpft) gemeint, sondern die Förderung der Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit. Ansonsten unterscheidet sich ein Existenzgründungszuschuss nach § 421 l SGB III gerade von einem Überbrückungsgeld nach § 57 SGB III, weil § 421 l SGB III ausdrücklich und im Gegensatz zu § 57 SGB III den Gesetzeszweck der Sicherung des Lebensunterhalts nicht nennt (so auch LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 25.04.2006 – L 8 AS 29/06 sowie Beschluss vom 24.06.2005 – L 8 AS 97/05 ER, mit entsprechenden Nachweisen aus den Kommentierungen zum SGB III).
Wenn der Existenzgründungszuschuss nach der Gesetzesbegründung, wie gesehen, auch der sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung gilt, weil der Existenzgründer aus den Leistungen u.a. die anfallenden Sozialversicherungsbeiträge zahlen kann, ergibt sich gleichwohl auch hieraus keine Zweckgleichheit mit den Leistungen der Grundsicherung für Arbeit Suchende nach dem SGB II. Denn das Arbeitslosengeld II dient nicht im Wesentlichen einer solchen sozialen Absicherung. Vielmehr ist es zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung (§ 19 Satz 1 SGB II) vorgesehen. Zwar sind Bezieher von Arbeitslosengeld II nach § 3 Satz 1 Nr. 3a Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) rentenversicherungspflichtig; die Beiträge werden jedoch nicht als Leistungen nach dem SGB II erbracht, sondern gemäß § 170 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI vom Bund getragen. Entsprechendes gilt für die gesetzliche Krankenversicherung (§§ 5 Abs. 1 Nr. 2a, 251 Abs. 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch) sowie die soziale Pflegeversicherung (§§ 20 Abs. 1 Nr. 2a, 59 Elftes Buch Sozialgesetzbuch).
Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts ergeben sich nach allem insgesamt ausreichende Anhaltspunkte aus den Gesetzesmaterialien zum SGB III dafür, dass der wesentliche Zweck des Existenzgründungszuschusses in der Sicherstellung der selbstständigen Tätigkeit an sich besteht, indem insbesondere Belastungen durch den Betrieb (Anschaffung und Unterhalt der Betriebsmittel) aufgefangen werden. Der Bestreitung des Lebensunterhalts dient demgegenüber das Arbeitslosengeld II bzw. ein etwa aus dem Betrieb verbleibender Gewinn (so auch LSG Niedersachsen-Bremen a.a.O.).
Besteht damit nach summarischer Prüfung ein Anordnungsanspruch der Antragstellerin, so steht ihr auch ein Anordnungsgrund zur Seite. Denn die Antragstellerin hat durch Vorlage betrieblicher Unterlagen und von Kontoauszügen glaubhaft gemacht, dass sie zum einen die Kreditlinie ihres Geschäftskontos zu etwa 9/10 ausgeschöpft hat, dass sich ferner ihr Privatkonto auf einem erheblichen Sollstand befindet und sie zudem einen Existenzgründungskredit in nicht unerheblicher Höhe hat aufnehmen müssen. Insofern ist die Gefahr nicht von der Hand zu weisen, dass sie bei weiterer Anrechnung des Existenzgründungszuschusses als Einnahmen ihre selbstständige Tätigkeit wegen drohender Insolvenz nicht länger wird fortführen können. Dann aber würde der Zweck der ihr nach § 421 l SGB III bewilligten Leistung erkennbar unterlaufen.
Der Senat geht davon aus, dass die Antragsgegnerin sich auch für die Zeit nach Ablauf des Monats September entsprechend der Entscheidung des Senats verhalten wird.
Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 22.09.2006
Zuletzt verändert am: 22.09.2006