Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 12.07.2005 geändert. Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt seine außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen selbst. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger die für die Zeit vom 01.04.2004 bis 31.01.2005 darlehensweise gewährte Hilfe zum Lebensunterhalt als Zuschuss ohne Anrechnung von durch Blindengeld angespartem Vermögen zu belassen ist.
Der 1973 geborene Kläger, der dauerhaft erwerbsgemindert ist, leidet an Multipler Sklerose und damit einhergehend an einer ausgeprägten Sehstörung. Er ist als Schwerbehinderter anerkannt mit einem Grad der Behinderung von 100 (Merkzeichen: B, G, H, RF). Er erhält seit dem 01.06.2002 ein monatliches Blindengeld nach dem nordrhein-westfälischen Gesetz über Hilfe für Blinde und Gehörlose (GHBG). Es beträgt seit dem 01.07.2003 monatlich 585,- Euro. Für die Zeit vom 01.06.2002 bis 31.03.2004 erhielt der Kläger Blindengeld in Höhe eines Gesamtbetrages von 12.780,- Euro. Von dem Blindengeld, das laufend auf sein Girokonto überwiesen wurde, legte der Kläger von Januar 2003 bis Juli 2004 monatlich 200,- Euro in einem Fond (G U Investment Fonds) an; weitere Beträge zahlte er auf ein Sparbuch bei der C Kreditbank ein.
Bis 31.03.2004 bezog der Kläger Sozialhilfe von der Stadt C ohne Anrechnung des dort bekannten, durch Blindengeld angesparten Vermögens. Als er nach E zog, beantragte er am 03.09.2004 bei der Beklagten Hilfe zum Lebensunterhalt. Zu diesem Zeitpunkt betrug das Guthaben auf dem Sparbuch 5.433,38 Euro, aus den Fondanteilen 3.478,65 Euro, insgesamt 8.912,03 Euro.
Nachdem die Beklagte für den Zeitraum von April bis Juni 2004 Leistungen unter dem Vorbehalt der Rückforderung bis zum Abschluss der Prüfung über den Einsatz des Vermögens gezahlt hatte (Bescheide vom 16.04. und 04.05.2004), lehnte sie durch Bescheid vom 27.07.2004 die beantragte Hilfe zum Lebensunterhalt mit der Begründung ab, der Kläger verfüge über Vermögen i.H.v. 7.633,03 Euro (8.912,03 Euro abzüglich eines Freibetrages i.H.v. 1.279,00 Euro), das er zur Deckung seines Bedarfs zum täglichen Leben vorrangig einzusetzen habe. Das aus der "Blindenrente" angesparte Vermögen sei nicht geschützt. Zugleich forderte die Beklagte aus diesem Bescheid die Rückzahlung der für die Monate April bis Juli 2004 erbrachten Leistungen i.H.v. 2.802,16 Euro.
Dagegen erhob der Kläger am 13.08.2004 Widerspruch.
Am 20.08.2004 beantragte er beim Verwaltungsgericht Aachen (Az.: 1 L 769/04) den Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Gewährung vorläufiger laufender Hilfe zum Lebensunterhalt. Durch Beschluss vom 05.10.2004 schlug das Verwaltungsgericht Aachen den Beteiligten den Abschluss eines Vergleiches vor:
1."Der Antragsgegner gewährt dem Antragsteller für die Zeit ab 20.08.2004 zunächst bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides über den Widerspruch des Antragstellers gegen den Bescheid des Antraggegners vom 27.07.2004 solange regelmäßige Hilfe zum Lebensunterhalt als Darlehen gem. § 89 BSHG, wie das vom Antragsgegner zugrundegelegte verwertbare Vermögen des Antragstellers i.H.v. 7.633,03 Euro noch nicht verbraucht ist. Sollte der Widerspruch ohne Erfolg bleiben und der Kläger hiergegen klagen, verlängert sich die Praxis der darlehensweisen Hilfegewährung bis zum Verbrauch des Vermögens bzw. bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren.
2.Der Antragsgegner verzichtet bis zur Entscheidung über den Widerspruch bzw. der Klageerhebung bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die Klage auf die Rückforderung bisher gezahlter Sozialhilfeleistungen.
3.Zur Sicherung des Rückforderungsanspruchs tritt der Antragsteller seine Ansprüche aus dem Sparguthaben und dem Fondguthaben bis zu einer Höhe von 7.633,03 Euro an den Antragsgegner ab. Der Antragsgegner erklärt, dass er unter sozialhilferechtlichen Gesichtspunkten eine Freigabe von Forderungen aus diesem Vermögen prüfen wird, wenn der Antragsteller darlegt und belegt, dass er Teile seines Sparvermögens für Anschaffungen benötigt, die unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des ihm gewährten Landesblindengeldes dem Ausgleich seiner Sehbehinderung bzw. Erblindung zum Leben bestimmt und geeignet sind (z.B. Anschaffung eines. Blindenhundes, blindengerechte Zusatzgeräte für Computer und dgl.).
4.Der Antragsgegner wird die darlehensweise Gewährung der laufenden Hilfe zum Lebensunterhalt in einen Zuschuss umwandeln, wenn sich im Laufe des Widerspruchsverfahrens bzw. nach rechtskräftiger Entscheidung in einem Klageverfahren ergeben sollte, dass die Gewährung der Hilfe zum Lebensunterhalt nicht von der Inanspruchnahme des vorgenannten Vermögens abhängig gemacht werden durfte. Für diesen Fall wird er auf die Rückforderung der in der Zeit vom 01.04. bis zum 31.07.2004 geleisteten Hilfe verzichten und die Hilfe für die Zeit vom 01. bis zum 19. August 2004 nachzahlen …"
Nachdem die Beteiligten den Vergleich übereinstimmend angenommen hatten, bewilligte die Beklagte durch Ausführungsbescheide vom 03. und 25.11.2004 darlehensweise Hilfe zum Lebensunterhalt für die Zeit vom 20.08. bis zum 31.12.2004 auf der Grundlage des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG).
Durch Widerspruchsbescheid vom 11.01.2005 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Sozialhilfeablehnungsbescheid vom 27.04.2004 zurück.
Dagegen hat der Kläger am 03.02.2005 vor dem Sozialgericht Klage erhoben. Durch Bescheid vom 14.02.2005 hat die Beklagte "ab dem 01.11.2004 Hilfe zum Lebensunterhalt in Form eines Darlehens gem. § 91 des Sozialgesetzbuches, Zwölftes Buch (SGB XII)" bewilligt. Dagegen hat der Kläger unter dem 08.03.2005 Widerspruch erhoben. Die Beklagte hat mitgeteilt, dass der Kläger Sozialhilfe als Darlehen nach dem BSHG von April bis Dezember 2004 i.H.v. 6.418,67 Euro und nach dem SGB XII von Januar bis März 2005 i.H.v. 1.500,72 Euro, insgesamt 7.919,39 Euro, erhalten habe. Hierauf hat die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte aus einer Rentennachzahlung 2.473,97 Euro erstattet.
Der Bürgermeister der Stadt C hat auf Anfrage des Sozialgerichts mit Schreiben vom 08.04.2005 mitgeteilt, er habe bei der seinerzeitigen Gewährung der Sozialhilfe an den Kläger in analoger Anwendung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 04.09.1997 – 5 C 8/97 – auf einen Einsatz des aus Blindengeld angesparten Vermögens verzichtet, da der Einsatz dieses Vermögens nach seiner Auffassung eine Härte im Sinne des § 88 Abs. 3 BSHG dargestellt hätte.
Der Kläger hat im erstinstanzlichen Verfahren vorgetragen, das Blindengeld angespart zu haben, um davon Mehraufwendungen bestreiten zu können, die durch seine Blindheit bedingt seien. Zunächst habe er für ein computergestütztes Vorlesesystem gespart. Dieses sei aber zwischenzeitlich von der Krankenkasse gewährt worden. Es seien aber auch noch andere Dinge in Betracht gekommen, die er sich mittels des angesparten Blindengeldes anschaffen wolle, z.B. eine sprechende Personenwaage, eine sprechende Küchenwaage, ein sprechendes Fieberthermometer, eine sprechende Uhr, einen Daisyplayer (für Hörbücher), einen Anrufbeantworter mit großen Tasten, ein Festtelefon mit Freisprechanlage und großen Tasten oder ein Handy mit Sprachausgabe, des Weiteren eine Spezialausbildung für einen von der Krankenkasse zu gewährenden Blindenführhund. Nicht alle durch Blindheit bedingten Mehraufwendungen würden durch andere Leistungsträger gedeckt. Der Kläger hat die Auffassung geäußert, wenn das Blindengeld nicht als Einkommen im Rahmen der Sozialhilfebedürftigkeitsprüfung angerechnet werden dürfe, müsse dies auch für Vermögen gelten, das aus dem Blindengeld angespart worden sei. Dieses Vermögen einsetzen zu müssen, bedeute für ihn eine unzumutbare Härte und diskriminiere ihn gegenüber nichtbehinderten Sozialhilfeempfängern.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 27.07.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11.01.2005 sowie der Bescheide vom 03.11.2004, 25.11.2004 und 14.02.2005 zu verurteilen, ihm die für die Zeit vom 01.04.2004 bis 31.03.2005 unter dem Vorbehalt der Rückforderung bzw. darlehensweise gezahlter Hilfe zum Lebensunterhalt als Zuschuss ohne Anrechnung des aus dem Blindengeld angesparten Vermögens zu erlassen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat darauf verwiesen, dass die von der Stadt C erwähnte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zur Anrechenbarkeit von durch Erziehungsgeld angespartem Vermögen ergangen und nicht auf durch Blindengeld angespartes Vermögen übertragbar sei. Soweit solches Vermögen vorrangig zur Bestreitung des Lebensunterhaltes eingesetzt werde, stehe es zwar nicht mehr in dem Umfang zu dem Zwecke zur Verfügung, dem es durch das GHBG grundsätzlich gewidmet sei. Dies treffe den Kläger aber nicht hart. Blindengeld werde monatlich bewilligt. Es müsse deshalb vom Leistungsberechtigten zur Bestreitung der durch die Blindheit bedingten laufenden Mehraufwendungen stets auch laufend monatlich verbraucht werden, um die Zwecke, die mit der Zahlung des Blindengeldes verfolgt würden, zu erfüllen. Im Gegensatz zum Erziehungsgeld stelle sich das Blindengeld nicht als familienpolitische verhaltenssteuernde Sozialleistung dar, sondern solle grundsätzlich und ausschließlich dem Ausgleich von tatsächlichen, laufenden Mehraufwendungen dienen. Soweit hieraus aber Vermögen angespart werde, sei die gesetzliche Zweckbestimmung nicht (mehr) erfüllt, so dass der vorrangige Einsatz dieses Vermögens zur Beschaffung des Lebensunterhaltes keine Härte darstelle.
Das Sozialgericht hat der Klage mit Urteil vom 12.07.2005 stattgegeben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 01.04.2004 bis 31.03.2005 unter dem Vorbehalt der Rückforderung bzw. darlehensweise gezahlte Hilfe zum Lebensunterhalt als Zuschuss ohne Anrechnung des aus dem Blindengeld angesparten Vermögens zu belassen. Nach dem bis zum 21.12.2004 geltenden § 11 Abs. 1 BSHG und dem seit dem 01.01.2005 geltenden § 90 Abs. 1 SGB XII sei Hilfe zum Lebensunterhalt zu gewähren, wenn jemand seinen notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus seinem Einkommen und Vermögen beschaffen könne. Zum Geldvermögen des Klägers gehörten auch seine aus dem Blindengeld erworbenen Fondanteile und angesparten Bankguthaben. Vom Einsatz dieses Vermögens dürfe die Sozialhilfe nicht abhängig gemacht werden, weil dies für den Kläger eine Härte bedeuten würde (§ 88 Abs. 3 S. 1 BSHG, § 90 Abs. 3 S. 1 SGB XII). Andernfalls stünde ihm das eingesparte Blindengeld nicht mehr für die Zwecke zur Verfügung, für die es nach dem GHBG bestimmt sei. Blindengeld werde einkommensunabhängig gewährt. Entgegen der Auffassung der Beklagten werde Blindengeld nicht monatlich bewilligt, sondern lediglich – wie eine Rente – monatlich gezahlt. Weder dem Gesetzeswortlaut noch den Gesetzesmaterialien sei zu entnehmen, dass die Zweckbestimmung des Blindengeldes auf einen monatlichen Verbrauch gerichtet sei. Die Mehraufwendungen, die durch Blindheit bedingt seien, könnten erheblich sein und den monatlichen Betrag des Blindengeldes bei Weitem übersteigen. Deshalb könne es durchaus sinnvoll und dem Zwecke des GHBG dienlich sein, dass Blindengeld anzusparen, um sich auch größere Anschaffungen zum Ausgleich der blindheitsbedingten Mehraufwendungen leisten zu können. Dieser Zweck könnte nicht mehr erreicht werden, wenn der Blinde dieses Vermögen zum Lebensunterhalt einsetzen müsste. Auch wenn das Erziehungsgeld einem anderen Zwecke als das Blindengeld diene, seien die vom Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 04.09.1997 – 5 C 8/97 (BVerwGE 105, 199 = FEVS 48, 4 = NJW 1998, 397) aufgestellten Grundsätze zur Verwertbarkeit von angespartem Vermögen auf den vorliegenden Fall übertragbar. Solange die Blindheit bestehe und Mehraufwendungen verursache, dürfe der Blinde das Blindengeld Monat für Monat einsetzen oder auch ansparen, um größere Mehraufwendungen auszugleichen, ohne dies zur Bestreitung des Lebensunterhaltes einsetzen zu müssen. Würden die Träger der Sozialhilfe dies vom bedürftigen Blinden verlangen, liefe dies auf eine Benachteiligung blinder Sozialhilfeantragsteller gegenüber Blinden, die nicht sozialhilfebedürftig seien, hinaus.
Das Urteil ist der Beklagten am 19.07.2005 zugestellt worden.
Sie hat am 01.08.2005 Berufung eingelegt und zur Begründung ausgeführt: Der Einsatz aus dem durch das Ansparen des Blindengeldes gebildeten Vermögen stelle keine Härte dar. Werde Blindengeld konsequent angespart, entständen relativ hohte Vermögensbeträge, nämlich 7.020,00 Euro pro Jahr. Es könne insoweit nicht überzeugen, dass das Blindengeld ohne jede Einschränkung thesauriert werden könne. Das GHBG schließe das Blindengeld ausschließlich als Einkommen aus. Es verliere seine ursprüngliche Zweckbestimmung, wenn es nur zur allgemeinen Vermögensvermehrung angespart werde. Im Hinblick auf mögliche vorrangige Leistungen erforderten die vom Kläger genannten Anschaffungen keine Geldmittel in Höhe der angesparten 12.780,- Euro. Die Sache sei von grundsätzlicher Bedeutung.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 12.07.2005 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil und trägt ergänzend vor, dass er sich inzwischen eine sprechende Uhr angeschafft habe. Diese Uhr habe 59,- Euro gekostet. Die Personenwaage und die Küchenwaage habe er noch nicht angeschafft, weil er das Geld zunächst für andere Anschaffungen benötigt habe. Er habe Ergänzungen für seinen von der Krankenkasse bewilligten Computer vorgenommen. Hierfür habe er 49,- Euro aufgewandt. Dann habe er Mehrausgaben für Taxikosten gehabt; für die Anschaffung einer Brille habe er 150,- Euro zuzahlen müssen. Für homöopathische Kosten bringe er ca. 100,- bis 200,- Euro auf. Einen Antrag bei der Krankenkasse auf Bewilligung eines Stütz- und Blindenführhundes ) habe er nicht gestellt. Ihm sei es vor allen Dingen wichtig gewesen, dass er mit den Geldern, die ihm zur Verfügung gestanden hätten, sein Computersystem auf "Vordermann" gebracht habe. Ziel seiner Klage sei die Beseitigung der nur darlehensweisen Leistungsgewährung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge und der Akten des Verwaltungsgerichts Aachen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet. Das Sozialgericht ist in seinem Urteil vom 12.07.2005 zu Unrecht davon ausgegangen, dass das aus dem Blindengeld angesparte Vermögen nach der Härtevorschrift des § 88 Abs. 3 BSHG bzw. § 90 Abs. 3 SGB XII geschützt ist.
Klarstellend weist der Senat darauf hin, dass Regelleistungen nach § 11 Abs. 1 BSHG an den Kläger, wie vom Sozialgericht angenommen, nicht zu bewilligen waren, weil nach dem bis zum 31.12.2004 geltenden Recht § 2 Abs. 1 des Gesetzes über eine bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (GSiG) anzuwenden ist. Nach den Feststellungen des Gesundheitsamtes vom 14.05.2004 liegen beim Kläger die Voraussetzungen für die Leistungen nach dem GSiG vor. Damit besteht ein Anspruch auf zuschussweise Bewilligung ausschließlich gemäß § 3 Abs. 1 GSiG nach näherer Maßgabe des Abs. 2. § 3 Abs. 2 GSiG erklärt, dass für den Einsatz von Einkommen und Vermögen die §§ 76 – 88 BSHG und die dazu erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend gelten. Für die Zeit ab 01.01.2005 gelten für die Leistungen nach § 41 SGB XII die Einkommens- und Vermögensvorschriften des § 82 und 90 SGB XII.
Als Ausfluss des Nachranggrundsatzes (§ 2 BSHG, § 2 SGB XII) ist vor einer Leistungsgewährung jeweils zu prüfen, ob der Hilfesuchende Einkommen, was im vorliegenden Fall keine entscheidungserhebliche Rolle spielt, und Vermögen einzusetzen hat, § 88 Abs. 1 BSHG bzw. § 90 Abs. 1 SGB XII. Zum Zeitpunkt der Antragstellung verfügte der Kläger über ein Vermögen von insgesamt 8.912,03 Euro. Hiervon hat die Beklagte zu Recht einen Freibetrag von 1.279,- Euro geschont, weil auch Giro- und Sparguthaben wie Barbeträge nach § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG bzw. § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII zu behandeln sind (vgl. Sartorius in Rothkegel (Hrsg.), Sozialhilferecht, 2005, S. 354). Dass das Vermögen des Klägers über das Schonvermögen des § 88 Abs. 2 BSHG bzw. § 90 Abs. 2 SGB XII hinausgeht, wird von keiner Seite bestritten. Es kann sich deshalb nur die Frage stellen, ob der Einsatz des oberhalb der Schongrenze vorhandenen Vermögens eine Härte bedeutet, was der Senat im Hinblick auf den Einzelfall verneint.
Über das in § 88 Abs. 2 BSHG bzw. § 90 Abs. 2 SGB XII genannte Schonvermögen hinaus stellt Abs. 3 an sich verwertbare Vermögensteile zusätzlich frei. Dann muss allerdings der Einsatz oder ihre Verwertung eine Härte für den Hilfesuchenden darstellen (§ 88 Abs. 3 S. 1 BSHG/ § 90 Abs. 3 S. 1 SGB XII). Der Begriff der Härte kann dabei nur im Zusammenhang mit den vorangehenden Vorschriften des BSHG bzw. des SGB XII über das Schonvermögen ausgelegt werden. Diese sollen gewährleisten, dass die Sozialhilfe nicht zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der vorhandenen Lebensgrundlagen führt. Dem Sozialhilfeempfänger soll auch ein gewisser wirtschaftlicher Spielraum bleiben. Darüber hinaus soll der Selbsthilfewille nicht gelähmt werden und es zu keiner nachhaltigen sozialen Herabstufung kommen. Das Ziel einer Härteregelung kann kein anderes sein. Mit ihr sollen atypische Fälle erfasst werden, in denen wegen besonderer Umstände des Einzelfalles der Vermögenseinsatz ganz oder teilweise den Betroffenen unbillig belasten und den im Gesetz zum Ausdruck gekommenen Zielvorstellungen nicht gerecht würde (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.01.1966, V C 88.64, BVerwGE 23, 149; Mergler/Zink, BSHG, § 88 Rdnr. 66; Brühl in Lehr- und Praxis-Kommentar (LPK-BSHG), 6. Auflage, 2003, § 88 Rdnr. 72). Unter diesen Umständen kommt es im Wesentlichen auf die Umstände des Einzelfalles an, ob der Fall einer begründeten Härte anzunehmen ist.
Zunächst ist festzuhalten, dass die angemessene Lebensführung des Klägers (§ 88 Abs. 3 S. 2 BSHG, § 90 Abs. 3 S. 2 SGB XII) nicht beeinträchtigt ist. Der Kläger erhält weiterhin Blindengeld durch den Landschaftsverband Westfalen-Lippe nach dem einschlägigen GHBG. Dass er seit dem 01.04.2005 keine weiteren Regelleistungen erhält, hängt damit zusammen, dass er mit einer anderen Person zusammenlebt und daraufhin auf die Weitergewährung von Regelleistungen verzichtet hat.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist eine Härte im Sinne des § 88 Abs. 3 BSHG bzw. § 90 Abs. 3 SGB XII nicht bereits deshalb anzunehmen, weil das Blindengeld bei der Gewährung von Regelleistungen nicht als Einkommen einzusetzen ist. Nach § 1 Abs. 1 GHBG erhalten Blinde zum Ausgleich der durch die Blindheit bedingten Mehraufwendungen Blindengeld. Nach dem ausdrücklich erklärten Willen des Gesetzgebers sind demnach Leistungen nach dem GHBG zweckbestimmt (§ 77 Abs. 1 BSHG; § 83 Abs. 1 SGB XII) und somit als Einkommen auf den Bedarf nicht anrechenbar. Darüber besteht zwischen den Beteiligten Einigkeit. Lediglich Leistungen, die Blinde zum Ausgleich der durch die Blindheit bedingten Mehraufwendungen nach anderen Rechtsvorschriften erhalten, werden auf das Blindengeld angerechnet (§ 3 Abs. 1 S. 1 GHBG), worauf es hier allerdings nicht ankommt. Im Gegensatz zum Einkommenseinsatz existieren beim Vermögen keine dem § 77 BSHG oder § 83 Abs. 1 SGB XII vergleichbaren Schutzvorschriften, so dass folglich allein die mit dem Blindengeld verfolgte Zweckrichtung nicht zwingend dazu führen kann, dass ein daraus angespartes Vermögen nach § 88 Abs. 3 BSGH bzw. § 90 Abs. 3 SGB XII geschont werden muss. Dass es dazu einer gesonderten Rechtfertigung bedarf, ergibt sich zudem daraus, dass § 88 Abs. 1 BSHG und § 90 Abs. 1 SGB XII ohne Einschränkung zunächst den Grundsatz aufstellen, dass vorhandenes Vermögen einzusetzen ist, ohne dass das Gesetz ausdrücklich Rücksicht darauf nimmt, aus welchen Quellen es erworben worden ist. Hinzu kommt, dass der Gesetz- und Verordnungsgeber Freibeträge nach § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG und § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII vorgesehen hat und im Prinzip davon ausgeht, dass Vermögen, das die dort genannten Beträge übersteigt, prinzipiell einzusetzen ist.
Nach Auffassung des Senats hat der Kläger keine Gesichtspunkte vorgetragen, die es in besonderer Weise rechtfertigen, dass das aus dem Blindengeld angesparte Vermögen über die Freibeträge hinaus nicht eingesetzt werden muss. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung dargelegt, dass er u.a. Ausgaben i.H.v. 49,- Euro hatte, um das ihm durch die Krankenkasse zur Verfügung gestellte Computersystem auf "Vordermann" zu bringen. Andere Anschaffungen, wie die Personenwaage oder die Küchenwaage, hat der Kläger bisher nicht vorgenommen, was angesichts der bisher vergangenen Zeit nicht gerade dafür spricht, dass der Kläger deren Anschaffung zwingend für notwendig hält. Nach dem Sinn und Zweck des Blindengeldes, das einen typisierten Bedarf ohne nähere Bestimmung ausgleichen soll (vgl. dazu Grube in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2005, § 72 Rdnr. 5), handelt es sich bei diesen Anschaffungen um durch die Blindheit bedingte Mehraufwendungen, zu deren Ausgleich die Blindenhilfe typischerweise gewährt wird. Der Senat brauchte nicht zu entscheiden, ob besondere Hilfsmittel, an deren Anschaffung sich möglicherweise auch andere Leistungsträger beteiligen und die einen erheblicheren wirtschaftlichen Aufwand als die typischerweise vom Blindengeld erfassten Mehrbedarfe erfordern, überhaupt generell als Bedarf anzuerkennen sind , für den das Blindengeld gedacht ist (vgl. Grube, aaO. ,Rdnr. 6). Die Anschaffung dieser Art von Leistungen, die zweifellos wirtschaftlich nicht allein aus dem monatlich zu gewährenden Blindengeld getätigt werden können, erfordert jedenfalls, dass derartige Anschaffungen konkret in die Wege geleitet worden sind, weil andernfalls das aus dem Blindengeld angesparten Vermögen zweckneutral bleibt und auch anders verwendet werden kann. Die vom Kläger geäußerte bloße Absicht, sich einen Blinden- und Stützhund anzuschaffen, reicht deshalb für die Annahme eines Härtegrundes nicht aus. Hierbei handelt es sich um nicht mehr als einen bloßen Wunsch, dem er nach seinen Äußerungen in der mündlichen Verhandlung noch keine Priorität beigemessen hat. Vorrang hatte nach den Worten des Klägers eindeutig die Vervollständigung seines Computersystems, und selbst heute sind von ihm keine konkreten Schritte zur Anschaffung eines Blinden- und Stützhundes eingeleitet worden. Ob dies in Zukunft mit Blick auf angespartes Vermögen anders zu beurteilen sein wird, wenn der Kläger die Ausbildung eines Stütz- und Führhundes konkret in Angriff genommen hat, weil beispielsweise ein Auftrag zur längerdauernden Ausbildung eines solchen Hundes gegeben wird, konnte der Senat offen lassen.
Selbst unter Berücksichtigung, dass das Blindengeld seinem Sinn nach dem Blinden einen Ausgleich für die durch die Blindheit bedingten Mehraufwendungen bieten soll und darin auch die Befriedigung immaterieller Bedürfnisse des Blinden enthalten ist (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 05.12.2001, B 7/1 SF 1/00 R, FEVS 53, 403), sind die Voraussetzungen eines Härtefalles nicht erfüllt. Ein Vergleich mit der Freistellung des Schmerzensgeldes vom Vermögenseinsatz, der in der Rechtsprechung des BVerwG (Urteil vom 18.05.1995, 5c 22/93, BVerwGE 98, 256) anerkannt ist, verbietet sich wegen der erheblichen Unterschiede zwischen Schmerzensgeld und Blindengeld. Sie bestehen darin, dass das Schmerzensgeld zur Verfügung steht, um einen angemessenen Ausgleich des zugefügten immateriellen Schadens und die Genugtuung erlittenen Unrechts zu gewährleisten. Dagegen ist es nicht das Ziel von Sozialleistungen und insbesondere des hier in Rede stehenden Blindengeldes, eine derartige Kompensation vorzunehmen. In diesem Sinne erweist sich die vom Bundesverwaltungsgericht angenommene Ausnahme im Fall des Schmerzensgeldes deshalb auch als ein Beleg dafür, dass eine Härte im Sinne des § 88 Abs. 3 BSHG im Einzelfall angenommen werden kann, wenn das abgesparte Vermögen einem Zweck dient, der von den vermögensrechtlichen Schonvorschriften der Sozialhilfe so nicht umfasst wird.
Das vom Senat vertretene Ergebnis wird des Weiteren bestätigt durch die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zum Einsatz von Vermögen, das durch eingespartes Erziehungsgeld entstanden ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 04.09.1997, 5 C 8/97, FEVS 48, 4). Anders als das Sozialgericht ist der Senat der Auffassung, dass diese Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nicht zu Gunsten des Klägers herangezogen werden kann. Das Bundesverwaltungsgericht hat nämlich in der genannten Entscheidung ausgeführt, dass der Umstand, dass Sozialleistungen bei der Einkommensanrechnung außer Betracht bleiben müssen, nicht selbstverständlich dazu führt, dass aus diesen Sozialleistungen angespartes Vermögen gleichfalls anrechnungsfrei ist. Dies ergibt sich schon daraus, dass das Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich klargestellt hat, dass aus Erziehungsgeld erworbenes Vermögen seine Eigenschaft der fehlenden Anrechenbarkeit verlieren kann. Darüber hinaus verdeutlicht diese Entscheidung, dass die Unzumutbarkeit des Einsatzes von aus Sozialleistungen stammendem Vermögen eine Ausnahme bleibt, die, wenn sie nicht wie beim Schmerzensgeld aus dem Charakter des Vermögens selbst herzuleiten ist, einer besonderen gesetzlichen Rechtfertigung bedarf. Diese ist in der besonderen Zielsetzung des Erziehungsgeldes gesehen worden, weil es nach dem Verständnis des Bundesverwaltungsgerichts für einen begrenzten Zeitraum ausgezahlt wird und den Empfängern des Erziehungsgeldes innerhalb dieses Zeitraums einen besonderen, vermögensrechtlich geschützten Dispositionsspielraum eröffnet, innerhalb dessen sie über die empfangenen Beträge entweder laufend oder aber insgesamt entscheiden können. Eine solche, auf bestimmte Zeiträume bezogene erweiterte Dispositionsbefugnis, wie sie der Gesetzgeber im Rahmen des Erziehungsgeldgesetzes eröffnet hat, lässt sich den Bestimmungen für das Blindengeld nicht entnehmen. Sinn und Zweck des Blindengeldes ist es vornehmlich, konkrete und aktuelle Bedarfslagen, wie die Anschaffung der vom Kläger genannten kleineren Hilfsmittel, für die ohne weiteres das monatliche Blindengeld ausreicht, sowie zusätzliche durch die Blindheit bedingte Ausgaben des täglichen Lebens (Beispiel die genannten Taxikosten) zu befriedigen. Der Einsatz der hier zur Verfügung gestellten Mittel ist im zeitnahen Zusammenhang zur Bewilligung vorzunehmen. Verwendet der Hilfeempfänger die zweckgerichteten und für einen monatlichen Zeitraum zur Verfügung gestellten Mittel nicht, sei es aus Sparsamkeit, sei es aus anderen Gründen, so bewirkt dies nicht, dass ihm damit das Recht erwächst, über die Summe zunächst nicht eingesetzter Mittel in Zukunft frei zu verfügen. Dies widerspräche den Leitvorstellungen des Gesetzes. In diesem Fall findet vielmehr der Grundsatz wiederum Anwendung, dass Vermögen ungeachtet seines Herkommens bei der Bedarfsermittlung berücksichtigt werden muss. Dies hat zwar die Konsequenz, dass, wie das Sozialgericht zur Rechtfertigung der von ihm vertretenen Meinung angeführt hat, ein blinder, nicht sozialhilferechtlich abhängiger Mensch über das von ihm angesparte Blindengeld frei und anders verfügen kann als ein Sozialhilfeempfänger. Der Senat schließt sich aber auch insoweit der bereits genannten Rechtsprechung des BVerwG (Urteil vom 26.01.1966, V C 88.64, a.a.O.) an, wonach die Vorschrift über den Vermögenseinsatz (§ 88 BSHG) weder aus Art. 3 GG i.V. m. dem Sozialstaatsprinzip noch aus Art. 1 GG (Prinzip der Menschwürde) grundlegenden Bedenken unterliegt. Die unterschiedlichen Folgen für Hilfeempfänger und Nichthilfeempfänger sind hinzunehmen, weil jenseits der durch das Schonvermögen gezogenen Grenzen grundsätzlich eine Mitbeteiligung des Hilfesuchenden durch Einsatz seines Einkommens oder Vermögens erwartet werden kann. Auch nach den genannten verfassungsrechtlichen Normen kann verlangt werden, dass der Einzelne seine Kräfte in Form eines Vermögenseinsatzes einsetzt. Damit werden keine Abstriche an den Sozialstaatsgedanken gemacht (vgl. BVerwG, a.a.O.).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Der Senat lässt die Revision gem. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zu, weil die Frage, ob aus dem Blindengeld angespartes Vermögen unter Härtegesichtspunkten nicht für den laufenden Bedarf einzusetzen ist, von grundsätzlicher Bedeutung ist.
Erstellt am: 12.11.2007
Zuletzt verändert am: 12.11.2007