Der Antrag der Beklagten, die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 28.04.2006 zuzulassen, wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren.
Gründe:
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagen ist zulässig.
Denn nach § 145 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann die Nichtzulassung der Berufung durch das Sozialgericht durch Beschwerde angefochten werden (Satz 1). Die Beschwerde ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten einzulegen (Satz 2). Das Urteil des Sozialgerichts vom 28.04.2006 wurde der Beklagten ausweislich ihres Empfangsbekenntnisses am 01.06.2006 zugestellt; am 12.06.2006 ging ihr Schriftsatz vom 06.06.2006 bei dem Sozialgericht ein, mit dem sie beantragt, die Berufung gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.
Das Sozialgericht ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass gegen das Urteil nur dann eine Berufung möglich ist, wenn diese nachträglich zugelassen wird. Denn ein Fernsehgerät, zu dessen Zurverfügungstellung das Gericht die Beklagte verurteilt hat, ist bereits für deutlich unter 500,- EUR zu beschaffen. Nach § 144 Abs. 1 SGG bedarf jedoch die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 500,00 EUR nicht übersteigt (Satz 1 Nr. 1). Dies würde lediglich dann nicht gelten, wenn – was hier nicht der Fall ist – die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr beträfe (vgl. Satz 2).
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten ist jedoch nicht begründet.
Die Beklagte ist mit dem angefochtenen Urteil unter Aufhebung des Bescheides vom 06.10.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.03.2005 verurteilt worden, dem Kläger ein funktionsfähiges Fernsehgerät mit einer Bildschirmdiagonale von mindestens 51 cm zur Verfügung zu stellen. Den entsprechenden Bedarf hatte der Kläger bereits bei einem Hausbesuch von Bediensteten der Beklagten am 19.12.2003 mündlich (neben anderen Hausratsgegenständen) angemeldet, weil das in seiner Wohnung vorhandene Fernsehgerät nur ausgeliehen sei. Auf entsprechende schriftliche Nachfrage der Beklagten vom 09.02.2004 hatte der später auch vom Sozialgericht vernommene Zeuge C mit Schreiben vom 25.02.2004 mitgeteilt, er habe dem Kläger, der in seiner neu bezogenen Wohnung noch über keinen Fernseher verfüge, sein Fernsehgerät nur geliehen; er benötige dies aber im April 2004 wieder selbst. Nachdem die Beklagte zwischenzeitlich untätig geblieben war, erinnerte der Kläger mit Schreiben vom 16.09.2004 an seinen Antrag auf Bewilligung eines Fernsehgerätes. Bei einem daraufhin in der Wohnung des Klägers durchgeführten Hausbesuch am 05.10.2004 stellte die Beklagte fest, dass der Kläger weiterhin im Besitz des Fernsehgerätes war. Daraufhin lehnte die Beklagte die Gewährung der beantragten Beihilfe mit Bescheid vom 06.10.2004 ab. Im Widerspruch vom 12.10.2004 blieb der Kläger bei seiner Behauptung, das Fernsehgerät sei eine Leihgabe des Herrn C, und er müsse es demnächst an ihn zurückgeben. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 23.03.2005 zurück mit der Begründung, beim Kläger bestehe derzeit kein offener Bedarf, da ihm nach seinen Angaben ein Fernsehapparat leihweise zur Verfügung stehe. Dieser bloße Besitz des begehrten Gegenstandes reiche sozialhilferechtlich zur Deckung des Bedarfs aus; die Eigentumsverhältnisse seien demgegenüber unerheblich.
Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Berufung nicht nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen. Eine Zulassung setzte voraus, dass die Rechtssache i.S.d. Vorschrift grundsätzliche Bedeutung hat. Eine solche grundsätzliche Bedeutung besteht im Falle des Klägers nicht. Notwendig wäre dafür, dass die Streitsache eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern; ein Individualinteresse genügt demgegenüber nicht (Meyer-Ladewig, SGG, 8. Auflage 2005, § 144 Rn. 28; BSG, Beschluss vom 14.08.2006 – B 5 RJ 246/05 B).
Sofern die Beklagte sich gegen die Beweiswürdigung wendet, die das Sozialgericht im Anschluss an die Vernehmung des Zeugen C vorgenommen hat, ist dies von vornherein kein Gesichtspunkt, der im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache beachtlich wäre. Denn mit der Beweiswürdigung beantwortet das Sozialgericht noch keine Rechtsfrage, sondern entscheidet, welche von mehreren möglichen Sachverhaltsabläufen es seiner Entscheidung als zutreffende Tatsachengrundlage zugrundelegt und erst im Weiteren einer rechtlichen Würdigung unterzieht. Maßgeblich kann deshalb nur sein, ob das Sozialgericht auf der Grundlage des von ihm nach Beweiswürdigung als zutreffend zugrunde gelegten Sachverhalts eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung entschieden hat.
Insofern beruft sich die Beklagte zum einen darauf, dass der vom Kläger für den Geltungszeitraum des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG, bis 31.12.2004) geltend gemachte Bedarf durch das leihweise Überlassen eines Fernsehgerät bereits gedeckt gewesen sei; erst im Juli 2005, also zu einem Zeitpunkt, als der Kläger bereits nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch im Leistungsbezug eines anderen Leistungsträgers gestanden habe, sei der Fernseher nach eigenem Bekunden des Zeugen C aus der Wohnung des Klägers geholt worden. Ein offener Bedarf sei damit erst deutlich nach Außerkrafttreten des BSHG eingetreten.
Dem folgt der Senat nicht. Denn auch wenn die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts grundsätzlich eine reine Nutzungsmöglichkeit auch aufgrund nur leihweiser Überlassung zur Bedarfsdeckung hat ausreichen lassen, so treten im Fall des Klägers Besonderheiten hinzu, welche die die Beklagte übersieht. Diese Besonderheiten bestehen darin, dass der Zeuge C nach der Beweiswürdigung des Sozialgerichts den ihm gehörenden Fernseher dem Kläger von Anfang an nur für eine (ursprünglich sehr begrenzt geplante) Übergangszeit zur Verfügung gestellt hatte, nämlich bis zur Entscheidung der Beklagten über den Antrag des Klägers auf Gewährung einer Beihilfe für die Anschaffung eines Fernsehgerätes. Durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist jedoch bereits anerkannt und demgemäß keine offene Rechtsfrage mehr, dass eine Drittleistung dem Leistungsberechtigten vom Sozialamt dann nicht entgegengehalten werden kann, wenn der Dritte für den eigentlichen Träger der Sozialhilfe nur einspringt, weil dieser die Hilfe nicht rechtzeitig erbracht oder sie gar abgelehnt hat (vgl. BVerwGE 21, 208, 209; 96, 152, 154; siehe auch Wahrendorf, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2005, § 2 Rn. 14 m.w.N.). So war es hier: Die Beklagte hat über den vom Kläger bereits am 19.12.2003 geltend gemachten Bedarf zunächst gar nicht entschieden und ihn später – ausgehend von der Beweiswürdigung des Sozialgerichts fehlerhaft – abgelehnt.
Eine grundsätzliche Bedeutung ergibt sich vor diesem Hintergrund auch nicht etwa deshalb, weil das BSHG mit Ablauf des 31.12.2004 außer Kraft getreten und durch die zusammenspielenden Regelungen des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch ersetzt worden ist. Wenn die Beklagte insoweit darauf verweist, dass im vorliegenden Fall wie auch in vielen anderen Fällen ein Wechsel des Leistungsträgers stattgefunden hat, so kann dies von vornherein keine Auswirkungen auf die Beantwortung der Frage haben, ob der Kläger wegen seines bereits im Jahre 2003 gestellten Antrags einen Anspruch auf Leistungen nach dem BSHG hatte. Insofern hat das Sozialgericht – von der Beklagten im Übrigen nicht gerügt – zutreffend und allgemeinen Grundsätzen des intertemporalen Verwaltungsrechts folgend eine Anspruchsprüfung auf der Grundlage des "alten" Rechts des BSHG vorgenommen. Denn es kann nicht zu Lasten des Klägers gehen, dass die Beklagte nach Antragstellung zunächst geraume Zeit untätig geblieben ist und im Anschluss daran allein aufgrund einer – aus Sicht der Beweiswürdigung des Sozialgerichts – fehlerhaften Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse noch zu Zeiten der Geltung des alten Rechts den damals schon geltend gemachten Anspruch verneint hat.
Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 02.11.2006
Zuletzt verändert am: 02.11.2006