Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 26.04.2006 zuzulassen, wird abgelehnt. Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I. Im Ausgangsverfahren streitig war die Übernahme von Grabpflegekosten in Höhe von 124,00 EUR.
Der 1944 geborene Kläger befindet sich nach Verbüßung einer Freiheitsstrafe noch auf unbestimmte Zeit im Maßregelvollzug in der Justizvollzugsanstalt (JVA) B. Nach dem Tod seiner Mutter am 00.09.2004 übernahm die Beklagte auf Antrag des Klägers die Bestattungskosten (Rechnung des Bestattungsunternehmens in Höhe von 925,00 EUR und Gebührenbescheid der Stadt B in Höhe von 1.636,00 EUR). Ebenso übernahm die Beklagte Kosten für die Errichtung eines Grabhügels in Höhe von 60,00 EUR sowie für die Bepflanzung des Grabes in Höhe von 135,00 EUR. Mit Bescheid vom 22.04.2005 führte die Beklagte aus, mit der Übernahme des Gesamtbetrages von 195,00 EUR für das Anlegen des Grabes seien jedoch die Ansprüche gegen sie auf Übernahme der erforderlichen Bestattungskosten erschöpft.
Am 27.04.2005 beantragte der Kläger die Übernahme von weiteren 124,00 EUR für die Pflege des Grabes seiner Mutter ab April 2005 (eigentliche Grabpflege: 60,00 EUR, Gießen des Grabes 64,00 EUR, jeweils bezogen auf das Jahr 2005).
Mit Bescheid vom 02.08.2005 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Die weitere Grabpflege gehöre nicht zu den erforderlichen Bestattungskosten im Sinne von § 74 SGB XII und könne deswegen nicht aus Sozialhilfemitteln übernommen werden. Mit Widerspruch vom 10.08.2005 führte der Kläger aus, infolge seiner noch andauernden Inhaftierung erscheine es geboten, ausnahmsweise die vorerst einmaligen Kosten für die Versorgung des Grabes zu übernehmen, da dritte Personen für die Grabpflege nicht vorhanden seien. Es komme auch eine darlehensweise Gewährung in Betracht.
Mit Widerspruchsbescheid vom 29.09.2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung trug sie vor, dass nach der Ersterrichtung der Grabstätte die später anfallenden Grabpflegekosten nicht zu den erforderlichen Kosten einer Bestattung im Sinne von § 74 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) gehörten. Die für die Grabpflege entstehenden Kosten seien vielmehr grundsätzlich im Regelbedarf nach § 28 SGB XII enthalten. Dies ergebe sich aus der Begründung des Bundesministeriums für Gesundheit und soziale Sicherung zum Entwurf der Regelsatzverordnung vom 23.01.2004. Der Kläger habe jedoch gemäß § 21 SGB XII keinen Anspruch auf Regelsatzleistungen nach dem SGB XII, weil er anspruchsberechtigt nach dem SGB II sei.
Zur Begründung seiner am 06.10.2005 beim Sozialgericht Aachen erhobenen Klage hat der Kläger vorgetragen, er sei als Taschengeldempfänger in der JVA nicht in der Lage, die Grabpflegekosten zu zahlen. Wegen Krankheit verfüge er nicht über eigene finanzielle Mittel. Er sei wegen Krankheit in der JVA unbeschäftigt und auch nicht auf dem Arbeitsmarkt verfügbar.
Der Kläger hat in der Auslegung des Sozialgerichts schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
den Bescheid vom 02.08.2005 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.09.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, Grabpflegekosten für das Jahr 2005 in Höhe von 124,00 EUR zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 26.04.2006 abgewiesen. Die Kosten der Grabpflege zählten nicht zu den gemäß § 74 SGB XII erforderlichen Bestattungskosten. Auch ein Anspruch nach §§ 67, 68 SGB XII i.V.m. der nach § 69 SGB XII erlassenen Verordnung zur Durchführung der Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten vom 24.01.2001 in der Fassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 (im Folgenden: VO) bestehe nicht. Es fehle schon an besonderen Lebensverhältnissen im Sinne des § 1 Abs. 2 der VO. Ein Anspruch auf Leistungen des Regelbedarfs gemäß § 28 SGB XII bestehe nicht. Dieser sei gemäß § 21 SGB XII ausgeschlossen. Bei dem Aufenthalt in einer JVA handele es sich nicht um einen Aufenthalt in einer stationären Einrichtung im Sinne des § 7 Abs. 4 SGB II. Die vom Kläger behauptete volle Erwerbsminderung sei eine Schutzbehauptung.
Mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde vom 24.05.2006 macht der Kläger geltend, in der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte zu § 15 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) sei geklärt gewesen, dass die Sozialbehörde auch Kosten für die laufende Grabpflege zu übernehmen habe. Er sei wegen der Haftsituation nicht in der Lage, die Grabpflegekosten aufzubringen. Weder das Sozialgericht noch die Behörde hätten im Übrigen die darlehensweise Gewährung in Betracht gezogen. Ein Anspruch bestehe gemäß § 28 SGB XII, hilfsweise gemäß § 74 SGB XII oder §§ 67, 68 SGB XII.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet.
Nach § 144 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 500,00 EUR nicht übersteigt.
Der Kläger macht im vorliegenden Verfahren allein Grabpflegekosten von 124 EUR im Jahr 2005 geltend, so dass die Berufung der Zulassung bedarf. Das Sozialgericht hat die Berufung nicht zugelassen.
Eine solche Nichtzulassung der Berufung durch das Sozialgericht kann nach § 145 Abs. 1 Satz 1 SGG durch Beschwerde angefochten werden.
Die Berufung ist nach § 144 Abs. 2 SGG zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr. 1), dass Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr. 2) oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nr. 3).
Der Kläger ist insoweit der Ansicht, es lägen Berufungszulassungsgründe nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGG vor. Verfahrensmängel macht er hingegen nicht geltend.
Zur Überzeugung des Senats liegen hingegen Zulassungsgründe im Sinne des § 144 Abs. 2 SGG nicht vor.
Das Sozialgericht ist zunächst nicht im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG von einer Entscheidung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen, des Bundessozialgerichts oder eines anderen der in Nr. 2 genannten Gerichte abgewichen. Entscheidungen zur hier maßgeblichen Rechtsfrage hat der Kläger nicht benannt. Sie liegen bisher – soweit ersichtlich – auch nicht vor. Das SG ist auch nicht von der zu § 15 BSHG als Vorgängernorm ergangenen Rechtsprechung insbesondere der nordrhein-westfälischen Verwaltungsgerichtsbarkeit – diese Divergenz könnte im Übrigen lediglich eine grundsätzliche Bedeutung der Sache begründen – abgewichen (vgl. insbesondere Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 29. Mai 2001, Az: 16 A 3819/99, das die Grabpflege als gemäß § 12 BSHG zu achtenden Belang betrachtet; diese Frage offen lassend BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 2003 , Az: 5 C 84/02). Im Übrigen war es auch in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung und Literatur zu § 15 BSHG weitgehend geklärt, dass Grabpflege nicht zu den danach zu erstattenden Bestattungskosten zählen (vgl. W. Schellhorn/H. Schellhorn, BSHG, 16. Aufl. 2002, RdNr. 3 zu § 15, Daubner in Mergler/Zink, BSHG, Stand Mai 2003, RdNr. 22 zu § 15; Östreicher/Schelter/Kunz, BSHG, Stand Juni 2003, RdNr. 8 zu § 15 m.w.N.; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof München, Beschluss vom 8. Dezember 2003 , 12 ZB 03.3098; BVerwG, Urteil vom 24. März 1977 , Az: II C 61.73 im Anschluss an BVerwG, Urteil vom 17. Januar 1961, Az: II C 150.59; a.A. Spranger, ZfSH/SGB 1998, 334).
Entgegen der Ansicht des Klägers hat die vorliegende Rechtssache auch nicht aus anderen Gründen grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG. Eine grundsätzliche Bedeutung liegt vor, wenn das Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Rechtsprechung und Fortentwicklung des Rechts berührt ist bzw. wenn zu erwarten ist, dass die Entscheidung dazu führen kann, die Rechtseinheit in ihrem Bestand zu erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern. Das kann dann der Fall sein, wenn die Klärung einer Zweifelsfrage mit Rücksicht auf eine Wiederholung ähnlicher Fälle erwünscht ist bzw. wenn von einer derzeitigen Unsicherheit eine nicht unbeträchtliche Personzahl betroffen ist (vgl. Meyer-Ladewig, in: ders. u. a., SGG, 8. Auflage 2005, § 144 Rz. 28 i.V.m. § 160 Rz. 6b m.w.N.). In der Literatur zu § 74 SGB XII wird die Frage der Zuordnung der Grabpflege zu den erstattungsfähigen Bestattungskosten im Wesentlichen einheitlich wie bei § 15 BSHG beurteilt (vgl. Grube in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 74 RdNr. 32). Die Annahme der grundsätzlichen Bedeutung wegen des Fehlens sozialgerichtlicher Rechtsprechung erscheint nicht gerechtfertigt. Grabpflegekosten lassen sich schon dem Wortlaut nach schwerlich unter Bestattungskosten fassen. Auch ein Anspruch nach §§ 67f. SGB XII ist vom Sozialgericht mit überzeugenden Erwägungen verneint worden.
Schließlich kommt der Klärung der Frage, ob der Kläger ggf. einen Anspruch aus § 28 SGB XII gegen die Beklagte haben kann, keine grundsätzliche Bedeutung (mehr) zu. Soweit auf den Gesundheitszustand des Klägers abzustellen wäre, ergibt sich dies daraus, dass die Klärung tatsächlicher Umstände eine grundsätzliche Bedeutung nicht zu begründen vermag.
In rechtlicher Hinsicht war die Beurteilung der Frage, ob ein Haftaufenthalt von mehr als 6 Monaten einen Leistungsausschluss gemäß § 7 Abs. 4 SGB II für Leistungen nach dem SGB II zu Folge hatte, mit der Konsequenz, dass – wohl auch zur Überzeugung der Beklagten und des Sozialgerichts – ein Anspruch gemäß § 28 SGB XII in Betracht zu ziehen gewesen wäre, in der hierzu ergangenen Rechtsprechung sowie Literatur der Sozialgericht umstritten (hinsichtlich der Rechtsprechungsnachweise wird auf das Urteil des Sozialgerichts Bezug genommen; a.A. als das Sozialgericht neben Spellbrink in Eicher/Spellbrink, SGB II, § 7 RdNr. 34: Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 1. Juli 2005, L 2 B 23/05 AS ER). Die grundsätzliche Bedeutung der Klärung dieser Frage ist aber deshalb nicht mehr anzunehmen, weil der Gesetzgeber bereits mit Wirkung vom 01.08.2006 in § 7 Abs. 4 Satz 2 SGB II dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung den Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt hat. In der Regel ist eine Rechtsfrage, wenn sie eine außer Kraft getretene Vorschrift betrifft, nicht mehr klärungsbedürftig, es sei denn eine erhebliche Anzahl von Fällen wäre noch zu entscheiden (vgl. Meyer-Ladewig in: ders. u.a., SGG, 8. Auflage, § 160 RdNr. 7b m.w.N.).
Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 12.10.2006
Zuletzt verändert am: 12.10.2006